Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 08.02.2012


BPatG 08.02.2012 - 29 W (pat) 151/10

Markenbeschwerdeverfahren – "POP MIX/POP (IR-Marke)" – zur Kennzeichnungskraft - zur Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit - teilweise klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
08.02.2012
Aktenzeichen:
29 W (pat) 151/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 305 72 317

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. Februar 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterin Kortge und der Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Juni 2008 und 28. April 2010 werden aufgehoben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren der

Klasse 33: alkoholfreie Weine, alkoholhaltige Fruchtextrakte, alkoholhaltige Getränke (ausgenommen Bier), alkoholhaltige Milchgetränke mit überwiegendem Milchanteil; alkoholische Essenzen, alkoholische Extrakte, alkoholische Fruchtgetränke; alkoholreduzierte Weine, Anislikör, Anislikör (Anisette), Aperitifs, Apfelwein, Aquavit, aromatisierte Weine, Arrak, Birnenmost, Brandy, Branntwein; Cocktails, Cocktails und Aperitifs auf Spirituosen- und Weingrundlage; Cognac, Curacao, destillierte Getränke; Digestive, Genever, Gin, Honigwein; Kirschwasser, Kornbrand; Liköre, Likörweine; Magenbitter (Liköre), Met; Obstbrände, Obstweine; Perlweine, Pfefferminzlikör; Reisalkohol, Reiswein, Rum; Sake, Schnaps, Sekt, Schaumwein, Softspirituosen, Spirituosen; Tresterwein, Verdauungslikör, -schnaps; Wacholderbranntwein, Weinbrand, Weine, Whisky, Wodka zurückgewiesen worden ist.

Wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 743 858 wird die Löschung der Marke 305 72 317 insoweit für diese Waren angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

POP MIX

3

ist am 2. Dezember 2005 angemeldet und am 21. September 2006 als Marke in das Markenregister für Waren und Dienstleistungen der Klassen 32, 33 und 35 eingetragen worden. Nach Teillöschung im Jahre 2008 besteht die Eintragung nur noch für die Klassen 33 und 35 fort.

4

Klasse 33: alkoholfreie Weine, alkoholhaltige Fruchtextrakte, alkoholhaltige Getränke (ausgenommen Bier), alkoholhaltige Milchgetränke mit überwiegendem Milchanteil; alkoholische Essenzen, alkoholische Extrakte, alkoholische Fruchtgetränke; alkoholreduzierte Weine, Anislikör, Anislikör (Anisette), Aperitifs, Apfelwein, Aquavit, aromatisierte Weine, Arrak, Birnenmost, Brandy, Branntwein; Cocktails, Cocktails und Aperitifs auf Spirituosen- und Weingrundlage; Cognac, Curacao, destillierte Getränke; Digestive, Genever, Gin, Honigwein; Kirschwasser, Kornbrand; Liköre, Likörweine; Magenbitter (Liköre), Met; Obstbrände, Obstweine; Perlweine, Pfefferminzlikör; Reisalkohol, Reiswein, Rum; Sake, Schnaps, Sekt, Schaumwein, Softspirituosen, Spirituosen; Tresterwein, Verdauungslikör, -schnaps; Wacholderbranntwein, Weinbrand, Weine, Whisky, Wodka;

5

Klasse 35: Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung anderer Unternehmen; betriebswirtschaftliche Beratung; Buchführung; Buchprüfung; Büroarbeiten; Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Bauvorhaben; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuererklärungen; Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers; Durchführung von Transkriptionen; Durchführung von Unternehmensverlagerungen; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in betriebswirtschaftlicher Hinsicht (Facility management); Werbung und Marketing für Immobilien (Facility management); Erstellen von Abrechnungen; Erstellen von Statistiken; Erstellung von betriebswirtschaftlichen Gutachten; Erstellung von Geschäftsgutachten; Erstellung von Rechnungsauszügen; Erstellung von Steuererklärungen; Erstellung von Wirtschaftsprognosen; Erteilung von Wirtschaftsauskünften; Fakturierung; Hilfe bei der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben; Lohn- und Gehaltsabrechnung; Mannequindienste für Werbe- und verkaufsfördernde Zwecke; Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; organisatorische Beratung; organisatorisches Projektmanagement im EDV-Bereich; Outsourcing-Dienste (Hilfe bei Geschäftsangelegenheiten); Personal-, Stellenvermittlung; Personalanwerbung; Personalauswahl mit Hilfe von psychologischen Eignungstests; Personalmanagementberatung; Planung und Überwachung von Unternehmensentwicklungen in organisatorischer Hinsicht; Planungen (Hilfe) bei der Geschäftsführung; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Preisermittlung für Waren und Dienstleistungen; Preisvergleichsdienste; Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme; Schätzung von ungeschlagenem Holz; Schätzungen auf dem Gebiet der Wolle; Schreibmaschinenarbeiten; Sekretariatsdienstleistungen; Standortermittlung von Güterwaggons durch Computer; Stenografiearbeiten; Telefonantwortdienst (für abwesende Teilnehmer); Telefonkostenabrechnung; Textverarbeitung (Schreibdienste); Überlassung von Zeitarbeitskräften; Unternehmensberatung; Unternehmensverwaltung; Vermietung von Büromaschinen und -geräten; Vermietung von Fotokopiermaschinen; Vermietung von Verkaufsautomaten; Vermietung von Verkaufsständen; Vermietung von Werbeflächen, auch im Internet (Bannerexchange); Vermietung von Werbeflächen; Vermietung von Werbezeit in Kommunikations-Medien; Vermittlung von Abonnements für Telekommunikationsdienste (für Dritte); Vermittlung von Adressen; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Vermittlung von Mobilfunkverträgen (für Dritte); Vermittlung von Verträgen mit Stromlieferanten; Vermittlung von wirtschaftlichem Know-How (Franchising); Vermittlung von Zeitarbeitskräften; Vermittlung von Zeitungsabonnements (für Dritte); Vertretung wirtschaftlicher Interessen Dritter gegenüber politischen Entscheidungsträgern und anderen Personen; Vervielfältigung von Dokumenten; Wertermittlungen in Geschäftsangelegenheiten.

6

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 27. Oktober 2006 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der älteren international registrierten Wortmarke

7

POP

8

die als IR-Marke am 5. Oktober 2000 unter der Nummer IR 743 858 eingetragen wurde für folgende Waren der

9

Klasse 33: Boissons alcooliques (à léxception des biéres)

10

Widerspruch erhoben.

11

Mit Beschlüssen vom 27. Juni 2008 und 28. April 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen.

12

Ausgehend von der Registerlage sei bei den Vergleichswaren der Klasse 33 Identität bzw. Ähnlichkeit festzustellen. Es sei von einer eher unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke auszugehen, weil „POP“ warenbeschreibenden Charakter habe. „POP“ sei als Kurzwort für „popular“ ein Lehnwort aus dem Englischen mit der Bedeutung „beliebt, gängig, populär“ und damit als Anpreisung allgemeinster Art aufzufassen. Ferner beschreibe es im Bereich der hier sich gegenüberstehenden Waren in Anlehnung an den Begriff „Alkopop“ in umgangssprachlicher Form alkoholische Mischgetränke. „POP“ werde dabei mit Limonade übersetzt, wie eine Internetrecherche des Amtes gezeigt habe.

13

Die angegriffene Marke halte den ihr gebotenen Abstand zur älteren Marke aber auch bei Annahme einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ein. In visueller Hinsicht grenze sich die angegriffene Marke bereits durch ihr Mehrwort „MIX“ deutlich von der Widerspruchsmarke ab. Eine allein prägende Stellung des Wortbestandteils „POP“ in klanglicher oder begrifflicher Hinsicht sei schon aus Rechtsgründen zu verneinen, weil der Verkehr „POP MIX“ als ohne weiteres verständlichen Gesamtbegriff auffasse. Da „MIX“ ohne weiteres im Sinne von Mischung verstanden werde, handele es sich sowohl bei „POP“ als auch bei „MIX“ um gleichgewichtig kennzeichnungsschwache Bestandteile.

14

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheide aus, weil die Widersprechende zu einer Benutzung ähnlich gebildeter Marken nichts vorgetragen habe. Eine Markenusurpation komme nicht in Betracht, weil die angegriffene Marke eine Gesamtaussage bilde. Das Wortelement „POP“ gehe im Bedeutungsgehalt der Gesamtmarke auf.

15

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Die Beschwerdeführerin trägt vor, die Markenstelle habe keinen Nachweis erbracht, dass die Bezeichnung „POP“ mit der Bezeichnung „Alcopops“ für alkoholische Mischgetränke gleichgesetzt werde. „POP“ habe in der deutschen Umgangssprache eine Vielzahl anderer Bedeutungen. Mit „pop“ bzw. „soda pop“ werde in der englischen Sprache ein alkoholfreies Getränk bezeichnet (Anlage B 1, Bl. 22 GA). Da „MIX“ glatt beschreibend sei, werde der Gesamteindruck der jüngeren Marke vom Bestandteil „POP“ geprägt, so dass die Vergleichsmarken klanglich, bildlich und begrifflich vollkommen übereinstimmten. Es bestehe daher hochgradige, unmittelbare Verwechslungsgefahr.

16

Die Beschwerdeführerin beantragt,

17

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 27. Juni 2008 und 28. April 2010 aufzuheben.

18

Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich im Beschwerdeverfahren bisher nicht geäußert. Er hat im Verfahren vor dem DPMA die Auffassung vertreten, beide Wortbestandteile der angegriffenen Marke seien rein beschreibend, so dass eine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke ausgeschlossen sei. Belege aus Wikipedia hätten keine Relevanz.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

20

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

21

Die sich gegenüberstehenden Marken unterliegen hinsichtlich der Waren in Klasse 33 der Gefahr einer Verwechslung nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 107, 112 MarkenG. Im Übrigen liegt eine Verwechslungsgefahr nicht vor.

22

Daher sind die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle teilweise aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 305 72 317 für die beanspruchten Waren in der Klasse 33 anzuordnen (§ 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG).

23

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2006, 60, 61 Rdnr. 12 – coccodrillo; GRUR 2006, 859, 860 Rdnr. 16 – Malteserkreuz I; MarkenR 2008, 405 Tz. 10 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 906 – Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 – Metrobus; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 – AIDA/AIDU; EuGH GRUR 2006, 237, 238 – PICASSO).

24

1. Ausgehend von den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke werden die Vergleichsmarken im Bereich der Klasse 33 zur Kennzeichnung identischer bzw. hochgradig ähnlicher Waren verwendet. Diesbezüglich ist zunächst ein deutlicher Abstand zwischen den sich einander gegenüberstehenden Marken erforderlich.

25

Im Übrigen ist von einer Unähnlichkeit auszugehen.

26

Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN, GRUR 2004, 601 – d-c-fix/CD-FIX; EuGH MarkenR 2009, 47, 53 Rdnr. 65 – Edition Albert René).

27

Im Verzeichnis beider sich gegenüberstehender Marken ist in Klasse 33 der Oberbegriff „alkoholhaltige Getränke (ausgenommen Bier)“ identisch enthalten. Die weiteren in Klasse 33 aufgeführten Waren der angegriffenen Marke sind alkoholhaltige Getränke oder können in solchen enthalten sein, so dass ebenfalls Identität zu dem Oberbegriff „alkoholhaltige Getränke“ besteht. Eine hochgradige Ähnlichkeit besteht ferner zu den für die angegriffene Marke in Klasse 33 eingetragenen „alkoholfreien Weinen“, da diese ein Pendant zum Wein als grundsätzlich alkoholhaltigen Getränk darstellen und die gleichen Vertriebs- und Verkaufswege aufweisen.

28

2. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

29

a) Die Bezeichnung „POP“ bedeutet „(Gesamtheit von) Popkunst, -musik, -literatur“ oder umgangssprachlich „poppige Art, poppiger Einschlag“ (vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Im englischen Sprachgebrauch beschreibt „POP“ als Substantiv ebenfalls in erster Linie „Popmusik“, wird umgangssprachlich aber auch für „Brause“ oder „Limo“, also ein alkoholfreies Getränk gebraucht (vgl. Duden Oxford – Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]; www.leo.org), insbesondere in Zusammenhang mit dem ebenfalls umgangssprachlich verwendeten Begriff „Alkopops“ für Mischgetränke aus Alkohol und Limonade (vgl. wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Alkopop). Allerdings kann nicht unterstellt werden, dass der Begriff „POP“ in Alleinstellung ohne weiteres mit der Bezeichnung „Alkopops“ gleichzusetzen ist. Hierfür finden sich auch keine entsprechenden Belege. Zudem ist die tatsächliche Verwendung im Sinne von „Limonade“ lediglich umgangssprachlich aus dem Englischen belegt, so dass nicht von einem ins Deutsche übernommenen klaren Begriffsinhalt ausgegangen werden kann. Das Wortzeichen „POP“ ist damit für die beanspruchten Waren der Klasse 33 nicht beschreibend, sodass eine Reduzierung des Schutzumfangs nicht in Betracht kommt.

30

b) Es gibt aber auch keine Anhaltspunkte für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke.

31

Für die Annahme eines wesentlich größeren Schutzbereichs lassen nur konkrete Angaben der Widersprechenden zu ihrem Marktanteil, z. B. ermittelt durch Verkehrsbefragung, und zu ihren Werbeaufwendungen jeweils im Vergleich zu Konkurrenzprodukten der Mitbewerber zuverlässige Schlüsse auf die Verkehrsbekanntheit zu (EuGH MarkenR 1999, 236, 239 (Nr. 23, 24) – Lloyd; GRUR 2002, 804, 808 (NR. 60-62) – Philips; BGH GRUR 2002 1067, 1069 – DKV/OKV; GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder; BPatGE 44, 1, 4 – Korodin). Die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen (Bl. 99-137 GA) über die Erwähnung in der deutschen Presse sowie verschiedene Eventmarketingaktionen hinsichtlich der Widerspruchsmarke reichen demgegenüber nicht aus, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft geltend zu machen.

32

3. Unter Berücksichtigung der Benutzung für teils identische, teils hochgradig ähnliche Waren und der Annahme einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand nicht mehr ein.

33

a) Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 – Lions; BGH MarkenR 2008, 393, 395 Rdnr. 21 – HEITEC). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen. Für den Gesamteindruck eines Zeichens ist insbesondere der Wortanfang von Bedeutung, weil der Verkehr diesem regelmäßig größere Beachtung schenkt als Endsilben (BGH GRUR 2004, 783, 784 – NEUROVIBOLEX/NEURO-VIBRAFLEX).

34

b) Für den klanglichen Gesamteindruck einer Marke kommt es weniger auf einzelne Laute als vielmehr auf die Silbengliederung und Vokalfolge an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Endungen nicht markant in Erscheinung treten oder wenig einprägsam gebildet sind (vgl. BGH GRUR 1992, 110, 112 – dipa/dib; GRUR 1993, 118, 120 – Corvaton/Corvasal; GRUR 1995, 50, 53 – Indorektal/Indohexal; GRUR 1998, 924, 925 – salvent/Salventerol; GRUR 2003, 1047, 1049 – Kellog’s/Kelly’s; EuG GRUR Int 2006, 510, 512 (Nr. 54) – FERRÓ; GRUR Int 2007, 597, 599 (Nr. 37) – TERRANUS; GRUR Int 2007, 842, 844 (Nr. 39) – COR).

35

Vorliegend steht sich der in beiden Marken identisch enthaltenen Bestandteil „POP“ dem Gesamteindruck nach allein gegenüber, denn der Begriff „MIX“ im Zeichen der angegriffenen Marke ist für die beanspruchten Waren der Klasse 33 glatt beschreibend. „MIX“ bedeutet sowohl im Deutschen als auch im Englischen „Gemisch, Mischung“ (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; Duden Oxford – Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]) und wird im Zusammenhang mit (alkoholhaltigen) Getränken dazu gebraucht klarzustellen, dass diese aus mehreren Zutaten hergestellt, „gemixt“ sind,  wie die Internetrecherche des Senats belegt:

36

- Zum Thema Cocktail:

37

„Bedeutung: [alkoholisches] Mixgetränk mit Früchten, Fruchtsaft und anderen Zutaten“

38

(http://www.duden.de/rechtschreibung/Cocktail)

39

„…Oberbegriff für alkoholische Mixgetränke…“

40

(http://de.wikipedia.org/wiki/Cocktail)

41

- Zum Thema Cocktailrezepte:

42

„Mischt man verschiedene Zutaten wie Alkohol, Gewürze, Fruchtsaft, Eis oder Sekt miteinander, hat man ein Mix-Getränk“

43

(http://www.gutekueche.at/cocktails/art/mix-getraenk-rezepte.33.1.htm)

44

„…das beliebte Mixgetränk…“;

45

(http://www.cocktails-4u.de/)

46

- Forenbeiträge zum Thema: „Was ist das beste Mixgetränk mit Wodka?“; „Das beste Alkoholische Mixgetränk?“; „Welches einfache Mixgetränk kann mit Sekt hergestellt werden?“

47

(http://www.gutefrage.net/tag/mixgetraenk/1)

48

Der Wortbestandteil „MIX“ der angegriffenen Marke nimmt daher als glatt beschreibender Teil nicht beim Zeichenvergleich als kollisionsbegründend teil. Wegen dieses beschreibenden Sinngehalts von „MIX“ ist daher der Bestandteil „POP“ in diesem Zusammenhang allein kollisionsbegründend.

49

Danach stehen sich die Wörter „POP“ und „POP“ identisch gegenüber. Folglich besteht in klanglicher Hinsicht unmittelbar Verwechslungsgefahr, was zur Löschung der jüngeren Marke in Bezug auf die identischen/hochgradig ähnlichen Waren führt (BGH GRUR 2008, 714, 717 Rdnr. 37 – idw).