Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.11.2011


BPatG 14.11.2011 - 29 W (pat) 173/10

Markenbeschwerdeverfahren – "violett-purpurfarben gefüllte, rechteckähnliche geometrische Figur (variable Bildmarke)" - als sonstige Markenform angemeldete geometrische Figur mit variablen Längen- und Breitenverhältnissen - fehlende grafische Darstellbarkeit


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
14.11.2011
Aktenzeichen:
29 W (pat) 173/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Als sonstige Markenform "variable Bildmarke" ist das Zeichen 30 2009 009 356 am 12. Februar 2009 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 11, 16, 17, 19, 20, 29, 30, 31, 32, 35, 36, 37, 39, 40, 41 und 42 angemeldet worden. Eingereicht wurde die Kombination einer farbigen Abbildung (mit drei beispielhaften Figuren)

Abbildung

2

mit folgender Beschreibung der zu schützenden Marke:

3

"Eine violett-purpurfarben gefüllte, rechteck-ähnliche geometrische Figur der in den unten gezeigten drei Beispielen dargestellten Art mit zwei parallelen geraden Begrenzungslinien in einer Längsrichtung und einer geraden Begrenzungslinie und einer sich nach außen verwölbenden kreisbogenförmigen Begrenzungslinie in einer zur Längsrichtung rechtwinkligen Querrichtung,

4

wobei das Verhältnis der Abmessung in der Längsrichtung (Länge) der Figur zur Abmessung in der Querrichtung (Breite) der Figur variabel ist, wobei das Verhältnis der Länge zur Breite zwischen 1:2 (Breite doppelt so groß wie die Länge) und 10:1 (Länge zehnmal so groß wie die Breite) liegt."

5

Mit Beschlüssen vom 19. August 2009 und 12. Mai 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung wegen fehlender grafischer Darstellbarkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zwar verlange das Kriterium der grafischen Darstellbarkeit nicht notwendig die grafische Wiedergabe der Marke selbst, da eine mittelbare grafische Darstellung genüge; auch komme eine Kombination von Abbildung und Beschreibung für eine grafische Darstellbarkeit prinzipiell in Betracht. Dennoch sei vorliegend der Schutzgegenstand des Anmeldezeichens nicht hinreichend bestimmt genug, weil aufgrund der Variabilität der Ausbreitung der geometrischen Figur mit einem Verhältnis der Länge zur Breite zwischen 1:2 und 10:1 eine Vielzahl von Möglichkeiten der Größenverhältnisse denkbar sei. Eine solche Marke wäre daher für den Nutzer in ihrem Schutzgegenstand weder genau erkennbar, noch sei eine eindeutige, abgeschlossene Darstellung möglich. Die Einreichung von Beispielen reiche dazu ebenfalls nicht aus, da davon nicht alle in Betracht kommenden Varianten abgedeckt seien. Der Gegenstand des Markenschutzes sei im vorliegenden Fall nicht genau festgelegt, da die Vorstellungskraft des Betrachters nicht bestimmt genug sei, um sich hier die verschiedenen Größenverhältnisse vorstellen zu können, trotz der in der Beschreibung angegebenen Bandbreite der Möglichkeiten der Größenverhältnisse.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

7

die Beschlüsse des DPMA vom 12. Mai 2010 und 19. August 2009 aufzuheben.

8

Für den Fall der Verneinung eines Zurückweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 MarkenG regt sie die Zurückverweisung des Verfahrens an das DPMA an.

9

Sie ist der Ansicht, dass das um Schutz nachsuchende Zeichen grafisch darstellbar sei i. S. v. § 8 Abs. 1 MarkenG. Dem stünde nicht entgegen, dass die (mittelbare) Darstellung des Zeichens in der Anmeldung eine Mehrzahl oder gar Vielzahl konkreter Ausprägungs- oder Verwendungsformen abdecke. Sofern ein Zeichen in einer Abstraktion, also einem wahrnehmbaren gemeinsamen Nenner, einer Mehrzahl konkreter Darstellungen bestehe, müsse auch dessen Wiedergabe in eindeutiger Weise diejenigen Merkmale kennzeichnen, die sämtlichen konkreten Verwendungsformen des Zeichens gemeinsam sein sollen. Darüber hinaus müsse klar sein, inwieweit die konkreten Verwendungsformen variieren könnten. Die vorliegende Anmeldung erfülle diese Voraussetzungen. Insbesondere sei die Darstellung des Anmeldezeichens leicht zugänglich, denn sie lasse sich mit grafischen Standardverfahren ohne weiteres anzeigen oder ausdrucken. Sie sei auch in sich abgeschlossen, d. h. abgegrenzt durch die Darstellung auf einem DIN A4-Blatt. Entgegen der Auffassung der Markenstelle sei die grafische Darstellung des Zeichens auch eindeutig und objektiv. Dem Leser der Zeichenwiedergabe sei klar, dass nur solche rechteck-ähnlichen geometrischen Figuren Ausprägungen der Marke sein sollten, die die in dem o. g. Text der Wiedergabe genannten Bedingungen erfüllten. Der Text sei eindeutig, verständlich und lasse keine subjektiv variierenden Auslegungen zu. Durch die zusätzlich zur Erläuterung angegebenen drei grafischen Beispiele werde auch dem durchschnittlich informierten Benutzer des Markenregisters klar, welcher Art die rechteck-ähnliche geometrische Figur sein solle, die als konkrete Ausprägungs- oder Verwendungsform des Zeichens angesehen werden könne, und dass die beispielhaft dargestellte und mit einfachen Worten beschriebene Purpur-Clip-Figur weitgehend unabhängig von ihrem Längen-Breiten-Verhältnis als Marke geschützt sein solle. Bei anderen Markenformen sei es bereits seit längerem üblich, dass diese abstrakt seien, d. h. eine Vielzahl konkreter Ausprägungs- oder Verwendungsformen abdeckten, wie dies beispielsweise bei einer abstrakten Farbmarke oder bei einer Positionsmarke der Fall sei. Die vorliegende Anmeldung unterscheide sich von der früheren zurückgewiesenen Markenanmeldung 307 51 081 (vgl. Beschluss des 26. Senats vom 10. Dezember 2008, 26 W (pat) 60/08) insbesondere dadurch, dass sie nicht mehr eine beliebige Variabilität des Verhältnisses zwischen Breite und Länge abdecke, sondern diese nun konkret eingegrenzt worden sei.

10

Die Beschwerdeführerin regt in der mündlichen Verhandlung die Zulassung der Rechtsbeschwerde an zu den beiden Fragen, ob eine variable Bildmarke, also eine Bildmarke mit variablem Abmessungsverhältnis, grundsätzlich darstellbar ist i. S. v. § 8 Abs. 1 MarkenG und, falls ja, welche speziellen Anforderungen an die Wiedergabe eines solchen Zeichen bestehen. Alternativ regt sie an, ein Vorabentscheidungsgesuch an den Europäischen Gerichtshof zu den vorgenannten Fragen zu richten.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

12

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet.

13

1. Das angemeldete Zeichen kann nicht zur Eintragung zugelassen werden, weil es die Anforderungen an die grafische Darstellbarkeit im Sinn von § 8 Abs. 1 MarkenG nicht erfüllt.

14

1.1. Die Beschwerdeführerin begehrt die Eintragung ausweislich des Anmeldeformulars als eine sonstige Markenform im Sinn von § 6 Nr. 6 i. V. m. § 12 MarkenV. Als Wiedergabe der Marke gem. § 12 Abs. 1 MarkenV hat die Anmelderin eine bildliche Darstellung als Beispiel von drei möglichen Erscheinungsformen des Zeichens und zusätzlich eine gem. § 12 Abs. 3 MarkenV zulässige Beschreibung beigefügt.

15

Gegenstand der Anmeldung ist damit eine bildliche Darstellung der geometrischen Figur mit drei Beispielen aus der Auswahl vieler verschiedener Erscheinungsformen des Zeichens im Marktauftritt. Das Verhältnis der Länge zur Breite der Figur soll variabel sein und zwischen 1:2 (Breite doppelt so groß wie die Länge) und 10:1 (Länge zehnmal so groß wie die Breite) liegen. Das Zeichen tritt demgemäß dann jeweils unterschiedlich auf dem Markt auf, wobei laut Markenbeschreibung lediglich die Farbgebung gleichbleibend ist und sämtliche Erscheinungsformen die in der Beschreibung genannten abstrakten gemeinsamen Merkmale (zwei parallele gerade Begrenzungslinien in einer Längsrichtung und einer geraden Begrenzungslinie und einer sich nach außen verwölbenden kreisbogenförmigen Begrenzungslinie in einer zur Längsrichtung rechtwinkligen Querrichtung) aufweisen sollen.

16

Folglich ist Gegenstand der fraglichen Markenanmeldung eine beanspruchte weitere neue Markenform, eine sog. variable Marke.

17

1.2 Als solches lässt sich der Gegenstand der Anmeldung nicht im Rechtssinne grafisch darstellen.

18

1.2.1 Die grafische Darstellbarkeit ist nach Art. 2 Markenrechtsrichtlinie ein Grunderfordernis für die Markenfähigkeit von Registermarken. Die Definition der Markenfähigkeit ist dabei für alle Markenkategorien einheitlich. Eine Marke muss erstens ein Zeichen sein, zweites muss sich dieses Zeichen grafisch darstellen lassen und drittens muss dieses Zeichen abstrakt geeignet sein, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2007, 231 Rn. 28 - Dyson; GRUR 2004, 858, 859 - Rn. 22 - Heidelberger Bauchemie; GRUR 2003, 604, 606 - Rn. 23 - Libertel; GRUR 2003, 145, 147 - Rn. 45 - Sieckmann). Der deutsche Gesetzgeber hat die grafische Darstellbarkeit von für die Eintragung in das Register bestimmten Marken in § 8 Abs. 1 MarkenG geregelt. Auch im deutschen Recht handelt es sich um ein zentrales materiellrechtliches Erfordernis der Markenfähigkeit in Verbindung mit § 3 Abs. 1 MarkenG. Die grafische Darstellbarkeit dient dabei im Wesentlichen drei Zwecken: erstens soll im Eintragungsverfahren der Beurteilung der Marke eine festgelegte Form zugrunde gelegt werden, zweitens soll die Eintragung im Register dadurch erst ermöglicht werden und drittens soll durch eine Veröffentlichung der Marke die Allgemeinheit über ihren Schutzumfang unterrichtet werden (BGH GRUR 2001, 1154 f. - Farbmarke violettfarben; BPatG GRUR 2005, 594, 595 - Hologramm; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rdnr. 93 m. w. N.).

19

1.2.2 Als Erfordernis der funktionsgemäßen Darstellung eines Zeichens ist nach den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen notwendig, dass es klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sein muss (seit EuGH a. a. O. Rn. 29 - Libertel; a. a. O. - Sieckmann). Das gilt für visuell wahrnehmbare Zeichen ebenso wie für visuell nicht wahrnehmbare. Grundsätzlich kann auch ein visuell nicht wahrnehmbares Zeichen Registermarke werden, wenn es zumindest mittelbar grafisch dargestellt werden kann. Dies wurde vom Europäischen Gerichtshof zur abstrakten Farbmarke, zur Geruchsmarke und zur Hörmarke entschieden (EuGH a. a. O. - Heidelberger Bauchemie; a. a. O. Rn. 45 - Sieckmann; GRUR 2004, 54 - Shield Mark - Hörmarke).

20

Bei der abstrakten Farbmarke erfolgt die mittelbare grafische Darstellung durch Vorlage eines Farbmusters mit einer sprachlichen Beschreibung und der Bezeichnung der Farbe durch einen international anerkannten Kennzeichnungscode. Die zu schützende Farbe als solche ist jedoch aufgrund der Skala objektiv festgelegt und registrierbar. Gleiches gilt für die Hörmarke anhand der Notenschrift. Nicht so die begehrte variable Bildmarke. Zum einen entspricht die in der Wiedergabe des Zeichens beschriebene Variabilität des Längen- und Breitenverhältnisses nicht den Anforderungen an die Kriterien "leicht zugänglich" und "verständlich". Zum anderen kann die fragliche geometrische Figur aufgrund ihrer variablen Ausbreitung in Länge und Breite - trotz der in der Markenbeschreibung erfolgten Eingrenzung des Abmessungsverhältnisses - in einer Vielzahl von Größenverhältnissen unterschiedlich in Erscheinung treten. Durch § 3 MarkenG wird die Markenfähigkeit zwar auf gegenständliche, nicht jedoch auf abstrakte, nur unbestimmt angegebene Erscheinungsformen erweitert. Hierdurch würde anstelle des Schutzgegenstands der Schutzumfang in das Belieben der Anmelderin gestellt (BPatG 26 W (pat) 60/08 - Variable Bildmarke). Dass drei beispielhafte Darstellungen eingereicht wurden, vermag eine ausreichende Darstellbarkeit jedenfalls nicht zu begründen, da diese Beispiele nicht mit dem Gegenstand der Anmeldung gleichgestellt werden können. Dieser geht vielmehr darüber hinaus und soll sich auf eine Vielzahl weiterer Erscheinungsformen erstrecken und ist somit unbestimmt (EuGH GRUR 2007, 231 Rdnr. 31 ff. - Dyson). Es handelt sich letztlich um ein Konzept einer Verpackung.

21

1.2.3 Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Vergleichbarkeit mit der abstrakten Farbmarke geht insoweit fehl, als die konturunbestimmte Farbmarke zwar in unterschiedlichen Auftritten vorkommt, der Schutzgegenstand, die Farbe, aber stets dieselbe ist. Auch die Darstellbarkeit von Zwei-Farben-Marken lässt keine Variabilität wie vorliegend beansprucht zu. Denn es ist bei der Beanspruchung einer konturlosen Farbkombination eine ausreichende grafische Darstellbarkeit nur gegeben, wenn – kumulativ - eine eindeutige und dauerhafte Bezeichnung der beanspruchten Farben, konkrete Festlegungen zum quantitativen Verhältnis der Farben zueinander und konkrete Festlegungen zur räumlichen Anordnung der beanspruchten Farben vorliegen (BGH GRUR 2007, 55, 56 Rdnr. 13 - Grün/Gelb II; BPatG GRUR 2005, 1056, 1057 - zweifarbige Kombination Dunkelblau/Hellblau; GRUR 2009, 157 – 161 – Orange/Schwarz; 26 W (pat) 12/10 – Blau/Silber). Die grafische Darstellbarkeit von Positionsmarken setzt voraus, dass die Positionierung des Zeichens auf einem genau bestimmten Warenteil, in stets gleich bleibender Positionierung und in abschließend festgelegter Größe bzw. Größenrelation zur Ware definiert sein muss (BPatG Mitt. 2000, 114 – Blaue Linie auf Rohr; 28 W (pat) 47/10 – Farbfläche auf Maschinengehäuse). Auch bei dieser Markenform dürfen daher die o. g. Parameter, wie beispielsweise die Größe des Zeichens, nicht variieren.

22

2. Für die angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den hierfür notwendigen Voraussetzungen, da die von der Beschwerdeführerin definierte Rechtsfrage weder von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) - hierüber wurde bereits in zahlreichen Verfahren betreffend die neuen Markenformen entschieden (s. o.) -, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

23

Der Senat sieht in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache "Dyson" (GRUR 2007, 231) bereits eine ausreichende höchstrichterliche Beantwortung der hier im Verfahren aufgeworfenen und von der Beschwerdeführerin zur Klärung durch den Bundesgerichtshof angeregten Rechtsprobleme. In dieser Entscheidung wurde festgestellt, dass der Gegenstand einer Markenanmeldung, die sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen erstrecken soll, zu unbestimmt ist und damit kein "Zeichen" im Sinne von Art. 2 Markenrechtsrichtlinie sein kann.

24

Aus den gleichen Gründen setzt der Senat das Verfahren auch nicht aus, um an den Europäischen Gerichtshof ein Vorabentscheidungsgesuch zu richten. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht  (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m Art. 234 Abs. 2 EG).