Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 29.04.2015


BPatG 29.04.2015 - 28 W (pat) 543/12

Markenbeschwerdeverfahren – "SafeSet" – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
29.04.2015
Aktenzeichen:
28 W (pat) 543/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 001 018.0

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Friehe sowie der Richterin Dorn und des Richters Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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SafeSet

3

ist am 11. Januar 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren „Ärztliche Infusionsgeräte und –instrumente“ (Klasse 10) angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 10 des DPMA hat nach vorangegangener Beanstandung vom 10. Februar 2012 mit Beschluss vom 18. April 2012 die Anmeldung zurückgewiesen, weil dem angemeldeten Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Wortkombination „SafeSet“ bestehe - wie aus der Binnengroßschreibung unmittelbar ersichtlich sei - aus den Wörtern „safe“ (= sicher) und „set“ (= mehrere zusammengehörende gleichartige oder sich ergänzende Gegenstände). Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren würden die angesprochenen inländischen Verkehrskreise, nämlich interessierte Verbraucher, die Sachinformation im Hinblick auf deren qualitätsmäßige Eigenschaften insoweit erkennen, als ein „sicheres Set“ angeboten werde, wobei dahingestellt bleiben könne, ob sich „sicher“ auf die Unversehrtheit des Sets oder dessen sichere Handhabung und Funktionalität beziehe. Eine individualisierende Kennzeichnungswirkung für einen bestimmten Hersteller der Waren werde nicht erreicht. Die Markenstelle habe die Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens nicht zergliedernd betrachtet, sondern dessen Gesamtaussage, die keine Interpretationsvielfalt aufweise, geprüft. Im Blick auf die hier beanspruchten Waren könne „Safe“ nicht als „Geldschrank“ aufgefasst werden. Die maßgebenden inländischen Verkehrskreise würden „safe“ als das Adjektiv „sicher“ erkennen. Den Verbrauchern seien für die hier relevanten Waren die Begriffe „Infusionssystem bzw. Infusionsbesteck“ und „Infusionsset“ bekannt. Die Verbraucher würden bei der Bezeichnung „SafeSet“ darauf schließen, dass es sich um ein Infusionsset handele, das in Handhabung und Funktionsweise sicher sei. Ob darüber hinaus ein Freihaltebedürfnis bestehe, könne bei dieser Sachlage dahinstehen.

5

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, dem angemeldeten Zeichen komme Unterscheidungskraft zu. Die Markenstelle habe unzulässigerweise das angemeldete Zeichen zergliedert. Aus der Einschätzung der Markenstelle, dass es sich bei den Bestandteilen „Safe“ und „Set“ um einzelne Begriffe handele, die für sich gesehen für die angesprochenen Verkehrskreise eine erkennbare Bedeutung hätten, könne deshalb nicht gefolgert werden, dass dies auch für die Kombination der beiden Begriffe in dem angemeldeten Zeichen „SafeSet“ gelte. Bei dem Kombinationszeichen handele es sich um eine in einschlägigen Lexika nicht nachweisbare phantasievolle Wortneuschöpfung. Dem Zeichen „SafeSet“ komme in der Gesamtbetrachtung keine Bedeutung zu, weshalb dieser Begriff die angesprochenen Verkehrskreise zu Interpretationen anrege. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren hätten schon die einzelnen Wortbestandteile keine lediglich beschreibende Wirkung, was erst recht für die angemeldete Wortneubildung gelte. Die Waren „Ärztliche Infusionsgeräte und –instrumente“ würden nicht aus separaten, sondern aus miteinander verbundenen Gegenständen bestehen, weshalb es sich nicht um ein „Set“ handele. Zudem seien ältere Marken mit dem Wortbestandteil „Safe“ eingetragen worden, beispielsweise die Marke „SafeTrac“ für „zahnärztliche Apparate und –instrumente“ (Klasse 10). Zudem bestehe kein Freihaltebedürfnis für Wettbewerber.

6

Die Anmelderin hat am 10. Januar  2012 zudem beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) das Wortzeichen „SafeSet“ als Gemeinschaftsmarke für die Waren „Ärztliche Infusionsgeräte und –instrumente“ (Klasse 10) angemeldet. Mit Entscheidung vom 25. Juni 2012 hat der Prüfer die Anmeldung für alle beanspruchten Waren gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c und Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (GMV) zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Anmelderin vom 20. August 2012 ist ohne Erfolg geblieben. Mit Entscheidung vom 27. Juni 2013 hat die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurückgewiesen. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die angemeldete Marke i. S. v. Art. 7 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. Abs. 2 GMV für die in Rede stehenden Waren beschreibend sei und dass es ihr i. S. v. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b i. V. m. Abs. 2 GMV an Unterscheidungskraft fehle. Die hiergegen gerichtete Klage der Anmelderin hat die Siebte Kammer des Europäischen Gerichts mit Urteil vom 6. März 2015 (Az. T-513/13) abgewiesen.

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Die Anmelderin beantragt,

8

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 10 des DPMA vom 18. April 2012 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach §§ 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „SafeSet“ als Marke stehen hinsichtlich der beanspruchten Waren sowohl das absolute Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als auch das der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG). Das Vorbringen der Anmelderin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

11

1. Bei dem angemeldeten Zeichen handelt es sich für die beanspruchten Waren um eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe. Dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 – BIOMILD). Für die markenrechtliche Schutzfähigkeit fremdsprachiger Angaben kommt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf an, ob die beteiligten inländischen Verkehrskreise im Stande sind, die Bedeutung des fremdsprachigen Markenwortes zu erkennen, wobei gleichermaßen auf die Durchschnittsverbraucher als auch auf die am Handel beteiligten inländischen Fachkreise abzustellen ist, so dass schon das entsprechende Verständnis einer dieser Gruppen ausreichen kann, um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen (EuGH GRUR 2010, 534 – PRANAHAUS; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; Ströbele, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 8 Rn. 485 f. m. w. N.). Unter den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fallen dabei insbesondere aus gängigen Ausdrücken einer Welthandelssprache - wie Englisch - gebildete beschreibende Angaben.

12

Bei einer mehrteiligen Kombinationsmarke kommt es nicht auf die Schutzfähigkeit der Markenteile, sondern auf die Schutzfähigkeit der Marke in ihrer Gesamtheit an. Deshalb darf aus dem beschreibenden Charakter der einzelnen Bestandteile nicht ohne weiteres auch für die Kombinationsmarke ein Schutzhindernis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hergeleitet werden. Dieser Grundsatz schließt jedoch nicht aus, dass die einzelnen Markenteile zunächst getrennt geprüft werden müssen (EuGH GRUR 2012, 616 Rn. 23 – Alfred Strigl/DPMA u. Securvita/Öko-Invest; BGH GRUR 2011, 65 Rn. 10 – Buchstabe T mit Strich; Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 496, 506 m. w. N.).

13

Anders als dies die Anmelderin meint, war es insofern korrekt, dass die Markenstelle die Wortbestandteile „Safe“ und „Set“ gesondert geprüft hat.

14

Zwar bleibt im Allgemeinen die bloße Verbindung beschreibender Bestandteile selbst beschreibend. Doch kann der durch die Verbindung bewirkte Gesamteindruck über die Zusammenfügung beschreibender Elemente hinausgehen und sich nicht in deren bloßer Summenwirkung erschöpfen (EuGH GRUR 2010, 932 Rn. 62, 63 – COLOR EDITION; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 21 – smartbook; Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 506 m. w. N.). Eine die bloße Summenwirkung übersteigende und damit schutzbegründende Wirkung kann namentlich durch die Ungewöhnlichkeit der Kombination erzielt werden (BGH GRUR 2012, 270 Rn. 16 – Link economy; BPatG GRUR-Prax 2010, 175 – derma fit; Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 507 m. w. N.).

15

Die beanspruchten Waren „ärztliche Infusionsgeräte und –instrumente“ richten sich an Angehörige der Gesundheitsberufe, die deshalb die maßgeblichen Verkehrskreise bilden. Diese inländischen Fachkreise sind in der Lage, die für die angemeldeten Waren eindeutig beschreibenden Angaben der englischsprachigen Wörter des angemeldeten Zeichens „safe“ und „set“ zu erkennen. Sie werden im Blick auf diese Waren den zum englischen Grundwortschatz zählenden Wörtern „safe“ die Bedeutung von „sicher“ und „set“ die Bedeutung von „mehrere zusammengehörende Gegenstände“ beilegen. Beide Begriffe sind hinsichtlich der beanspruchten Waren glatt beschreibend. Denn ärztliche Infusionsgeräte und Infusionsinstrumente müssen sicher (= „safe“) beschaffen sein und bestehen aus mehreren Bestandteilen („set“), nämlich regelmäßig aus einem Schlauch, einer Kanüle und einer Schutzkappe, die miteinander zu ärztlichen Infusionsgeräten und -instrumenten verbunden werden.

16

Bei dem angemeldeten Zeichen „SafeSet“ handelt es sich zwar um eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortneuschöpfung. Doch bleibt die bloße Verbindung der beiden für die angemeldeten Waren beschreibenden Bestandteile „safe“ und „set“ selbst beschreibend. Denn der Gesamteindruck der Kombination „SafeSet“ der für sich genommen beschreibenden Elemente „safe“ und „set“ erschöpft sich in deren bloßer Summenwirkung, ohne dass der durch das Gesamtzeichen bewirkte Gesamteindruck über die Zusammenfügung der beschreibenden Elemente hinausginge. Insbesondere fehlt es an einer besonderen sprachlichen Ausgestaltung syntaktischer oder semantischer Art, die die Kombination der beschreibenden Elemente ungewöhnlich erscheinen lassen könnte. Die angemeldete Wortkombination besteht vielmehr aus einem Adjektiv und einem Substantiv entsprechend den Regeln der englischen Grammatik. Der Umstand allein, dass die Wörter „safe“ und „set“ nicht durch einen Bindestrich oder ein Leerzeichen getrennt sind, wird die inländischen Verbraucher nicht daran hindern, die beiden Wörter zu erkennen. Insofern werden die maßgebenden inländischen Verkehrskreise das angemeldete Zeichen als „mehrere zusammengehörende Gegenstände, die sicher sind“ verstehen (so mit Recht EuG, T-513/13, Urteil vom 6. März 2015, Rn. 38).

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Aus Sicht des Senats besteht deshalb ein Freihaltebedürfnis für die beanspruchten Waren an der rein beschreibenden Sachangabe „SafeSet“.

18

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus für die fraglichen Waren nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist.

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2. Soweit sich die Anmelderin auf Voreintragungen älterer und mit dem angemeldeten Zeichen angeblich vergleichbarer Marken, namentlich auf die Marke „SafeTrac“ für „zahnärztliche Apparate und –instrumente“ (Klasse 10) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass Eintragungen identischer oder vergleichbarer deutscher und ausländischer Marken keinerlei verbindliche Bedeutung im Inland für die Prüfung nachträglich angemeldeter Marken entfalten (BPatG GRUR 2007, 333 – Papaya; BGH GRUR 2013, 522 Rn. 20 – Deutschlands schönste Seiten; EuGH GRUR 2013, 519 Rn. 57 – Deichmann).

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4. Die Beschwerde der Anmelderin konnte deshalb keinen Erfolg haben.