Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 25.11.2015


BPatG 25.11.2015 - 28 W (pat) 542/13

Markenbeschwerdeverfahren – "PRIMUS" – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
25.11.2015
Aktenzeichen:
28 W (pat) 542/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 030 494.2

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 25. November 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Friehe, der Richterin Uhlmann und des Richters am Landgericht Dr. Söchtig

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27. August 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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PRIMUS

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ist am 6. Mai 2013 zur Eintragung als Marke in das bei dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die folgenden Waren der

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Klasse 06: Transportable Bauten aus Metall;

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Klasse 19: Transportable Bauten (nicht aus Metall);

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Klasse 43: Vermietung von transportablen Bauten

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angemeldet worden.

8

Mit Beschluss vom 27. August 2013 hat die Markenstelle für Klasse 6 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vollständig zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen werde in den unterschiedlichsten Waren- oder Dienstleistungsbereichen in den Bedeutungen „der Beste, Herausragende, Führende oder Marktführer“ verstanden. Auch die beanspruchten Waren und Dienstleistungen könnten auf ihrem Gebiet führend oder Marktführer oder die Besten oder Herausragenden sein oder von einem Anbieter kommen, der der Beste, Herausragende, Marktführer oder Führende sei.

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Der Begriff „Primus“ stamme aus der lateinischen Sprache und habe im Deutschen die Bedeutung „Klassenbester“. Er werde erweiternd auch zur Beschreibung, Anpreisung oder Hervorhebung im Hinblick auf die jeweils zu vergleichenden Waren, Dienstleistungen, Bereiche, Konkurrenten, Mitbewerber oder sportlichen Gegner verwendet. Der Verkehr, dessen Verständnisfähigkeit nicht zu gering eingeschätzt werden dürfe und der sich hier aus dem Handel und dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher zusammensetze, werde das Anmeldezeichen als beschreibende oder werblich-anpreisende Aussage und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen. Die von der Anmelderin zitierten Voreintragungen von „PRIMUS“-Marken führten zu keiner abweichenden Beurteilung. Entsprechend habe das Bundespatentgericht in einer Kollisionsentscheidung (27 W (pat) 75/08) dem Begriff allenfalls ein Minimum an Kennzeichnungskraft zugebilligt.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27. August 2013 aufzuheben.

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Sie trägt vor, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der von den beanspruchten Waren angesprochene Verkehr über lateinische Sprachkenntnisse verfüge. Latein habe im Bereich des Transportwesens und auch im internationalen Handelsverkehr keine Relevanz. Der 27. Senat des Bundespatentgerichts sei in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass dem Begriff PRIMUS ein Minimum an Kennzeichnungskraft zukomme. Dies bestätige auch die Entscheidung 25 W (pat) 12/12 – PRIMERO. Zudem stehe der Beschluss der Markenstelle im Widerspruch zu der ständigen Eintragungspraxis des Amtes sowie der Eintragungspraxis der Weltorganisation für geistiges Eigentum und des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt zu „PRIMUS“-Marken. Auch nach der Zurückweisung hätten sowohl das DPMA als auch das HABM mehrere PRIMUS-Marken in das Handelsregister eingetragen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebiete deshalb die Eintragung des Anmeldezeichens. Die von der Markenstelle zitierten Internetfundstellen über die Verwendung des Begriffs „PRIMUS“ bezögen sich nicht auf das einschlägige Waren- und Dienstleistungsgebiet und ließen keinerlei Rückschlüsse auf das branchenspezifische Verkehrsverständnis zu.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung des Anmeldezeichens stehen keine Schutzhindernisse gemäß § 8 MarkenG entgegen, insbesondere fehlt ihm nicht das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rn. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611, Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2012, 1143, Rn. 7 – Starsat). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen.

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt beimessen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden. Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2014, 569 ff. – HOT m. w. N.).

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Nach diesen Grundsätzen kann dem angemeldeten Wortzeichen PRIMUS das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

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Der lateinische Begriff „primus“ hat im Deutschen die Bedeutungen „der Vorderste, der Erste, der Beginnende, der Vorzüglichste, Vornehmste“. Allerdings ist die lateinische Sprache keine im Inland geläufige Fremdsprache, deren Kenntnis bei den angesprochenen Verbrauchern vorausgesetzt werden kann. Als deutscher Begriff steht „Primus“ veraltet für den besten Schüler, Klassenbesten, Klassenersten in weiterführenden Schulen (www.duden.de). Daneben ist „Primus“ auch ein männlicher Vorname.

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In der Bedeutung „Klassenerster“ wird der Begriff zwar nach den Ergebnissen der Recherchen der Markenstelle und des Senats gelegentlich übertragend auch auf natürliche Personen und Unternehmen angewendet, um deren herausgehobene Stellung unter ihren Konkurrenten zu umschreiben („Branchenprimus“). Die Verwendung des lateinischen Zahlwortes zur anpreisenden Beschreibung von Waren und Dienstleistungen ist dagegen kaum nachweisbar. Es handelt sich bei dem im Deutschen als veraltet empfundenen Wort auch nicht um einen Begriff, den der Verkehr aus der Werbesprache kennt. Dort werden zwar Produkte mit den Begriffen „Prime“ oder „Premium“ beworben, nicht jedoch mit dem lateinischen Wort „Primus“.

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Kenntnisse der lateinischen Sprache können von inländischen Verkehrskreisen  mit Ausnahme besonderer Fachverkehrskreise, bei denen Latein zur Fachsprache gehört, nicht vorausgesetzt werden. Die von den angemeldeten Waren „transportable Bauten“ und den Vermietungsdienstleistungen von solchen Bauten  angesprochenen Verkehrskreise setzen sich in erster Linie aus gewerblichen Abnehmern im Bereich von Produktion, Handel, Handwerk und Transportwesen zusammen. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese das lateinische Wort PRIMUS unmittelbar in seiner deutschen Übersetzung verstehen und als Sachaussage einordnen werden, zumal Latein auch in weiterführenden Schulen seit langem nicht mehr flächendeckend unterrichtet wird. Auch bei Kenntnis der veralteten deutschen Bedeutung „Klassenerster“ benötigt der angesprochene Verkehr mehrere Gedankenschritte, um das Wortzeichen bei seiner Verwendung im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen als anpreisenden Sachhinweis dahingehend auffassen, dass die bezeichneten Produkte eine hervorragende Stellung im Produktvergleich einnehmen (so auch BPatG Beschl. v. 01.10.1997, 32 W (pat) 27/97 - Primus).

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Deshalb kann dem Anmeldezeichen - wenn es auch einen stark beschreibenden Anklang hat - das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Diese Bewertung spiegelt sich auch einer Vielzahl von nationalen und Gemeinschaftsmarkeneintragungen des Wortzeichens wider. Der bloße Umstand, dass das Zeichen beliebter Bestandteil vieler Marken- und Firmennamen ist, mag den Schutzumfang des Zeichens schwächen, begründet das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft jedoch nicht. Die zitierte Entscheidung des Bundespatentgerichts 27 W (pat) 75/08 steht damit nicht in Widerspruch, zumal sie sich auf andere Warengebiete und damit abweichende Verkehrskreise bezieht.

23

Mangels eines beschreibenden Begriffsinhalts des Anmeldezeichens steht seiner Eintragung auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

24

Daher war der angegriffene Beschluss aufzuheben.