Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.09.2015


BPatG 14.09.2015 - 28 W (pat) 551/12

Markenbeschwerdeverfahren – "chic" – keine Unterscheidungskraft – keine Verkehrsdurchsetzung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
14.09.2015
Aktenzeichen:
28 W (pat) 551/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 068 868.0

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Friehe sowie der Richterin Uhlmann und des Richters Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Anmelder hat am 21. Dezember 2011 das Wortzeichen

2

chic

3

für die Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 12: Reisemobile, Wohnmobile, Campingwagen, Wohnwagen sowie Teile hiervon und Zubehör hierzu, nämlich Innenpolsterungen, Fahrradhalter, Dachträger, Alarmanlagen, Isoliermaterialien, Gepäckträger

5

Klasse 37: Reparatur und Instandhaltung von Reisemobilen, Wohnmobilen, Campingwagen, Wohnwagen

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Klasse 39: Vermietung von Reisemobilen, Wohnmobilen, Campingwagen, Wohnwagen

7

zur Eintragung als Wortmarke in das bei dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet.

8

Die Markenstelle für Klasse 12 hat nach vorangegangener Beanstandung vom 6. März 2012 mit Beschluss vom 25. Mai 2012 die Markenanmeldung für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen, weil „chic“ die Bedeutung von modisch, geschmackvoll, hübsch, großartig und toll habe. Das angemeldete Zeichen sage aus, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen chic, großartig und toll seien oder damit in Verbindung stünden. Das Zeichen „chic“ beschreibe die angemeldeten Waren und Dienstleistungen werbemäßig, weshalb es nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen sei. Anders als dies der Anmelder meine, würden die Wörter „chic“ bzw. das wesensgleiche „schick“ nicht nur auf dem Gebiet der Mode verwendet. In der deutschen Sprache werde „chic“ auf verschiedenen Gebieten gebraucht. Auszüge aus dem Internet würden belegen, dass auch Lastkraftwägen, Fahrräder, Motorräder, Boote, Flugzeuge und Hubschrauber chic sein oder chic gemacht werden könnten. Wenn Lastkraftwägen chic sein könnten, könnten dies auch Wohnmobile. Für die beanspruchten Waren der Klasse 12 sei die angemeldete Marke daher beschreibend. Auch für die Dienstleistungen der Klassen 37 und 39 sei das angemeldete Zeichen nicht schutzfähig. Bei der Reparatur, Instandhaltung und Vermietung von Wohnmobilen könne es um chice oder chic gemachte Fahrzeuge gehen. Auf jeden Fall bestehe ein enger beschreibender Bezug zu den genannten Waren. Einer Angabe, die für Waren beschreibend sei, fehle auch für Dienstleistungen, die mit diesen Waren unmittelbar in Verbindung stünden, zumindest die Unterscheidungskraft.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, zu deren Begründung er vorgetragen hat, der Wortmarke „chic“ würden keine absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen. Der Begriff „chic“ werde vor allem im Bereich der Mode verwendet, solle aber für Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 37 und 39 eingetragen werden, wofür er unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig sei. Die Wortbedeutung von „chic“ sei für die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 37 und 39 nicht beschreibend. Im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren der Klasse 12 eröffne der Begriff „chic“ einen breiten Interpretationsspielraum, weil dieser Begriff sich nicht nur auf das Fahrzeug selbst, sondern auch auf die Art der Fortbewegung und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit beziehe.

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Der Anmelder führt weiter aus, dass für den Fall, dass der Senat gleichwohl davon ausgehen sollte, dass die Eintragung des angemeldeten Zeichens als Marke wegen Vorliegens der absoluten Schutzhindernisse der § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG ausgeschlossen sei, er hilfsweise den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG durch Vorlage eines demoskopischen Gutachtens führe. In dem von dem Anmelder „Umfragegutachten zur Verkehrsdurchsetzung der Bezeichnung »chic« im Zusammenhang mit Wohn- bzw. Reisemobilen“ heißt es auf Seite 3:

11

„Auskunftspersonen

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Als Auskunftspersonen waren Personen ab 18 Jahre qualifiziert, die ein so genanntes »Reisemobil« besitzen oder in absehbarer Zeit die Anschaffung eines solchen planen und sich schon auf dem Markt umgesehen haben.“

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51 % aller Verkehrsbeteiligten würden „chic“ als Hinweis auf einen ganz bestimmten Hersteller verstehen (Gutachten, Seite 16). 29 % aller Verkehrsbeteiligten würden die Ansicht vertreten, dass „chic“ nur zu einem einzigen Unternehmen gehöre und würden dieses Unternehmen als „CARTHAGO“ benennen (Gutachten, Seite 19). Im „Anhang“ des Gutachtens heißt es unter der Rubrik „Untersuchungsdaten“ zu dem befragten Personenkreis:

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„Als Verkehrsbeteiligte wurden befragt:

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In Deutschland wohnende Personen ab 18 Jahre, die ein Wohn- bzw. Reisemobil besitzen oder die fest vorhaben, sich in den nächsten 12 Monaten ein Reisemobil anzuschaffen, wobei der Kaufinteressent schon bestimmte Marken/Modelle ins Auge gefasst hat. Berücksichtigt wurden »Reisemobile«, die die folgenden Kriterien erfüllten: Bauart entweder Alkoven-Aufbau, teilintegriert oder vollintegriert, zulässiges Gesamtgewicht von mindestens 2,8 t, Preis von mindestens € 40.000, Kauf innerhalb der letzten 8 Jahre (d. h. 2004 oder später, fabrikneu) bzw. Kauf in den nächsten 12 Monaten geplant.“

16

Der Berichterstatter des Senats hat den Anmelder mit Schreiben vom 17. Juli 2013 darauf aufmerksam gemacht, dass dem Nachweis der Verkehrsdurchsetzung i. S. d. § 8 Abs. 3 MarkenG alle möglichen Abnehmer der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zugrunde zu legen seien, also alle Verbraucher, an die sich diese Waren und Dienstleistungen nach ihrer technischen Eigenart richten könnten. Es sei zweifelhaft, ob diese Voraussetzungen bei den hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen gegeben seien, weil als potentielle Abnehmer bei Reise-, Wohn- und Campingmobilen grundsätzlich alle Personen der Gesamtbevölkerung in Betracht kämen, die eine entsprechende Fahrerlaubnis hätten, was erst recht für die beanspruchten Dienstleistungen gelte.

17

Der Anmelder hat hierzu mit Schriftsatz vom 1. August 2013 erwidert, bei Reisemobilen handle es sich nicht um Waren des Massenkonsums, weshalb im Blick auf eine Verkehrsbefragung nicht auf die Gesamtbevölkerung abgestellt werden könne, sondern auf die Abnehmer von Reisemobilen abgestellt werden müsse.

18

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 2015 aufzuheben.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens als Marke steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist auch nicht durch Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden worden.

22

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Rn. 42) – Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Rn. 66) – EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Rn. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Rn. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Rn. 11) – Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Rn. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Rn. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Rn. 66) – EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Rn. 45 – Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Rn. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Rn. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Rn. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Rn. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Rn. 7) – Starsat; GRUR 2012, 270 (Rn. 8) – Link economy).

23

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. –abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Rn. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

24

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Rn. 86) – Postkantoor; BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Rn. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270, 271 (Rn. 11) – Link economy; GRUR 2009, 952, 953 (Rn. 10) – DeutschlandCard).

25

Darüber hinaus kommt auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Rn. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143, 1144 (Rn. 9) – Starsat; GRUR 2009, 952, 953 (Rn. 10) – DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 (Rn. 19) – FUSSBALL WM 2006).

26

2. Nach diesen Grundsätzen fehlt dem Wortzeichen „chic“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, wie die Markenstelle mit zutreffender Begründung festgesteilt hat.

27

Der Anmelder ist der Auffassung, die maßgeblichen Verkehrskreise seien „in Deutschland wohnende Personen ab 18 Jahre, die ein Wohn- bzw. Reisemobil besitzen oder die fest vorhaben, sich in den nächsten 12 Monaten ein Reisemobil anzuschaffen, wobei der Kaufinteressent schon bestimmte Marken/Modelle ins Auge gefasst hat“, weil der Anmelder in seinem Verkehrsdurchsetzungsgutachten auf diesen Personenkreis abgestellt hat.

28

Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Entscheidend für die Frage, ob der Eintragung einer Marke ein absolutes Eintragungshindernis entgegen steht oder dieses kraft Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden wurde, ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 65 – Henkel). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann, wobei eine an den objektiven Merkmalen der beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen und nicht eine an den subjektiven Vorstellungen des Anmelders orientierte Betrachtung angezeigt ist (BGH GRUR 2009, 411 Rn. 12 – STREETBALL). Zu den beteiligten Verkehrskreisen gehören in erster Linie die Endabnehmer der relevanten Waren/Dienstleistungen. Das bedeutet vorliegend, dass neben den aktuellen Käufern und Leistungsempfängern auch die Verkehrskreise einzubeziehen sind, die an den nach dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis beanspruchten Waren und Dienstleistungen interessiert sein können, ohne sie bisher erworben oder in Anspruch genommen zu haben (BGH GRUR 2006, 760 Rn. 22 – LOTTO). Bei diesen potentiellen Käufern kommt es nicht darauf an, ob sie tatsächlich irgendwann die fragliche Ware erwerben oder die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen werden, sondern darauf, ob sie die allgemeinen Voraussetzungen zum Kauf dieser Ware oder Entgegennahme dieser Dienstleistung erfüllen (Ströbele, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 8 Rn. 617). Bei Waren des Massenkonsums, die fast von allen Verbrauchern bei der Kaufentscheidung in Betracht gezogen werden, zählt grundsätzlich die Gesamtbevölkerung zu den beteiligten Kreisen (BGH GRUR 2006, 760 Rn. 22 – LOTTO; GRUR 2009, 954 Rn. 26 – Kinder III; BPatG GRUR 2007, 593, 596 – Ristorante; Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 619). Insbesondere darf nicht nur auf Kreise abgestellt werden, welche die betreffenden Waren/Dienstleistungen tatsächlich bereits erwerben. Beteiligte Verkehrskreise sind vor diesem Hintergrund im vorliegenden Fall (fast) alle Verbraucher.

29

Für das Adjektiv „chic“ sind in der Grundform die Schreibweisen „chic“ und „schick“ korrekt. Synonym zu dem Adjektiv „chic“ werden die Worte apart, elegant, fein, geschmackvoll, hoch elegant, modisch sowie stilvoll und umgangssprachlich die Worte angesagt, trendig, trendy und hip verwendet (http://www.duden.de/rechtschreibung/chic).

30

In dieser Bedeutung wird das Zeichen „chic“ von den angesprochenen Verkehrskreisen als beschreibende Angabe für die von dem Anmelder beanspruchten Waren und Dienstleistungen und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis für einen einzelnen Hersteller oder Anbieter verstanden werden und auch bereits verwendet.

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So wird der „Mercedes Marco Polo“, bei dem es sich um ein Fahrzeug aus dem „Segment der kompakten Camper“ handeln soll, in einem im Internet abrufbaren Fahrbericht (http://www.spiegel.de/forum/auto/fahrbericht-mercedes-marco-polo-fehlt-nur-noch-der-roomservice-thread-275577-1.html) als Fahrzeug beschrieben, das „schick ausgestattet“ sei. Auch andere Wohnmobile werden als „schick“ beworben (http://www.camperland-bong.de/ADAC-Wohnmobil-Vermietung/Wohnmobil/Flotte-und-Preise/). An anderer Stelle wird auf die nicht unerheblichen Kosten „eines schicken Wohnmobils“ verwiesen (http://www.derivate-mag.de/das-neue-wohnmobil-wie-funktioniert-die-finanzierung-des-autos/). Im Internet werden „schicke Wohnmobile“ zudem für den Urlaub zu zweit beworben (http://www.auto.de/magazin/caravan-salon-neuheiten-teil-3/). Ebenfalls finden sich „schicke und flotte Wohnmobile“ für gehobene Ansprüche (http://www.suedsee-caravans.de/vermietung/wohnmobile/harmony-class/). Selbst Alarmanlagen werden als „schick“ beworben (http://www.smanos.com/de/W100).

32

Der Anmelder hat vorgetragen, der Begriff „chic“ werde im allgemeinen Sprachgebrauch vor allem im Bereich der Mode verwendet, die genannte Bezeichnung solle aber namentlich für Reisemobile, Wohnmobile, Campingwagen, Wohnwagen sowie Teile hiervon und Zubehör hierzu eingetragen werden. Wie die vorstehenden Belegstellen zeigen, ist dies nicht zutreffend und ergibt sich im übrigen auch daraus, dass der Anmelder selbst auf seiner Website Reisemobile der „Generation II des chic c-line“ als „richtig schick“ bewirbt (http://www.carthago.com/detail/richtig-schick-die-generation-ii-des-chic-c-line).

33

All das belegt, dass die von dem Anmelder beanspruchten Waren der Klasse 12 Reisemobile, Wohnmobile, Campingwagen, Wohnwagen sowie Teile hiervon und Zubehör hierzu schick sein können. Auch wenn die Verwendung des Begriffs „schick“ nur für Alarmanlagen, nicht aber für das Zubehör Innenpolsterungen, Fahrradhalter, Dachträger, Isoliermaterialien, Gepäckträger nachweisbar ist, versteht doch der angesprochene Verkehr den Begriff „chic“ für das gesamte genannte Zubehör als werbende Beschreibung.

34

Gleiches gilt namentlich für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 39 Vermietung von Reisemobilen, Wohnmobilen, Campingwagen, Wohnwagen. Denn der Geschäftsführer eines Unternehmens berichtet im Internet davon, er habe sich ein „schickes Wohnmobil gemietet“ (http://www.netgate-it.de/index.php?option=com_content&view=article&id=46:mit-dem-wohnmobil-auf-it-montage&catid=1:aktuelle-nachrichten&Itemid=50). Auch die Reparatur und Instandhaltung von Reisemobilen, Wohnmobilen, Campingwagen, Wohnwagen kann dazu führen, dass diese (wieder) schick aussehen. Auch für die Dienstleistungen der Klasse 37 versteht daher der angesprochene Verkehr das angemeldete Zeichen „chic“ beschreibend.

35

3. Das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist auch nicht nach § 8 Abs. 3 MarkenG durch Verkehrsdurchsetzung des zur Eintragung als Marke angemeldeten Zeichens „chic“ überwunden worden. Die im Beschwerdeverfahren von der Anmelderin zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung vorgelegte demoskopische Umfrage ist nicht geeignet, diesen Nachweis zu führen.

36

Die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG müssen für diejenigen Waren und Dienstleistungen nachgewiesen werden, auf die sich die Anmeldung bezieht (BGH GRUR 2001, 142, 1043 – REICH UND SCHÖN). Das von dem Anmelder vorgelegte „Umfragegutachten zur Verkehrsdurchsetzung der Bezeichnung »chic« im Zusammenhang mit Wohn- bzw. Reisemobilen“ bezieht sich nur auf Wohn- und Reisemobile und nicht auf die anderen beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Dabei geht das Gutachten (Seite 4) von einer sehr eingeengten Definition von Wohn- und Reisemobilen aus: Wohn- bzw. Reisemobile sind danach

37

„ein Freizeit-Kraftfahrzeug mit einer zum Wohnen geeigneten Inneneinrichtung der Klasse oberhalb einfacher Campingbusse, das folgende Merkmalskombination aufweist:

38

o ein zulässiges Gesamtgewicht von mindestens 2,8 t;

39

o einen Neupreis von mindestens € 40.000;

40

o Bauart entweder»Alkoven-Aufbau« (mit Bettvorbau über dem Fahrerhaus, »teilintegriert« (dabei wird die Fahrerkabine mit zu Wohnzwecken genutzt, indem man die Fahrradsitze dreht und in eine Sitzgruppe einbezieht) oder »vollintegriert« (dabei ist kein eigentliches Fahrerhaus mehr erkennbar, der Fahrerbereich hat ein sehr hohes Dach und eine Panoramascheibe, so dass der Wohnraum wie »aus einem Guss« wirkt – so genannte »Königsklasse«).“

41

Eine solche Abgrenzung ermöglicht das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis jedenfalls nicht.

42

§ 8 Abs. 3 MarkenG verlangt eine Durchsetzung „in den beteiligten Verkehrskreisen“. Als beteiligte Verkehrskreise im Sinne von § 8 Abs. 3 ArbEG sind alle Kreise zu verstehen, in denen die Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann, wobei eine an den objektiven Merkmalen der beanspruchten Ware, nicht an den subjektiven Vorstellungen des Anmelders orientierte Betrachtung angezeigt ist (BGH GRUR 2009, 411 Rn. 12 – STREETBALL; Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 615).

43

Beteiligte Verkehrskreise sind aus den bereits dargelegten Gründen im vorliegenden Fall (fast) alle Verbraucher und - anders als dies der Anmelder in dem von ihm vorgelegten Gutachten (Anhang, Untersuchungsdaten, Befragter Personenkreis) meint - nicht „in Deutschland wohnende Personen ab 18 Jahre, die ein Wohn- bzw. Reisemobil besitzen oder die fest vorhaben, sich in den nächsten 12 Monaten ein Reisemobil anzuschaffen, wobei der Kaufinteressent schon bestimmte Marken/Modelle ins Auge gefasst hat.“ Das von dem Anmelder vorgelegte Verkehrsdurchsetzungsgutachten schränkt damit unzulässig die beteiligten Verkehrskreise in ganz erheblicher Weise ungerechtfertigt namentlich deshalb ein, weil das Gutachten nicht einmal Personen berücksichtigt, die ganz gewiss zu den konkret interessierten Verkehrskreisen gehören, was die vom Interviewer wörtlich vorzulesenden Fragen 1 bis 4 des Anhangs des Gutachtens belegen.

44

Weil der Anmelder den Kreis des beteiligten Verkehrs wesentlich zu eng bemessen hat, hat er zum Bekanntheitsgrad der richtigerweise zu beteiligenden Verkehrskreise keine Angaben gemacht. Nach dem Verkehrsdurchsetzungsgutachten (Seite 14) kennen „54 % aller Verkehrsbeteiligten … die Bezeichnung von »chic« im Zusammenhang mit Reisemobilen bzw. Wohnmobilen“. Bezogen auf die richtigerweise zu berücksichtigenden beteiligten Verkehrskreise muss der Bekanntheitsgrad weit unter 54 % liegen.

45

Wegen der unzulässigen Verengung der maßgebenden Verkehrskreise liegt zudem der von dem Anmelder in seinem Verkehrsdurchsetzungsgutachten (Seite 16) angegebene Kennzeichnungsgrad („51 % aller Verkehrsbeteiligten verstehen »chic« als Hinweis auf nur einen ganz bestimmten Hersteller“) weit unter 51 %.

46

Selbst von den von Seiten des Anmelders grob unzulässig eingeschränkten beteiligten Verkehrskreisen wird der erforderliche Zuordnungsgrad nicht annähernd erreicht. Denn der Anmelder hat in seinem Verkehrsdurchsetzungsgutachten (Seite 19) vorgetragen: „29 % aller Verkehrsbeteiligten vertreten die Ansicht, dass »chic« nur zu einem einzigen Unternehmen gehört und benennen dieses Unternehmen gleichzeitig … als »CARTHAGO«“. Grundsätzlich wird aber ein Zuordnungsgrad von mindestens 50 % für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung als erforderlich angesehen (BGH GRUR 2014, 483 Rn. 34 – test). Weil die hier beteiligten Verkehrskreise (fast) alle Verbraucher sind, liegt der Zuordnungsgrad weit unter den von dem Anmelder angegebenen 29 % und ist von der relevanten 50 %-Grenze so weit entfernt, dass eine Prüfung besonderer Umstände, die das Verfehlen der genannten Grenze ausgleichen könnten, nicht veranlasst ist, zumal solche Umstände nicht erkennbar sind.

47

4. Die Beschwerde des Anmelders konnte deshalb keinen Erfolg haben.