Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.09.2011


BPatG 26.09.2011 - 29 W (pat) 169/10

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Entertainer.de " – keine bösgläubige Markenanmeldung – keine Behinderungsabsicht – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
26.09.2011
Aktenzeichen:
29 W (pat) 169/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 33 118

(Löschungsverfahren S 190/09)

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Dorn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

Entertainer.de

3

wurde für Waren der

4

Klasse 9: unbespielte Ton-, Bild- (ausgenommen unbelichtete Filme) und Datenträger aller Art, insbesondere Compact-Discs, Tonbänder, Tonkassetten (Kompaktkassetten), Videoplatten (Bildplatten), -kassetten und -bänder; Rechengeräte;

5

und

6

Klasse 16: Papierwaren, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Buchbinderartikel, Schreibwaren, Schreibgeräte, Federhalter, Bleistifte; Schreib- und Briefblöcke; Grußkarten; Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Schreibmaschinen- und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern; Druckstöcke

7

am 7. Juni 2005 angemeldet und am 10. September 2007 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen.

8

Den am 22. Juli 2009 beim DPMA eingegangenen Löschungsantrag hat der Antragsteller und Beschwerdeführer damit begründet, dass die angegriffene Marke nicht unterscheidungskräftig sowie bösgläubig angemeldet worden sei. Er sei seit 2002 bei der zentralen Registrierungsstelle DENIC eG eingetragener Inhaber der Domain "entertainer.de" und seit dem 13. Oktober 2006 Inhaber der Wortmarke "Entertainer" (30622622) für vorwiegend im Werbe- und Vermittlungsbereich angesiedelte Dienstleistungen der Klasse 35. Seit Dezember 2005 nutze er diese Domain durch Parken auf der Domain-Parking-Plattform des Unternehmens S. und plane langfristig ein gewerbliches Internetportal.

9

Die Antrags- und Beschwerdegegnerin hat dem Löschungsantrag mit ihrem am 14. Oktober 2009 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz vom 13. Oktober 2009 widersprochen und die Auffassung vertreten, sie habe nicht in einen schutzwürdigen Besitzstand des Antragstellers eingegriffen, weil dieser die Domain "entertainer.de" bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht genutzt habe. Ihm fehle auch ein ernsthaftes Nutzungsinteresse, weil er sie allein dazu verwende, sie Dritten zu überhöhten Preisen zu verkaufen. Demgegenüber habe sie, die Antragsgegnerin, als seit fast 30 Jahren bestehender, größter deutscher Fachverlag der Entertainment-Branche ein lebhaftes Eigeninteresse an der streitgegenständlichen Marke.

10

Die Markenabteilung 3.4 des DPMA hat mit Beschluss vom 28. April 2010 den Löschungsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, dass eine Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin zum Anmeldezeitpunkt nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne und es der Marke auch nicht an Unterscheidungskraft fehle. Der Antragsteller verfüge nicht über einen schutzwürdigen Besitzstand, weil er die Domain "Entertainer.de" beim sog. S.parken nicht markttypisch nutze. Denn es würden dort keine Entertainerinhalte angeboten. Aber selbst wenn ein schutzwürdiger Besitzstand unterstellt würde, hätte die Antragsgegnerin einen rechtfertigenden Grund für den Eingriff und somit keine bösgläubige Absicht gehabt. Als die angegriffene Marke am 7. Juni 2005 angemeldet worden sei, hätten sich die Parteien in ernsthaften Verhandlungen über den Verkauf der Adresse befunden. Als Fachverlag in der Entertainment-Branche habe die Antragsgegnerin ein Interesse an der eigenen Nutzung der Internetdomain und an der markenrechtlichen Absicherung gehabt. Das Scheitern des Verkaufs sei angesichts des angebotenen Kaufpreises von über … € nicht absehbar gewesen. Gegen eine Behinderungsabsicht der Markeninhaberin spreche zudem, dass sie dem Antragsteller zusätzlich zum Kaufpreis die Übertragung der ähnlich lautenden Domain "Der-Entertainer.de" angeboten habe, und dass sie aus der Marke bisher nicht gegen den Beschwerdeführer vorgegangen sei. Da die Waren der Klassen 9 und 16 – unbespielte Datenträger sowie Papier-, Schreib- und Verpackungsmaterialien –, für welche die angegriffene Marke eingetragen sei, keinen Inhalt aufwiesen, sei von einer unterscheidungskräftigen Angabe auszugehen.

11

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er beantragt,

12

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 28. April 2010 aufzuheben.

13

Er regt zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Begründung an, dass bislang in der Rechtsprechung noch nicht geklärt sei, ob sich eine als Internet-Domain formulierte Bezeichnung als betrieblicher Herkunftshinweis eigne. Ferner vertritt er die Ansicht, bei der Inhaberschaft einer Domain handele es sich um ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 BGB, das durch Art. 14 GG geschützt sei. Die angegriffene Marke, für die es denknotwendig keine andere Verwendung gebe als die Nutzung als Internetadresse, schränke sein Recht als Inhaber dieser Internetadresse massiv ein. Aus den vorgelegten Screenshots (Bl. 26 GA) ergebe sich, dass sich auf seiner Domain ausschließlich themenbezogene Werbung befinde. Ferner sei der Verkauf oder ein anderes Geschäft zwischen den Parteien bereits endgültig zum Zeitpunkt der Markenanmeldung gescheitert gewesen: Am 12. Januar 2005 sei die erste Kaufanfrage von der Antragsgegnerin gestellt worden, auf die er noch am gleichen Tage geantwortet habe, dass schon andere Kaufangebote "teilweise im deutlich fünfstelligen Bereich" ihn nicht hätten überzeugen können. Ihr Angebot von … € habe er noch am 13. Januar 2005 abgelehnt.In der Folgezeit seien noch einige Angebote gemacht worden. Am 4. Juni 2005 habe er unter Bezugnahme auf die gescheiterten Kaufvertragsverhandlungen vom Jahresbeginn darauf hingewiesen, dass statt eines Verkaufes nur noch eine Vermietung in Betracht komme. Am 6. Juni 2005 habe die Antragsgegnerin eine Vermietung abgelehnt, um ein Verkaufsangebot gebeten und kurze Zeit später an diesem Tag ein Kaufangebot über … € netto unterbreitet, das er noch am gleichen Tage unter Hinweis auf die Möglichkeit der Miete abgelehnt habe. Am 7. Juni 2005 habe die Antragsgegnerin ihr Kaufangebot um die Domain "Der-Entertainer.de" erweitert. Noch am gleichen Tage habe er auch dieses Angebot endgültig abgelehnt und die Antragsgegnerin habe die angegriffene Marke angemeldet. Danach habe es keine Verhandlungen mehr gegeben. Die Markenanmeldung sei daher ausschließlich zur Beeinträchtigung und Einschüchterung seinerseits, also bösgläubig, vorgenommen worden. Der bekannte Begriff des Entertainers im Sinne von "Alleinunterhalter", "Künstler" sei keine unterscheidungskräftige Angabe, sondern sogar freihaltebedürftig, weil Entertainer ihre Darbietungen regelmäßig auf Tonträgern und Papierwaren, wie sie hier für die angegriffene Marke eingetragen seien, verewigten.

14

Die Antragsgegnerin und Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

15

die Beschwerde zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, die Beschwerde sei gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 253 ZPO analog unzulässig, weil der Beschwerdeführer es unterlassen habe, seine vollständige Anschrift anzugeben. Das S.-Parking, bei dem völlig unspezifisch Werbung angeboten werde, sei keine kennzeichenrechtliche Nutzung des Zeichens "entertainer.de". Es handele sich nur um ein Angebot zum Erwerb eines Domainnamens, nicht aber um geschäftliches Handeln unter einem Domainnamen. Der Domainname als solcher stelle kein Immaterialgüterrecht dar. Er könne daher nicht stärker sein als ein Markenrecht. Da der Antragsteller in seiner E-Mail vom 6. Juni 2005 erklärt habe, "sicherlich gibt es einen Betrag, dem ich ggf. wohl nicht widerstehen könnte, aber dieser wäre dann aus Ihrer Sicht sehr wahrscheinlich unwirtschaftlich", fehle es an einer endgültigen Verkaufsweigerung. Zudem sei er nach wie vor zu einer Vermietung bereit gewesen. Sie, die Antragsgegnerin, sei Inhaberin von acht Domains und acht Marken mit dem Bestandteil "entertainer" (Seiten 4 u. 5 ihres Schriftsatzes vom 13. Oktober 2009, Bl. S. 32 u. S. 33 VA), habe damals die Herausgabe einer Zeitschrift mit dem Namen "entertainer" geplant und in der Ausgabe 3/05 der von ihr verlegten, führenden Fachzeitschrift "Blickpunkt: Film" eine Titelschutzanzeige für die Bezeichnungen "Entertainer" und "Der Entertainer" geschaltet. Wenn Entertainerdarbietungen auf Datenträgern verewigt würden, seien diese nicht mehr "unbespielt", so dass die Behauptung fehlender Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke ins Leere gehe. Der Zulassung der Rechtsbeschwerde bedürfe es nicht, weil die vom Antragsteller angesprochene Frage bereits höchstrichterlich geklärt sei (BGH MMR 2009, 534 – ahd.de).

17

Der Antragsteller erwidert, dem DPMA liege seine vollständige Anschrift vor. Ferner habe er sie im Rubrum seiner Replik vom 15. September 2010 erneut mitgeteilt.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

19

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

20

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Umstand, dass die Anschrift des Antragstellers weder im Löschungsantrag noch in der Beschwerdeschrift vollständig, nämlich ohne Hausnummer bzw. ohne Straßennamen und Hausnummer, angegeben war, die Zulässigkeit der Beschwerde überhaupt berührt hat, weil er sie spätestens im Rubrum seiner Replik vom 15. September 2010 (Bl. 48 GA) vollständig mitgeteilt hat.

21

Die Markenabteilung hat zu Recht und mit überwiegend zutreffender Begründung die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke abgelehnt, weil keine Löschungsgründe im Sinne des § 50 Abs. 1 MarkenG gegeben sind.

22

1. Die Antragsgegnerin hat dem ihr am 27. August 2009 per Einschreiben übersandten Löschungsantrag fristgerecht mit ihrem am 13. Oktober 2009 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz widersprochen.

23

2. Nach § 50 Abs. 1 MarkenG ist eine Markeneintragung zu löschen, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG ist ein Löschungsgrund gegeben, wenn die Marke bösgläubig angemeldet worden ist.

24

Zur Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit knüpft die Rechtsprechung an ihre zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach § 1 UWG und § 826 BGB entwickelten Grundsätze an. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Markenanmeldung bösgläubig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG, wenn der Anmelder das angemeldete Zeichen nicht als Marke, d. h. als Herkunftshinweis, benutzen, sondern die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Kennzeichenrechts lediglich zum Zwecke der rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einsetzen will (BGHZ 167, 278 Rdnr. 41 - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2005, 581, 582 = WRP 2005, 881 - The Colour of Elégance, jeweils m. w. N.; BGH MarkenR 2009, 313 - Ivadal). Die Bösgläubigkeit muss, wie bereits aus dem Gesetzeswortlaut folgt, im Zeitpunkt der Anmeldung gegeben sein. Bei der Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines Zeichens vorliegen, insbesondere

25

– die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnliche Ware verwendet,

26

– die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie

27

– den Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen (EuGH GRUR 2009, 763, 765 Rdnr. 38 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth).

28

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind mehrere Fallgruppen der bösgläubigen Anmeldung herausgearbeitet worden, nämlich u. a. (1) die Anmeldung sogenannter Sperrmarken, um Dritte mit Unterlassungs- oder Geldforderungen zu überziehen, ohne dass ein genereller Benutzungswille des Markenanmelders vorliegt, (2) die Anmeldung von Marken mit dem Ziel, den erkannten im Inland bestehenden schutzwürdigen Besitzstand eines Vorbenutzers einer gleichen oder verwechselbar ähnlichen Bezeichnung für gleiche oder ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen ohne rechtfertigenden Grund zu stören oder den weiteren Gebrauch der vorbenutzten Bezeichnung durch den Vorbenutzer zu sperren (vgl. BGH MarkenR 2009, 312, 313 - Ivadal), (3) die Anmeldung der Marke mit der Absicht einer zweckfremden Nutzung des Zeichens, um Dritte in wettbewerbswidriger Weise zu behindern, und (4) der Fall der Markenerschleichung, d. h. wenn der Anmelder falsche Angaben macht oder Umstände verschweigt, um die Eintragung der Marke zu erreichen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 531 m. w. N.; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 8 Rdnr. 667 - 678; Grabrucker, Mitt. 2008, 532, 537).

29

Bei Anwendung sämtlicher vorgenannter Grundsätze kann die Markenanmeldung der Antragsgegnerin nicht als bösgläubig eingestuft werden.

30

a) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin einen schutzwürdigen Besitzstand des Antragstellers ohne sachlichen Grund mit Störungs- oder Behinderungsabsicht verletzt hat.

31

aa) Es fehlt schon an einem Eingriff in einen im Inland bestehenden schutzwürdigen Besitzstand des Antragstellers. Der Besitzstand muss durch eine hinreichende Marktpräsenz und daraus folgende Bekanntheit der Kennzeichnung im Inland belegt sein (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 308 m. w. N.).

32

aaa) Durch die im Jahre 2002 erfolgte Eintragung der Internet-Domain "entertainer.de" bei der zentralen Registrierungsstelle DENIC e. G. hat der Antragsteller keinen schutzwürdigen Besitzstand erlangt.

33

Das aus dem Vertrag mit der DENIC e.G. folgende Nutzungsrecht an einer Internet-Domain stellt zwar eine eigentumsfähige Position im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG dar; der Inhaber erwirbt aber weder das Eigentum an der Internet-Adresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain, welches ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre (BVerfG GRUR 2005, 261; BGH GRUR 2008, 1099, 1100 Rdnr. 21 – afilias.de). Denn der Eintrag eines Domainnamens ist nicht wie ein absolutes Recht einer bestimmten Person zugewiesen (BGHZ 149, 191, 205 - shell.de).

34

Durch die Benutzung eines Domainnamens kann zwar grundsätzlich ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen erworben werden, wenn der Verkehr in der als Domainnamen gewählten Bezeichnung einen Herkunftshinweis erkennt (BGH a. a. O. Rdnr. 22 – afilias.de). Die Registrierung des Domainnamens im Jahr 2002 allein lässt ein Kennzeichenrecht des Antragstellers aber noch nicht entstehen.

35

bbb) Es kann dahingestellt bleiben, ob das Parken der für den Antragsteller registrierten Internet-Domain "entertainer.de" auf der Domain-Parking-Plattform des Unternehmens S. im vorliegenden Fall eine markenmäßige Verwendung des Domainnamens dargestellt hat, weil der Antragsteller diese Form der Nutzung erst ab Dezember 2005, also mehr als ein halbes Jahr nach der am 7. Juni 2005 erfolgten Markenanmeldung der Antragsgegnerin, aufgenommen hat. Eine kennzeichenmäßige Vorbenutzung der Internet-Domain durch den Antragsteller vor der streitgegenständlichen Markenanmeldung kann daher nicht festgestellt werden.

36

ccc) Auch aus der am 13. Oktober 2006 zugunsten des Antragstellers eingetragenen Wortmarke "Entertainer" (30622622) kann kein schutzwürdiger Besitzstand hergeleitet werden, weil sie erst ein knappes Jahr nach der streitgegenständlichen Markenanmeldung, nämlich am 5. April 2006, und für vorwiegend im Werbe- und Vermittlungsbereich angesiedelte Dienstleistungen der Klasse 35 angemeldet wurde, die mit den für die angegriffene Marke eingetragenen Waren der Klassen 9 und 16 keine Berührungspunkte aufweisen.

37

bb) Aber selbst wenn ein schutzwürdiger inländischer Besitzstand des Antragstellers bestanden hätte, kann nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin ohne rechtfertigenden Grund mit Störungs- oder Behinderungsabsicht in diesen eingegriffen hätte.

38

Die Anmeldung einer Marke ohne sachlichen Grund liegt vor, wenn der Markenanmelder kein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Eintragung der fraglichen Marke hat. Ein solches Interesse besteht jedoch, wenn der Anmelder die Kennzeichnung in beachtlichem Umfang selbst benutzt hat und deren markenrechtliche Absicherung gegenüber Dritten für erforderlich hält, z. B. durch Fortschreibung einer eigenen Markenfamilie (BGH a. a. O. 582 - The Colour of Elégance; Fezer, a. a. O., § 8 Rdnr. 667; Ströbele, a. a. O., § 8 Rdnr. 556).

39

aaa) Die Antragsgegnerin ist als seit fast 30 Jahren bestehender, größter deutscher Fachverlag der Entertainment-Branche Inhaberin von acht Domains und acht Marken mit dem Bestandteil "entertainer" (Seiten 4 u. 5 ihres Schriftsatzes vom 13. Oktober 2009, Bl. S. 32 u. S. 33 VA). Sie plante damals die Herausgabe einer Zeitschrift mit dem Namen "entertainer" und schaltete dazu bereits in der Ausgabe 3/05 der von ihr verlegten, führenden Fachzeitschrift "Blickpunkt: Film" eine Titelschutzanzeige für die Bezeichnungen "Entertainer" und "Der Entertainer". Sie beabsichtigte daher, ihre eigene Markenfamilie fortzuschreiben, und hatte deshalb ein erhebliches eigenes schutzwürdiges Interesse an der streitgegenständlichen Markenanmeldung.

40

bbb) Auch aus dem Umstand, dass die angegriffene Marke von der Antragsgegnerin zu einem Zeitpunkt angemeldet wurde, als die Verhandlungen über den Kauf der Internet-Domain des Antragstellers im Jahre 2005 beendet zu sein schienen, kann nicht auf ein bösgläubiges Verhalten der Antragsgegnerin geschlossen werden.

41

Die Antragsgegnerin ist zwar dem Vortrag des Antragstellers auf Seite 5 seiner Beschwerdeschrift (Bl. 23 GA) nicht entgegengetreten, dass dieser den von der Antragsgegnerin am 7. Juni 2005 für den Erwerb der Internet-Domain "entertainer.de" angebotenen Kaufpreis von … € nebst Übertragung der Domain "Der-Entertainer.de" noch am gleichen Tage abgelehnt hat, aber zu diesem Zeitpunkt waren die Verhandlungen zwischen den Parteien noch nicht endgültig abgeschlossen.

42

(1) Zum einen stand noch das Vermietungsangebot des Antragstellers vom 4. Juni 2005 (Anlage A 3 zum Löschungsantrag) im Raum, auf das er in seiner Kaufablehnungs-E-Mail vom 7. Juni 2005 (Bl. 23 GA) noch einmal ausdrücklich hinwies und das die Antragsgegnerin auch noch nicht endgültig zurückgewiesen hatte (Anlage A 3 zum Löschungsantrag).

43

(2) Zum anderen hatte der Antragsteller auch schon Anfang des Jahres 2005, in seiner E-Mail vom 12. Januar 2005 (Anlage A 1 zum Löschungsantrag), geäußert, an einem Verkauf eigentlich nicht interessiert zu sein, aber nicht ausschließen zu können, dass er seine Meinung bei einem wirklich interessanten Angebot ändere, wobei ihn die bisherigen Angebote, die teilweise deutlich im fünfstelligen Bereich gelegen hätten, nicht überzeugt hätten. Auch in seiner E-Mail vom 6. Juni 2005 (Anlage A 2 zum Löschungsantrag) gab er zu, dass es einen Betrag gebe, dem er ggfls. wohl nicht widerstehen könne, der aber aus Sicht der Antragsgegnerin sehr wahrscheinlich unwirtschaftlich sei. Dass der Verkauf der Domain nicht das Ziel des Antragstellers gewesen ist, wie er in seiner E-Mail vom 7. Juni 2005 (Bl. 23 GA) betonte, war daher schon zu Beginn der Verhandlungen bekannt, und wenn die Antragsgegnerin den richtigen Kaufpreis genannt hätte, hätte auch noch zu diesem Zeitpunkt ein Verkauf der Domain zustande kommen können.

44

ccc) Gegen eine rechtsmissbräuchliche Behinderungsabsicht der Antragsgegnerin spricht zudem, dass sie dem Antragsteller während der Verkaufsverhandlungen neben dem Kaufpreis von … € auch noch die Übertragung ihrer eigenen, ähnlich lautenden Domain "Der-Entertainer.de" angeboten hat, und dass sie nie aus der streitgegenständlichen Marke gegen den Antragsteller vorgegangen ist.

45

3. Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG liegen ebenfalls nicht vor.

46

Im Falle eines Eintragungshindernisses nach §§ 3, 7 oder 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG muss dieses noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde fortbestehen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Ferner kann bei einem Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 MarkenG eine Löschung nur erfolgen, wenn der Löschungsantrag, der von jedermann gestellt werden kann (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), innerhalb von 10 Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt worden ist (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

47

a) Der am 22. Juli 2009 beim DPMA eingegangene Löschungsantrag ist innerhalb der seit dem 10. September 2007 laufenden Zehnjahresfrist gestellt worden.

48

b) Der angegriffenen Marke mangelt es für die eingetragenen Waren der Klassen 9 und 16 auch nicht an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

49

aa) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; a. a. O. Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard;). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. 854 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

50

bb) Die angegriffene Marke besteht aus dem Wortelement "entertainer" und dem Bestandteil ".de".

51

aaa) Bei dem Begriff "entertainer" handelt es sich um ein der englischen Sprache entstammendes Substantiv, das mit "Unterhalter(in)" übersetzt wird (Duden – Oxford – Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]) und im Sinne eines "[Allein]unterhalters" auch in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen ist. Er bezeichnet jemanden, dessen Beruf es ist, einem [größeren] Publikum leichte, heitere Unterhaltung zu bieten (Duden – Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]; Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]).

52

bbb) Die zusätzliche Anfügung eines Punktes und der Buchstabenkombination "de" ist in der konkret angemeldeten Form typisch für die Bildung von Internetadressen und zeigt dem verständigen Durchschnittsverbraucher nur, dass es sich um einen Domain-Namen handelt. Denn die gängigen Top-Level-Domains weisen alle entweder ein geographisches (.de, .at, .it etc.) oder ein organisatorisches Zuordnungskriterium auf (.com, .org; vgl. BPatG 24 W (pat) 167/03 - handy.com). In ständiger Rechtsprechung geht das Bundespatentgericht deshalb davon aus, dass "de" nur als Kürzel für den Teil einer Internetadresse steht und die aus der Einmaligkeit der Registrierung resultierende technische Adressfunktion eines Domain-Namens keinen Aufschluss über dessen Eintragungsfähigkeit gibt (BPatG 26 W (pat) 48/09 - beauty24.de; 29 W (pat) 124/02 - cam24.de jeweils m. w.  N.), so dass dieser Buchstabenfolge keine Bedeutung beigemessen werden kann und es für die Unterscheidungskraft lediglich auf den Bedeutungsgehalt der Second-Level-Domain "entertainer" ankommt.

53

cc) Es ist somit davon auszugehen, dass die angesprochenen breiten Verkehrskreise das Kennzeichen "entertainder.de" im Sinne einer deutschen Internetadresse verstehen, unter der Unterhaltung oder Unterhaltungskünstler angeboten werden.

54

dd) Die für die angegriffene Marke geschützten Waren der Klassen 9 und 16 weisen keinerlei Bezug zu einem (Allein-)Unterhalter oder Unterhaltungskünstler bzw. zur Unterhaltung auf.

55

aaa) Bei den in Klasse 9 eingetragenen Waren handelt es sich insgesamt um unbespielte Ton-, Bild- (ausgenommen unbelichtete Filme) und Datenträger aller Art, welche zwar in der Entertainmentbranche benötigt werden, aber erst nach dem Bespielen einen entsprechenden Inhalt aufweisen können. Auch in Bezug auf "Rechengeräte" kann der Bezeichnung "entertainer.de" kein sinnvoller Aussagegehalt entnommen werden.

56

bbb) Die Verkehrskreise werden in dem Zeichen "entertainer.de" auch im Zusammenhang mit den in Klasse 16 für die angegriffene Marke geschützten Waren "Papierwaren, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Buchbinderartikel, Schreibwaren, Schreibgeräte, Federhalter, Bleistifte; Schreib- und Briefblöcke; Grußkarten; Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Schreibmaschinen- und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern; Druckstöcke" keinen beschreibenden Hinweis auf den Inhalt, die Art, Beschaffenheit oder Bestimmung der Waren sehen.

57

ee) In Bezug auf die eingetragenen Waren ist die Bezeichnung "entertainer.de" daher unterscheidungskräftig.

58

4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordern (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass sich eine als Internet-Domain formulierte Bezeichnung als Marke eignet, wenn der Verkehr  darin  keine  bloße Adressbezeichnung, sondern einen Hinweis auf das Unternehmen oder auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH GRUR 2009, 685, 687 Rdnr. 20 – ahd.de; GRUR 2008, 1099, 1100 Rdnr. 22 – afilias.de).