Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.05.2012


BPatG 16.05.2012 - 28 W (pat) 516/12

Markenbeschwerdeverfahren - "PROKON OIL (Wort-Bild-Marke)/BP ProCool" – rechtzeitig überwiesene Widerspruchsgebühr wurde vom DPMA versehentlich zu einer anderen Akte verbucht – die Rechtsfolge im Amtsbescheid (der Widerspruch gilt als nicht erhoben) konnte nicht kraft Gesetzes eintreten – zur Statthaftigkeit der Beschwerde – zur Beschwerdefrist – Zurückverweisung an das DPMA zur Entscheidung - Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
16.05.2012
Aktenzeichen:
28 W (pat) 516/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 13 924.7

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Mai 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

1. Die Entscheidung der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Dezember 2007 wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 2. März 2007 angemeldet und am 11. Juli 2007 unter der Nummer 307 13 924.7 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 4 und 29 eingetragen worden. Die Eintragung wurde am 10. August 2007 veröffentlicht.

3

Gegen diese Marke hat die Inhaberin der älteren Wortmarke 398 31 854.9

4

BP ProCool

5

mit am 15. Oktober 2007 per Fax eingegangenem Schreiben Widerspruch erhoben, und zwar gestützt auf die in den Klassen 1 und 4 eingetragenen Widerspruchswaren und gerichtet gegen die für die jüngere Marke in Klasse 4 geschützten Waren.

6

Die Markenstelle für Klasse 4 des DPMA hat mit Bescheid vom 6. Dezember 2007 festgestellt, dass die für den Widerspruch aus der Marke 398 31 854.9 vom 15. Oktober 2007 zu zahlende Gebühr in Höhe von 120,00 Euro nicht gezahlt worden sei und der Widerspruch deshalb nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht erhoben gelte. Ein Zustellnachweis für dieses Schreiben liegt nicht vor.

7

Die Widersprechende hat mit Schreiben vom 29. Dezember 2011 - verbunden mit einer Sachstandsanfrage - Unterlagen zum Nachweis für die Überweisung der Widerspruchsgebühr vorgelegt. Das DPMA übersandte der Widersprechenden daraufhin eine Ausfertigung des Bescheids vom 6. Dezember 2007 unter Hinweis darauf, dass das Widerspruchsverfahren beendet sei.

8

Hiergegen richtet sich die am 27. Januar 2012 per Fax eingegangene Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie sinngemäß beantragt,

9

die Entscheidung der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Dezember 2007 aufzuheben und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, hilfsweise die Rückzahlung der Widerspruchsgebühr anzuordnen.

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Des Weiteren regt sie für den Fall der Erfolglosigkeit der Beschwerde die Zulassung der Rechtsbeschwerde an. Sie ist der Ansicht, dass das amtliche Schreiben vom 6. Dezember 2007 eine abschließende Feststellung über den Eintritt bzw. Nichteintritt bestimmter Rechtsfolgen enthalte und damit anfechtbar sei. Der Bescheid sei bei ihr, der Widersprechenden, nicht eingegangen. Die Widerspruchsgebühr sei ausweislich der vorgelegten Unterlagen fristgemäß am 18. Oktober 2007 überwiesen worden, so dass die in § 6 Abs. 2 PatKostG genannte Rechtsfolge nicht habe eintreten können.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

13

1. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde ist es, dass es sich bei dem Bescheid des DPMA vom 6. Dezember 2007 um eine mit der Beschwerde angreifbare Entscheidung i. S. d. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG handelt und die Widersprechende durch diese Entscheidung als Verfahrensbeteiligte beschwert ist (§ 66 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

14

Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG findet die Beschwerde gegen Beschlüsse der Markenstelle und der Markenabteilung statt, soweit gegen sie nicht die Erinnerung gegeben ist. Beschlüsse im Sinne dieser Vorschrift sind alle abschließenden Entscheidungen der Markenstellen und -abteilungen, die Rechte von Verfahrensbeteiligten berühren können, mithin Außenwirkung haben. Hierbei ist der Begriff "Beschluss" nicht nur formell, sondern materiell zu verstehen. Somit kommt es nur darauf an, ob durch die Äußerung des DPMA eine Entscheidung im Sinn einer abschließenden Regelung getroffen wurde; nicht erforderlich ist, dass die Entscheidung die Bezeichnung "Beschluss" enthält. Bloße Hinweise ohne verfahrensbeendenden Charakter sind dagegen nicht beschwerdefähig. Anfechtbar können nur abschließende Feststellungen über den Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Rechtsfolgen (z. B. wegen fehlender Gebührenzahlung) sein. Maßgeblich ist hierbei, ob die Rechtsfolge unmittelbar von Gesetzes wegen und ohne weiteres Zutun des DPMA eintritt - was keine Beschwerde gegen die entsprechende Mitteilung eröffnet - oder ob hierfür eine zusätzliche zielgerichtete behördliche Handlung erforderlich ist, die dann mit der Beschwerde anfechtbar ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 66 Rn. 7 m. w. N.; BPatG 27 W (pat) 516/11 - BILD-OSGAR, in juris).

15

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Amtsbescheid vom 6. Dezember 2007 um eine beschwerdefähige Entscheidung i. S. d. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. Denn die darin enthaltene Mitteilung ist eine "Entscheidung" im Sinn einer abschließenden Regelung. Die vom Senat veranlasste Nachprüfung beim DPMA hat ergeben, dass die Widerspruchsgebühr in Höhe von 120,00 Euro zum hiesigen Zeichen 307 13 924.7 von der Widersprechenden am 19. Oktober 2007, mithin rechtzeitig innerhalb der Widerspruchsfrist (§ 42 Abs. 1 MarkenG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG), auf das Konto der für das DPMA zuständigen Bundeskasse Weiden überwiesen wurde. Das DPMA hatte den Betrag damals versehentlich zu einer anderen Akte verbucht, so dass der Zahlungseingang im Amtsverfahren zunächst nicht festgestellt worden war. Die in dem Bescheid vom 6. Dezember 2007 genannte Rechtsfolge, dass der Widerspruch nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht erhoben gilt, konnte hier also nicht kraft Gesetzes eintreten.

16

Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem Amtsbescheid vom 6. Dezember 2007 um eine abschließende, die Rechte der Widersprechenden berührende  Regelung der Markenstelle, gegen die die Beschwerde statthaft ist.

17

Da ein Nachweis über die Zustellung des angefochtenen Bescheids nicht vorliegt, wurde die Beschwerdefrist des § 66 Abs. 2 MarkenG nicht in Lauf gesetzt, so dass die am 27. Januar 2012 eingegangene Beschwerde der Widersprechenden rechtzeitig erhoben wurde.

18

2. Die Beschwerde ist auch begründet, da die Widerspruchsgebühr entgegen den Feststellungen der Markenstelle im angefochtenen Bescheid rechtzeitig überwiesen wurde (s. o.), so dass das Widerspruchsverfahren noch nicht beendet ist.

19

3. Da das DPMA noch nicht in der Sache selbst entschieden hat, war das Verfahren gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das DPMA zurückzuverweisen.

20

4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Dies entspricht der Billigkeit, weil diese Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung seitens des DPMA vermieden worden wäre.