Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.05.2013


BPatG 07.05.2013 - 28 W (pat) 8/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Mini Wini/Winnie Junior (Wort-Bild-Marke)" – zur Kennzeichnungskraft – Warenidentität – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation - keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
07.05.2013
Aktenzeichen:
28 W (pat) 8/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 26 137

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2013 durch die Richterin Dorn als Vorsitzende und die Richter Paetzold und Schwarz

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die farbige (schwarz, weiß, blau, rot, braun, gelb) Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 23. April 2007 angemeldet und am 6. Juni 2007 unter der Nummer 307 26 137 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für folgende Waren der

3

Klasse 29: Wurstwaren.

4

Die Eintragung wurde am 6. Juli 2007 veröffentlicht. Gegen diese Marke hat die Inhaberin der seit 2. März 2005 eingetragenen Gemeinschafts-Wortmarke EM 003 297 835

5

Mini Wini

6

Widerspruch erhoben, und zwar gestützt auf folgende für sie eingetragene Waren und Dienstleistungen:

7

Klasse 29: Fleisch- und Wurstwaren, Fleisch- und Wurstkonserven, Fisch, Geflügel und Wild, jeweils auch in verzehrfertiger, konservierter, marinierter und tiefgefrorener Form; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees), Fleischgallerten (Gelees); Fertiggerichtkonserven, in der Hauptsache bestehend aus Gemüse und/oder Fleisch und/oder Pilzen und/oder Wurstwaren und/oder Hülsenfrüchten und/oder Kartoffeln und/oder Sauerkraut und/oder Früchten; Gemüse und Pilzkonserven, kochfertige Suppen, tafelfertige Suppen; Gemüsepaste; Lebensmittelkonserven, Snackartikel, auch mikrowellengeeignet; koch- und verzehrfertig zubereitete Speisen, auch mikrowellengeeignet, hauptsächlich enthaltend Fleisch- und Wurstwaren, Fisch, Geflügel und Wild, Pilze, Gemüse, Hülsenfrüchte, Kartoffeln und/oder Sauerkraut; Hot Dogs; Wurstwaren in Teighülle; Salate;

8

Klasse 38: Telekommunikation; Bereitstellung und Verbreitung von Produktinformationen über Datennetze; Übermittlung von Nachrichten aller Art in Ton, Schrift und Bild, Vermietung von Telekommunikationseinrichtungen, Ausstrahlung eines Teleshopping-Kanals, Betrieb von Chatrooms.

9

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im patentamtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 10. März 2010, eingegangen am 11. März 2010, die Einrede der Nichtbenutzung erhoben.

10

Die Markenstelle für Klasse 29 des DPMA hat mit Beschlüssen vom 6. Juli 2009 und 26. Oktober 2011 eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Im Zweitbeschluss ist zur Begründung ausgeführt, dass aufgrund der von der Widersprechenden vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen von einer ernsthaften Benutzung der Widerspruchsmarke für „Brühwürstchen“ auszugehen sei. Zwischen den sich demnach gegenüberstehenden Waren „Brühwürstchen“ und „Wurstwaren“ bestehe Identität. Es sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Aber selbst bei unterstellter erhöhter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe mangels Zeichenähnlichkeit keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die Vergleichsmarken schon durch die grafische Ausgestaltung der jüngeren Marke sowie den zusätzlichen Wortbestandteil „Junior“, welche in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung fänden. Die beiden Marken seien sich auch nicht in ihren den Gesamteindruck prägenden Bestandteilen ähnlich, weil jedenfalls die Widerspruchsmarke nicht durch das – in beiden Marken ähnlich enthaltene – Wortelement „Wini“ allein geprägt werde. Vielmehr seien die beiden Wörter „Mini“ und „Wini“ aufeinander bezogen und bildeten einen einheitlichen kosewortartigen Gesamtausdruck, der eine wortspielartige Anspielung auf die angebotenen Waren enthalte („kleine Wiener Würstchen“). „Mini Wini“ sei unter keinem Gesichtspunkt mit der angegriffenen Marke ähnlich, selbst wenn diese durch das Wortelement „Winnie“ geprägt würde. Dies gelte auch in begrifflicher Hinsicht, da sich die jüngere Marke als fiktiver Name („Winnie“) ergänzt um die Angabe „Junior“ darstelle, die entweder darauf hinweise, dass es sich um den „Junior Winnie“ oder „Winnie der Jüngere“ handle oder dass die Waren für Junioren geeignet seien. Demgegenüber besitze die Widerspruchsmarke den Assoziationsgehalt „kleine Wiener Würstchen“. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheide aus.

11

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie vorträgt, dass die Widerspruchsmarke über eine erhöhte Kennzeichnungskraft aufgrund langjähriger intensiver Benutzung für Würstchenprodukte für Kinder verfüge. Ausgehend hiervon sowie unter Zugrundelegung identischer Waren sei eine Verwechslungsgefahr gegeben, da zwischen den Vergleichszeichen zumindest eine erhebliche klangliche und begriffliche Ähnlichkeit vorliege. So seien die Wortelemente „Wini“ und „Winnie“ klanglich identisch und bildeten den prägenden Bestandteil des jeweiligen Zeichens. Dies folge aus der Kennzeichnungsschwäche der übrigen Bestandteile „Mini“ und „Junior“, da diesen in Bezug auf die Größe der Waren ein beschreibender Gehalt inne wohne. Der Bestandteil „Junior“ sei auch deshalb zu vernachlässigen, da der Verkehr bei Nahrungsmitteln, insbesondere mit dem Fokus auf Kinder und Heranwachsende, an eine Verwendung solcher Namenszusätze gewöhnt sei. In begrifflicher Hinsicht stünden sich die Bedeutungen der Widerspruchsmarke „Mini Wini“ im Sinne von „kleiner Wini“ und der jüngeren Marke „Winnie Junior“ im Sinne von „Winnie klein“ gegenüber, woraus eine hochgradige Zeichenähnlichkeit folge. Zudem verwiesen die Elemente „Mini“ und „Junior“ jeweils auf die angesprochene Zielgruppe der Produkte. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei den hier in Rede stehenden Waren um Konsumgüter des täglichen Bedarfs handle, die einer flüchtigen Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise – vor allem Kinder und deren Eltern – ausgesetzt seien.

12

Die Widersprechende und Beschwerdeführerin beantragt,

13

die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 6. Juli 2009 und 26. Oktober 2011 aufzuheben und die Marke 307 26 137 zu löschen.

14

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

15

die Beschwerde zurückzuweisen.

16

Sie beruft sich in erster Linie auf ihr schriftsätzliches Vorbringen im patentamtlichen Verfahren, in dem sie vorgetragen hat, dass die von der Widersprechenden eingereichten Glaubhaftmachungsunterlagen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht belegen könnten, da durch die aufwendig grafisch gestaltete Darstellung des Begriffs in der verwendeten Form der kennzeichnende Charakter der Wortmarke „Mini Wini“ erheblich verändert würde. Des Weiteren bestreitet sie eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Eine Zeichenähnlichkeit liege nicht vor. Die Widerspruchsmarke bilde einen einheitlichen Gesamtbegriff, weil die Elemente „Mini“ und „Wini“ durch den entstehenden Reim aufeinander bezogen seien. Eine Prägung durch „Wini“ scheide daher aus. Auch eine Reduzierung des in der jüngeren Marke enthaltenen Gesamtbegriffs „Winnie Junior“ auf „Winnie“ komme nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund bestehe weder eine schriftbildliche noch eine klangliche Verwechslungsgefahr. Auch eine begriffliche Ähnlichkeit sei nicht erkennbar. Die Bezeichnung „Mini Wini“ spiele im Zusammenhang mit den damit gekennzeichneten Waren wortspielartig auf „kleine Wiener Würstchen“ an, wohingegen der Bestandteil „Winnie“ der jüngeren Marke als Eigenname verstanden werde. Abgesehen davon bezeichne „Junior“ regelmäßig einen jüngeren Menschen, während „Mini“ üblicherweise zur Kennzeichnung sehr kleiner, winziger Gegenstände verwendet werde. Die angesprochenen Verkehrskreise würden den Bestandteil „Mini“ innerhalb der Wortkombination „Mini Wini“ daher nicht als Hinweis auf eine Bestimmung der Wurstwaren für „kleine Leute“ ansehen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

18

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

19

Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen beiden Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 125 b Nr. 1 MarkenG besteht.

20

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2006, 237, 238 – PICARO/PICASSO; BGH GRUR 2011, 824 Rdnr. 19 – Kappa; GRUR 2010, 833 Rdnr. 12 – Malteserkreuz II; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 – Metrobus; GRUR 2008, 906 - Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2008, 903 Rdnr. 10 -SIERRA ANTIGUO).

21

Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Vergleichsmarken aus, und zwar unabhängig von der Frage, ob die Widersprechende auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke für „Brühwürstchen“ in der Gemeinschaft im maßgeblichen Benutzungszeitraum (Mai 2008 bis Mai 2013) glaubhaft gemacht hat (§§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125b Nr. 4 MarkenG, Art. 15 GMV), was vorliegend unterstellt werden kann. Ausgehend hiervon stehen sich mit den Widerspruchswaren „Brühwürstchen“ und den für die jüngere Marke eingetragenen „Wurstwaren“ identische Waren gegenüber.

22

1. Es ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.

23

Zunächst ist festzustellen, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke trotz ihrer möglichen beschreibenden Anspielung auf „kleine Wiener Würstchen“ (siehe hierzu unten unter Ziff. 2 a) bb)) nicht von Haus aus als geschwächt anzusehen ist, da es sich bei dem Bestandteil „Wini“ letztlich um eine fantasievolle Abkürzung für „Wiener Würstchen“ handelt.

24

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden vermögen die vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen (eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers Dr. Jochen Kahmann vom 20. Mai 2010 samt Anlagen) eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke „Mini Wini“ aufgrund intensiver Benutzung in der Gemeinschaft weder zum maßgeblichen Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke noch zum Entscheidungszeitpunkt zu rechtfertigen. Eine solche kann in der Regel nicht allein aus den erzielten Umsatzzahlen hergeleitet werden, da selbst umsatzstarke Marken wenig bekannt, wie andererseits Marken mit geringen Umsätzen weithin bekannt sein können. Darüber hinaus müssen insbesondere Umsatz- und Absatzzahlen im jeweiligen Marktumfeld gesehen werden, welches nach objektiv-wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen ist (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rdnr. 139 m. w. N.). Vorliegend wurden zwar die Umsatz- und Absatzzahlen in den Jahren 2005 bis 2009 sowie der Umfang der Werbeaufwendungen mitgeteilt, es fehlen jedoch objektive Angaben zu Vergleichsgrößen (Gesamtmarkt auf dem betreffenden Produktfeld), so dass der Marktanteil des von der Widersprechenden vertriebenen Würstchenproduktes im maßgeblichen Zeitraum unbekannt ist. Auch die angeführte langjährige Benutzung der Widerspruchsmarke, bei der es sich nach dem pauschalen und nicht belegten Vorbringen der Widersprechenden um die „zumindest seit den 1990er Jahren erfolgreichste deutsche Marke im Bereich der Würstchenprodukte für Kinder handelt“, und die vorgelegten Verwendungsnachweise reichen aus o. g. Gründen nicht aus, um eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke in der Gemeinschaft zu belegen. Eine solche ist auch nicht gerichtsbekannt.

25

2. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und identischen Waren hält die angegriffene Marke selbst bei Anwendung nur geringer Sorgfalt seitens der angesprochenen breiten Verkehrskreise den erforderlichen deutlichen Abstand ein.

26

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr kann dabei unter Umständen bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht ausreichen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 – Mobelix/Obelix; GRUR 2006, 413, 414 Rdnr. 21 f. – Sir/Zirh; a. a. O. – PICARO/PICASSO; BGH a. a. O. Rdnr. 26 – Kappa; GRUR 2009, 1055 Rdnr. 26 – airdsl; MarkenR 2008, 393, 395 Rdnr. 21 – HEITEC; BGHZ 139, 340, 347 - Lions). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen.

27

a) Die sich hier gegenüberstehenden Marken werden weder klanglich noch schriftbildlich noch begrifflich ähnlich wahrgenommen.

28

aa) Schon aufgrund ihrer grafischen Elemente, die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finden, weist die angegriffene Marke

Abbildung

29

mit dem links neben den Wortbestandteilen angeordneten stilisierten Indianerkopf und der farblichen Hinterlegung und Ausgestaltung der Wortbestandteile so deutliche, sofort ins Auge fallende Unterschiede zu der Widerspruchswortmarke „Mini Wini“ auf, dass beide Marken auf Anhieb sicher auseinandergehalten werden können. Die Bildbestandteile der jüngeren Marke können bei der Beurteilung von optischen Ähnlichkeiten auch nicht unberücksichtigt bleiben, da sie in ihrer Gesamtheit zur Kennzeichnungskraft dieser Marke beitragen, weil sie in der Erinnerung der Verkehrsteilnehmer bleiben und bildlichen Verwechslungen zusätzlich entgegenwirken (vgl. BGH GRUR 2008, 254, 257 Rdnr. 36 – THE HOME STORE; a. a. O. - SIERRA ANTIGUO). Einen markanten Unterschied am üblicherweise stärker beachteten Wortanfang (BGH GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX) erzeugt ferner das Wortelement „Mini“ der Widerspruchsmarke. Zudem trägt der zusätzliche, wenn auch kleiner gestaltete Wortbestandteil „Junior“ in der angegriffenen Marke zur Unterscheidung der Zeichen bei. Eine Verwechslungsgefahr in (schrift-)bildlicher Hinsicht ist daher zu verneinen.

30

bb) Bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr ist zunächst davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Marke nach dem Wortbestandteil als einfachster Bezeichnungsform, also mit „Winnie Junior“ benennen werden (vgl. u. a. BGH a. a. O., 905 Rdnr. 25 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2006, 859, 862 Rdnr. 29 – Malteserkreuz I), so dass vorliegend grafische Unterschiede der Marken unberücksichtigt bleiben können. Eine klangliche Verwechslungsgefahr kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil der in beiden Marken klanglich identisch enthaltene Bestandteil "Wini" bzw. „Winnie“ keine kollisionsbegründende Stellung einnimmt. Er weist entgegen der Auffassung der Widersprechenden jedenfalls innerhalb der Widerspruchsmarke keine prägende Funktion auf, weil das Wortelement "Mini" für die angesprochenen Verkehrskreise nicht in einer Weise zurücktritt, dass es für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann (EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 41 –HABM/Shaker [Limoncello]; EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2009, 772, 776 Rdnr. 57 – Augsburger Puppenkiste; a. a. O. Rdnr. 18 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2007, 888 Rdnr. 22 u. 31 – Euro Telekom; a. a. O. Rdnr. 18 – Malteserkreuz I). Vielmehr sind die beiden aneinandergefügten Wortelemente „Mini“ und „Wini“ – auch aufgrund des entstehenden Reims – erkennbar aufeinander bezogen und verbinden sich zwanglos zu einer kosewortartigen Gesamtbezeichnung. Das allgemein geläufige Wortelement „Mini“ (von lat. minimus „sehr klein“) kennzeichnet in Bildungen mit Substantiven etwas als klein, winzig, niedrig (z.B. Minipartei, Minipreis) bzw. bei Kleidungsstücken als (sehr) kurz (z.B. Minirock) (http://www.duden.de/rechtschreibung/Mini_). Die Markenstelle hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Wortkombination „Mini Wini“ eine wortspielartige Anspielung auf die damit gekennzeichnete Ware, also auf „kleine Wiener Würstchen“ enthält. Zwar ist „Wini“ keine geläufige Abkürzung für „Wiener Würstchen“, im Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden Würstchenprodukt liegt diese Bedeutung für die angesprochenen Verkehrskreise aber nahe. Damit verschmelzen die beiden Wortelemente zu einer einheitlichen Gesamtbezeichnung, so dass eine Prägung durch eines dieser beiden Elemente ausscheidet. Selbst wenn die Wortverbindung „Mini Wini“ als Fantasiebezeichnung im Sinne von „kleiner, winziger Wini“ angesehen werden sollte, ist von einer gesamtbegrifflichen Einheit auszugehen, bei der das Element „Mini“ keinesfalls völlig in den Hintergrund tritt. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden enthält „Mini“ wegen seines begrifflichen Bezugs zum nachgestellten „Wini“ daher keinen bloßen Sachhinweis auf die Bestimmung der so gekennzeichneten Waren für „kleine Leute“, insbesondere für Kinder.

31

Das angesprochene Publikum hat somit keinen Anlass, das Widerspruchszeichen zergliedernd zu betrachten und sich bei der Frage des Herkunftshinweises klanglich allein an dem Bestandteil „Wini” zu orientieren.

32

Die sich gegenüberstehenden Vergleichsmarken unterscheiden sich klanglich daher durch ihre Silbenzahl und Vokalfolge sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus. Der viersilbigen Wortkombination "Mini Wini" mit der Vokalfolge „I-I-I-I“ steht die fünfsilbige Bezeichnung "Winnie Junior" mit der Vokalfolge „I-I-U-I-O“ bzw. – bei unterstellter Prägung der jüngeren Marke durch ihren ersten Wortbestandteil – die zweisilbige Bezeichnung „Winnie“ mit der Vokalfolge „I-I“ gegenüber. Es liegen damit in beiden Fällen deutlich divergierende Gesamtklangbilder der Vergleichszeichen vor.

33

cc) Auch eine begriffliche Verwechslungsgefahr kommt nicht in Betracht. Während die Widerspruchsmarke eine Anspielung auf „kleine Wiener Würstchen“ enthält, wird der Wortbestandteil „Winnie“ der jüngeren Kombinationsmarke ohne weiteres als Eigenname verstanden, der durch die Disney-Figur „Winnie Puuh“ allgemein bekannt ist. Angesichts des zusätzlichen Bildelements der angegriffenen Marke in Form eines stilisierten Indianerkopfes wird das Publikum im Begriff „Winnie“ hier jedoch eine Anspielung auf die fiktive Indianergestalt „Winnetou“ erkennen. Der weitere Bestandteil „Junior“ bedeutet „(oft scherzhaft) Sohn bzw. Jugendlicher, Heranwachsender [in der Werbesprache als Konsument]“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/Junior). Die jüngere Marke hat damit in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung des Bildelements den Begriffsgehalt von „Winnie der Indianersohn“. Sofern man in dem deutlich kleiner ausgestalteten und farblich abgesetzten Element „Junior“ lediglich einen Sachhinweis darauf sieht, dass die Waren für Junioren (Kinder) geeignet und bestimmt sind, reduziert sich der Bedeutungsgehalt auf „der Indianer Winnie“. Jedenfalls liegt kein Synonym zu „kleine Wiener Würstchen“ oder - bei einem Verständnis der Widerspruchsmarke als Fantasiebezeichnung – zu „kleiner, winziger Wini“ ohne erkennbarem Bezug zu einem Indianer vor.

34

2. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation ist ebenfalls zu verneinen. Eine solche wird angenommen, wenn ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt. Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH a. a. O. Rdnr. 31 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2010, 646 Rdnr. 15 – OFFROAD; a. a. O. Rdnr. 20 – Malteserkreuz II; a. a. O. Rdnr. 33 - INTERCONNECT/T-InterConnect; a. a. O. Rdnr. 18 – Malteserkreuz I).

35

Eine Verwechslungsgefahr nach diesen Grundsätzen scheidet schon deshalb aus, weil die ältere Wortmarke „Mini Wini“, die eine gesamtbegriffliche Einheit bildet, nicht vollständig oder nahezu identisch in die jüngere Marke übernommen wurde.

36

Anhaltspunkte für eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens sind weder vorgetragen noch ersichtlich.