Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.05.2014


BPatG 07.05.2014 - 28 W (pat) 23/13

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - „dreidimensionale Marke (Okkluder)“ – zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderliche Form


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
07.05.2014
Aktenzeichen:
28 W (pat) 23/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Okkluder

Ein Okkluder (medizinisches Implantat), dessen wesentliche Merkmale sich in einer kreisrunden Form und einem rosettenförmigen Geflecht erschöpfen, besteht als dreidimensionale Marke ausschließlich aus einer Form, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist im Sinn des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 021 482

(Löschungsverfahren S 223/11)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2014 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn sowie die Richterin kraft Auftrags Kriener

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 14. April 2011 angemeldete dreidimensionale Marke

Abbildung

2

wurde am 1. Juni 2011 unter der Nummer 30 2011 021 482 für die Waren der

3

Klasse 10: Ärztliche Apparate und Instrumente, nämlich Okkluder und Stöpsel

4

in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen.

5

Mit am 22. Juli 2011 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin die Löschung der vorgenannten Marke gemäß §§ 54, 50 i. V. m. § 8 MarkenG beantragt und zur Begründung angeführt, die Marke sei entgegen der §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 8 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 10 MarkenG eingetragen worden. Die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin hat dem ihr am 20. August 2011 zugestellten Löschungsantrag mit am 17. Oktober 2011 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz widersprochen und die Auffassung vertreten, die geltend gemachten Löschungsgründe seien nicht gegeben.

6

Im Löschungsverfahren hat das DPMA unter analoger Anwendung des § 29 Abs. 1 PatG eine technische Prüfstelle beteiligt und um Erstellung eines Gutachtens zur Frage der technischen Bedingtheit der wesentlichen Merkmale der Ausgestaltung (Rosetten- und Scheibenform des Okkluders) der verfahrensgegenständlichen Marke gebeten (Bl. 136 ff. und 157 der Amtsakte).

7

Mit Beschluss vom 7. März 2013 hat das DPMA, Markenabteilung 3.4, die dreidimensionale Marke antragsgemäß gelöscht. Der Löschungsantrag sei begründet, weil sowohl im Zeitpunkt der Eintragung, als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfüllt sei. Der Gesamteindruck der Marke werde durch die Scheiben- und Rosettenform bestimmt und diese Merkmale seien, wie sich nach Auswertung der Stellungnahme der mit der Prüfung derartiger medizinischer Instrumente zuständigen Patentabteilung 1.43 sowie der in das Verfahren eingeführten Patent- und Gebrauchsmusterschriften ergebe, zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich. Die Rosettenform erfülle eine doppelte Funktion. Da der Katheterschlauch, durch den der Okkluder in den Patienten eingeführt werde, einen runden Querschnitt zeige, sei die Wahl eines rotationssymmetrischen Okkludergeflechts naheliegend. Denn ein symmetrisch gestalteter Okkluder könne im ebenfalls kreisrund ausgestalteten Katheterschlauch zum einen problemlos eingeführt werden. Zum anderen bilde der Okkluder expandiert ein Geflecht, das optimal von natürlichem Gewebe umwachsen werden könne. Durch die Wahl des Flechtverfahrens zur Herstellung des Okkluders ergebe sich zwangsläufig die symmetrische Rosettenform. Diese Form sei auch nicht deswegen gewählt worden, weil Patienten die Vorstellung hätten, sie schmiege sich besser an die Herzscheidewand an. Ästhetische Aspekte spielten bei medizinischen Implantaten, etwa auch ein durch die runde Form erreichtes gefälligeres Aussehen des Implantats, keine Rolle. Ebenso erfülle die Scheibenform eine technische Funktion. Auch unregelmäßige Defekte ließen sich damit mit so wenig Fläche wie möglich, aber so viel Implantat wie nötig, effizient abdecken. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es auf dem Markt anders geformte Okkluder gebe. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei ein Ausschluss des Schutzes einer Warenform, deren wesentliche Merkmale eine technische Funktion erfüllten, unabhängig davon, ob sich die gleiche technische Wirkung auch unter Verwendung anderer Formen erreichen ließe.

8

Das DPMA hat keine Kosten auferlegt. Eine Bösgläubigkeit der Markenanmelderin scheide aus, da weder das Bestreben, einen umfassenden Schutz durch gewerbliche Schutzrechte zu begehren, verwerflich sei, noch lasse das zeitliche Zusammentreffen mit einem ungünstigen Urteil den Schluss auf eine bösgläubige Anmeldung zu.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin und Löschungsantragsgegnerin, mit der sie ausführt, das Eintragungshindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liege nicht vor; denn bei der verwendeten Scheiben- oder Rosettenform des in Rede stehenden Okkluders handle es sich um rein gestalterische Merkmale und der ästhetische Überschuss bestehe dabei in dem durchgängigen Rosettenmuster bis zum dargestellten Punkt. Entsprechend den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Okkludern gebe es ganz unterschiedliche Formen, die in einen passenden Katheter eingeführt werden könnten. Bei Anwendung eines Laserschneid- oder Flechtverfahrens zur Herstellung von Okkludern ließen sich Metallgewebe mit unterschiedlichen Mustern herstellen, es entstünde also nicht zwangsläufig die regelmäßige Rosettenform, vielmehr sei eine beliebige Anzahl von Gestaltungen vorstellbar. Die in Rede stehende Marke monopolisiere keine technische Lösung, Mittbewerbern sei es weiterhin möglich, Okkluder aus Metallgeflecht herzustellen, die kein regelmäßiges Rosettenmuster aufwiesen. Dies zeigten auch die von der Löschungsantragstellerin hergestellten Okkluder „Figülla Flex II", die keine symmetrische Rosettenform aufwiesen. Auch der Patentschutz für die in Rede stehende Marke indiziere kein Eintragungshindernis. Zwar werde das Rosettenmuster in einigen Patentschriften in Ausführungsbeispielen genannt, diese hätten jedoch nur einen illustrierenden Charakter und beinhalteten nicht ausschließlich eine Verkörperung der patentrechtlich geschützten Erfindung. Bei der Auswahl des Rosettenmusters handle es sich um eine rein gestalterische Entscheidung, denn anhand dieser äußeren Merkmale des Okkluders erkenne der Chirurg im Vorfeld der Operation, ob es sich um das richtige Modell des einzusetzenden Implantats handle.

10

Die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin beantragt,

11

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenabteilung 3.4, vom 7. März 2013 aufzuheben.

12

Ferner regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu folgender Rechtsfrage an:

13

„Der BGH möge entscheiden, ob § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch auf Formgestaltungen anzuwenden ist, bei denen durch die konkrete Gestaltung eines funktionalen technischen Merkmals eine ästhetische Gestaltung erhebliches Gewicht gewinnt. Derartige Formgestaltungen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre konkrete Gestaltung zur Erreichung der technischen Wirkung fast beliebig variierbar ist und die konkrete Gestaltung im Wesentlichen auf einer ästhetischen Präferenz beruht.“

14

Die Löschungsantragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,

15

die Beschwerde zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist auf die rechtskräftige Zurückweisung der parallelen Markenanmeldung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt durch die am 17. Oktober 2013 ergangene Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer. Sie weist weiter auf die zahlreichen seit Sommer 2007 von Seiten der Markeninhaberin gegen die Löschungsantragstellerin initiierten Patentverletzungs- und einstweiligen Rechtsschutzverfahren, den Antrag auf Fremdinsolvenz gegen die Antragstellerin und die Erhebung einer Strafanzeige gegen ihren Geschäftsführer sowie die zwischen den Parteien schwebenden Schadensersatzverfahren hin. Der angegriffenen Marke habe im Eintragungszeitpunkt und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegengestanden. Bei den Transplantaten sei zu unterscheiden zwischen einem Gewebe und einem Geflecht. Für die von der Beschwerdeführerin und einer Mehrzahl von Wettbewerbern vertriebenen Okkluder sei das Ausgangsmaterial ein Flechtschlauch, der in eine Form eingelegt werde und nach der Bearbeitung in dieser Form entstehe ein Okkluder oder Stöpsel, der zwangsläufig das in Rede stehende Rosettenmuster aufweise. Angesichts der Tatsache, dass sowohl die Rosettenform als auch die Scheibenform ausschließlich aus technischen Gegebenheiten resultierten, weil die konkrete Ausgestaltung allein dem zugrundeliegenden Ausgangsmaterial, dem Flechtschlauch, geschuldet sei, fehlten der in Rede stehenden Marke darüber hinausgehende Gestaltungsmerkmale oder eine individualisierende Formgebung.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt nebst den in das Verfahren einbezogenen Patent- und Gebrauchsmusterschriften Bezug genommen.

II.

18

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

19

Die Markenabteilung hat zu Recht die Löschung der angegriffenen dreidimensionalen Marke für die Waren „Ärztliche Apparate und Instrumente, nämlich Okkluder und Stöpsel“ angeordnet, da der Eintragung das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstand und noch entgegensteht.

20

1. Nach §§ 54, 50 Abs. 1 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Im Falle eines Eintragungshindernisses nach §§ 3, 7 oder 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG muss dieses noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde fortbestehen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

21

a. Bei der verfahrensgegenständlichen Marke handelt es sich um ein dreidimensionales Zeichen, das sich auf die Form der Ware, nämlich die eines expandierten rosettenförmigen Okkluders bzw. Stöpsels bezieht. Anhaltspunkte, die es rechtfertigten, die abstrakte Unterscheidungseignung der Formmarke nach § 3 Abs. 1 MarkenG zu verneinen, sind nicht ersichtlich. Durch die Vorlage von zwei Abbildungen, die das Zeichen zweidimensional in zwei verschiedenen Ansichten aus der Perspektive von oben und von der Seite wiedergeben, wird der beanspruchte Schutzgegenstand in seinen wesentlichen Merkmalen, insbesondere seiner Dreidimensionalität, hinreichend deutlich dargestellt (vgl. hierzu auch EuGH GRUR Int. 2010, 985 – Lego; BGH GRUR 2013, 929 Rdnr. 23 – Schokoladenstäbchen II; GRUR 2010, 138 Rdnr. 21 – ROCHER-Kugel; GRUR 2004, 505 – Rado-Uhr II).

22

b. Der Eintragung stand sowohl zum Eintragungszeitpunkt als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde aber das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, dem Schutz als Marke nicht zugänglich. Es handelt sich bei dieser Vorschrift, die Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL umsetzt, nicht um eine Frage der Markenfähigkeit, sondern um ein absolutes Schutzhindernis, bei dem die Schutzfähigkeit des Zeichens als Marke für die im Warenverzeichnis genannten Waren zur Beurteilung steht (BGH GRUR 2008, 510 Rdnr. 16 – Milchschnitte; GRUR 2006, 589 Rdnr. 15 - Rasierer mit drei Scherköpfen; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 3 Rdnr. 75, 96). Zweck dieses Ausschlussgrundes ist es zu verhindern, dass einem Unternehmen durch das Markenrecht letztlich ein Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware eingeräumt wird (EuGH a. a. O. Rdnr. 43 - Lego; GRUR 2002, 804 Rdnr. 78 - Philips; GRUR 2003, 514 - Linde, Winward u. Rado). Technische Lösungen stehen entweder unter dem - zeitlich begrenzten - Sonderschutz des Patent- oder Gebrauchsmusterrechts oder sie sind gemeinfrei. Durch das in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG normierte Verbot wird sichergestellt, dass Unternehmen nicht das Markenrecht in Anspruch nehmen können, um ausschließliche Rechte für technische Lösungen ohne zeitliche Begrenzung auf Dauer festzuschreiben (EuGH a. a. O Rdnr. 45 - Lego). Mit den Wörtern „ausschließlich“ und „erforderlich“ stellt diese Bestimmung sicher, dass allein diejenigen Warenformen von der Eintragung ausgeschlossen sind, durch die nur eine technische Lösung verkörpert wird und deren Eintragung als Marke deshalb die Verwendung dieser technischen Lösung durch andere Unternehmen tatsächlich behindern würde (EuGH a. a. O. Rdnr. 48 - Lego).

23

Der EuGH hat den Ausschlussgrund des Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL schon dann für gegeben erachtet, wenn die angemeldete Form in ihren wesentlichen Merkmalen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die für das Erreichen der fraglichen technischen Wirkung technisch kausal und hinreichend ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 51, 52 - Lego; a. a. O. Rdnr. 79, 80 - Philips; ebenso BGH GRUR 2004, 507, 509 - Transformatorengehäuse; GRUR 2004, 502, 504 - Gabelstapler II), und zwar selbst dann, wenn diese Wirkung auch durch andere Formen erreicht werden kann, die die gleiche oder eine andere technische Lösung nutzen (EuGH a. a. O. Rdnr. 53 ff. - Lego; a. a. O. Rdnr. 81 ff. - Philips; vgl. auch BGH a. a. O. Rdnr. 18 - Rasierer mit drei Scherköpfen). Das Vorhandensein eines oder mehrerer geringfügiger willkürlicher Elemente in einem dreidimensionalen Zeichen, bei dem alle wesentlichen Merkmale durch die technische Lösung bestimmt werden, der dieses Zeichen Ausdruck verleiht, ändert nichts daran, dass das Zeichen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Die Eintragung eines solchen Zeichens als Marke kann nach dieser Bestimmung allerdings dann nicht abgelehnt werden, wenn in der Form der betreffenden Ware ein wichtiges, signifikantes nichtfunktionales Element, wie ein dekoratives oder phantasievolles Element, verkörpert wird, das für diese Form von Bedeutung ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 52 - Lego). Bei der Frage, was wesentlich ist und was nicht, ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Form als solche, so wie sie beansprucht ist, vermittelt (EuGH a. a. O. Rdnr. 70 - Lego; Ströbele/Hacker a. a. O. § 3 Rdnr. 109). Für die Ermittlung, welche Merkmale wesentlich sind, kommt es auf die Verkehrsauffassung an (vgl. hierzu auch BPatG GRUR 2011, 68, 71 – Goldhase in neutraler Aufmachung). Je nach Fallgestaltung kann diese Ermittlung anhand einer bloßen visuellen Prüfung des Zeichens oder aber auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung erfolgen, in deren Rahmen für die Beurteilung nützliche Elemente, wie Meinungsumfragen und Gutachten oder Angaben zu Rechten des geistigen Eigentums, die im Zusammenhang mit der betreffenden Ware früher verliehen wurden, einfließen (EuGH a. a. O. Rdnr. 71 - Lego). Die zweite Frage, ob den ermittelten wesentlichen Merkmalen eine technische Funktion zukommt, ist objektiv, also unabhängig von der Verkehrsauffassung vorzunehmen (EuG MarkenR 2009, 75 Rdnr. 70 - Roter Lego-Stein; Ströbele/Hacker, a. a. O. § 3 Rdnr. 111). Die technische Funktionalität der Merkmale einer Form kann insbesondere unter Berücksichtigung der Unterlagen über etwa vorbestehende Schutzrechte, die die funktionellen Elemente der betreffenden Form beschreiben, beurteilt werden (EuGH a. a. O. Rdnr. 85 - Lego; Ströbele/Hacker a. a. O. § 3 Rdnr. 111).

24

aa.  Wesentliche Merkmale der dreidimensionalen Marke sind nach deren äußeren Gesamteindruck - im Wesentlichen auch unstreitig - und ausgehend von den eingereichten zwei Abbildungen

25

- das mittig mit schwarzem Punkt zentrierte rosettenförmige Geflecht und die

26

- einer Scheibe ähnliche kreisrunde Form der Marke.

27

Bei den angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich vornehmlich um (auch im Bereich der Pädiatrie tätige) Kardiologen, Herzchirurgen und Gefäßchirurgen, die Herzoperationen vorbereiten und/oder vornehmen, sowie die für den Einkauf von solchen Implantaten zuständigen Einkäufer an Kliniken. Denn die in Rede stehenden Waren sind medizinische Implantate, die zum Verschluss von Öffnungen beispielsweise bei Blutgefäßen oder Shuntverbindungen, insbesondere im Bereich der Herzscheidewand (auch bei angeborenen Herzfehlern von Säuglingen) o. ä., eingesetzt werden und die über einen Katheter interventionell positioniert sowie aktiviert werden können. Die Okkluder/Stöpsel werden im nicht expandierten Zustand bei einem minimalinvasiven Eingriff mit Hilfe eines Katheters in den Körper des Patienten eingeführt (vgl. u. a. hierzu die Ausführungen in der Offenlegungsschrift DE 10 2006 013 770 A1 [0001], [0006] (Anlage AS 15 der Amtsakte), der Gebrauchsmusterschrift DE 298 25 257 U 1, [0082] – [0085] (Anlage AS 20 der Amtsakte). Sind sie an die Stelle des Defekts geführt, entfaltet sich der „Schirm“ des Okkluders/Stöpsels und das Implantat wird nach einigen Monaten von körpereigenen Zellen umwachsen und der Defekt so dauerhaft verschlossen (vgl. u. a. Offenlegungsschrift DE 10 2006 013 770 A1, a. a. O. [0079]).

28

bb.  Die beiden als wesentlich erachteten oben genannten Merkmale dienen nach Ansicht des Senats der Erreichung einer technischen Funktion, ohne dass ein signifikantes nichtfunktionales Element enthalten wäre.

29

Der kreisrunde Querschnitt der Marke erfüllt mehrere technische Funktionen, nämlich einerseits die optimale Ausnutzung des (runden) Querschnitts eines Katheters und die Möglichkeit, einen kleinen Einführungskatheter zu verwenden, andererseits die Steigerung der Bioverträglichkeit, weil Perforationen und Ermüdungsbrüche durch das Fehlen von Ecken verhindert werden, und die bestmögliche Überlappung des Defekts. Dies geht aus den zahlreichen in das Verfahren eingeführten Patent- und Gebrauchsmusterschriften - zum Teil auch solche der Markeninhaberin und Antragsgegnerin - hervor.

30

Demnach ist im noch nicht entfalteten Zustand des Stöpsels bzw. Okkluders eine Form erforderlich, die eine einfache Passage durch den Katheter erlaubt. Dabei ist grundsätzlich zwar jede Form möglich, die eine solche einfache Passage erlaubt. Katheter weisen, wie die Gefäße selbst, aber einen runden Querschnitt auf. Entsprechend ermöglicht die kreisrunde Form des Implantats es, dank einer dem jeweiligen Katheterdurchmesser angepassten Größe, durch den Katheter geführt zu werden, ohne dass die Gefahr einer Verkantung besteht, wie dies beispielsweise bei einem eckigen Implantat der Fall wäre. Die kreisrunde Form bietet zudem den Vorteil, dass sie auch bei Kindern eingesetzt werden kann, weil dort ein Katheter mit geringerem Durchmesser zum Einsatz kommen muss. Ein kreisrundes Implantat nutzt den verringerten Durchmesser des kreisrunden Katheterschlauchs optimal aus, im Gegensatz zu etwa eckig gestalteten Implantaten (vgl. auch Offenlegungsschrift DE 10 2006 013 770 A 1 a. a. O. [0006] [0009]; Patentschrift EP 1 576 929 B1 [0006]; [0007]; [0008]; Patentanmeldung EP 2 263 569 A 1 Fig. 2 und 3 – jeweils Anlagen zum Schriftsatz der Beschwerdegegnerin und Antragstellerin vom 30. April 2014). Durch die kreisrunde Konstruktion wird zudem ein geringerer Kontaktbereich für das Anbringen des Implantats benötigt. Wie die Markenabteilung bereits ausgeführt hat, dient die kreisrunde Konstruktion also dem technischen Zweck, die Überlappung am Defekt so groß wie nötig aber auch so gering als möglich auszugestalten. Auch fehlen scharfkantige Ecken, die bei einem Ermüdungsbruch des Implantats zu einer Perforation führen könnten; somit ist aufgrund der technischen Konstruktion auch die Sicherheit für den Patienten gesteigert. In der Offenlegungsschrift DE 103 02 447 A 1 wird beispielsweise ausgeführt (Anlage AS 13 der Amtsakte):

31

[0019] Bevorzugt sind der proximale und der distale Abschnitt scheibenförmig mit einem dazwischen angeordneten Zwischenabschnitt ausgebildet, wobei der Zwischenabschnitt einen gegenüber dem proximalen und/oder distalen Abschnitt reduzierten Durchmesser aufweist. Durch diese Formgebung ist ein besonders guter Halt in einer Öffnung innerhalb einer Wandung im menschlichen oder tierischen Körper möglich, da sich der proximale und/oder der distale scheibenförmige Abschnitt auf beiden Seiten der Wandung sehr gut anlagern können. (...)

32

Aufgrund der kreisrunden (und zudem einseitig verjüngten) Ausgestaltung kann sich das Implantat besonders gut auf den Defekt legen und so tief wie möglich „hineinrücken“.

33

Dabei kommt es - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - gerade nicht darauf an, ob sich diese Funktionen auch mit einer anderen Ausgestaltung erreichen lassen (EuGH a. a. O. Rdnr. 53 ff. - Lego; a. a. O. Rdnr. 81 ff. - Philips; vgl. auch BGH a. a. O. Rdnr. 18 - Rasierer mit drei Scherköpfen). Deswegen geht auch der Einwand fehl, dass auch ein quadratisches Implantat einen Defekt verschließen könne.

34

Auch die als „rosettenförmig" bezeichnete Ausgestaltung der in Rede stehenden Marke erfüllt nach der Überzeugung des Senats eine technische Wirkung.

35

Als präferiertes Ausgangsmaterial für eine kollabierende medizinische Vorrichtung zum Verschließen von Gefäßen erweist sich ein aus geflochtenen Metalllitzen gebildetes Metallgewebe, das zwangsläufig bei der Ausdehnung, abhängig von der Dichte der angebrachten Drähte eine mehr oder weniger ausgeprägte Rosettenform ergibt (vgl. auch die Patentschrift DE 695 34 505 T2 - Anlage AS 1 der Amtsakte, Übersetzung der europäischen Patentschrift 0 808 138 B1 [0008], [0022]). Diese Rosettenform wird in zahlreichen anderen Patentschriften aufgeführt und auch bei den auf dem Markt befindlichen Okkludern von Wettbewerbern verwendet (vgl. hierzu auch die Zeichnungen Fig. 5 B der o. g. Patentschrift; Offenlegungsschrift DE 103 02 447 A1 – Zeichnung - Anlage AS 13 der Amtsakte; DE 103 38 702 B3 Zeichnungen Fig. 1(a), 1(b), Fig. 4 (b) – Anlage AS 14 der Amtsakte; DE 10 2006 013 770 A 1 Fig. 2, a. a. O.; Europäische Patentschrift 1 576 929 B1, Fig. 2 - 7 – Anlage zum Schriftsatz des Beschwerdegegners vom 30. April 2014; Europäische Patentschrift 2 228 020 B1 Fig. 2 – Anlage zum Schriftsatz des Beschwerdegegners vom 30. April 2014; Abbildungen verschiedener Stöpsel/Okkluder Anlagen AS 23 bis 26 der Amtsakte). Die Verschlusseigenschaften des Implantats werden durch die Verwendung eines Rosettenmusters optimiert, es dient durch die Vielzahl der Drähte als optimale „Rankhilfe“ für das umwachsende Gewebe, die körpereigenen Endothelzellen finden eine Grundlage, auf der sie wachsen und die Öffnung gut verschließen können.

36

Anders als die Beschwerdeführerin meint, ist in der Verwendung der Rosettenform kein gestalterischer Überschuss zu erkennen. Zunächst liegt es eher fern, dass das Muster nur den Zweck erfüllt, auf den Patienten beruhigend zu wirken, im Gegensatz zu einem unregelmäßigeren Muster. Nach der Lebenserfahrung ist nicht davon auszugehen, dass Patienten sich das einzusetzende lebensrettende Implantat vorab zeigen lassen und nach der Ästhetik desselben eine Auswahl treffen. Bei Operationen, in denen Okkluder/Stöpsel zum Verschließen von beispielsweise Löchern in der Herzscheidewand zum Einsatz kommen, stehen angesichts des Risikos der Operation in erster Linie Faktoren der Funktionalität, der Langlebigkeit, der Risikovermeidung oder der Komplikationsanfälligkeit bei der Auswahl des Implantats im Vordergrund, nicht aber ein möglicherweise gefälliges Aussehen eines im Körper befindlichen Implantats. Das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach der Arzt das von ihr hergestellte Implantat im Operationssaal nur anhand der charakteristischen rosettenförmigen Oberfläche identifiziere, vermag ebenso wenig zu überzeugen. Dem widerspricht zum einen bereits die Tatsache, dass auf dem relevanten Markt bereits rosettenförmige Implantate verschiedener Hersteller zu finden sind, zum anderen vermag dies nichts daran zu ändern, dass der Rosettenform ausschließlich eine technisch bedingte Wirkung zukommt. Insofern kann die Identifizierung - soweit die Entscheidung für ein bestimmtes Modell nicht ohnehin bereits vor Beginn der OP gefallen ist - keineswegs anhand des Rosettenmusters erfolgen, da die Implantate in diesem Merkmal im Vergleich zu Konkurrenzprodukten nicht markant abweichen. Hinzu kommt, dass der Okkluder/Stöpsel aufgrund der Funktionsweise im kollabierten Zustand eingeführt wird, also im zusammengefalteten Zustand dem Chirurgen zu Beginn der Operation vorliegen dürfte. Erst wenn das Implantat an den Defekt im Körper angebracht wird, wird es aus dem Katheter geschoben und expandiert, so dass sich erst im Körper sein vermeintlich charakteristisches Geflecht entfaltet.

37

Aus Sicht des Senats ist angesichts dessen ein über die technische Wirkung hinausgehender gestalterischer, ästhetischer Überschuss der wesentlichen Merkmale des hier in Rede stehenden dreidimensionalen Zeichens, anders als die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin meint, nicht erkennbar.

38

Da bereits das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob der Marke auch jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt oder sonstige von der Antragstellerin geltend gemachte Schutzhindernisse vorliegen.

39

2. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG bestand kein Anlass. Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs über einen Einzelfall entschieden (EuGH a. a. O. Rdnr. 51, 52 - Lego; a. a. O. Rdnr. 79, 80 - Philips; ebenso BGH GRUR 2004, 507, 509 - Transformatorengehäuse; GRUR 2004, 502, 504 – Gabelstapler II). Über die Bewertung der konkreten tatsächlichen Umstände hinaus wirft der zu entscheidende Fall aus Sicht des Senats keine besonderen, noch nicht geklärten Rechtsfragen zur Frage der Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bei Formgestaltungen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind, auf.

40

Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch auf Formgestaltungen anzuwenden ist, bei denen durch die konkrete Gestaltung eines funktionalen technischen Merkmals eine ästhetische Gestaltung erhebliches Gewicht gewinnt, ist im Übrigen vorliegend nicht einschlägig. Denn der gegenständliche Okkluder bzw. Stöpsel besteht in allen seinen wesentlichen Merkmalen ausschließlich aus der Form der Ware, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Es konnte, wie oben unter Ziffer 1.b.bb. ausgeführt, nicht festgestellt werden, dass eine ästhetische Gestaltung hier erhebliches Gewicht gewinnt, also wesentlich ist. Die konkrete Gestaltung der wesentlichen Merkmale dieses Implantats, nämlich die kreisrunde Form und das rosettenförmige Geflecht, ist aus den oben genannten Gründen zur Erreichung der technischen Wirkung auch nicht beliebig variierbar bzw. im Wesentlichen bloß auf eine ästhetische Präferenz zurückzuführen, sondern vielmehr gerade zur Erreichung der konkreten technischen Wirkung erforderlich.

41

Ebenso erfordert weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.