Entscheidungsdatum: 23.03.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2009 062 955
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker, der Richterin Kortge und der Richterin Uhlmann
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6. Oktober 2011 wird aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 003 944 411 für die Dienstleistungen der
Klasse 35: Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels sowie Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Friseur-Kosmetika, soweit in Klasse3 enthalten, nämlich Haarkuren, Haarshampoos, Haarsprays, Haarschaum, Haargele und Haarwässer, Haarfärbemittel, Haarpflegemittel, ätherische Öle, kosmetische Hautpflegemittel, kosmetische Lotionen, Hautreinigungscremes, handbetätigte Werkzeuge und Geräte für den Friseur- und/oder Schönheitssalon, soweit in Klasse8 enthalten, nämlich Haarbrenneisen, Glätteisen, Epilier- und Haarentfernungsgeräte (elektrische und nicht elektrische), Manikürenecessaires (elektrische), Nagelfeilen (elektrische und nicht elektrische), Nagelhautzangen, Nagelpolierer (elektrische und nicht elektrische), Nagelscheren (elektrische und nicht elektrische), Nagelzangen, Nagelzieher, Necessaire für Maniküre, Pediküre und zum Rasieren, Ohrlochstechgeräte, Pinzetten zum Epilieren, Wimpernzangen, Zubehörteile für einen Friseursalon und/oder einen Schönheitssalon, soweit in Klasse11 enthalten, nämlich Haartrockner (Fön), Heißluftapparate, Kämme und Bürsten (elektrisch und nichtelektrisch) zur Körper- und Schönheitspflege, soweit in Klasse21 enthalten, Augenbrauenbürsten, Rasierpinsel, Rasierpinselhalter, kosmetische Geräte, Kammetuis;
Klasse 41: Ausbildung auf dem Gebiet des Friseurhandwerks;
Klasse 44: Dienstleistung eines Friseur- und Schönheitssalons; Dienstleistungen eines Visagisten.
zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung hat das Deutsche Patent- und Markenamt die Löschung der Marke 30 2009 062 955 anzuordnen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Wort-/Bildmarke (lila, grün)
ist am 23. Oktober 2009 angemeldet und am 1. April 2010 unter der Nummer 30 2009 062 955 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Dienstleistungen der
Klasse 35: Werbung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels sowie Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Friseur-Kosmetika, soweit in Klasse3 enthalten, nämlich Haarkuren, Haarshampoos, Haarsprays, Haarschaum, Haargele und Haarwässer, Haarfärbemittel, Haarpflegemittel, ätherische Öle, kosmetische Hautpflegemittel, kosmetische Lotionen, Hautreinigungscremes, handbetätigte Werkzeuge und Geräte für den Friseur- und/oder Schönheitssalon, soweit in Klasse8 enthalten, nämlich Haarbrenneisen, Glätteisen, Epilier- und Haarentfernungsgeräte (elektrische und nicht elektrische), Manikürenecessaires (elektrische), Nagelfeilen (elektrische und nicht elektrische), Nagelhautzangen, Nagelpolierer (elektrische und nicht elektrische), Nagelscheren (elektrische und nicht elektrische), Nagelzangen, Nagelzieher, Necessaire für Maniküre, Pediküre und zum Rasieren, Ohrlochstechgeräte, Pinzetten zum Epilieren, Wimpernzangen, Zubehörteile für einen Friseursalon und/oder einen Schönheitssalon, soweit in Klasse11 enthalten, nämlich Haartrockner (Fön), Heißluftapparate, Kämme und Bürsten (elektrisch und nichtelektrisch) zur Körper- und Schönheitspflege, soweit in Klasse21 enthalten, Augenbrauenbürsten, Rasierpinsel, Rasierpinselhalter, kosmetische Geräte, Kammetuis;
Klasse 41: Ausbildung auf dem Gebiet des Friseurhandwerks;
Klasse 44: Dienstleistung eines Friseur- und Schönheitssalons; Dienstleistungen eines Visagisten.
Gegen diese Marke, deren Eintragung am 7. Mai 2010 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der älteren Gemeinschaftswortmarke
VIVA
die am 3. Januar 2008 unter der Nummer 003 944 411 eingetragen wurde für Waren der
Klasse 3: Duftstoffe und Mittel zur Körper- und Schönheitspflege innerhalb einer Duftstoff-produktlinie einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Parfüms, Eau de Toilette, Deodorants, Duschgel, Körperlotionen; Haarpflegepräparate und Mittel zum Färben des Haars
Widerspruch erhoben.
Mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 hat die Markenstelle für Klasse 35 eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den Widerspruchswaren sowie den Dienstleistungen der angegriffenen Marke in Klasse44 sowie den Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels der jüngeren Marke in Klasse35 bestehe Ähnlichkeit, weil die Mittel bei der Tätigkeit eines Friseurs, eines Visagisten usw. angewendet würden. Bei der Zielgruppe der in Frage stehenden ähnlichen Waren und Dienstleistungen könne es sich auch um breite Verkehrskreise handeln. Die Waren und Dienstleistungen seien solche des alltäglichen Bedarfs, die ohne besondere Sorgfalt erworben bzw. in Anspruch genommen würden. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Der erforderliche deutliche Abstand zur Widerspruchsmarke werde von der angegriffenen Marke selbst bei sehr ähnlichen Waren und Dienstleistungen sowie der Anwendung nur geringer Sorgfalt noch eingehalten. Die jüngere Wort-/Bildmarke werde mit „VIVA FRISEURE" benannt werden. Die beiden Marken unterschieden sich in Wortlänge, Silbenzahl, Vokalfolge sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus deutlich, weil die angegriffene Marke über den Bestandteil „FRISEURE“ verfüge, der der Widerspruchsmarke fehle. Die beiden Wortbestandteile der jüngeren Marke ergäben den zusammenhängenden Sinn, dass man Friseure hochleben lasse, wie z. B. bei „ Viva Las Vegas“ oder „Viva Espania“. Ferner diene die Bedeutung des Bestandteils „FRISEURE“ dazu, die Marken besser auseinander halten zu können und Hör- und Merkfehler zu vermeiden. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr könne aufgrund der unterschiedlichen Wortlänge sowie der typischen Umrisscharakteristik des Bestandteils „FRISEURE“ der angegriffenen Marke ebenfalls ausgeschlossen werden. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die jüngere Marke auch nicht für ein weiteres Produkt der Widersprechenden halten, weil die Marken, wie schon an der grafischen Ausgestaltung der angegriffenen Marke erkennbar werde, anders gebildet seien. Zudem verwendeten auch andere Unternehmen den Bestandteil „Viva" in ihren Marken, so dass dieser nicht zwingend auf die Widersprechende hinweise.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des DPMA vom 6. Oktober 2011 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die angegriffene Marke zu löschen.
Mit ihrem bei Gericht am 14. September 2012 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage haben die Inhaber der angegriffenen Marke die Einrede der Nichtbenutzung erhoben.
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, der Bestandteil „VIVA“ nehme innerhalb der angegriffenen Marke bereits aufgrund seiner Größe und kräftigeren Farbgebung eine prägende Stellung ein. Der glatt beschreibende Bestandteil „Friseure“ trete dahinter zurück. Selbst wenn eine Prägung durch das Wortelement „VIVA“ verneint würde, käme dem Begriff „VIVA“ in der jüngeren Marke eine selbstständig kennzeichnende Stellung zu. Dafür sprächen die klare optische Trennung und die bildliche Hervorhebung dieses Markenbestandteils, der bewusst übernommen worden sei. Unter der Widerspruchsmarke werde seit 1997 kontinuierlich und mit großem Erfolg ein Haarfärbemittel vertrieben, das im betreffenden Marktsegment des Haarpflegebereichs nach wie vor zu den führenden Produkten zähle. Gebe man bei Google unter den „Seiten aus Deutschland“ die Stichworte „Viva“ und „Wella“ ein, erhalte man 87.200Treffer. Beim Blick auf das unter www.wella-viva.deabrufbare VIVA-Produktportfolio werde deutlich, wie sehr sich die angegriffene Marke bei Linienführung und Schriftstärke an der Widerspruchsmarke orientiere. Mit der von den Beschwerdegegnern für die jüngere Marke gewählten Schrift werde die von der Beschwerdeführerin für ihre Wortmarke verwendete Schriftform nachgeahmt. Die angesprochenen Verkehrskreise gingen daher davon aus, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine weitere Marke der „VIVA“-Markenfamilie der Beschwerdeführerin handele. Diese umfasse u. a. die deutschen Marken DE395116546, DE395394945, DE396099505 sowie die Gemeinschaftsmarken EM000617811 und EM001295336 sowie die internationalen Registrierungen IR238357 und 543985. Da die Widerspruchsmarke sich derzeit noch in der Benutzungsschonfrist gemäß Art. 15 GMV befinde, sei derzeit noch keine Glaubhaftmachung der Benutzung notwendig. Im anhängigen Verletzungsprozess vor dem Landgericht Frankfurt am Main - 2-06O290/12 - sei in der mündlichen Verhandlung vom 26. September2012 unstreitig gestellt worden, dass die Widersprechende ihre Marke für Haarpflegeprodukte verwende. Zwar hätten die Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 27. September2012 (Anlage B2, Bl. 58ff. GA) diese Aussage in der Zwischenzeit zu revidieren versucht, jedoch hätten sie nunmehr zumindest unstreitig gestellt, dass es ihnen aktuell bekannt sei, dass die Widersprechende Haarfärbeprodukte unter der Marke „VIVA“ vertreibe. Bei allen Dienstleistungen der jüngeren Marke handele es sich um ergänzende Dienstleistungen zu den Widerspruchswaren. Zwischen ihnen bestehe ein enger Zusammenhang in dem Sinne, dass eines von ihnen für die Verwendung des anderen wichtig oder unerlässlich sei, so dass der Verbraucher denken könne, die Verantwortung für diese Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen. Insbesondere Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen, die darauf ausgerichtet seien, Waren, für die die Widerspruchsmarke Schutz genieße, zu verkaufen, ergäben ohne eben diese Waren keinen Sinn und liefen leer. Der Widerspruchsmarke komme zudem eine zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Aufgrund der umfangreichen Produktserie und der zahlreichen verschiedenen VIVA-Produkte (www.well-viva.de), die die Beschwerdeführerin unter der Widerspruchsmarke führe bzw. anbiete, sei sogar von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen. Sie sei auch nicht aufgrund von Drittzeichen geschwächt. Für die Widerspruchswaren gebe es derzeit lediglich 77Treffer in der Datenbank des DPMA, die den Wortbestandteil „Viva“ enthielten, wobei sich hiervon 45Treffer auf deutsche Marken, 24 auf Gemeinschaftsmarken sowie 8 auf internationale Registrierungen bezögen. Viele dieser Marken seien bereits gelöscht. Im Übrigen seien Inhaberinnen von 13dieser Marken die Widersprechende, die W… GmbH oder andere mit ihr verbundene Unternehmen. Des Weiteren hätten die Beschwerdegegner nicht den Nachweis einer Benutzung dieser Drittmarken geführt.
Die Inhaber der angegriffenen Marke beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und vertreten die Auffassung, dass der Bestandteil „Friseure“, auf dem die Hauptbetonung liege, auch wenn er rein beschreibend sei, zum Gesamteindruck beitrage, so dass ihm eine selbständige kennzeichenrechtliche Stellung zukomme. Die Bestandteile „Viva Friseure“ würden klanglich und begrifflich als Einheit wahrgenommen. Die Kombination eines spanischen Wortes „Viva“ mit einer französisch klingenden, aber rein deutschen Berufsbezeichnung „Friseure“ mache das Schöpferische an der angegriffenen Wortfolge aus. Mit dem Wortzeichen „Viva“ assoziierten die Verkehrskreise eher den bekannten, gleichnamigen Kölner Musiksender als die Widersprechende oder die W… GmbH. Da eine Recherche im DPMA-Register unter dem Suchbegriff „Viva“, auch in Kombination mit anderen Bezeichnungen, in allen Waren- und Dienstleistungsklassen 500Eintragungen ergeben habe, sei von einer nur unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Da beim stilisierten Schriftzug „Viva“ der jüngeren Marke das „V“ in das „I“ übergehe und eine Einheit bilde, werde das Wort „Viva“ nicht sofort wahrgenommen. Die verfremdete Bildgestaltung lenke zusätzlich vom Wortbestandteil „Viva“ ab. Deshalb orientiere sich das Publikum an dem wie eine Erläuterung wirkenden Wortbestandteil „Friseure“. Die von den Beschwerdegegnern angebotenen Dienstleistungen würden lediglich in ihrem Friseursalon erbracht, während die Haarpflegeprodukte der Widersprechenden im Regal eines Supermarktes angeboten würden. Dienstleistungen eines Friseur- und Schönheitssalons erbringe die Widersprechende nicht. Sie vertreibe unter ihrer Marke lediglich Mittel zur Haarfärbung (Bl. 139GA, Anlagen2 bis 4, Bl. 142 – 146 GA). Da Friseure nicht nur Haare färbten, sondern Dienstleistungen rund um die Haarpflege erbrächten, liege im Hinblick auf die unselbständige unter der Widerspruchsmarke vertriebene Nebenware keine Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist überwiegend, nämlich im tenorierten Umfang begründet.
Insoweit besteht bei beiden Marken die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 125b Ziffer 1 MarkenG. In Bezug auf die für die angegriffene Marke in Klasse 35 eingetragenen Dienstleistungen „Werbung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten“ ist wegen Unähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2006, 60, 61 Rdnr. 12 – coccodrillo; GRUR 2006, 859, 860 Rdnr. 16 – Malteserkreuz I; MarkenR 2008, 405 Tz. 10 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 906 – Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 – METROBUS; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 – AIDA/AIDU; EuGH GRUR 2006, 237, 238 – PICARO/PICASSO).
1. Bei der Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit ist von der Registerlage auszugehen. Zwar haben die Inhaber der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 14. September 2012 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsgemeinschaftsmarke bestritten, aber diese Nichtbenutzungseinrede gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG, 125b Nr. 4 MarkenG war im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht zulässig, weil die fünfjährige Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 GMV, die mit der Eintragung am 3. Januar 2008 zu laufen begann, noch nicht abgelaufen war.
2. Die Vergleichsmarken werden überwiegend zur Kennzeichnung hochgradig und mittelgradig ähnlicher Waren und Dienstleistungen verwendet.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen. (EuGH GRUR 1998, 922 Rdnr. 15 – Canon; BGH, GRUR 2007, 321 Rdnr. 20 – COHIBA; GRUR 2009, 484 Rdnr. 25 – METROBUS; GRUR 2012, 1145, 1148 Rdnr. 34 f. – Pelikan).
Dabei dürfen an eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen keine unüberwindbar hohen Anforderungen gestellt werden. Zwar sind Dienstleistungen generell weder mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln noch mit den durch sie erzielten Ergebnissen, soweit sie Waren hervorbringen, ohne weiteres als ähnlich anzusehen. Besondere Umstände können jedoch die Feststellung der Ähnlichkeit nahelegen (BGH GRUR 2000, 883, 884 – PAPPAGALLO). Maßgeblich ist insoweit die Verkehrsanschauung. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen liegt vor, wenn das Publikum annimmt, die Ware und die Dienstleistung stammten aus demselben oder jedenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ein Indiz für eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen kann vorliegen, wenn die Waren nicht allgemein angeboten und verwendet werden, sondern typischerweise bei der Erbringung der Dienstleistungen zur Anwendung kommen (BGH GRUR 2004, 241, 243 – GeDIOS; a. a. O. Rdnr. 35 – Pelikan).
a) Enge bzw. hochgradige Ähnlichkeit besteht zwischen den Widerspruchswaren der Klasse 3 „Duftstoffe und Mittel zur Körper- und Schönheitspflege innerhalb einer Duftstoffproduktlinie einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Parfüms, Eau de Toilette, Deodorants, Duschgel, Körperlotionen; Haarpflegepräparate und Mittel zum Färben des Haars“ und den für die jüngere Marke geschützten Dienstleistungen der Klasse 44 „ Dienstleistung eines Friseur- und Schönheitssalons; Dienstleistungen eines Visagisten“. Denn „Haarpflegepräparate und Mittel zum Färben des Haars“ werden bei Friseurdienstleistungen und „Duftstoffe und Mittel zur Körper- und Schönheitspflege innerhalb einer Duftstoffproduktlinie einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Parfüms, Eau de Toilette, Deodorants, Duschgel, Körperlotionen“ werden bei Dienstleistungen eines Schönheitssalons und eines Visagisten typischerweise verwendet und im Zusammenhang mit ihnen, teilweise sogar unter derselben Marke, vertrieben (BPatG 29 W (pat) 132/97, HABM BK R 474/2010-1 Rdnr. 33, Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 15. Aufl., S. 345). Dies hat auch die Beschwerdeführerin durch Vorlage von Unterlagen der in gleichnamigen Friseursalons angebotenen Haarproduktmarke „AVEDA“ nachgewiesen (Bl. 147a – 147g GA). Es gibt auch spezielle hochpreisige Haarpflege- und Kosmetikprodukte, etwa die der Firma B., die ausschließlich über Friseur- und Kosmetik- bzw. Schönheitssalons vertrieben und nur dort erworben werden können (BPatG 32 W (pat) 159/00).
Diese enge Ähnlichkeit besteht aus den gleichen Gründen auch zwischen den Widerspruchswaren der Klasse 3 „Haarpflegepräparate und Mittel zum Färben des Haars“ und der in Klasse 41 registrierten Vorstufe zur Friseurdienstleistung, nämlich der „Ausbildung auf dem Gebiet des Friseurhandwerks“ (BPatG 32 W (pat) 159/00; Richter/Stoppel, a. a. O., S. 338).
b) Ähnlichkeit mittleren Grades ist gegeben zwischen den Widerspruchswaren und den in Klasse 35 eingetragenen Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels sowie Online- oder Katalogversandhandels mit Waren, die alle den Bereichen „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Friseur-Kosmetika“ sowie „handbetätigte Werkzeuge und Geräte für den Friseur- und/oder Schönheitssalon“ zugeordnet werden können (HABM BKR342/2009-1; R1513/2009-4; R474/2010-1; Richter/Stoppel, a. a. O., S. 346).
Der Zweck des Einzelhandels besteht im Verkauf von Waren an den Verbraucher. Dieser Handel umfasst neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfaltet, um zum Abschluss eines solchen Geschäftes anzuregen. Diese Tätigkeit besteht insbesondere in der Auswahl eines Sortiments von Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und im Angebot verschiedener Dienstleistungen, die einen Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit diesem Händler statt mit einem seiner Wettbewerber abzuschließen (EuGH GRUR2005, 764, 766 Rdnr. 34 – Praktiker).
Zwar stimmen Einzelhandelsdienstleistungen und die davon betroffenen Waren ihrer Art, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung nach nicht überein, aber es bestehen enge wirtschaftliche Beziehungen, weil der Einzelhandel allein dem Absatz der Waren dient und der Verbraucher das Einzelhandelsgeschäft nur zum Zwecke des Erwerbs der Waren aufsucht. Da sich die Einzelhandelsdienstleistungen vorliegend auf Waren beziehen, die mit den Widerspruchswaren identisch oder hochgradig ähnlich sind, ergänzen sich hier Dienstleistungen und Waren. Hinzu kommt, dass die Einzelhandelsdienstleistungen im Allgemeinen an denselben Orten erbracht werden, an denen die Waren zum Verkauf angeboten werden.
c) Die in Klasse 35 registrierten Dienstleistungen „Werbung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten“ sind zu den Widerspruchswaren unähnlich.
Werbung hat zum Zweck, Werbedienstleistungen für andere Unternehmen zu erbringen, um den Absatz dieser Kunden zu fördern oder ihre Marktstellung zu festigen und ihnen mittels Öffentlichkeitsarbeit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Auch die Dienstleistungen „Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten“ stehen in keinem Zusammenhang zu Mitteln für Körper- und Schönheitspflege sowie zu Haarpflege- und –färbeprodukten.
3. Ausgehend von den ähnlichen Waren und Dienstleistungen kommen Verbraucher aus der gesamten Bevölkerung in Betracht, die beim Erwerb dieser Produkte und bei der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen mit normaler Aufmerksamkeit vorgehen.
Soweit allgemeine Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, ist davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware und/oder Dienstleistung befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach der Art der Ware bzw. der in Anspruch genommen Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (BGH MarkenR 2000, 140, 144 – ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1998, 942, 943 linke Spalte – ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 Rdnr. 24 – Lloyd/Loint’s).
Die Aufmerksamkeit des Publikums bei der Auswahl der hier betroffenen Waren und Dienstleistungen aus dem Haarpflege- und Kosmetikbereich wird abhängig von der Preisklasse und dem Qualitätsniveau entweder bei alltäglichen Massenartikeln gering oder bei Luxusartikeln erhöht sein. Es kann daher insgesamt von keinem höheren als einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad ausgegangen werden.
4. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
„VIVA“ bedeutet im Spanischen als Substantiv „Hochruf“ und als Ausruf „Hoch! oder „Hurra!“. Im Italienischen kommen noch die Bedeutungen „Prost!“, „Zum Wohl!“ oder „Es lebe ...!“ hinzu (www.leo.org). Über die Widerspruchswaren „ Duftstoffe und Mittel zur Körper- und Schönheitspflege innerhalb einer Duftstoffproduktlinie einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Parfüms, Eau de Toilette, Deodorants, Duschgel, Körperlotionen; Haarpflegepräparate und Mittel zum Färben des Haars“ trifft dieser Ausdruck in Alleinstellung keine Sachaussage.
Eine Reduzierung des Schutzumfanges durch Drittzeichen kann ebenfalls nicht angenommen werden.
Soweit eine Recherche der Beschwerdegegner im DPMA-Register unter dem Suchbegriff „Viva“, auch in Kombination mit anderen Bezeichnungen, in allen Waren- und Dienstleistungsklassen 500Eintragungen ergeben haben, reicht dies nicht aus, um eine nur unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke anzunehmen. Denn es fehlt an dem erforderlichen engen Ähnlichkeitsbereich. Für die Widerspruchswaren in Klasse 3 hat es lediglich 77 Treffer in der Datenbank des DPMA gegeben, die den Wortbestandteil „Viva“ enthalten.
Aber selbst wenn diese Anzahl im engsten Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke liegender Drittmarken ausreichte, genügt dieser Umstand allein noch nicht, um eine Schwächung der Kennzeichnungskraft nachzuweisen. Denn es muss auch zum Umfang der Benutzung und zur Bekanntheit der Drittzeichen vorgetragen werden (BGH GRUR 2008, 1104 Rdnr. 25 – Haus und Grund II; GRUR 2009, 685 Rdnr. 25 – ahd.de). Daran fehlt es hier.
Der Widerspruchsmarke kann aber auch keine gesteigerte Kennzeichnungskraft beigemessen werden. Dazu muss sie als Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Gemeinschaftsgebiets bekannt sein. Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft durch eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit bedarf es dabei hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur Förderung der Marke sowie zu demoskopischen Befragungen zwecks Ermittlung des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (BGH GRUR 2008, 903, 904 – SIERRA ANTIGUO). Solche konkreten Angaben fehlen hier völlig.
Soweit die Widersprechende vorträgt, dass unter der Widerspruchsmarke seit 1997 kontinuierlich und mit großem Erfolg ein Haarfärbemittel vertrieben werde, das im betreffenden Marktsegment des Haarpflegebereichs nach wie vor zu den führenden Produkten zähle, reicht dieses Vorbringen ohne die vorgenannten detaillierten Daten nicht aus. Das gilt auch für die 87.200Treffer, die bei Google auf den „Seiten aus Deutschland“ bei Eingabe der Stichworte „Viva“ und „Wella“ erzielt worden sein sollen.
5. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und hochgradig bis durchschnittlich ähnlichen Waren und Dienstleistungen hält die angegriffene Marke den erforderlichen weiten Abstand nicht mehr ein.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u.a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2009, 487 Rdnr. 32 – Metrobus; GRUR 2006, 60 Rdnr. 17 coccodrillo). Weiterhin ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (EuGH a. a. O. Rdnr. 30 – THOMSON LIFE; BGH a. a. O. – Metrobus; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang).
Die sich hier gegenüberstehenden Marken werden zumindest klanglich ähnlich wahrgenommen.
Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke wird von ihrem Wortbestandteil geprägt. Die Farbgebung (lila, grün) und die grafische Gestaltung des Schriftzugs treten in der Wahrnehmung der angesprochenen breiten Verkehrskreise als lediglich einfache dekorative Elemente zurück. Insoweit gilt der Erfahrungssatz, dass sich das Publikum bei einer Wort-/Bildmarke an dem Wortbestandteil orientiert, wenn wie vorliegend der Bildbestandteil keine ins Gewicht fallende grafische Gestaltung aufweist (BGH a. a. O. Rdnr. 23 – INTERCONNECT/T-InterConnect).
Die jüngere Marke wird durch den Bestandteil „VIVA“ geprägt, weil das zweite Markenwort „Friseure“ beschreibender Natur ist und damit als schutzunfähiger und nicht kollisionsbegründender Bestandteil zurücktritt. Ein Friseur ist jemand, der berufsmäßig anderen das Haar scheidet [und frisiert] (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; Duden – das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]). Sämtliche im Ähnlichkeitsbereich liegenden Dienstleistungen der angegriffenen Marken haben die Tätigkeit, die Ausbildung oder das Handwerkszeug eines Friseurs oder die gewöhnlich in einem Friseurgeschäft angebotenen und/oder benötigten Verbrauchsmaterialien zum Gegenstand. Demgegenüber wirkt das vorangestellte, mit der Widerspruchsmarke übereinstimmende Element „VIVA“ aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eher wie ein Fantasiewort. Denn um zu dem verständlichen Ausdruck „Es leben die Friseure“ zu gelangen, muss das Markenwort noch um den Artikel „die“ ergänzt werden. Der Durchschnittsverbraucher wird die Marke mit „Viva Friseure“ benennen und ihr auf Anhieb keinen wirklichen Sinngehalt entnehmen, weil es im Inland auch nicht üblich ist, einen Berufsstand mit diesem Ausruf hochleben zu lassen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner bilden die aus zwei verschiedenen Sprachen stammenden und grafisch deutlich getrennt dargestellten Wortelemente „VIVA“ und „Friseure“ daher auch keinen Gesamtbegriff, sondern werden vom inländischen Durchschnittsverbraucher aufgespalten. Der vorliegende Fall ist daher entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner nicht mit der Fallkonstellation in der BGH-Entscheidung zu „METROBUS“ (GRUR 2009, 484 ff.) vergleichbar.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Widersprechenden vom 10. Dezember 2012 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.