Entscheidungsdatum: 07.12.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 059 072
(hier: Löschungsverfahren S 132/10 Lösch)
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
I.
Die am 7. Oktober 2009 angemeldete Bezeichnung
Primero
ist am 16. März 2010 unter der Nummer 30 2009 059 072 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgend genannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 8, 19 und 35 eingetragen worden:
Klasse 8:
handbetätigte Werkzeuge und Geräte; Messerschneidewaren, Gabeln und Löffel; Bohrer; Bohrer [Handwerkzeuge]; Brecheisen; Durchschlaghämmer; Handbohrer; Kellen; Werkzeuge zum Bearbeiten von Baumaterialien (handbetätigt);
Klasse 19:
Baumaterialien (nicht aus Metall); Rohre (nicht aus Metall) für Bauzwecke; Asphalt, Pech und Bitumen; transportable Bauten (nicht aus Metall); Denkmäler (nicht aus Metall); Schiefer; Tonschiefer; Schieferpulver; Sand; Sandstein für Bauzwecke; Kacheln; Kalk; Kalkstein; Dachschiefer; Fliesenbeläge (nicht aus Metall); Fußböden (nicht aus Metall); Alabaster; Bausteine; Beton; Betonteile; Bruchstein; Dachbeläge (nicht aus Metall); Dachpfannen (nicht aus Metall); Dächer (nicht aus Metall, mit integrierten Solarzellen); Granit; Kunstgegenstände aus Stein, Beton, Marmor oder Schiefer; Kunststein; Marmor; Mörtel (Baumaterial); Pflastersteine; Straßenbaumaterialien und Straßenbelagmaterialien; Teer; Terrakotta; Zement für Bauzwecke; Baumaterial zum Verkleiden von Fassaden (nicht aus Metall);
Klasse 35:
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzel- und Großhandel; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen: chemische Erzeugnisse, Anstrichmittel, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel, Baumaterial, Heimwerkerartikel und Gartenartikel, Hobbybedarf und Bastelbedarf, sanitäre Anlagen, Dekorationswaren; Großhandelsdienstleistungen in den Bereichen: chemische Erzeugnisse, Anstrichmittel, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel, Baumaterial, Heimwerkerartikel und Gartenartikel, Hobbybedarf und Bastelbedarf, sanitäre Anlagen, Dekorationswaren; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder zu Werbezwecken; Verteilung von Werbematerial; Verteilung von Warenproben zu Werbezwecken; Vorführung von Waren für Werbezwecke; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Kosten-Preis-Analysen; Layoutgestaltung für Werbezwecke; Marktforschung.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 21. April 2010, per Fax am gleichen Tage beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, die Löschung dieser Marke nach § 50 MarkenG in Bezug auf alle eingetragenen Waren und Dienstleistungen beantragt, weil die angegriffene Marke entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden sei. Der Löschungsantrag ist dem Markeninhaber am 7. Mai 2010 zugestellt worden. Er hat diesem Antrag mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 18. Juni 2010, widersprochen.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 29. April 2011 zurückgewiesen, da der Eintragung der angegriffenen Marke keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstünden.
Die Bezeichnung „Primero“ stelle keine die registrierten Waren und Dienstleistungen beschreibende Angabe i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar. Bei dieser Bezeichnung handele es sich um ein Wort der spanischen Sprache, welches „zuerst, als Erster, erstens, erste(r/-s), Erste (r-/-s)“ bedeuten könne und speziellere Sinngehalte erst in Verbindung mit erläuternden Zusätzen vermittele. In diesen Grundbedeutungen sei dieses Wort für sich gesehen zu unbestimmt und zu wenig konkret, um zur Beschreibung von Merkmalen der Waren und Dienstleistungen, für die die angegriffene Marke eingetragen sei, oder auch nur als allgemeine Qualitätsanpreisung i.S.v. „Spitzenprodukten der betreffenden Waren- und Dienstleistungsbereiche“ dienen zu können. Es sei nicht ersichtlich, dass „Primero“ in Alleinstellung im Spanischen als einschlägiger Fachbegriff oder allgemeine Qualitätsanpreisung gebräuchlich wäre, auch dann, wenn man „primero“ mit „führend“ übersetze. Nachweisbar seien nur Ausdrücke wie „primera calidad“ („Topqualität“). Das Wort „primero“ könne nicht mit dem Adjektiv „prima“ gleichgesetzt werden, das im deutschen Sprachgebrauch als Anpreisung für „erstklassig, hervorragend“ weit verbreitet sei. Die angegriffene Marke sei im Übrigen für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise, zu denen sowohl Fachkreise als auch Endverbraucher gehörten, nicht ohne weiteres als eine die betreffenden Waren und Dienstleistungen beschreibende Angabe verständlich und werde von den Mitbewerbern für den Im- und Export zur ungehinderten beschreibenden Verwendung auch nicht benötigt. Zudem handele es sich weder um eine Warenangabe oder eine Dienstleistungsbezeichnung und auch nicht um einen einschlägigen Fachbegriff, sondern allenfalls um eine nur andeutungsweise allgemeine Werbeaussage, wobei ferner zu berücksichtigen sei, dass der beschreibende Einsatz nicht gängiger allgemeiner Anpreisungen in spanischer Sprache weder im Inland noch beim Ex- und Import üblich sei.
Die angegriffene Marke verfüge auch über Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Sie weise keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt auf und stelle auch keinen gebräuchlichen Begriff dar, der stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werde. Es sei davon auszugehen, dass „Primero“ von den inländischen Verkehrskreisen als fremdsprachlicher Begriff aufgefasst werde, mit dem sie keine bestimmte sachbezogene Bedeutung und allenfalls eine andeutungsweise werbemäßige Aussage verbinden würden. Letzteres stehe gemäß der Rechtsprechung des EuGH in seiner Entscheidung „Vorsprung durch Technik“ nicht der Annahme entgegen, dass der angegriffenen Marke zugleich eine Herkunftsfunktion zukomme.
Da auch keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass „Primero“ im Sinne einer Alleinstellungsbehauptung verstanden werde, sei auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nicht gegeben.
Ferner sei nicht ersichtlich, dass das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG erfüllt sei. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Markeninhaber bereits seit 1997 Inhaber weiterer Marken mit dem Bestandteil „Primero“ sei, nämlich „PRIMERO FIXX“ und „Primero Scala“.
Schließlich könne sich die Antragstellerin auch nicht auf Entscheidungen des HABM berufen, in denen der Begriff „Primero“ als nicht schutzfähig erachtet worden sei.
Gegen den vorgenannten Beschluss der Markenabteilung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Sie ist der Auffassung, dass der angegriffenen Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle und insoweit auch ein Freihaltebedürfnis bestehe. Das Markenwort „Primero“ bedeute u.a. „Erste/r/s“ bzw. „führend“ und sei in gleicher Weise schutzunfähig wie das Wort „prima“. Die vorgenannten Bedeutungen des angemeldeten Markenworts seien lexikalisch belegt und den relevanten Verkehrskreisen auch bekannt; die spanische Sprache sei eine Welthandelssprache und es sei zudem eine immer stärkere „Europäisierung“ des Wirtschaftslebens zu berücksichtigen.
Es sei davon auszugehen, dass es sich bei diesem Markenwort um eine rein beschreibende Auslobung i.S.e. Alleinstellungsbehauptung bzw. eine Anpreisung handele, die erkennbar auf die „1“ und damit auf eine besonders hohe Qualität der damit gekennzeichneten Produkte („erste Wahl“) hinweise. Dies sei für die beteiligten Verkehrskreise, für die Spanisch eine besondere Rolle spiele, ohne weiteres verständlich, zumal Schieferprodukte, die in erheblichem Umfang von Spanien nach Deutschland exportiert würden, entsprechend gekennzeichnet würden. Im Übrigen sei es nicht erforderlich, dass eine solche Bezeichnung bereits feste begriffliche Konturen erlangt oder sich eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet habe. Zudem stehe die Mehrdeutigkeit eines Begriffs der Annahme eines Schutzhindernisses nicht entgegen, wenn der Begriff in zumindest einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen bezeichne. An der freien Verwendbarkeit des Begriffs „Primero“ bestehe ein schutzwürdiges Allgemeininteresse, da die Eintragung von - als solchen für die angesprochenen Verkehrskreise verständlichen – produktbezogenen Begriffen aus den Welthandelssprachen, zu denen die spanische Sprache gehöre, zu verhindern sei. Auch stehe die Entscheidung „Vorsprung durch Technik“ des EuGH der vorgenannten Auffassung nicht entgegen, da die Besonderheiten dieses Einzelfalles im vorliegenden Fall nicht gegeben seien. Eine Löschung der angegriffenen Marke stehe auch im Einklang mit Entscheidungen des HABM, in denen die Gemeinschaftsmarkenanmeldungen „Primero“ für Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 21 und 35 sowie „HABANO PRIMERO“ für Waren der Klasse 34 wegen Vorliegens absoluter Schutzhindernisse zurückgewiesen worden seien; das gleiche treffe auf mehrere als Gemeinschaftsmarken angemeldete Zeichen mit dem Bestandteil „Primera“ zu.
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hatte die Antragstellerin ferner vorgetragen, dass der Markeninhaber ca. ein Jahr nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der W… GmbH deren Firmenschlagwort für sich als Marke angemeldet habe. Er habe dabei bösgläubig i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG gehandelt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 2011 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2009 059 072 anzuordnen.
Der Markeninhaber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die angegriffene Marke unterscheidungskräftig sei. Den maßgeblichen inländischen Verkehrskreisen sei die Bedeutung des Wortes „Primero“ nicht bekannt, so dass der Verkehr der angegriffenen Marke keine beschreibende Angabe bzw. keinen verständlichen Qualitätshinweis zuordnen könne. Die Antragstellerin habe die von ihr behauptete Bedeutung der spanischen Sprache innerhalb der maßgeblichen Verkehrskreise nicht belegt. Zudem komme der angegriffenen Marke selbst in der spanischen Sprache nur ein unklarer Begriffsinhalt zu, da es „erster, Primus“ oder auch „erster, führend, erstgenannt, zuerst, eher, lieber, erstmalig, früherer, vorheriger“ bedeuten könne. Die angegriffene Marke deute allenfalls ein zeitliches oder qualitatives Moment an, ohne dies weiter zu konkretisieren. Daher weise sie in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen eindeutigen, unmittelbar beschreibenden Begriffsgehalt auf. Selbst wenn der angegriffenen Marke eine Werbefunktion zuzuschreiben sei, ändere dies nichts an der vorgenannten Beurteilung, da sich Herkunfts- und Werbefunktion nicht gegenseitig ausschlössen.
Es bestehe auch kein Freihaltebedürfnis. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn die betroffenen Verkehrskreise sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen der Marke und den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellen könnten. Dem Wort „Primero“ könnten die beteiligten Verkehrskreise jedoch keinen klaren Inhalt entnehmen; sie könnten allenfalls in mehreren gedanklichen Schritten zu Bedeutungen wie „Primär“ oder „führend“ gelangen. Alle weiteren gedanklichen Schritte, die im Ergebnis zu einer Interpretation wie „Spitzenreiter“ oder „die erste Wahl“ führten, seien rein spekulativ.
Auch die von der Antragstellerin genannte Rechtsprechung führe zu keinem anderen Ergebnis. Zudem werde der Markenbestandteil „Primero“ vom Markeninhaber seit Jahren als Stammbestandteil einer Zeichenserie, zu der Marken wie „PRIMERO Axent“ oder „PRIMERO-GaLa“ gehörten, benutzt, so dass dieser Markenbestandteil dem Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf Produkte des Markeninhabers wohl bekannt sei. Wegen überdurchschnittlicher Bekanntheit des Bestandteils „Primero“ sei auch von Verkehrsdurchsetzung auszugehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet. Gegen die Eintragung der angegriffenen Marke lagen weder zum Zeitpunkt der Eintragung noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den vorliegenden Löschungsantrag Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 10 MarkenG i.V.m. § 50 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG vor, so dass die Markenabteilung den Löschungsantrag zu Recht zurückgewiesen hat.
1.
Der Markeninhaber hat dem Löschungsantrag der Antragstellerin, der ihm am 7. Mai 2010 zugestellt worden ist, am 18. Juni 2010 rechtzeitig widersprochen, so dass der Löschungsantrag inhaltlich zu überprüfen war (§ 54 Abs. 2 MarkenG).
2.
Die angegriffene Marke weist in Bezug auf die Waren der Klassen 8 und 19 sowie die Dienstleistungen der Klasse 35, für die sie eingetragen ist, die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft auf.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u.a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 - FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006 a.a.O.).
Bei der Beurteilung der Frage, ob das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen zum einen die inländischen (End-)Verbraucher der betreffenden Waren bzw. Kunden der betreffenden Dienstleistungen, wobei es insoweit auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen ankommt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30 m.w.N.). Ferner gehören die inländischen, am Handel beteiligten Fachkreise zu den maßgeblichen Verkehrskreisen, wobei bereits das Verständnis dieser Fachkreise für sich gesehen bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29 m.w.N.). Vorliegend handelt es sich bei den einschlägigen Waren im Wesentlichen um Baumaterialien, Baustoffe und Bauteile (Klasse 19) und um Werkzeuge und Geräte für Bauzwecke, insbesondere zur Be- und Verarbeitung von Baumaterialien (Klasse 8), während das Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke im Bereich der Klasse 35 breit angelegt ist und sowohl „bauspezifische“ Dienstleistungen (z.B. Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen: (…) Bauartikel, Baumaterial) als auch auf universell einsetzbare Dienstleistungen wie z.B. Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung aufweist. Daher sind in Bezug auf bauspezifische Waren und Dienstleistungen die Endverbraucher, namentlich Bauherren, aber auch Heimwerker, und/oder die am Bauhandel beteiligten bzw. im Baugewerbe tätigen Fachkreise in Betracht zu ziehen, während bei den vorgenannten nicht-bauspezifischen Dienstleistungen sowohl breite Verbraucher- als auch Fachkreise in die Prüfung einzubeziehen sind.
Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist die angegriffene Wortmarke „Primero“ in Bezug auf die vorgenannten Waren und Dienstleistungen als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet.
Das aus der spanischen Sprache stammende Markenwort „primero“ hat eine Reihe unterschiedlicher Bedeutungen, wie sich insbesondere auch aus dem vom Markeninhaber selbst vorgelegten Auszug aus „dict.leo.org“ (Bl. 70 d.A.) ergibt. Als Substantiv (i.V.m. dem Artikel „el“) kann „primero“ mit dem aus der lateinischen Sprache stammenden Wort „Primus“ und damit in der Bedeutung „der Erste“ übersetzt werden. Als Adjektiv kann dieser Begriff mit „(aller-)erste/r/s, erstgenannt, erstmalig“ aber auch „ehemalige/r/s, frühere/r/s, vorige/r/s“ übersetzt werden, als Adverb mit „(zu-, aller-)erst, erstens, lieber, vorerst, vorher“. Mit der Markenabteilung kann mithin davon ausgegangen werden, dass diese Grundbedeutungen eine zeitliche, ordnende und auch qualitative Komponente haben, wobei aber in allen Bedeutungen insoweit eine gewisse Gemeinsamkeit besteht, als „Primero“ etwas bezeichnet, was sich von anderen Subjekten oder Objekten abhebt, und zwar regelmäßig dadurch, dass das jeweilige Subjekt oder Objekt Vorrang vor anderen hat bzw. in einer (zeitlichen oder qualitativen Reihung) vorne steht. Geht man vom Verständnis spanischer Verbraucher und Fachkreise im Bereich der vorgenannten Waren und Dienstleistungen aus, so spricht einiges dafür, dass einschlägige spanische Verkehrskreise den Begriff „Primero“, wenn er ihnen in Verbindung mit den vorgenannten Waren und Dienstleistungen begegnet, als Anpreisung bzw. Werbebotschaft erkennen, welche vermitteln soll, dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen um erstklassige, am Markt führende Produkte oder um Produkte mit den höchsten Verkaufszahlen oder das erste Produkt seiner Gattung auf dem Markt handle.
Allein hieraus ergibt sich aber nicht, dass der angegriffenen Marke im vorliegenden Fall jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Denn es kommt nach der Rechtsprechung des EuGH betreffend die Eintragungsfähigkeit von Bezeichnungen in einem Mitgliedstaat der EU (hier: Deutschland), die in der Sprache eines anderen Mitgliedstaates (hier: Spanien) keine Unterscheidungskraft hat, entscheidend darauf an, dass die beteiligten Verkehrskreise in Deutschland im Stande sind, die Bedeutung des Wortes „Primero“ – im Sinne einer Anpreisung oder rein werblichen Sachangabe - zu erkennen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Leitsatz und Tz. 17, 26 – MATRATZEN). Dabei verbietet es der Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der EU nicht, ein Zeichen als nationale Marke einzutragen, das in der Sprache eines anderen Mitgliedstaates in Bezug auf die jeweils beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen beschreibend ist (EuGH, a.a.O., Tz. 29).
Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die (End-) Verbraucher der vorgenannten Waren und Dienstleistungen oder die am Handel mit diesen Waren bzw. bei der Erbringung dieser Dienstleistungen tätigen Fachkreise in relevantem Umfang den Begriff „primero“ im Zusammenhang mit diesen Waren und Dienstleistungen allein als werbliche Anpreisung oder sonstige Sachangabe verstehen. Zwar lassen die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen den Schluss zu, dass namentlich im Bereich des Handels mit Schiefer Handelsbeziehungen mit Spanien in mehr als nur unerheblichem Umfang bestehen, da Spanien eines der wichtigsten Exportländer für Schiefer ist, wobei in Deutschland keine Schieferproduktion in vergleichbarem Umfang besteht. Es wäre aber verfehlt, die relevanten Verkehrskreise auf den Kreis der am Schieferhandel beteiligten Unternehmen in Deutschland zu beschränken, die insbesondere als Großhändler Schiefer und Schieferprodukte unmittelbar und in erheblichem Umfang aus Spanien importieren und bei denen zumindest ein gewisses Indiz dafür besteht, dass sie aufgrund der vorgenannten Handelsbeziehungen mit Spanien auch in erhöhtem Maße über Kenntnisse der spanischen Sprache verfügen. Schiefer ist ein Baustoff, der vielfältig eingesetzt werden kann, insbesondere für Dacheindeckungen oder Wandverkleidungen, stellt aber auch in Bezug auf die letztgenannten Verwendungszwecke nur eine Variante unter einer Vielzahl möglicher sonstiger Baustoffe dar. Dann aber sind als relevante Fachkreise nicht nur auf Schieferprodukte spezialisierte Unternehmen anzusehen, sondern letztlich die am Handel mit Massiv-Baustoffen beteiligten Kreise als relevanter Fachkreis. Insoweit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass spanische Sprachkenntnisse innerhalb dieses Fachkreises derart verbreitet sind, dass der Begriff „Primero“ (in Alleinstellung) im dem o.g. Sinn verstanden und als Merkmals-, insbesondere Qualitätsanpreisung aufgefasst wird. Zwar ist die spanische Sprache zu den Welthandelssprachen zu zählen. Allein dies indiziert aber nicht, dass die Mitglieder des vorgenannten Fachkreises in Deutschland in relevantem Umfang über Kenntnisse der spanischen Sprache verfügen. Insoweit kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Es bestehen keine hinreichenden Erkenntnisse, dass in dem nach den o.g. Ausführungen maßgeblichen Bereich des Handels mit Massivbaustoffen die Handelsbeziehungen mit Spanien eine besonders herausragende Bedeutung haben und im Rahmen dieser Handelsbeziehungen die spanische Sprache von den am Handel auf beiden Seiten Beteiligten praktiziert und gepflegt wird. Damit bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass innerhalb dieses Fachkreises Kenntnisse der spanischen Sprache in einem besonderen, insbesondere in einem über die Sprachkenntnisse der Endverbraucher hinausgehenden Maße vorhanden sind.
Hinsichtlich der Kreise der Endverbraucher kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese in relevantem Umfang über spanische Sprachkenntnisse verfügen. Denn Spanisch gehört nicht zu den ersten Fremdsprachen in Deutschland und ist insoweit nicht mit stärker verbreiteten Fremdsprachen wie Englisch oder Französisch zu vergleichen. Vielmehr stellt die spanische Sprache in Deutschland ungeachtet des Fortschritts des Wirtschaftsverkehrs innerhalb des europäischen Binnenmarktes und auch der großen Zahl von Deutschen, die als Touristen nach Spanien reisen, keine allgemein oder in besonderem Maße geläufige Fremdsprache dar. Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise den Begriff „Primero“ als Sachangabe, insbesondere Qualitätsanpreisung auffassen werden. Es handelt sich bei diesem Begriff nicht um eine spezielle, fremdsprachige Warenangabe oder Dienstleistungsbezeichnung, bei denen eine Verneinung der Unterscheidungskraft eher in Betracht kommen könnte (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 397, 398), sondern allenfalls um eine allgemeine fremdsprachige Werbeaussage, bei der aber – wie ausgeführt – nicht festgestellt werden kann, dass sie der inländische Verkehr auch so auffassen wird. Somit kann der angegriffenen Marke im Zusammenhang mit den vorliegend einschlägigen Waren und Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
3.
Der angegriffenen Marke steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Nach dieser Bestimmung sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, welche ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder der Erbringung der (beanspruchten) Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieses Schutzhindernisses besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 265). Es genügt also, wenn die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 31- Chiemsee; GRUR 2004, 674, Tz. 56 – Postkantoor). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 29 – Chiemsee; GRUR 2006, 411, Tz. 24 – Matratzen Concord).
Da es mithin auch insoweit auf das Verständnis der inländischen Verkehrskreise ankommt (vgl. wiederum EuGH GRUR 2006, 411, Leitsatz und Tz. 17, 26 – MATRATZEN), ist entsprechend den o.g. Ausführungen nicht davon auszugehen, dass diese Verkehrskreise in relevantem Umfang den Begriff „Primero“ in Verbindung mit den vorliegend einschlägigen Waren der Klassen 8 und 19 und Dienstleistungen der Klasse 35 als eine Merkmale dieser Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibende Sachangabe, insbesondere als Qualitätsangabe z.B. im Sinne von „erste Wahl“ auffassen werden.
4.
Da die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG im vorliegenden Fall nicht gegeben sind, kommt es nicht darauf an, ob die angegriffene Marke gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG Verkehrsdurchsetzung erlangt hat.
5.
Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG steht der Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke nicht entgegen.
Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG setzt voraus, dass die betreffende Marke aus sich heraus zur Täuschung in Bezug auf die jeweiligen Waren und Dienstleistungen, z.B. deren Art, Beschaffenheit und Zusammensetzung bzw. Wirkung oder geographische Herkunft geeignet ist, wobei es wiederum auf das Verständnis der inländischen Verkehrskreise ankommt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 579 und 583). Entsprechend den o.g. Ausführungen kann aber ein entsprechendes Verkehrsverständnis nicht festgestellt werden, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der inländische Verkehr den Begriff „Primero“ als eine Sachangabe in Bezug auf die hier einschlägigen Waren und Dienstleistungen auffassen wird. Im Übrigen ist anzumerken, dass selbst dann, wenn der Verkehr das Markenwort „Primero“ zutreffend mit den Begriffen „der Erste“ bzw. „(aller-)erste/r/s, erstgenannt, erstmalig, (zu-, aller-)erst, erstens, lieber, vorerst, vorher“ übersetzen sollte, eine Täuschungsgefahr des Publikums i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu verneinen ist. Denn der Begriff „Primero“ wird dann in Verbindung mit den hier einschlägigen Waren und Dienstleistungen als Anpreisung einer hohen Qualität dieser Waren und Dienstleistungen (z.B. „erste Wahl“ bei den beanspruchten Baumaterialien) aufgefasst werden, ohne dass der Verkehr hierin ein Alleinstellungsmerkmal der Markeninhaberin erkennen wird (vgl. auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 615).
6.
Der Eintragung der angegriffenen Marke steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG entgegen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Markenanmeldung bösgläubig erfolgt ist, sind alle erheblichen Faktoren des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 2009, 763, Tz. 37 – Lindt./.Hauswirth). Dabei sind nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere zu berücksichtigen: Das Kennen oder Kennenmüssen, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnliche Ware verwendet; die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern; der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen (vgl. EuGH, a.a.O.). Auch nach der Rechtsprechung des BGH müssen besondere Umstände vorliegen, welche das Handeln des Anmelders als rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erscheinen lassen. Derartige Umstände können darin liegen, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen anmeldet (BGH GRUR 2009, 780, Tz. 13 m.w.N. – Ivadal).
Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Markeninhaber die angegriffene Marke ohne eigene Benutzungsabsicht zu sachfremden Zwecken einsetzen wollte.
7.
Soweit sich die Antragstellerin auf Entscheidungen des HABM beruft, in denen die Schutzfähigkeit des Markenwortes „Primero“ verneint wurde, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zum einen haben Zurückweisungen von Markenanmeldungen ebenso wie Voreintragungen keine präjudizielle Wirkung, da die Entscheidung zur Schutzfähigkeit einer Marke keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung ist, die allein auf der Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 - Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229, Tz. 47 - 51 - BioID; GRUR 2004, 674, Tz. 42 - 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Tz. 63 – Henkel und BGH GRUR 2008, 1093, Tz. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I; BPatG GRUR 2007, 333 - Papaya mit ausführlicher Begründung und mit zahlreichen Literatur- und Rechtsprechungsnachweisen). Zum anderen handelt es sich bei den von der Antragstellerin genannten Bezugsfällen um Gemeinschaftsmarkenanmeldungen, bei denen die Schutzfähigkeit in Bezug auf die gesamte Europäische Union zu beurteilen ist und es insbesondere auch nicht allein auf die Auffassung der inländischen Verkehrskreise in Deutschland ankommt.
8.
Eine Auferlegung von Kosten war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).