Entscheidungsdatum: 11.01.2019
In der Beschwerdesache
…
betreffend die eingetragene Marke 30 2009 025 518
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2018 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Paetzold und die Richterin Werner
beschlossen:
Das Beschwerdeverfahren wird zunächst bis zum rechtskräftigen Abschluss des derzeit gegen die Widerspruchsmarke EM 2 923 852 vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfallsverfahrens (5141 C) ausgesetzt.
I.
Gegen die am 30. April 2009 angemeldete, am 20. September 2011 eingetragene und am 21. Oktober 2011 für Schuhwaren der Klasse 25 veröffentlichte Wort-/ Bildmarke 30 2009 025 518
hat die Widersprechende aus ihrer für die Waren Sportschuhe der Klasse 25 am 6. November 2002 angemeldeten, am 24. März 2004 eingetragenen und am 5. Juni 1992 (Tag der Veröffentlichung der Eintragung der Seniorität) veröffentlichten Bildmarke EM 292 38 52
am 23. Januar 2012 Widerspruch mit der Begründung erhoben, dass zwischen den Marken Verwechslungsgefahr bestehe, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 125b Nr. 1 MarkenG.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 25, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, hat den Widerspruch mit Beschluss vom 11. März 2016 zurückgewiesen, da die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht (ausreichend) glaubhaft gemacht sei.
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde vom 15. April 2016 unter Einreichung weiterer Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke.
Auf eine von der Beschwerdeführerin beim Landgericht Düsseldorf erhobene Verletzungsklage aus der Widerspruchsmarke gegen u. a. die hier angegriffene Marke hat die Beschwerdegegnerin widerklagend wegen des Verfalls und der Nichtigkeit der Klagemarke Löschungswiderklage erhoben. Dieser ist die Beschwerdeführerin entgegengetreten, worauf das Landgericht das Verfahren nach Art. 100 Abs. 7 GMV (jetzt Art. 128 Abs. 7 UMV) ausgesetzt und die Beschwerdegegnerin zur Einleitung entsprechender Verfahren vor dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM, jetzt: Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum –EUIPO) aufgefordert hat.
Daraufhin hat die Beschwerdegegnerin bereits im Januar 2011 die Löschung beim HABM (nun EUIPO) beantragt, Nichtigkeitsverfahren 5143 C und Verfallsverfahren 5141 C. Das HABM (nun EUIPO) hat das Nichtigkeitsverfahren am 21. August 2014 bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfallsverfahren ausgesetzt und die Widerspruchsmarke EM 292 38 52 mit Beschluss vom 7. August 2014 für verfallen erklärt.
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin hat die Vierte Beschwerdekammer des HABM (nun EUIPO) am 17. März 2016 die Entscheidung der Löschungsabteilung aufgehoben (R607/2015-4). Das Verfallsverfahren ist inzwischen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig, nachdem zunächst die gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer gerichtete Klage erfolglos geblieben war. Im Rechtsmittelverfahren vor dem EuGH sind den Vertretern der hiesigen Beschwerdegegnerin noch im Sommer 2018 die Schriftsätze des EUIPO und der hiesigen Beschwerdeführerin (als Streithelferin) zur Rechtsmittelbeantwortung zugestellt worden.
Die Beschwerdeführerin (Widersprechende) beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 25, vom 11. März 2016 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Wort-/Bildmarke 30 2009 025 51820 aufgrund des Widerspruchs aus der Bildmarke EM 292 38 52 anzuordnen.
Die Beschwerdegegnerin (Inhaber der angegriffenen Marke) beantragt sinngemäß,
1. das Beschwerdeverfahren auszusetzen, bis über das gegen die Widerspruchsmarke EM 2 923 852 anhängige europäische Verfallsverfahren 5141 C und, falls der Verfallsantrag rechtskräftig zurückgewiesen wird, bis über das gegen die Widerspruchsmarke EM 2 923 852 anhängige europäische Nichtigkeitsverfahren 5143 C rechtskräftig entschieden ist, und
2. die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin hält die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens für geboten, da die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO ersichtlich unzutreffend und in absehbarer Zeit im Laufe des Jahres 2019 mit einer Entscheidung des EuGH und damit einem rechtskräftigen Abschluss des Verfallsverfahrens zu rechnen sei.
Eine Löschung der Eintragung der Widerspruchsmarke sei hinreichend wahrscheinlich. Denn die Widerspruchsmarke sei seinerzeit beim HABM ausdrücklich als Bildmarke – und nicht etwa als sonstige Marke oder Positionsmarke – angemeldet worden. Von der strittigen und im Verfahren vor dem EuGH gegenständlichen Frage der Einordnung der Widerspruchsmarke als Bild- oder Positionsmarke hänge letztlich auch die Beurteilung der Benutzung bzw. der vorgelegten Benutzungsunterlagen ab.
Die Beschwerdeführerin stellt die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens in das Ermessen des Gerichts. Sie ist der Ansicht, dass die Widerspruchsmarke eine Positionsmarke sei und auch schon bei der Anmeldung ausreichend und zutreffend beschrieben worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird ergänzend auf den Akteninhalt, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2018 verwiesen.
II.
Der Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens hängt von dem Bestand der Widerspruchsmarke ab, so dass es wegen Vorgreiflichkeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegenwärtig beim Europäischen Gerichtshof gegen die Widerspruchsmarke EM 2 923 852 anhängigen europäischen Verfallsverfahrens 5141 C gemäß § 148 ZPO i. V. m. 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ausgesetzt wird.
1.
Die Anwendung des § 148 ZPO wird nicht durch die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Bundespatentgericht, insbesondere nicht durch die registerrechtliche Natur des Widerspruchsverfahrens, ausgeschlossen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 letzter Hs. MarkenG). Denn § 43 Abs. 3 MarkenG regelt die Aussetzungsmöglichkeiten nicht abschließend (vgl. Amtl. Begr., BT-Drs. 12/6581 zu § 43 Abs. 5). Eine Aussetzung kommt demnach auch dann in Betracht, wenn ein vorgreifliches Rechtsverhältnis besteht. Für vorgreifliche Rechtsverhältnisse vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist dieser Grundsatz in § 32 Abs. 2 MarkenV geregelt. Für Verfahren vor dem Bundespatentgericht gilt über die Verweisung in § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG die Regelung in § 148 ZPO (Draheim in BeckOK MarkenR, 15. Ed. 01.10.2018, MarkenG § 43 Rn. 70).
Die erforderliche „Vorgreiflichkeit“ setzt in allen Fällen voraus, dass der anderen Entscheidung ein gewisses Präjudiz in Bezug auf den anhängigen Widerspruch zukommt. Ein solcher Fall ist vor allem dann gegeben, wenn ein voraussichtlich erfolgreicher Widerspruch auf eine angemeldete, aber noch nicht eingetragene, Marke gestützt wird. Aber auch anhängige Löschungsverfahren begründen ein solches Präjudiz. Nicht nur, allerdings insbesondere in einem Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse spricht für eine Aussetzung, dass der Inhaber der angegriffenen Marke nicht auf die Eintragungsbewilligungsklage nach § 44 MarkenG zu verweisen ist, da diese nicht auf solche absoluten Schutzhindernisse bezüglich der Widerspruchsmarke gestützt werden kann (so schon BPatG, Beschluss vom 26. Oktober 1995 – 25 W (pat) 174/94, GRUR 1998, 406 – Aussetzung des Widerspruchsverfahrens).
Jedenfalls muss die Wahrscheinlichkeit der Löschung der Marke bestehen und eine Entscheidung in absehbarer Zeit zu erwarten sein (vgl. BPatG, Beschluss vom 4. Februar 1997 – 24 W (pat) 107/96, GRUR 1998, 59 (60) – Coveri; Beschluss vom 26. Oktober 1995 – 25 W (pat) 174/94, a. a. O. S. 407 – Aussetzung des Widerspruchsverfahrens; Beschluss vom 19. September 2006 – 27 W (pat) 171/05, GRUR 2007, 596 (597) – La Martina).
2.
Das von der Beschwerdegegnerin/Inhaberin der angegriffenen Marke beim HABM (nun EUIPO) eingeleiteten Verfahren zum Verfall der Widerspruchsmarke ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren vorgreiflich und eine rechtskräftige Entscheidung ist in absehbarer Zeit zu erwarten.
a)
Im Rechtsmittelverfahren vor dem EuGH sind den Vertretern der hiesigen Beschwerdegegnerin noch im Sommer 2018 die Schriftsätze des EUIPO und der hiesigen Beschwerdeführerin (als Streithelferin) zur Rechtsmittelbeantwortung zugestellt worden. Mit einer Entscheidung des EuGH und damit einem rechtskräftigen Abschluss des Verfallsverfahrens ist daher noch im Laufe des Jahres 2019 und damit in absehbarer Zeit zu rechnen.
b)
Der Entscheidung des EuGH kommt ein gewisses Präjudiz zu und die Löschung der Widerspruchsmarke erscheint nicht völlig ausgeschlossen.
aa)
Sofern die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 17. März 2016 (R607/2015-4) aufgehoben werden sollte und die Entscheidung der Löschungsabteilung bestätigt würde, wäre die Anordnung des Verfalls der Widerspruchsmarke rechtskräftig. Dies würde dazu führen, dass die mit der Eintragung der Widerspruchsmarke verbundenen Wirkungen von Anfang an als nicht eingetreten gelten (Art. 55 Abs. 2 UMV). Mangels Widerspruchsmarke wäre der Widerspruch dann nachträglich unzulässig geworden (so schon BPatG, Beschluss vom 17. Dezember 1981 – 25 W (pat) 117/80, BPatGE 24, 109-112). Infolgedessen müsste die Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluss des Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 25, vom 16. März 2016 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Wort-/Bildmarke 30 2009 025 518 aufgrund des Widerspruchs aus der (dann verfallenen) Bildmarke EM 292 38 52 anzuordnen, zurückgewiesen werden.
Falls jedoch die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 17. März 2016 (R607/2015-4) nicht aufgehoben werden und damit die Zurückweisung des Verfallsantrags gegen die Widerspruchsmarke in Rechtskraft erwachsen sollte, könnte dies der Beschwerde ggf. zum Erfolg verhelfen und damit zur Löschung der angegriffenen Wort-/Bildmarke 30 2009 025 518 aufgrund des Widerspruchs aus der Bildmarke EM 292 38 52 gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG führen, sofern u. a. neben der Gefahr der Verwechslung der Marken auch die Benutzung der dann als Positionsmarke zu behandelnden Widerspruchsmarke festgestellt würde.
Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, sieht der Senat schriftbildliche Verwechslungsgefahr zwischen den Marken – jedenfalls hinsichtlich der in dem Parallelverfahren 27 W (pat) 88/16 angegriffenen Wort-/Bildmarke DE 30 2009 025 521 . Zur Beurteilung der weiteren Frage, ob die Benutzung der Widerspruchsmarke ausreichend glaubhaft gemacht ist, kommt es zudem wesentlich darauf an, ob der EuGH die Widerspruchsmarke als Positionsmarke anerkennt oder sie als Gesamtbildmarke sieht.
bb)
Das EUIPO (bzw. damals noch HABM) hat die Widerspruchsmarke EM 292 38 52 mit Beschluss vom 7. August 2014 für verfallen erklärt. Auch wenn die dagegen gerichtete Beschwerde mit der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM (nun EUIPO) vom 17. März 2016 erfolgreich und die gegen diese Entscheidung der Beschwerdekammer gerichtete Klage erfolglos geblieben war, erscheint die Wiederherstellung der Anordnung des Verfalls nicht ausgeschlossen.
Die Beschwerdeführerin hat die Widerspruchsmarke seinerzeit beim HABM (nun EUIPO) ausdrücklich als Bildmarke – und nicht etwa als sonstige Marke oder Positionsmarke – angemeldet.
Bereits in seiner ShieldMark-Entscheidung hat der EuGH (Urteil vom 27. November 2003 – C-283/01 –, GRUR 2004, 54, Rn. 58) festgestellt, dass von einer Wort- oder Bildmarke auszugehen ist, wenn der Eintragungsantrag nicht ausdrücklich abweichende Angaben zur Markenform enthält. Dies dürfte nun grundsätzlich auch für die Widerspruchsmarke als angemeldetes (Gesamt-)Bildzeichen gelten
c)
Die für eine Aussetzung sprechenden Umstände überwiegen vorliegend auch deutlich das Interesse des Widersprechenden, das Beschwerdeverfahren fortzusetzen.
Die Entscheidung über die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens liegt, wenn die Voraussetzungen des § 148 ZPO erfüllt sind, im Ermessen des Gerichts (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2015 – I ZR 78/14 –, GRUR 2015, 1201, Rn. 8; Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 148, Rn. 7).
Zwar kann die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens unter Umständen zu einer gewissen Verfahrensverlängerung führen. Die Bestandsfähigkeit der Widerspruchsmarke vorausgesetzt würde dies die Widersprechenden in gewissem Umfang belasten. Solange nämlich offen ist, ob die Eintragung der angegriffenen Marke gelöscht wird, kann eine längere Fortdauer des Widerspruchsverfahrens unabhängig vom schwebenden Nichtigkeitsverfahren die Verwendbarkeit und den Wert der Widerspruchsmarke beeinträchtigen. Bei Aussetzung des Beschwerdeverfahrens kann der Widersprechende ferner gehalten sein, die Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 125b Nr. 4 MarkenG für einen erheblich späteren Zeitraum glaubhaft zu machen, ohne dass das anhängige Nichtigkeitsverfahren den Inhaber der Widerspruchsmarke berechtigt, die Benutzung der Widerspruchsmarke zu unterlassen (vgl. Bogatz in BeckOK MarkenR, 15. Ed. 01.10.2018, MarkenG § 26 Rn. 185).
Dieser Beeinträchtigung der Belange der Widersprechenden sind jedoch die möglichen Nachteile gegenüber zu stellen, die der Beschwerdegegnerin durch die Nichtaussetzung des Beschwerdeverfahrens erwachsen können. In diesem Fall würde sie ihre Marke trotz etwaigen Verfalls der Widerspruchsmarke endgültig verlieren. Sie müsste danach die Marke erneut anmelden, was erhebliche Kosten, zeitliche Verzögerungen, einen schlechteren Zeitrang und Risiken auf Grund zwischenzeitlich neu entstandener Rechte zur Folge hätte. Auch wenn diese Beeinträchtigungen jeden Inhaber einer mit Widerspruch angegriffenen Marke treffen können, so kommt doch im vorliegenden Fall ein besonderer Umstand erschwerend hinzu. Der Widerspruchsmarke droht der Verfall, da die Widersprechende sie ggf. in einer anderen Markenform nutzt als sie sie beantragt hat. Es wäre unbillig, wenn auf Grund des Widerspruchs die Eintragung der jüngeren Marke endgültig gelöscht werden würde, obwohl die ältere Marke Rechte aus einer so nicht registrierten Markenform geltend macht.
Gerade weil eine rechtskräftige Entscheidung über den Verfall bzw. Bestand der Widerspruchsmarke in absehbarer Zeit zu erwarten ist, erscheint die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses derzeit gegen die Widerspruchsmarke vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfallsverfahrens angemessen.
Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Frage, wie eine Anmeldung als Bild- bzw. Positionsmarke zu verstehen ist, um eine markenrechtliche Grundsatzfrage handelt. Dazu hat der Senat selbst auch erwogen, eine Klärung in diesem Verfahren durch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof herbeizuführen.
II.
Die Entscheidung, ob das Beschwerdeverfahren auch im Hinblick auf das gegen die Widerspruchsmarke EM 2 923 852 anhängige Nichtigkeitsverfahren 5143 C ausgesetzt werden soll, bleibt vorbehalten und ist nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dem Verfallsverfahrens (5141 C) gegen die Widerspruchsmarke EM 2 923 852 zu prüfen.