Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.09.2014


BPatG 17.09.2014 - 29 W (pat) 15/14

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Premium Augen" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
17.09.2014
Aktenzeichen:
29 W (pat) 15/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 072 962

(hier: Löschungsverfahren S 52/13)

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Uhlmann und der Richterin k. A. Akintche

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer begehrt die teilweise Löschung der am 13. Dezember 2010 angemeldeten und am 31. März 2011 für Dienstleistungen der Klasse 35 und die folgenden Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 09: wissenschaftliche, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontrollapparate und -instrumente; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;

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Klasse 44: medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege

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eingetragenen Wortmarke 30 2010 072 962

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Premium Augen

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Der Beschwerdeführer hat am 22. Februar 2013 Antrag auf (Teil-)Löschung der Marke wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß §§ 50, 54 i. V. m. § 8 MarkenG gestellt und diesen auf die Waren der Klasse 9 und Dienstleistungen der Klasse 44 beschränkt.

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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat dem ihm am 13. März 2013 zugestellten Löschungsantrag am 13. Mai 2013 widersprochen.

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Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 12. November 2013 zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, dem Zeichen hätten weder im Zeitpunkt der Eintragung noch im Entscheidungszeitpunkt absolute Schutzhindernisse entgegengestanden. Insbesondere fehle ihm nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Marke setze sich zwar aus einer Kombination zweier einfacher Begriffe der deutschen Sprache zusammen. „Premium“ sei ein Hinweis auf besondere oder beste Qualität von Waren und Dienstleistungen und werde als werbende Sachaussage und Anpreisung aufgefasst; „Augen“ bezeichne das Sehorgan des Menschen und der Tiere. In ihrer konkreten Zusammensetzung werde der beschreibende Sinngehalt dieser Einzelelemente aber so weit überlagert, dass die Marke in ihrer Gesamtheit ihre betriebliche Herkunftsfunktion erfüllen könne. Die Wortzusammenstellung sei ungewöhnlich und enthalte für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen keine sinnvolle Gesamtaussage. Für die Waren der Klasse 9 fehle es schon an einem hinreichend engen Produktbezug. Die Waren seien nicht geeignet, „Augen“ herzustellen oder in irgendeiner Weise zu bearbeiten. Medizinische Geräte seien nicht erfasst. Auch zu den Dienstleistungen der Klasse 44 fehle es an einem engen Sachbezug. Zwar würden insbesondere Augenbehandlungen mit dem Begriff „schöne Augen“ werbend angepriesen, eine Kombination mit dem kaufmännischen Begriff „Premium“ sei aber weder im Eintragungszeitpunkt noch im Entscheidungszeitpunkt nachweisbar. Auch mit anderen Organen werde der Begriff „Premium“ nicht in beschreibender Weise kombiniert. Selbst wenn die Erwartungen des angesprochenen Verkehrs nach Art eines sprechenden Zeichens in eine bestimmte Richtung gelenkt würden, erscheine die Kombination „Premium Augen“ vorrangig als betrieblicher Herkunftshinweis. Aus diesem Grund bestehe auch kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er trägt vor, die Wortkombination „Premium Augen“ sei in herkömmlicher Weise und grammatikalisch korrekt aus einem Adjektiv und einem Substantiv gebildet. Es werde ohne weiteres im Sinne von „hochwertige Augen“ oder „hervorragende Augen“ verstanden. Die Wortkombination „Premium Augen“ werde zur Beschreibung von Produkten bereits benutzt. So biete „ERGOdirekt“ eine Augenversicherung unter dieser Bezeichnung an. Allein aus dem Umstand, dass das in dem Kombinationszeichen enthaltene Substantiv die beanspruchte Ware nicht beschreibe, könne die Unterscheidungskraft des Zeichens nicht abgeleitet werden. Genau das Gegenteil sei der Fall. Gerade der Kombination allgemeiner Gattungsbegriffe mit beschreibenden Adjektiven fehle die notwendige Unterscheidungskraft. Für die Dienstleistungen der Klasse 44 beschreibe die Kombination ohne weiteren gedanklichen Zwischenschritt deren Ergebnis, nämlich „hervorragende Augen“. Auch wenn die Wortkombination unüblich sei, liege dieses Verständnis auf der Hand. Für die Waren der Klasse 9 sei der Begriff „Augen“ hingegen nicht so weit von den Waren entfernt, dass er sich als Herkunftshinweis eignen könne. Bei konsequenter Anwendung der Auffassung der Markenabteilung müsse man auch das unmittelbar beschreibende Synonym „hervorragende Augen“ als eintragungsfähig betrachten. Verallgemeinere man die in der Entscheidung zum Ausdruck kommende Auffassung der Markenabteilung, könne einer attributiven Wortkombination aus einem qualitätsbeschreibenden Adjektiv und einem Substantiv nur dann die Unterscheidungskraft abgesprochen werden, wenn das Substantiv unmittelbar die Ware oder Dienstleistung selbst beschreibe, was zu einer erheblichen Ausweitung von eintragungsfähigen Wortkombinationen wie „schöne Augen“, „kräftige Augen“, etc. führe. Diese Frage habe grundsätzliche Bedeutung, weshalb bei einer Zurückweisung der Beschwerde die Rechtsbeschwerde zuzulassen sei.

11

Der Beschwerdeführer stellt den Antrag,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. November 2013 aufzuheben und die Wortmarke „Premium Augen“ für die Waren der Klasse 9 und die Dienstleistungen der Klasse 44 aus dem Register zu löschen.

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Der Beschwerdegegner stellt den Antrag,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

15

Er trägt vor, der angegriffenen Marke komme Unterscheidungskraft zu, da ein beschreibender Bezug zu den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nur über einen mehrere Schritte umfassenden Denkprozess hergestellt werden könne. „Premium“ habe keine beschreibende Bedeutung für Körperteile. Zudem sei eine Vielzahl von Marken mit dem Bestandteil „Premium“ eingetragen. Die Rechtsbeschwerde sei nicht zuzulassen, weil es zu dieser Frage bereits eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung gebe.

16

Zum weiteren Vortrag wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

17

Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet. Der Löschungsantrag des Beschwerdeführers ist von der Markenabteilung 3.4 zu Recht zurückgewiesen worden.

18

Eine Marke wird nach § 50 Abs. 1 und 2 Satz 1 MarkenG auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht, wenn sie entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden ist und das Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung besteht.Eine Löschung kann daher nur erfolgen, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Bei der Prüfung, ob der angegriffenen Marke bei ihrer Eintragung absolute Schutzhindernisse entgegenstanden, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen. (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops). Bei Eintragung standen dem angegriffenen Zeichen keine Eintragungshindernisse gemäß § 8 MarkenG entgegen, insbesondere fehlte ihm nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Der Umstand, dass die Markenabteilung bei der Prüfung der Schutzhindernisse irrtümlich nicht auf den Zeitpunkt der Anmeldung, sondern auf den Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke abgestellt hat, rechtfertigt die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses nicht, weil sich die dadurch entstandene geringfügige zeitliche Abweichung im vorliegenden Fall nicht auswirkt. Eine zwischen der Anmeldung am 13. Dezember 2010 und der Eintragung am 31. März 2011 eingetretene Abweichung des Verkehrsverständnisses lässt sich nicht feststellen. Gegenteiliges ist auch von dem Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden.

19

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 270 Rn. 8 - Link economy; GRUR 2010, 825 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2006, 233 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR, 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778 Rn. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 - SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952 Rn. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 - TOOOR!; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH, Beschluss vom 15. April 2014, I ZB 29/13 Rn. 12 – DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 - Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 - TOOOR!; a. a. O. Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 - DOUBLEMINT; 674, 678 Rn. 97 - Postkantoor; 680, 681 Rn. 38 - BIOMILD; GRUR 2003, 58, 59 Rn. 21 - Companyline); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe nur dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rn. 77 f. - CELLTECH; a. a. O. Rn. 98 - Postkantoor; a. a. O. Rn. 39 f. - BIOMILD; a. a. O. Rn. 28 - SAT 2; BGH, Beschluss vom 15. April 2014, I ZB 29/13 Rn. 16 – DüsseldorfCongress).

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Die angegriffene Wortmarke setzt sich aus den Begriffen „Premium“ und „Augen“ zusammen. „Premium“ ist ein in der Werbesprache und Wirtschaft verwendetes Adjektiv mit der Bedeutung „von besonderer, bester Qualität“ (www.duden.de); „Augen“ bezeichnet die Sehorgane von Menschen und Tieren. Wie sich aus den Recherchebelegen des Amtes und aus den – den Parteien übersandten – ergänzenden Belegen des Senats ergibt, wird das Wort „Premium“ ausschließlich zur werbenden Beschreibung von erstklassigen, herausragenden Produkten oder zur Bezeichnung von Waren und Dienstleistungssegmenten verwendet. „Premium“ findet sich häufig in Alleinstellung wie z. B. „Diese Züge, von denen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) 17 besitzen und laufend weitere bekommen, haben statt nur einer zweiten und einer ersten Klasse noch eine Überklasse: Economy, First und Premium sind die Bezeichnungen [Quelle: www.tagesanzeiger.ch, 2011-01-30]“; „Premium zahlt sich aus! [Quelle: www.rp-online.de, 2011-01-23]“; „Auch wenn das ein oder andere Plastikteil noch zu entdecken ist, der Lexus ist Premium [Quelle: www.n-tv.de, 2011-01-17]“; „Die Zeiten, in denen Premium ein festgelegtes Segment und ein Phänomen der Oberklasse war, sind vorbei [Quelle: www.n24.de, 2011-01-13]“. Auch die Kombination mit einem weiteren Substantiv ist üblich: „Hier wurde 2002 nach fast 100-jähriger Unterbrechung die Tradition der Premium Sekt-Herstellung fortgeführt [Quelle: www.mdr.de, 2011-01-11]; „Lange Zeit sei Premium Cola für ihn nur ein Hobby gewesen, erzählt der 34-Jährige mit dem rasierten Schädel…[Quelle: www.freitag.de, 2011-01-02]“; „Von Premium Gastronomie darf man bei Herrn A. nicht sprechen [Quelle. www.haz.de, 2011-01-21]“ (vgl. http://wortschatz.uni-leipzig.de, Bl. 35 ff. d. A.).

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Die Kombination des Begriffs „Premium“ mit dem Wort „Augen“, also einem menschlichen Sinnesorgan, ist zwar grammatikalisch korrekt gebildet, inhaltlich dagegen ungewöhnlich und überraschend. Sinnes- oder sonstige Organe oder Körperteile werden nicht mit dem für Waren und Dienstleistungen verwendeten Begriff „Premium“ beschrieben. Die Wortkombination erschöpft sich damit nicht in der Addition zweier beschreibender Begriffe, sondern stellt eine ungewöhnliche Veränderung dar, die Befremden auslöst, zum Nachdenken anregt und hinreichend weit von der Sachangabe wegführt.

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„Premium Augen“ ist zur Beschreibung der in Klasse 9 beanspruchten Waren „wissenschaftliche, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontrollapparate und -instrumente; Datenverarbeitungsgeräte und Computer“ nicht geeignet. Derartige Geräte und Instrumente werden nicht als „Augen“ bezeichnet, selbst wenn sie - wie Brillen oder Kontaktlinsen - dem Ausgleich einer Sehschwäche dienen. Zu dem von dem Antragsteller unterstellten Verständnis im Sinne von „hervorragende technische Augen“ gelangt man deshalb – wenn überhaupt – erst über mehrere Gedankenschritte. Dabei ist zu beachten, dass künstliche Gliedmaßen, wie z. B. Glasaugen, die als Produkt mit dem Begriff „Premium“ beschreibend angepriesen werden könnten, von den beanspruchten Waren der Klasse 9 nicht umfasst sind. Sie gehören in die Warenklasse 10. Es fehlt auch an einem engen beschreibenden Bezug der Wortfolge zu den beanspruchten Waren. Zu der Bedeutung „Premiumprodukt für Augen“ gelangen die angesprochenen Verkehrskreise, die sich aus der Allgemeinheit der Endverbraucher und dem Fachverkehr für optische Geräte zusammensetzen, ebenfalls nicht unmittelbar, sondern nur über mehrere gedankliche Zwischenschritte. Entsprechende Kennzeichnungsgewohnheiten, die ein Verständnis als Sachangabe trotz der ungewöhnlichen Wortzusammenstellung unmittelbar nahe legen, ließen sich weder für den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke noch für den Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung ermitteln.

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Auch für die beanspruchten medizinischen Dienstleistungen und Dienstleistungen der Schönheits- und Gesundheitspflege in Klasse 44 stellt die Wortkombination weder eine unmittelbar beschreibende Angabe dar, noch weist sie einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Bezug zu diesen auf. Denn das Ergebnis derartiger Dienstleistungen wird nicht mit „Premium Augen“ bezeichnet. Hier kann zwar der Begriff „Augen“ die Organe oder Körperbereiche bezeichnen, die Gegenstand einer Behandlung sind. Das Ergebnis oder die Qualität der Behandlung wird dann mit „Ich lasse mir gerne schöne Augen machen – natürlich mit Hyal-System®“ (vgl. Bl. S42 d. LöschA) oder „Schöne Augen machen“ (vgl. Bl. S43 d. LöschA) betitelt. Sie wird jedoch nicht mit dem Begriff „Premium Augen“ beschrieben. Die Wortkombination löst auch in diesem Zusammenhang Befremden aus und regt zum Nachdenken an. Sie kann nicht ohne weiteres mit „schönen, gesunden, scharfen, hervorragenden Augen“ gleichgesetzt werden, da der Verkehr an die durch das Eigenschaftswort „Premium“ implizierte Gleichsetzung eines zentralen Sinnesorgans mit einer Ware nicht gewöhnt ist und daran sogar Anstoß nehmen kann. Zu dem Verständnis „Premiumdienstleistungen für Augen“ gelangt man ebenfalls erst über mehrere gedankliche Zwischenschritte. Eine entsprechende Verkürzung entspricht nach den Recherchen des Senats auch nicht den Kennzeichnungsgewohnheiten im Bereich der Gesundheits- und Schönheitsdienstleistungen.

26

Die von dem Beschwerdeführer zum Beleg für die beschreibende Verwendung angeführte Tarifbezeichnung „Augen Premium“ der ERGODirekt (Bl. 30 d. A.) für Leistungen einer Krankenversicherung bezieht sich auf anders geartete Dienstleistungen, die von abweichenden Kennzeichnungsgewohnheiten geprägt sind. Im Versicherungswesen ist es üblich, Tarife durch den Gegenstand der Versicherung und eine Qualitätsangabe, die das Leistungsangebot und deren Umfang beschreibt, zu kennzeichnen, wie z. B. „Reiseversicherung 5-Sterne Premium-Schutz mit Auslandreisekrankenversicherung“ (http://www.hmrv.de/reiseversicherungen/reiseversicherungs-pakete/paket-mit-kv) oder „Du kannst selbst entscheiden, welche Reisekrankenversicherung für dich die Richtige ist. Wähle aus zwischen der Premium-Krankenversicherung und der Basis-Reisekrankenversicherung.“ (http://www.statravel.de/reisekrankenversicherung.htm). Die dortigen Kennzeichnungsgewohnheiten lassen aber keinen Rückschluss auf das Verkehrsverständnis im Bereich der hier verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen zu.

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Daher kann der angegriffenen Marke das für die Überwindung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

28

Da das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft der Eintragung der angegriffenen Marke nicht entgegengestanden hat, bestand auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG an der eingetragenen Wortkombination. Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG bei Anmeldung der angegriffenen Marke sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

29

Der Fall gibt keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG zuzulassen. Weder ist über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die der Entscheidung zugrundeliegenden Beurteilungsmaßstäbe entsprechen der im Eingang zitierten langjährigen Rechtsprechung des BGH.

30

Der Beschwerdeführer macht insoweit geltend, die Bejahung der Unterscheidungskraft der vorliegenden Wortfolge führe in der Konsequenz dazu, dass entsprechenden attributiven Zusammensetzungen aus einem die gekennzeichneten Waren beschreibenden Eigenschaftswort und einem Substantiv nur dann die Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne, wenn die Substantive die Ware unmittelbar beschreiben. Dabei verkennt er jedoch, dass in der Rechtsprechung die Konstruktion entsprechender sprachlicher Gesetzmäßigkeiten und daraus abgeleiteter Rückschlüsse für das Markenrecht grundsätzlich abgelehnt wird, da maßgeblich für die Beurteilung immer der konkrete Einzelfall ist. Der BGH betont in ständiger Rechtsprechung, dass für die Frage der Unterscheidungskraft die Umstände der konkret zu beurteilenden Bezeichnung und die Kennzeichnungsgewohnheiten der maßgebenden Branche maßgeblich sind. Abstrakte sprachwissenschaftliche Erkenntnisse können dagegen nicht ohne weiteres für die Beurteilung der Unterscheidungskraft herangezogen werden (zuletzt BGH GRUR 2013, 731 Rn. 22 - Kaleido).

31

Zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestand kein Anlass.