Entscheidungsdatum: 27.11.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 057 181.3
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Mit am 28. September 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz beantragte die Anmelderin die Umwandlung der noch nicht eingetragenen am 7. Februar 2005 beim HABM angemeldeten Wort-/Bildmarke
für die Waren und Dienstleistungen
„Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen“.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 30. August 2010 und 29. Juni 2011, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist in dem Erinnerungsbeschluss ausgeführt, das angemeldete Wort „Solid“ bedeute u. a. „fest, haltbar, gediegen (von Gegenständen); ordentlich, maßvoll, anständig; zuverlässig (von Personen); gut fundiert (z. B. von Wissen)“. Die angemeldete Bezeichnung könne damit sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen in anpreisender Weise beschreiben. Die Bedeutungen des Wortes „solid“ seien dem Publikum auch geläufig und erschlössen sich ohne weiteres in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
Für die angesprochenen Verkehrskreise, hier neben Fachkreisen auch das allgemeine Publikum, stehe damit eine Sachaussage und ein darin enthaltenes Wertversprechen in Vordergrund, nämlich dass die so gekennzeichneten Waren bzw. die Dienstleistungen „solid“ bzw. „solide“ im Sinne von „haltbar“, „ordentlich“, „anständig“ seien bzw. die Dienstleistungen zuverlässig erbracht würden. Damit könne die Hauptfunktion einer Marke, auf die Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen, nicht mehr erfüllt werden.
Entgegen der Auffassung der Anmelderin wäre es auch unerheblich, wenn die angemeldete Bezeichnung „solid“ ohne „e“ am Ende grammatikalisch nicht korrekt das Adjektiv „solide“ wiedergeben würde, denn der Verkehr sei im Geschäftsleben an Wortneubildungen gewöhnt, die sich häufig nicht an grammatikalischen Regeln oder einem korrekten Sprachstil orientierten. Der Durchschnittsverbraucher werde daher auch bisher nicht verwendete oder grammatikalisch fehlerhafte, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen durchaus als solche und damit nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen.
Auch wenn man davon ausginge, dass das Wort „solid“ in der Schreibweise ohne „e“ am Ende nur in der englischen Sprache vorkomme, würde dies keine hinreichende Unterscheidungskraft begründen, da die beteiligten Verkehrskreise im Stande seien, die beschreibende Bedeutung dieses Wortes zu erkennen. Die Übersetzung des Wortes „solid“ liege dem deutschen Verbraucher in Verbindung mit Mode nahe, auch weil eine hohe Ähnlichkeit mit dem entsprechenden deutschen Wort bestehe. Jedenfalls würden die Modefachkreise den Begriff in seiner Bedeutung auf Anhieb verstehen. Bei diesen könne generell von speziellen Sprachkenntnissen ausgegangen werden.
Auch die Graphik sei nicht dazu geeignet, dem Zeichen Unterscheidungskraft zu verleihen. Sie bestehe lediglich aus einfachen Gestaltungselementen, nämlich einer fettgedruckten gewöhnlichen Schriftart und einem vorangestellten Ausrufezeichen. Beide graphischen Elemente hätten lediglich die Bedeutung eines Hervorhebungsmittels. Eine charakteristische, zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignete Gestaltung werde hierdurch nicht erreicht.
Die maßgeblichen Verkehrskreise würden die angemeldete Bezeichnung daher nur als anpreisende Sachangabe auffassen.
Die Eintragung der Marke in anderen Ländern führe zu keinem anderen Ergebnis.
Gegen den ihr am 4. Juli 2011 zugestellten Erinnerungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 14. Juli 2011, mit der sie beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle vom 30. August 2010 und 29. Juni 2011 aufzuheben und die Marke einzutragen.
Die Anmelderin hält das angemeldete Zeichen für unterscheidungskräftig. Der durchschnittlich aufmerksame und verständige Verbraucher ordne der angemeldeten Marke für „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ und erst Recht für Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf diese Waren gerade keinen im Vordergrund stehenden, rein beschreibenden Begriffsinhalt zu. Gerade im Bekleidungsbereich achte der verständige Verbraucher ganz besonders auf die ihn regelmäßig interessierenden Produktlabels bzw. auf die zumeist grafisch gestalteten Schriftzüge, die an verschiedensten Stellen der Bekleidungsstücke angebracht bzw. eingenäht seien. Sehe der verständige Verbraucher die graphisch gestaltete Anmeldemarke, der ersichtlich ein markantes „Ausrufezeichen“ vorangestellt sei, etwa auf einem Einnähetikett in einem Herrensakko, so werde er schon allein wegen des kennzeichnungskräftigen „Ausrufezeichens“ am Markenanfang mit dem Schriftzug eine Herstellerzuordnung und gerade keine merkmalsbeschreibende Bezeichnung erblicken. Dafür spreche auch der Großbuchstabe „S“, der für eine adjektivische Verwendung grammatikalisch falsch wäre, da Adjektive klein geschrieben würden.
Werde das graphisch besonders gestaltete Zeichen als eingenähtes Etikett auf der Innenseite von Bekleidungsstücken, Schuhwaren sowie auch auf sonstigen Werbeträgern wie Leuchtreklame, Tüten oder sonstigen Geschäftsunterlagen verwendet, ergebe sich aus der BGH-Rechtsprechung (MarkenR 2008, 499 – Marlene-Dietrich-Bildnis), dass es vom Verbraucher in dieser konkreten Verkaufssituation als Herkunftshinweis verstanden werde.
Für eine Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens spreche auch die grammatikalisch falsche Stellung des vorangestellten Ausrufezeichens. In Alleinstellung sei das Wort „Solid“ ebenso „ABSOLUT“ (Hinweis auf BPatG 26 W (pat) 5/95) unklar und nicht zur unmittelbaren Warenbeschreibung geeignet.
Das Wort „solid“ existiere im deutschen Sprachgebrauch nicht, sondern allenfalls in Österreich, wo es die spezielle Bedeutung „nur so“ habe und im englischen Sprachraum. Dort sei die Marke jedoch ebenso wie in weiteren Ländern eingetragen worden.
Beschreibend sei das Zeichen auch nicht für die Dienstleistungen der Klasse 35, da diese schon von Haus aus keine „feste“, „haltbare“ oder ähnliche Beschaffenheit haben könnten.
An dem angemeldeten Zeichen bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis.
Die Anmelderin verweist schließlich darauf, dass es zur Umwandlung nur wegen eines Widerspruchs gegen die Gemeinschaftsmarke gekommen sei.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.
II.
1.
Der Umwandlungsantrag vom 28. September 2009 einer noch nicht eingetragenen Gemeinschaftsmarkenanmeldung ist gemäß § 125d Abs. 2 Satz 1 MarkenG wie eine nationalen Markenanmeldung zu behandeln. Die umgewandelte Gemeinschaftsmarke wird wie eine nationale Anmeldung auf absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 MarkenG hin geprüft.
An etwaige vorgängige Prüfungsergebnisse des HABM ist das Deutsche Patent- und Markenamt nicht gebunden (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 125d Rn. 9). Die Anmelderin kann sich zur Begründung ihres Eintragungsbegehrens daher nicht darauf berufen, das HABM habe die in Rede stehende Marke als schutzfähig erachtet.
2.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keine Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Marke die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt.
Unterscheidungskraft im Sinn dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren und Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft ist zum einem im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist.
Kann einer Marke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und/oder handelt es sich um einen gebräuchlichen Begriff der deutschen Sprache oder einer Fremdsprache, der stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so liegt keine Unterscheidungseignung und damit Unterscheidungskraft vor (BGH BlPMZ 2004, 30 – Citysevice). Bei Marken, die aus Wort- und Bildbestandteilen kombiniert sind, hat sich die Prüfung der Schutzfähigkeit darauf zu erstrecken, ob die Marke in ihrer Gesamtheit den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (BGH Blatt für PMZ 2001, 397 – antiKALK).
Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, da sie bezüglich dieser Waren und Dienstleistungen einen ohne weiteres erkennbaren beschreibenden Begriffsinhalt aufweist, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird, und die graphische Ausgestaltung dies nicht überwindet.
Das angemeldete Wort „solid“ existiert entgegen der Behauptung der Anmelderin auch im deutschen Sprachraum mit der Bedeutung „solide“ (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., Mannheim 2006). Außerdem handelt es sich bei „solid“ um ein zum englischen Grundwortschatz gehörendes Wort, das übersetzt die Bedeutungen
1. fest, haltbar, gediegen (von Gegenständen),
2. ordentlich, maßvoll, nicht ausschweifend, nicht vergnügungssüchtig, anständig (von Personen)
hat (vgl. Duden – Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl., Mannheim 2007).
Der von den Waren und Dienstleistungen angesprochene inländische Verbraucher, d. h. der Handel, die Fachleute und die Durchschnittsverbraucher der beanspruchten Waren und Dienstleistungen, werden den Sinngehalt dieses Wortes insbesondere auch wegen seiner Nähe zu dem deutschen Wort „solide“ oder ohne weiteres erkennen.
Für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist das Wort „Solid“ nicht unterscheidungskräftig, da die angesprochenen Verbraucher diesem Wort lediglich einen Qualitätshinweis auf deren Beschaffenheit entnehmen werden, nämlich dass die „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ von ihrer Beschaffenheit her eine gewisse Festigkeit bzw. Haltbarkeit haben und die im Zusammenhang mit diesen Waren anfallenden Dienstleistungen ordentlich und zuverlässig erbracht werden.
Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Anmelderin auch nicht daraus, wenn das angemeldete Zeichen beispielsweise als Etikett im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren verwendet würde. Der Verbraucher würde nämlich auch dann den rein beschreibenden Begriffsinhalt erkennen. Eine beschreibende Angabe wird durch eine Verwendung z.B auf Einnähetiketten nicht automatisch zu einer Herkunftsangabe.
Auch die graphische Ausgestaltung vermag das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht zu überwinden. Eine charakteristische, zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignete Gestaltung ist nicht erreicht (vgl. BGH GRUR 2000, 502 – St. Pauly Girl; GRUR 2001, 734 - Jeanshosentasche). Die unauffällige Schreibweise und die Großschreibung des Anfangsbuchstabens sind keine über eine dekorative und werbeübliche Art hinausgehenden charakteristischen Merkmale und reichen zur Erfüllung der Herkunftsfunktion nicht aus. Daran vermag auch das vorangestellte Ausrufezeichen nichts zu ändern, da es trotz seiner falschen grammatikalischen Stellung lediglich als werbeüblicher Hinweis wirkt, wie wichtig die Aussage ist.
Aus der Schutzgewährung für identische Marken durch Drittstaaten oder für nach Ansicht der Anmelderin ähnlich gebildete Marken, vermag die Anmelderin keinen Anspruch auf Eintragung abzuleiten. Voreintragungen – selbst identischer Marken – führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben (BGH BlPMZ 1998, 248 – Today). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar. Im Recht der Europäischen Gemeinschaft (MarkenRL, GMV) gilt nicht Abweichendes, wie der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahren mehrfach festgestellt hat (vgl. MarkenR 2009, 201 - Schwabenpost; GRUR 2004, 674 – Postkantoor; GRUR 2004, 428 – Henkel).
Entgegen der Auffassung der Anmelderin haben ausländische Voreintragungen hinsichtlich der Unterscheidungskraft auch keine Indizwirkung. Die Tatsache, dass eine identische Marke für identische Waren und Dienstleistungen in einem anderen Land eingetragen wurde, ist für die Entscheidung, die Anmeldung einer Marke zur Eintragung zuzulassen oder zurückzuweisen, nicht maßgebend (EuGH GRUR 2004, 428 – Henkel; GRUR 2004, 676 – Postkantoor). Durch diese Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ist der früheren Rechtsprechung deutscher Gerichte, wonach der Eintragung einer fremdsprachigen Bezeichnung in das Markenregister eines Staates mit entsprechender Muttersprache eine (zumindest tatsächliche) Indizwirkung entnommen werden könne, die Grundlage entzogen.
3.
Ob einer Registrierung auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
4.
Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.
5.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 MarkenG i.V.m. § 574 ZPO) sieht der Senat keinen Anlass. Der Fall wirft keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Senate oder Gerichte ab. Die Entscheidung erschöpft sich vielmehr in einer einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.