Entscheidungsdatum: 30.07.2013
Ausgangskontrolle
Wird eine Einzugsermächtigung per Fax übersendet, sind an die Kontrollmechanismen in der Büroorganisation erhöhte Anforderungen zu stellen.
In der Beschwerdesache...
betreffend Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Hartlieb
beschlossen:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird zurückgewiesen.
I.
Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die angegriffene Marke auf drei Widersprüche hin mit Beschluss vom 31. Mai 2012 teilweise wegen Verwechslungsgefahr gelöscht.
Der Markeninhaberin wurde der Beschluss am 11. Juni 2012 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2012 hat die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt und diesen mit Schriftsatz vom 31. Juli 2012 begründet.
Der Rechtspfleger des Senats hat die Markeninhaberin mit Schreiben vom 12. Dezember 2012 darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegebühr noch nicht gezahlt worden sei. Eine Einzugsermächtigung sei weder dem Original noch dem zwei Tage später eingegangen Fax beigefügt gewesen. Bei dieser Sachlage werde festzustellen sein, dass die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gelte.
Die Markeninhaberin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 Widereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt.
Dazu haben ihre Bevollmächtigten ausgeführt, der Schriftsatz vom 14. Juni 2012, mit dem die Beschwerde eingelegt wurde, sei von Frau W…, Markensachbearbeiterin im Büro der Prozessbevollmächtigten der Markeninhaberin, am gleich Tag mit der Post und am 21. Juni 2012 noch einmal per Fax an das Deutsche Patent- und Markenamt gesandt worden.
Im Büro der Prozessbevollmächtigten der Markeninhaberin gebe es die Anweisung an die Markensachbearbeiter und Anwaltssekretärinnen, dass jedes per Fax übersandte Schriftstück anhand des Sendeprotokolls darauf hin zu überprüfen sei, ob die Fax-Nummer richtig sei und das Schriftstück ordnungsgemäß und mit der richtigen Seitenzahl gesendet worden sei. Entsprechendes habe die jeweilige Mitarbeiterin durch ihr Namenskürzel auf dem Fax-Sendeprotokoll zu bestätigen. Dies kontrolliere der Unterzeichnete stichprobenartig.
Frau W… habe das Sendeprotokoll vom 21. Juni 2012 mit ihrem Namenskürzel versehen und damit die Ordnungsgemäßheit bestätigt, obgleich nach dem Sendeprotokoll nur zwei anstatt richtig drei Seiten gesendet worden seien; eine Kopie des entsprechenden Sendeberichts, versehen mit dem Namenskürzel, wurde als Anlage Ast. 2 vorgelegt.
Der Fehler sei Frau W… leider auch nicht im Rahmen der Fristenkontrolle aufgefallen. Nach Eingang des angefochtenen Beschlusses im Büro der Prozessbevollmächtigten der Markeninhaberin am 11. Juni 2012 habe Frau W… den 11. Juli 2012 als Fristablauf sowie den 28. Juni und 4. Juli 2012 als zu beachtende Vorfristen notiert. Alle drei der vorstehenden Fristen, also sowohl den Fristablauf am 11. Juli 2012 als auch die beiden Vorfristen, habe W… am 21. Juni 2012 nach Erhalt des Sendeprotokolls über die Einlegung der Beschwerde in der irrtümlichen Annahme, dass die Einzugsermächtigung dem Beschwerdeschriftsatz beigefügt gewesen sei, als erledigt gekennzeichnet.
Frau W… sei seit Oktober 2000, also seit über zwölf Jahren für den sachbearbeitenden Bevollmächtigten als Markensachbearbeiterin tätig. Sie sei eine außergewöhnlich zuverlässige Mitarbeiterin, die in der bisher über 12-jährigen Zusammenarbeit kein einziges Mal eine Frist versäumt habe und der kein Fehler wie der vorliegende unterlaufen sei. Frau W… habe selbst keine Erklärung dafür, warum die Einzugsermächtigung weder dem per Post noch dem per Fax übersandten Schriftsatz beigefügt gewesen sei. In gleicher Weise habe sie keine Erklärung dafür, warum der Schriftsatz vom 14. Juni 2012 überhaupt erst am 21. Juni 2012 und nicht taggleich gefaxt worden sei.
Dem Wiedereinsetzungsantrag sind zur Glaubhaftmachung entsprechende eidesstattliche Versicherungen des Bevollmächtigten der Markeninhaberin und seiner Mitarbeiterin Frau W… beigefügt.
Die Markeninhaberin ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand lägen vor. Es handele sich um einen Fehler einer vom Anwalt eingesetzten Hilfsperson, welchen sich die Markeninhaberin nicht zurechnen lassen müsse. Es liege insoweit auch kein Organisations- oder Überwachungsverschulden des Bevollmächtigten vor.
Die Beschwerdegebühr hat die Markeninhaberin am 18. Dezember 2012 gezahlt.
Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren.
In der Sache beantragt sie sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 31. Mai 2012 aufzuheben, soweit dadurch die teilweise Löschung der angegriffenen Marken angeordnet worden ist, und die Widersprüche in vollem Umfang zurückzuweisen sowie die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.
In der Sache beantragt sie sinngemäß,
die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen und im Wege der Anschlussbeschwerde, den Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben, als die Widersprüche zurückgewiesen worden sind, und die angegriffene Marke für weitere Dienstleistungen zu löschen.
Bezüglich des Wiedereinsetzungsantrags trägt sie vor, die Darlegung des Vertreters der Markeninhaberin über die Büroorganisation sei zur Stützung des Wiedereinsetzungsantrags unzureichend. Für das Fristversäumnis sei es nicht entscheidend gewesen, ob Frau W… geprüft habe, dass von dem zu sennenden Dokument tatsächlich alle (zwei) Seiten versendet wurden. Es sei vielmehr entscheidend, weshalb die Einzugsermächtigung nicht Gegenstand der zu sendenden Dokumentenseiten gewesen sei. Insoweit fehle es an einer schlüssigen Darlegung über die Büroorganisation, deren Beachtung ein Fristversäumnis hätte vermeiden können.
Wenn die Einzugsermächtigung per Telefax und nicht per Post versendet werde, seien erhöhte Anforderungen an die Organisation zu stellen. Im Falle der Versendung von Schriftsätzen an die Ämter per normaler Post würden normalerweise Empfangsbestätigungen ausgefüllt, die nach Erhalt der Sendung von den Ämtern an den Absender zurückgesendet würden. In diesen Empfangsbescheinigungen würden – jedenfalls in der Kanzlei der Widersprechenden – nicht nur das Schriftstück, sondern separat auch etwaige Einzugsermächtigungen, Schecks etc aufgeführt. Dies werde dann – jedenfalls in der Kanzlei der Widersprechenden – von dem die Post eintütenden Mitarbeiter nochmal überprüft, so dass insoweit eine Kontrolle gegeben sei.
Für Kanzleien mit einem vom DPMA entfernten Sitz, wie der des Vertreters der Markeninhaberin (hier: Hamburg), möge es sinnvoll sein, alle Schriftsätze an das DPMA per Telefax zu versenden, um die Gefahr einer Fristversäumnis auszuschließen. Wenn aber eine Einzugsermächtigung nur per Telefax versendet werde (das DPMA wünsche im Falle der Telefax-Versendung keine Bestätigungskopie der Einzugsermächtigung), dann entfalle das zuvor erläuterte Sicherheitsnetz, so dass in anderer Weise organisatorisch dafür Sorge dafür getragen werden müsse, dass die Einzugsermächtigung auch tatsächlich per Telefax versendet worden sei.
Ihre Anschlussbeschwerde vom 28. Mai 2013 begründet die Widersprechende damit, dass auch weitere angegriffene Dienstleistungen mit den zu Gunsten der Widerspruchsmarke 001 620 434 eingetragenen Dienstleistungen ähnlich seien.
In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.
II.
Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet, weil ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vorliegt.
1.
Nach § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG, § 66 Abs. 2 MarkenG war die Beschwerdegebühr innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle zu bezahlen. Die Markeninhaberin hat den mit Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG) zugestellten Beschluss am 11. Juni 2012 erhalten. Die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr endete demnach am 11. Juli 2012. Die Beschwerdegebühr wurde jedoch erst am 18. Dezember 2012 und damit verspätet gezahlt, nachdem der Rechtspfleger dem Bevollmächtigten der Markeninhaberin mit Schreiben vom 12. Dezember 2012 mitgeteilt hatte, dass die Beschwerdegebühr nicht gezahlt worden sei.
2.
Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil ein Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 91 Abs. 1 MarkenG nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden ist. Nach dem Vorbringen der Markeninhaberin kann nämlich nicht festgestellt werden, dass sie ohne Verschulden an der rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr gehindert gewesen ist.
Grundsätzlich ist dem Verfahrensbeteiligten nicht nur eigenes Verschulden, sondern auch dasjenige seiner Vertreter zuzurechnen. Soweit es sich wie hier um Rechts- oder Patentanwälte handelt, sind an deren Sorgfaltspflichten, welche auch die Büroorganisation umfassen, nach der Rechtsprechung hohe Anforderungen zu stellen. Soweit Hilfskräfte mit Tätigkeiten betraut werden dürfen, muss es sich um für die jeweilige Aufgabe konkret bestimmtes, geschultes, zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handeln. Außerdem müssen Kontrollmechanismen bestehen, die eine Erfüllung der Tätigkeit gewährleisten.
Nach dem Vorbringen der Markeninhaberin muss hier von einem Verschulden ihrer anwaltlichen Vertreter ausgegangen werden. Der anwaltliche Vertreter der Markeninhaberin hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragen, das Fristversäumnis habe auf einem Fehler von Frau W…, einer Mitarbeiterin in seiner Kanzlei, beruht, die versehentlich am 14. Juni 2012 die vom Bevollmächtigten unterschriebene Einzugsermächtigung entgegen dessen Weisung nicht per Fax an das DPMA übersendet habe.
Dieser Vortrag genügt nach der Auffassung des Senats nicht den hohen Anforderungen, die an die Sorgfaltspflichten eines Anwalts zu stellen sind. Wenn eine Einzugsermächtigung nicht per Post, sondern per Fax übersendet wird, sind erhöhte Anforderungen an die Organisation des Kanzleibetriebs zu stellen. Es sind Vorkehrungen zu treffen, um ein Fristversäumnis wie das hier geschehene zu vermeiden.
Die Übersendung der Einzugsermächtigung hätte auf dem Sendebericht getrennt bestätigt werden müssen. Deren Fehlen wäre im Hinblick auf die Kürze des Schriftsatzes vom 14. Juni 2012 mit nur zwei Seiten dann auch aufgefallen. In der Kanzlei der Markeninhaberin hätte es außerdem eine separate Ausgangskontrolle geben müssen, um sicherzustellen, dass die Einzugsermächtigung mitgesandt worden ist. Die Nichterwähnung der Einzugsermächtigung auf dem Sendebericht und die unterbliebene Ausgangskontrolle stellen ein Organisationsverschulden dar, das der Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrags entgegensteht.
Das Versäumnis der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr beruht damit auf einem Verschulden der Bevollmächtigten der Markeninhaberin, so dass ein Wiedereinsetzungsgrund nicht gegeben ist.