Entscheidungsdatum: 18.05.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 305 68 572
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2011 durch die Richterin Martens, den Richter Schwarz und die Richterin Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde der aus der Marke EU 4 281 713 Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die am 24. März 2006 veröffentlichte Eintragung der für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 14, 18, 24 und 25
„Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Perlen; Uhren und Zeitmessinstrumente; Teile und Bestandteile vorgenannter Waren, soweit in Klasse 14 enthalten;
Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Teile und Bestandteile vorgenannter Waren, soweit in Klasse 18 enthalten;
Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Teile und Bestandteile vorgenannter Waren, soweit in Klasse 24 enthalten;
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Teile und Bestandteile vorgenannter Waren, soweit in Klasse 25 enthalten“
angemeldeten Wortmarke
MAXXI
ist aus der prioritätsälteren EU-Marke 4 281 713
Maxi Blue
Widerspruch erhoben worden, die für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 18, 24 und 25
„Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Taschen, Reise- und Handkoffer; Regenschirme.
Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten.
Bekleidungsstücke, Schuhe, Stiefel, Hausschuhe, Kopfbedeckungen“
seit dem 15. Mai 2006 eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 14 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss des Erstprüfers vom 13. März 2008 wegen des Widerspruchs aus der EU-Marke 4 281 713 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, und zwar für die Waren der Klassen 18, 24 und 25. Im Übrigen wurde der Widerspruch aus dieser Marke zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Markeninhaberin ist diese Entscheidung aufgehoben worden. Insoweit hat der Erinnerungsprüfer in seinem Beschluss vom 13. Januar 2010 eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen unter jedem Gesichtspunkt verneint und den Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sie damit begründet, die Vergleichszeichen hätten für identische bzw. hochgradig ähnliche Waren in den Klassen 18, 24 und 25 Schutz. Eine Ähnlichkeit sei auch zu den Waren der Klasse 14 gegeben, da Modeschmuck auf Waren im Bekleidungsbereich abgestimmt angeboten werde. Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke werde der Gesamteindruck der älteren Marke nicht von beiden Bestandteilen, sondern von "Maxi“ allein geprägt, da „Blue“ im Modebereich eine rein beschreibende Funktion als Farbangabe besitze. Es sei nicht zutreffend, wenn der Erinnerungsprüfer den Begriff „Maxi“ als kennzeichnungsschwach einstufe, denn er sei kein Synonym für Röcke einer bestimmten Länge. Das angegriffene Zeichen stehe somit dem Bestandteil „Maxi“ allein gegenüber und halte den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein, da die einzige Abweichung in der Buchstabenverdopplung dem Verkehr nicht auffalle. Die Beschwerde sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne begründet, denn „Maxxi“ nehme in der Anmeldemarke eine selbständig kennzeichnende Stellung im Sinne der Thomson-Life-Doktrin ein, die auch für den Fall anzuwenden sei, wenn wie vorliegend der Bestandteil einer älteren Marke in ein jüngeres Einwortzeichen übernommen wird.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 14 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. März 2008 und vom 13. Januar 2010 aufzuheben und die angegriffene Marke MAXXI 305 68 572 wegen des Widerspruchs aus der Marke EU 4 281 713 zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.
Sie tritt den Ausführungen der Widersprechenden in jeder Hinsicht entgegen und hält eine Verwechslungsgefahr unter keinem Gesichtspunkt für gegeben. Die Eintragung des älteren Zeichen beruhe auf der Kombination der beiden Bestandteile „Maxi“ und „Blue“, in Alleinstellung sei „Maxi“ daher nicht schutzfähig. Folglich könne bei der Ähnlichkeitsprüfung der Bestandteil „Maxi“ der Widerspruchsmarke nicht allein der Anmeldemarke gegenübergestellt werden und somit auch keine Verwechslungsgefahr begründen. Die Anwendung der Thomson-Life- Rechtsprechung komme vorliegend nicht in Betracht, erst recht nicht in „umgekehrter Konstellation“.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden bleibt in der Sache ohne Erfolg, da zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. u. a. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 (Nr. 27) "THOMSON LIFE"; GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) "PICASSO"; BGH GRUR 2005, 513, 514 "MEY/Ella May"; GRUR 2006, 859, 860 (Nr. 16) "Malteserkreuz"; GRUR 2008, 905, 905 (Nr. 12) "Pantohexal").
Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen nicht zu befürchten und dem Widerspruch schon aus diesem Grund der Erfolg zu versagen. Daher kann letztlich dahinstehen, ob der in der mündlichen Verhandlung erstmals erhobene Nichtbenutzungseinwand ebenfalls zur Zurückweisung des Widerspruchs geführt hätte. Die Widersprechende hat zwar vorgetragen, der Nichtbenutzungseinwand müsse als verspätet zurückgewiesen werden, was aber angesichts der Tatsache, dass erst am Tag der mündlichen Verhandlung (18. Mai 2011) die Benutzungsschonfrist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG endete und somit erst im Termin das schriftsätzlich bereits angekündigte Bestreiten der Benutzung zulässig war, zweifelhaft erscheint.
Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden von der Registerlage ausgeht und im Umfang der beanspruchten Waren Warenidentität unterstellt, scheidet eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiderseitigen Kennzeichnungen aus. Als Abnehmer der beiderseitigen Waren kommen vorliegend allgemeine Verkehrskreise in Betracht, wobei auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Vergleichsmarken sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen (vgl. EuGH, MarkenR 2007, 315, Rdn. 41 – Limoncello; BGH GRUR 2008, 1002, Rdn. 23 – Schuhpark). Die Widerspruchsmarke mag in ihrer Gesamtheit originär und mangels Anhaltspunkte für einen durch Benutzung erhöhten Schutzumfang über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügen. Dies gilt jedoch nicht für die Beurteilung ihrer einzelnen Bestandteile, denen jeweils nur eine geringe Kennzeichnungskraft zukommt. Denn das Zeichenelement „Blue“ besitzt auf dem vorliegenden Warengebiet als Farbangabe glatt beschreibenden Charakter. Soweit die Widersprechende die Auffassung vertritt, kennzeichnender Bestandteil der älteren Kombinationsmarke sei „Maxi“, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich insoweit im Textilbereich um einen sachbezogenen Begriff handelt, der als Teil gängiger Bezeichnungen wie „Maxikleid, Maxilänge“ oder „Maxilook“ von der allgemeinen Größenangabe „Maximum, maximal“ abgeleitet ist. Im Ergebnis ist somit eine erhebliche Kennzeichnungsschwäche der einzelnen Markenbestandteile festzustellen, so dass keiner der Bestandteile bereits aus Rechtsgründen den Gesamteindruck der älteren Marke prägen kann. Vielmehr beruht die Eintragung der Widerspruchsmarke offensichtlich auf der Kombinationswirkung ihrer Einzelbestandteile. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden führt auch nicht die Stellung von „Maxi“ am Zeichenanfang dazu, dass dieser Bestandteil herausgegriffen und isoliert der jüngeren Marke gegenübergestellt werden kann. Für eine dahingehende Verkehrsauffassung, dass dem am Zeichenanfang stehenden Wort ohne Rücksicht auf seine Unterscheidungskraft eine dominante Stellung zukommt, hat der Senat keine Feststellungen treffen können.
Daher scheidet eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ebenso aus, wie Anhaltspunkte für eine Übereinstimmung der Vergleichszeichen im weiteren Sinn fehlen. Die von der Widersprechenden zur Stärkung ihrer Rechtsposition herangezogene Thomson-Life-Rechtsprechung kann dem Widerspruch schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, da eine selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils „Maxi“ innerhalb der älteren Kennzeichnung wegen seiner Kennzeichnungsschwäche nicht festgestellt werden kann. Vielmehr gründet sich die Eintragung der Widerspruchsmarke auf die Kombinationswirkung ihrer für sich gesehen beschreibenden Bestandteile. Daher ist die weitere von der Widersprechenden aufgeworfene Frage, ob die Thomson-Life-Maßstäbe auch für die vorliegend gegebene „umgekehrte“ Konstellation zugrunde gelegt werden kann, nicht entscheidungsrelevant.
Dementsprechend war die hierzu von den Beteiligten angeregte Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, da weder über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshof erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage der aufgeworfenen Fragestellung zur Vorabentscheidung an den EuGH kam ebenfalls nicht in Betracht. Vielmehr war auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung im vorliegenden Einzelfall zu entscheiden, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Löschung der jüngeren Marke gegeben sind, wobei es auf die von den Beteiligten aufgeworfene Rechtsfrage nicht ankam.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist daher zurückzuweisen. Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung (§ 71 Abs. 1 MarkenG).