Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.09.2012


BPatG 12.09.2012 - 28 W (pat) 82/11

Markenbeschwerdeverfahren - "OGV/OMV (Gemeinschaftsbildmarke)" – rechtserhaltende Benutzung – Waren- und Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – teilweise klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
12.09.2012
Aktenzeichen:
28 W (pat) 82/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 305 18 142.4

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 4, vom 18. August 2009 und vom 20. Juli 2011 werden insoweit aufgehoben, als der Widerspruch für die Waren der

Klasse 04: Flüssiggas, soweit in Klasse 04 enthalten;

Klasse 06: Behälter aus Metall für Druckgas;

Klasse 11: gasbetriebene Beleuchtungs-, Heizungs-,

Dampferzeugnis-, Koch-, Kühl- und Trockengeräte und -anlagen; Regelungs- und Sicherheitszubehör für Gasgeräte und Gasleitungen;

Klasse 39: Verpackung, Lagerung, Verteilung und Transport von

Flüssiggas

zurückgewiesen worden ist. Insoweit hat das Deutsche Patent- und Markenamt die angegriffene Marke 305 18 142.4 zu löschen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 29. März 2005 angemeldete Wortmarke

2

OGV

3

ist am 20. Juni 2005 unter der Nummer 305 18 142.4 für die Waren der

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Klasse 04: Flüssiggas, soweit in Klasse 04 enthalten;

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Klasse 06: Behälter aus Metall für Druckgas;

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Klasse 11: gasbetriebene Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugnis-, Koch-,

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Kühl- und Trockengeräte und -anlagen; Regelungs- und Sicherheitszubehör für Gasgeräte und Gasleitungen;

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Klasse 37: Einbau, Wartung und Reparatur von Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl- und Trockengeräten;

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Klasse 39: Verpackung, Lagerung, Verteilung und Transport von Flüssiggas

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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 22. Juli 2005.

11

Gegen die Eintragung hat die Widersprechende am 20. September 2005 Widerspruch aus der am 21. März 2000 eingetragenen Gemeinschafts-Bildmarke EM 221 598

Abbildung

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erhoben. Diese ist eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 01: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche,

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photographische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze und synthetische Harze, Kunststoffe im Rohzustand (in Form von Pulvern, Flüssigkeiten oder Pasten); Düngemittel (natürliche und künstliche); Feuerlöschmittel; Härtemittel und chemische Präparate zum Löten; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; Kohlenstoff, Kohlenwasserstoff und deren Derivate, Alkohole, Ester, rohe Kunstharze, Härteöle, Frostschutzmittel, Kühlmittel, Zusatzstoffe für Leucht-, Treib- und Heizstoffe; Lösungsmittel; Syntesegas; Paraffin, Schwefel, petrochemische Produkte (Äthylen, Propylen, Butadien, Polyäthylen, Polypropylen), Petrolkoks, Lösungs- und Verdünnungsmittel für Druckfarben, Lösungs- und Verdünnungsmittel für Anstriche und Konservierungsmittel; Polymerisate organischer Verbindungen für die Kunststoffindustrie, verflüssigte und verdichtete brennbare Gase für Antriebs-, Koch- und Heizzwecke; Butan, Propan;

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Klasse 02: Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel;

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Färbemittel; Beizen; Naturharze, Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler und Dekorateure; Konservierungsöle für Holz; Ruß; Ruß für Druckfarben, Citogen;

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Klasse 03: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel, Fettlösemittel; Fleckentfernungsmittel, Rostschutzmittel, Wichse, Lederkonservierungsmittel;

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Klasse 04: Technische Öle und Fette (keine Speiseöle und -fette und keine ätherischen Öle); Schmiermittel; Staubbindemittel; Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe; Kerzen, Wachslichte, Nachtlichte und Dochte; Wachse, Paraffine, Ceresin, Ozokerit, Petroleum, Schmieröle, Spindelöle, Kompressorenöle, Turbinenöle, Bohröle und andere Spezialöle und andere Schmiermittel; Benzin, Ligroin, Gasöle, Dieselöle, Heizöle, Transformatorenöle, Kabelisolieröle und andere Spezialöle für elektrotechnische Zwecke; Korrosionsschutzöle, Koch- und Heizgas;

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Klasse 06: Rohe und teilweise bearbeitete unedle Metalle und deren Legierungen; gewalzte und gegossene Bauteile; Schienen und sonstiges Material aus Metall für Schienenwege; Ketten (mit Ausnahme von Treibketten für Fahrzeuge); Schlosserwaren; Metallrohre; Stahlkugeln; Schrauben; sonstige Waren aus unedlen Metallen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Rohrleitungen, Druckrohre; Stahlprofile, Armaturen, Wellen, Muffen, Flansche;

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Klasse 07:  Maschinen und Werkzeugmaschinen; Kupplungen (ausgenommen

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für Landfahrzeuge); Maschinenteile, Maschinenersatzteile; Pumpen, Pumpenböcke; Eruptionskreuze; Sonden, Sondenabschlüsse; Seilwinden; Druckbehälter mit Verrohrung, Schnellverschlüsse; Wärmetauscher, Wasserbadvorwärmer; Transportanlagen für Erdgas und Erdöl, Maschinen und Anlagen für die Exploration, Förderung, Produktion und den Transport von Erdöl und Erdgas; Gastrocknungsanlagen, Stabilisatoren; Rohrbrücken, Gerüste; Flüssiggastankstellen, Flüssigtankanlagen, Mannschaftskojen; Fahrzeugaufbauten in Form von Maschinen, Anlagen zur Biogaserzeugung;

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Klasse 11: Destillationsanlagen, Spaltöfen (Crackanlagen), chemisch-

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technische Reaktoren, Nebenanlagen hierfür und Apparate zum Betrieb dieser Anlagen;

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Klasse 17: Isolieröle;

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Klasse 19: Asphalt, Bitumen, Bitumenemulsionen; Erdölprodukte für Straßen-,  Tief- und Hochbau, Hart- und Weichbitumen;

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Klasse 36: Kreditgewährung und -vermittlung für Heizungsanlagen und sonstige Verbrauchs- und Lagereinrichtungen für Erdölerzeugnisse;

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Klasse 37: Bau und Instandhaltung von Einrichtungen und Anlagen, die dem

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Transport, der Lagerung, der Verarbeitung und der Anwendung von Erdöl, Erdgas und Erzeugnissen daraus dienen; Errichtung von Anlagen zur Versorgung Dritter mit Gas, Strom, aus Gas und Öl erzeugter Wärme, sowie mit Öl- und Gasprodukten aller Art; Bau und Service, Reinigung und Revision von Anlagen, die Kohlenwasserstoffe, Erdöl, Erdgas, Gas und deren Produkte fördern, erzeugen, liefern, verarbeiten oder vertreiben; Errichtung von Gewinnungs- und Aufbereitungsanlagen für radioaktive Mineralien, insbesondere Uran- und Thoriumerze, sowie alle mit dieser Errichtung in Zusammenhang stehende Tätigkeiten; Errichtung von Anlagen zur Aufsuchung, Gewinnung, Verarbeitung, Verteilung und Verwertung von Erdöl, Bitumen aller Art, Erdgas und mineralischen Rohstoffen; Gewinnung von Erdöl, Bitumen aller Art, Erdgas und mineralischen Rohstoffen; Gewinnung von radioaktiven Mineralien, insbesondere Uran- und Thoriumerzen; Ausführung von Arbeiten für die Herstellung von Tiefbohrungen unter Einschluß aller für die Aufsuchung, Gewinnung und Verwertung von Heißwasser, Heil- und Mineralwässern u.ä. erforderlichen Tätigkeiten; Tätigkeiten zur Gewinnung von Sekundärenergie; Bohrarbeiten für Dritte;

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Klasse 39: Transport und Lagerung von Erdöl, Erdgas und Erzeugnissen daraus, Garagen; Beförderung von kohlenwasserstoffhaltigen Flüssigkeiten und Gasen; Verteilung von Erdöl, Bitumen aller Art, Erdgas und mineralischen Rohstoffen; Versorgung Dritter mit Gas, Strom, aus Gas und Öl erzeugter Wärme, sowie mit Öl- und Gasprodukten aller Art; Belieferung von Tankstellen;

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Klasse 40: Verarbeitung und Verwertung von Erdöl, Bitumen aller Art, Erdgas

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und mineralischen Rohstoffen; Aufbereitung von radioaktiven Mineralien, insbesondere Uran- und Thoriumerzen; Tätigkeiten zur Verwertung von Sekundärenergie;

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Klasse 42: Dienstleistungen in Zusammenhang mit dem Betrieb von Motels und

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Gaststätten in Verbindung mit der Abgabe von Erzeugnissen aus Erdöl; Laboratoriumsarbeiten und Forschung auf den Gebieten des Erdölbergbaues und der Lagerung, Verarbeitung und Anwendung von kohlenwasserstoffhaltigen Flüssigkeiten und Gasen einschließlich des Umweltschutzes; Aufsuchung von Erdöl, Bitumen aller Art, Erdgas und mineralischen Rohstoffen; Aufsuchung von radioaktiven Mineralien, insbesondere Uran- und Thoriumerzen; Aufsuchungsarbeiten für mineralische Rohstoffe; Planung von Anlagen zur Aufsuchung, Gewinnung, Verarbeitung, Verteilung und Verwertung von Erdöl, Bitumen aller Art, Erdgas und mineralischen Stoffen; Planung von Anlagen zur Versorgung Dritter mit Gas, Strom, aus Gas und Öl erzeugter Wärme, sowie mit Öl- und Gasprodukten aller Art im Auftrag Dritter; Planung und Berechnung von Arbeiten für die Herstellung von Tiefbohrungen unter Einschluß aller für die Aufsuchung, Gewinnung und Verwertung von Heißwasser, Heil- und Mineralwässern u. ä. erforderlichen Tätigkeiten; Tätigkeiten zur Erforschung von Sekundärenergie; Beratung über die Technik der Aufsuchung, der Gewinnung, der Lagerung, des Transports, der Verarbeitung und der Anwendung von Erdöl und Erdgas sowie verwandter oder daraus erzeugter Stoffe, einschließlich der Erstattung von Gutachten, der Ausarbeitung von Projekten der Beschaffung der für die Projektrealisierung erforderlichen Lieferungen und Leistungen und der Durchführung der Bauüberwachung auf diesem Gebiet; Erbringung solcher Leistungen für Anlagen der Energieversorgung, Fernwärmeanlagen, Biogasanlagen, Rauchgasentschwefelungsanlagen, Telekommunikations- und Datenübertragungseinrichtungen, sowie für alle erforderlichen Nebeneinrichtungen wie Gebäude, Lager, Zufahrtsstraßen und Brücken.

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Am 30. März 2006 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Nichtbenutzungseinrede erhoben; die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke vorgelegt.

35

Mit Beschlüssen vom 18. August 2009 und vom 20. Juli 2011, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat das DPMA, Markenstelle für Klasse 4, den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, zwischen den streitbefangenen Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Inhaberin der angegriffenen Marke habe in zulässiger Weise die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Die Widersprechende habe im Erinnerungsverfahren Unterlagen vorgelegt, nach denen eine Benutzung der Widerspruchsmarke zumindest für die Ware der Klasse 4 „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)" glaubhaft erscheine. Diese Ware sei der von der angegriffenen Marke beanspruchten Ware der Klasse 4 „Flüssiggas“ ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich; für die Annahme einer erhöhten bundesweiten Kennzeichnungskraft lägen keine Anhaltspunkte vor. Den damit zu stellenden mittleren bis hohen Anforderungen an den Markenabstand werde die angegriffene Marke gerecht. Die Zeichen seien weder klanglich noch schriftbildlich verwechselbar.

36

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Unter Vorlage weiterer Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung hat sie zur Begründung ausgeführt: Die Benutzung der Widerspruchsmarke sei glaubhaft gemacht. Zwischen der von der angegriffenen Marke beanspruchten Ware „Flüssiggas“ und der Ware „Brennstoffe“ der Widerspruchsmarke bestehe Identität. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei gesteigert. Diese werde in Süddeutschland, insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg, seit vielen Jahren intensiv und mit großem Aufwand benutzt und verfüge über eine hohe Marktpräsenz und Bekanntheit. Die gesteigerte Kennzeichnungskraft beziehe sich zumindest auf üblicherweise an Tankstellen angebotene Produkte. Die Kollisionsmarken seien einander in klanglicher Hinsicht ähnlich. Die Betonung und der Rhythmus der Aussprache seien gleich. Beide Zeichen spreche der Verkehr unter Betonung des Anfangsbuchstabens als drei Einzelbuchstaben aus. Die Mittelkonsonanten „M“ bzw. „G“ seien in ihrer Aussprache unauffällig. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestehe Verwechslungsgefahr, zumal es sich bei den Buchstaben „M“ und „G“ gleichermaßen um große raumausfüllende Buchstaben handele.

37

Die Beschwerdeführerin und Widersprechende beantragt,

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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 4, vom 18. August 2009 und vom 20. Juli 2011 aufzuheben und die Marke Nr. 305 18 142.4 zu löschen.

39

Die Beschwerdegegnerin und Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt mit Schriftsatz vom 20. August 2012,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Im Verfahren vor der Markenstelle hat sie argumentiert, eine Benutzung der Widerspruchsmarke, zumal für sämtliche der beanspruchten Waren, sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei nicht gesteigert, insbesondere nicht für die Ware „Flüssiggas“. Die Widersprechende habe einen Großteil der Tankstellen in Deutschland erst im Jahr 2003 erworben. Der bis zum 29. März 2005, dem Anmeldetag der angegriffenen Marke, verstrichene Zeitraum reiche zur Erlangung einer erhöhten Verkehrsgeltung nicht aus, zumal die Anzahl von damals 400 von der Widersprechenden betriebenen Tankstellen angesichts der Gesamtzahl von damals 15.000 Tankstellen in Deutschland eher bescheiden sei. Es fehle auch an einer Zeichenähnlichkeit. Der angesprochene Verkehrskreis nehme die Kollisionsmarken als Abkürzung wahr. Bei beiden werde jeder Buchstabe gesondert und gleichberechtigt wahrgenommen. Die mittleren Buchstaben „G“ einerseits und „M“ andererseits unterschieden sich auffällig sowohl in schriftbildlicher als auch in klanglicher Hinsicht. Während in der angegriffenen Marke der Konsonant „G“ („ge“) mit einem langen „e“ ausklinge, beginne in der Widerspruchsmarke der Konsonant „M“ („e:m“) mit einem kurzen „e:“ und klinge auf dem „m“ aus.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

43

Die zulässige Beschwerde hat im wesentlichen Erfolg. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr nach §§ 125 b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist hinsichtlich der von der angegriffenen Marken beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 04, 06, 11 und 39 zu bejahen; hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 37 besteht eine Verwechslungsgefahr jedoch nicht.

44

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2006, 237, 238 PICARO/PICASSO; BGH GRUR 2011, 824, Rdnr. 19 Kappa; GRUR 2010, 833, Rdnr. 12 Malteserkreuz lI; GRUR 2010, 235, Rdnr. 15 AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, 486, Rdnr. 23 Metrobus; GRUR 2008, 906 Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260, Rdnr. 20 - INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2008, 903, Rdnr. 10 SIERRA ANTIGUO). Eine absolute Warenunähnlichkeit kann dabei selbst bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden (EuGH GRUR 1998, 922 Rdnr. 15 Canon; BGH GRUR 2009, 484, 486, Rdnr. 25 Metrobus; GRUR 2007, 321 COHIBA; GRUR 2006, 941 Rdnr. 13 TOSCA BLU).

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1. Nach diesen Grundsätzen muss eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen für die im Tenor genannten Produkte bejaht werden.

46

a) Gemäß §§ 125 b Nr. 4, 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf Seiten der Widerspruchsmarke ausschließlich die Ware „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“ zugrundezulegen, da die Widersprechende eine Benutzung der Widerspruchsmarke nur für diese Ware glaubhaft gemacht hat.

47

(1.) Eine Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke ist erforderlich; denn die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke in zulässiger Weise nach den §§ 125 b Nr. 4, 43 Abs. 1 S. 1 und 2 MarkenG bestritten.

48

Nach § 125 b Nr. 4 MarkenG sind für den Fall, dass ein Widerspruch auf eine ältere Gemeinschaftsmarke gestützt wird (vgl. § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 125 b Nr. 1 MarkenG), die Glaubhaftmachungsregeln des § 43 Abs. 1 MarkenG entsprechend anzuwenden mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Benutzung der Marke gemäß § 26 MarkenG die Benutzung der Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 15 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke (GMV) tritt.

49

Dass die Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede nicht ausdrücklich auf einen der beiden Tatbestände des § 43 Abs. 1 MarkenG gestützt hat, ist ohne Bedeutung. In einem undifferenzierten Bestreiten der Benutzung ist regelmäßig die Erhebung beider Einreden zu sehen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen (Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, 2012, § 43 Rdnr. 18).

50

Das Bestreiten der Benutzung der Widerspruchsmarke war gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG auch zulässig, denn die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 21. März 2000 eingetragenen Widerspruchsmarke endete bereits vor der am 22. Juli 2005 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke.

51

Die Widersprechende hat eine Benutzung ihrer Widerspruchsmarke deshalb sowohl für den Fünfjahreszeitraum gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG (22. Juli 2005 bis 22. Juli 2000) als auch für den maßgeblichen Fünfjahreszeitraum gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG (12. September 2012 bis 12. September 2007) glaubhaft zu machen.

52

(2.) Dieser Obliegenheit ist die Widersprechende für die eingetragenen Waren der Klasse 4 „Benzin“ und „Dieselöle“ nachgekommen. Die ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke ist insoweit gerichtsbekannt und im Übrigen glaubhaft gemacht.

53

Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren oder Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006, 582, 584, Rdnr. 70 - VITAFRUIT; GRUR 2003, 425, 428, Rdnr. 38 - Ajax/Ansul). Nach der europäischen Spruchpraxis ist davon jedenfalls auszugehen, wenn die Marke „tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist“ (vgl. EuGH GRUR 2008, 343, 346, Rdnr. 74 Il Ponte Finanziaria SpA/HABM).

54

Danach ist in beiden Benutzungszeiträumen von einer Benutzung der Widerspruchsmarke in der Gemeinschaft (vgl. Art. 15 GMV), nämlich sowohl in Deutschland als auch in Österreich, für die Waren der Klasse 4 „Benzin“ und „Dieselöle“ auszugehen.

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Dr. W. B., der Leiter der Rechtsabteilung der OMV AG, hat am 24. Juli 2006 eidesstattlich versichert, dass die OMV AG mit einem Konzernumsatz von 15,6 Milliarden EUR und 5.226 Mitarbeitern im Jahr 2005 das größte börsennotierte Industrieunternehmen Österreichs war und die OMV Deutschland GmbH bereits Anfang der 90er Jahre begonnen hatte, sich mit der Errichtung eigener Tankstellen ein zweites Standbein aufzubauen. Im Jahr 2005 ist danach die 400. OMV-Tankstelle in Deutschland eröffnet worden. Zum Zeitpunkt der Abgabe dieser eidesstattlichen Versicherung hat die Widersprechende über 2.521 Tankstellen in 13 Ländern, auch in Österreich, betrieben. Am 12. November 2009 haben der Leiter der Rechtsabteilung und am 7. September 2012 H…, der für die Bereiche Controlling und Finanzen der OMV Deutschland GmbH zuständige Leiter, ergänzend die Nettoumsatzerlöse der OMV Tankstellen in Deutschland für die Produkte Vergaserkraftstoffe, Dieselkraftstoffe (gleichbedeutend mit „Dieselöl“, vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006, CD-ROM), Flüssiggas und Erdgas wie folgt eidesstattlich versichert:

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Jahr   

Vergaserkraftstoffe

Dieselkraftstoffe

Flüssiggas

Erdgas

2000   

131.781.345 EUR

47.937.827 EUR

0 EUR 

0 EUR 

2001   

134.749.717 EUR

54.286.161 EUR

0 EUR 

0 EUR 

2002   

129.406.206 EUR

55.497.145 EUR

0 EUR 

0 EUR 

2003   

124.909.082 EUR

67.353.506 EUR

0 EUR 

0 EUR 

2004   

191.551.455 EUR

121.445.640 EUR

0 EUR 

0 EUR 

2005   

244.964.483 EUR

197.160.372 EUR

0 EUR 

0 EUR 

2006   

289.511.545 EUR

251.425.326 EUR

1.314.341 EUR

398.738 EUR

2007   

293.501.627 EUR

277.591.211 EUR

2.236.959 EUR

595.788 EUR

2008   

315.877.137 EUR

382.361.719 EUR

4.018.673 EUR

784.348 EUR

2009   

263.201.365 EUR

268.497.063 EUR

5.962.118 EUR

        

2010   

318.597.995 EUR

339.299.671 EUR

5.737.825 EUR

        

2011   

343.926.667 EUR

418.432.345 EUR

7.195.520 EUR

        

57

Die Form der Benutzung der Widerspruchsmarke ergibt sich aus den von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen. In den eidesstattlichen Versicherungen vom 24. Juli 2006, 12. November 2009 und 7. September 2012 wird jeweils ausdrücklich die Widerspruchsmarke benannt. In der eidesstattlichen Versicherung vom 24. Juli 2006 ist dies verbunden mit der eidesstattlichen Versicherung, dass die Widerspruchsmarke den Verbrauchern im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren im Alltag an Tankstellen und auf Lastwägen begegnet, wobei ausdrücklich auf die beispielhaft vorgelegten Lichtbilder einer dies ist ebenfalls Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung: in Sch… gelegenen – OMV-Tankstelle Bezug genommen wird. Auf diesen Lichtbildern ist eine Tankstelle mit einer Preistafel für die Waren „Diesel“, „Benzin“, „Super“, „Super Plus“ und „Autogas“ und am Tankstellendach eindeutig und in großen Buchstaben die Widerspruchsmarke zu erkennen. Dies wird ergänzt durch die weitere eidesstattliche Versicherung, dass alle OMV Tankstellen hinsichtlich der Verwendung der Widerspruchsmarke ähnlich gestaltet sind und dass die Widerspruchsmarke in der Regel jeweils groß und gut sichtbar an der vorderen Seite der Überdachung der Tankstelle angebracht ist. Es ist im Übrigen gerichtsbekannt, dass unter Verwendung der Widerspruchsmarke seit vielen Jahren vor allen Dingen in Süddeutschland und im angrenzenden Österreich Kraftstoffe vertrieben werden.

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Was den Umfang der Benutzung anbetrifft, so sind die Umsatzzahlen ausreichend und keinesfalls gering; von einer lediglich als symbolisch anzusehenden Benutzung kann damit nicht ausgegangen werden.

59

Die belegte Benutzung wird auch in Bezug auf die räumliche Verteilung den Anforderungen an eine ernsthafte Benutzung in einem wesentlichen Teil des Gemeinschaftsgebiets nämlich in Deutschland und jedenfalls in Österreich - gerecht. Die dem EuGH vorgelegte und noch nicht entschiedene Frage, ob im Rahmen des Art. 15 GMV eine Benutzung der Widerspruchsmarke lediglich in einem Mitgliedsstaat ausreichen würde (Rechtssache C-149/11 – Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof ’s-Gravenhage, Niederlande, vom 1. Februar 2011 Az.: 200.057.983/01 ONEL/OMEL), kann deshalb hier offenbleiben, zumal eine hinreichende Benutzung in einem wesentlichen Teil des Gemeinschaftsgebiets angesichts der glaubhaft gemachten Umsatzzahlen sowohl in Deutschland als auch in Österreich nicht zweifelhaft ist. Der Senat schließt sich insoweit auch den Erwägungen des 30. Markensenats in seiner Entscheidung vom 14. April 2011 (BPatG GRUR 2011, 1142-1147 TOLTEC/TOMTEC) an, nach der die Frage der rechtserhaltenden Benutzung einer Gemeinschaftsmarke, was die räumliche Ausdehnung der Benutzung angeht, generell nicht schematisch danach entschieden werden kann, ob eine Benutzung in einem Mitgliedsstaat ausreicht oder nicht. Denn die Gemeinschaftsmarke ist ein supranationales Schutzrecht mit einheitlicher Wirkung (Art. 1 Abs. 2 GMV). Deshalb kommt ein Denken in mitgliedstaatlichen Kategorien und eine Beurteilung der Benutzung einer Marke allein anhand mitgliedstaatlicher Territorien nicht in Betracht. Entscheidend ist wie auch bei der Beurteilung der quantitativen Benutzung allein, ob die in der Gemeinschaft erfolgte Benutzung insgesamt als ernsthaft einzustufen ist. Das kann auch bei einer Benutzung in nur einem Mitgliedsstaat der Fall sein, muss aber nicht immer so sein.

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(3.) Bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung ist über die Waren der Klasse 04 „Benzin“ und „Dieselöle“ hinaus jedoch der von der Widerspruchsmarke beanspruchte Warenoberbegriff der Klasse 04 „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“ zugrundezulegen. Nach der sogenannten „erweiterten Minimallösung“ des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH WRP 2001, 1447, 1449 Ichthyol) ist maßgeblich, inwieweit es unter Berücksichtigung der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise und des berechtigten Interesses der Widersprechenden, nicht in ihrer geschäftlichen Bewegungsfreiheit ungebührlich eingeengt zu werden, gerechtfertigt ist, den Kreis der zu berücksichtigenden Waren über das konkrete Produkt hinaus auch auf solche Waren auszudehnen, die der Verkehr gemeinhin als zum gleichen Warenbereich gehörend ansieht. Die Waren „Benzin“ und „Dieselöle“ gehören zum gleichen Warenbereich; es handelt sich gleichermaßen um „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“.

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(4.) Für die weiteren Waren und Dienstleistungen der Klassen 01, 02, 03, 04, 06, 07, 11, 17, 19, 36, 37, 39, 40 und 42 kann eine Benutzung der Widerspruchsmarke auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen hingegen nicht festgestellt werden.

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Ob und inwieweit die Widersprechende die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 39: „Transport und Lagerung von Erdöl, Erdgas und Erzeugnissen daraus“ unter Kennzeichnung mit der Widerspruchsmarke für Dritte erbracht hat, ist nicht ersichtlich. Die eidesstattliche Versicherung von Dr.  B… vom24. Juli 2006 verweist insoweit auf einen vorgelegten „Performance Report“ der OMV AG für die Jahre 2003 und 2004. In diesem findet sich zu diesem Bereich jedoch nur die Angabe, dass die Widersprechende eine Raffinerie in Burghausen (Süddeutschland) betreibt. Welche Dienstleistungen insoweit für Dritte erbracht wurden, lässt sich auf dieser Grundlage nicht feststellen. Auch sind Anknüpfungstatsachen für eine Feststellung, dass die Widerspruchsmarke für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 37: „Bau und Instandhaltung von Einrichtungen und Anlagen, die dem Transport, der Lagerung, der Verarbeitung und der Anwendung von Erdöl, Erdgas und Erzeugnissen daraus dienen; Errichtung von Anlagen zur Versorgung Dritter mit Gas, Strom, aus Gas und Öl erzeugter Wärme, sowie mit Öl- und Gasprodukten aller Art; Bau und Service, Reinigung und Revision von Anlagen, die Kohlenwasserstoffe, Erdöl, Erdgas, Gas und deren Produkte fördern, erzeugen, liefern, verarbeiten oder vertreiben“ benutzt wurde, weder im Einzelnen dargelegt noch glaubhaft gemacht. Gleiches gilt für die Waren der Klasse 07: „Druckbehälter mit Verrohrung, Transportanlagen für Erdgas und Erdöl, Maschinen und Anlagen für die Exploration, Förderung, Produktion und den Transport von Erdöl und Erdgas; Flüssiggastankstellen, Flüssigtankanlagen“.

63

b) Ausgehend von einer Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“ beanspruchen die Vergleichsmarken Schutz für identische sowie hochgradig bis mittelgradig ähnliche Waren und Dienstleistungen.

64

Eine Ähnlichkeit sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ist grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH MarkenR 2009, 47, 53, Rdnr. 65 – Edition Albert René; BGH GRUR 2004, 601 d-c-fix/CD-FIX; GRUR 2001, 507, 508 –EVIAN/REVIAN).

65

Zwischen den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Ware der Klasse 04 „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“ und der Ware der angegriffenen Marke der Klasse 04: „Flüssiggas, soweit in Klasse 4 enthalten“, besteht Identität, denn Flüssiggas dient auch als als Treibstoff für Fahrzeuge mit Ottomotor (vgl. Wikipedia, Die Freie Enzyklopädie, zum Eintrag „Flüssiggas“).

66

Eine hochgradige Ähnlichkeit hat die von der Widerspruchsmarke beanspruchte Ware der Klasse 04 „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“ zu den von der angegriffenen Marke der Klasse 39 beanspruchten Dienstleistungen „Verpackung, Lagerung, Verteilung und Transport von Flüssiggas“, denn es ist für den von der Ware „Brennstoffe“ auch angesprochenen Durchschnittsverbraucher naheliegend, dass Unternehmen, die Brennstoffe vertreiben, auch diese von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen für Dritte entweder selbst anbieten oder zumindest in wirtschaftlicher Verbindung zu Unternehmen stehen, die dieses tun. Der Durchschnittsverbraucher bringt ein Unternehmen, das sich mit dem Vertrieb von „Brennstoffen“ befasst, zwangsläufig mit einem Unternehmen, das die „Verpackung, Lagerung, Verteilung und den Transport von Flüssiggas“ zum Gegenstand hat, in Verbindung; denn auch ein reiner Brennstoffvertrieb muss die „Brennstoffe“ verpacken, lagern, verteilen und zum Abgabeort transportieren. Der Verbraucher unterscheidet insoweit nicht, ob die „Verpackung, Lagerung, Verteilung und der Transport von Flüssiggas“ lediglich für den eigenen Vertrieb oder für Dritte erfolgt.

67

Eine mittlere Ähnlichkeit besteht zwischen der Ware der Widerspruchsmarke der Klasse 04 „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“ und der Ware der angegriffenen Marke der Klasse 06: „Behälter aus Metall für Druckgas“, denn der Durchschnittsverbraucher erwartet, dass Unternehmen, die „Brennstoffe“ (also auch „Flüssiggas“) vertreiben, entweder auch selbst entsprechende Behälter aus Metall für den Transport anbieten (dies zeigt bereits das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widersprechenden) oder zumindest in wirtschaftlicher Verbindung zu Unternehmen stehen, die dieses tun. Dies folgt für den Senat zwingend aus der Notwendigkeit, die Ware „Flüssiggas“ in geeigneten Behältnissen sicher zum jeweiligen Vertriebsort zu transportieren. Aus Sicht des Verbrauchers stellt der Hersteller der eigentlichen Ware auch die notwendigen Verpackungen her; insoweit besteht ein enger sachlicher Zusammenhang.

68

Gleichfalls besteht eine mittlere Ähnlichkeit zwischen der Ware der Widerspruchsmarke der Klasse 04 „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“ und den Waren der angegriffenen Marke der Klasse 11: „gasbetriebene Beleuchtungs- , Heizungs-, Dampferzeugnis-, Koch-, Kühl- und Trockengeräte und anlagen; Regelungs- und Sicherheitszubehör für Gasgeräte und Gasleitungen“. Denn für den Durchschnittsverbraucher liegt es auf der Hand, dass Unternehmen, die „Flüssiggas“ vertreiben, auch entsprechende Anwendungsgeräte anbieten, wie das – in allgemein bekannter Weise – etwa bei Campinggasherstellern der Fall ist. Im übrigen handelt es sich um einander ergänzende Waren.

69

c) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Ware „Brennstoffe“ ist erhöht.

70

Zunächst ist festzustellen, dass die Kennzeichnungskraft von Buchstabenmarken im Gegensatz zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Markengesetzes (vgl. § 4 Abs 2 Nr. 1 WZG) nicht von Haus aus als geschwächt anzusehen ist (vgl. BGH MarkenR 2002, 332 DKV/OKV; BPatG 33 W (pat) 109/03 cFm / CFP). Die Widerspruchsmarke „OMV“ ist deshalb originär durchschnittlich kennzeichnungskräftig.

71

Infolge ihrer intensiven Benutzung im gesamten süddeutschen Raum, nicht nur an den Autobahnen, sondern auch in Städten und Ortschaften, ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Ware „Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“ erhöht. Die erhöhte Kennzeichnungskraft hat dabei bereits zum Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes vgl. BGH GRUR 2008, 903, 904, Rdnr. 14 SIERRA ANTIGUO), nämlich am 29. März 2005, bestanden und besteht bis heute fort.

72

Die Grundlagen für diese Feststellung sind zum einen gerichtsbekannt. Diese Feststellung wird im übrigen gestützt durch die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen, die eine längerfristige Entwicklung dokumentieren und hinreichende Rückschlüsse auf die maßgeblichen Verhältnisse am 29. März 2005, dem Prioritätstag der angegriffenen Marke, erlauben.

73

Ein Indiz für die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind zunächst die von der Widersprechenden vorgelegten Ergebnisse einer in den Jahren 2003 bis 2005 durchgeführten Marktbefragung des Marktforschungsinstituts tns emnid vom 20. Dezember 2011. Auf die Frage: „Wenn Sie jetzt einmal an Tankstellen bzw. Benzin- und Diesel-Marken denken. Welche Tankstellen-Marken kennen Sie? Bitte nennen Sie alle Tankstellen-Marken, die Sie kennen. Es ist dabei egal, ob Sie dort schon einmal getankt haben oder ob Sie sie nur vom Namen her kennen.“ nannten

74

- im Jahr 2003 13,4 % der 582 in Bayern befragten Personen,

75

- im Jahr 2004 73 % der 380 in Bayern befragten Personen und

76

- im Jahr 2005 16 % der 500 in Bayern befragten Personen

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die Marke „OMV“. Auf die Frage: „Ich lese ihnen nun einige Tankstellen bzw. Benzin- und Diesel-Marken vor. Bitte sagen Sie mir, welche Tankstellen-Marken davon Sie kennen. Es ist dabei wieder egal, ob Sie dort schon einmal getankt haben oder ob Sie sie nur vom Namen her kennen.“ und nach Nennung der Marke „OMV“ erklärten

78

- im Jahr 2003 39,3 % der 582 in Bayern befragten Personen,

79

- im Jahr 2004 92 % der 380 in Bayern befragten Personen und

80

- im Jahr 2005 58 % der 500 in Bayern befragten Personen,

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die Tankstellen-Marke „OMV“ zu kennen.

82

Der Senat verkennt nicht, dass die jeweilige Anzahl der Befragten zu gering ist, um allein daraus Schlüsse ziehen zu können – dies zeigt bereits das überraschend positive Umfrageergebnis im Jahr 2004. Der von der Widersprechenden glaubhaft gemachte Gesamtumsatz mit der Ware „Brennstoffe“ unter Kennzeichnung mit der Widerspruchsmarke ist jedoch ein starkes weiteres Indiz für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft. Der in Deutschland mit der Ware „Brennstoffe“ erzielte Umsatz ist seit dem Jahr 2000 von knapp 180 Millionen EUR kontinuierlich und stark gestiegen. Im Jahr 2005, dem Jahr der Anmeldung der angegriffenen Marke, hat der Umsatzerlös insoweit bereits gut 442 Millionen EUR betragen. Angesichts der Höhe des Umsatzes im Jahr 2011 (knapp 800 Millionen EUR) dürfte sich die Bekanntheit und damit die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Ware „Brennstoffe“ weiter gesteigert haben.

83

d) Bei einer Benutzung für identische sowie hochgradig bis mittelgradig ähnliche Waren und Dienstleistungen und unter Berücksichtigung einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für „Brennstoffe“ hält die angegriffene Marke den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand nicht ein.

84

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431, Rdnr. 53 Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 Lions; BGH MarkenR 2008, 393, 395, Rdnr. 21 HEITEC). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen. Für den Gesamteindruck eines Zeichens ist insbesondere der Wortanfang von Bedeutung, weil der Verkehr diesem regelmäßig größere Beachtung schenkt als Endsilben (BGH GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

85

Die angegriffene Marke „OGV“ kommt der Widerspruchsmarke „OMV“ selbst bei den lediglich mittelgradig ähnlichen Waren und damit erst recht bei den höhergradig ähnlichen und identischen Produkten - in klanglicher Hinsicht zu nahe. Die insoweit festzustellende mittelgradige Zeichenähnlichkeit wahrt den Schutzumfang der Widerspruchsmarke nicht.

86

Auszugehen ist zunächst von dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr in der Regel dem Zeichenanfang, in dem sich hier die einander gegenüberstehenden Marken akustisch gleichen („O“), eine gesteigerte Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH GRUR 2002, 1067-1070 DKV/OKV-Ostdeutsche Kommunalversicherung aG).

87

Auch wird der dritte und letzte Buchstabe der Kollisionsmarken „V“ mit einer besonders markanten Aussprache („VAU“) in identischer Weise ausgesprochen.

88

Zwar ist grundsätzlich damit zu rechnen, dass die angesprochenen Verkehrskreise jedem Bestandteil einer Buchstabenfolge, insbesondere dann, wenn sie wie hier mit drei Buchstaben noch sehr übersichtlich gestaltet ist, eine vergleichsweise hohe Aufmerksamkeit schenken werden. Denn angesichts der Fülle von Abkürzungen, mit denen der Verkehr in allen Lebensbereichen konfrontiert wird, verlangen Buchstabenkombinationen hinsichtlich jedes Einzelbuchstabens eine besondere Aufmerksamkeit. Daher wirken sich bei übersichtlichen Buchstabenmarken grundsätzlich schon geringere Unterschiede in klanglicher Hinsicht verwechslungsmindernd aus (BPatG 33 W (pat) 109/03 cFm /CFP).

89

Hier werden aber sowohl die Anfangs- als auch die besonders markanten Schlussbestandteile der Kollisionsmarken identisch ausgesprochen, so dass sich die Aussprache des Mittelbestandteils der angegriffenen Marke „G“ von der Aussprache des Mittelbestandteils der Widerspruchsmarke „M“ nicht in ausreichender Weise unterscheidet. Zudem ist die Vokalfolge bei beiden Zeichen identisch: „O-E-AU“ („O:-GE:-VAU“ / „O:-EM-VAU“). Dass der Mittelbuchstabe bei der Widerspruchsmarke eher kurz („EM“) und bei der angegriffenen Marke („GE:“) eher lang ausgesprochen wird, ist für eine zuverlässige Unterscheidbarkeit der Marken angesichts ihrer Einrahmung durch die klanglich markanten Buchstaben „O“ und „V“ und der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht ausreichend (vgl. auch BGH GRUR 1982, 420 – BBC/DDC).

90

2) Hinsichtlich der von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 37: „Einbau, Wartung und Reparatur von Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl- und Trockengeräten“ ist eine Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke jedoch wegen absoluter Unähnlichkeit zu der Widerspruchsware „Brennstoffe“ zu verneinen.