Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.03.2015


BPatG 17.03.2015 - 27 W (pat) 81/14

Markenbeschwerdeverfahren – "Seepferdchen" – keine Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
17.03.2015
Aktenzeichen:
27 W (pat) 81/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 005 993.7

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht sowie des Richters Hermann und der Richterin Werner

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die mit Antrag vom 6. Juli 2012 angemeldete Wortmarke 30 2012 005 993

2

Seepferdchen

3

hat die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts nach Beanstandungsbescheid vom 16. August 2012 mit Beschlüssen vom 20. März 2013 und vom 25. Juli 2014, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, u. a. für die nach Einschränkung des Warenverzeichnisses durch die Anmelderin im Beschwerdeverfahren noch streitgegenständlichen Waren der

4

Klasse 16: Druckereierzeugnisse

5

Klasse 26: Stoffabzeichen

6

zurückgewiesen.

7

Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG der Eintragung des angemeldeten Zeichens entgegenstünden.

8

Das Wort „Seepferdchen“ sei geeignet, die beanspruchten Stoffabzeichen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten seien, der Beschaffenheit nach zu beschreiben, denn diese könnten in Form eines Seepferdchens gestaltet sein oder die Darstellung einer solchen Figur als Motiv aufweisen. Form und Motiv seien für diese Waren verkehrswesentliche Eigenschaften, die für den Kaufentschluss entscheidend sein könnten, weshalb die Form oder das Motiv in Werbebroschüren und Katalogen häufig nicht nur abgebildet, sondern daneben ausdrücklich mit dem Wort "Seepferdchen" benannt würden. Druckereierzeugnisse könnten durch den Begriff „Seepferdchen“ hinsichtlich ihres Inhalts beschrieben werden.

9

Dem Anmeldezeichen fehle daher für die im Erstbeschluss zurückgewiesenen Waren auch jegliche Eignung, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Produkte zu wirken. Da das Anmeldezeichen – wie dargelegt – in verschiedener Hinsicht zur unmittelbaren Beschreibung der zurückgewiesenen Waren geeignet sei, werde das Publikum es nicht als Herstellerkennzeichen wahrnehmen, sondern lediglich die jeweilige beschreibende Bedeutung erfassen.

10

Der Beschluss im Erinnerungsverfahren ist der Anmelderin am 30. Juli 2014 zugestellt worden.

11

Mit ihrer Beschwerde vom 28. August 2014, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 29. August 2014, wendet sie sich gegen die Wertung in der angegriffenen Entscheidung.

12

Für die zurückgewiesenen und noch beanspruchten Waren habe der Begriff „Seepferdchen“ keine beschreibende Bedeutung.

13

Der verständige Verbraucher assoziiere mit dem Wort „Seepferdchen“ zuerst das Tier, das aufgrund von Form und Aussehen sehr individuell sei. Andere Waren oder das Schwimmabzeichen, für die der Schutz beansprucht werde, assoziiere der Verbraucher dagegen nicht unweigerlich mit dem Begriff. lm Vordergrund der Wahrnehmung stehe das Seepferdchen als Tier. Dies gelte vor allem deshalb, weil das geschriebene Wort „Seepferdchen“ nicht mit einem Schwimmabzeichen gleichgesetzt werde. Das geschriebene Wort „Seepferdchen“ spiele bei dem Schwimmabzeichen und der Auszeichnung der geprüften Frühschwimmer keine Rolle. Als Abzeichen für die Ablegung der Schwimmprüfung „Seepferdchen“ diene ausschließlich ein orangefarbener Aufnäher mit der bildlichen Wiedergabe des Tiers „Seepferdchen“, nicht aber das Wort „Seepferdchen“.

14

Das Zeichenwort „Seepferdchen“ habe daher keinen rein beschreibenden Charakter für die noch beanspruchten Waren Druckereierzeugnisse und Stoffabzeichen. Es erfordere vielmehr eines längeren Denkprozesses, um einen Zusammenhang zwischen dem von der Anmelderin verwendeten Zeichen und den von ihr angebotenen Waren herzustellen. Auch die Verwendung eines Tierzeichens als Marke (z. B. Loewe oder Puma) schließe die Unterscheidungskraft nicht aus.

15

Es bestehe an der Wortmarke Seepferdchen auch kein Freihaltebedürfnis. Allein beim Betrachten des Zeichens erschließe sich nicht das Warenangebot, das mit dem Zeichen beworben werde. Das Seepferdchen als Zeichen beschreibe nicht die Art oder Beschaffenheit der angebotenen Waren und bezeichnet auch nicht sonstige Merkmale der Waren. Allein aus dem Zeichen Seepferdchen seien noch keine Rückschlüsse auf die Art und Beschaffenheit der Waren möglich. Das Seepferdchen als solches werde nämlich nicht typischerweise als Symbol für gewisse Eigenschaften verwendet. Auch könne das im Bereich der Schwimmausbildung (Klasse 41) genutzte Logo unter Abbildung eines Seepferdchens kein Freihaltebedürfnis in Bezug auf die Wortkennzeichnung „Seepferdchen“ begründen. Zudem hätten weder der D… (D… e.V.), noch die D1… (D1…- … e.V.) ausschließliche Rechte zur Abnahme der Prüfung „Seepferdchen“.

16

Die Anmelderin beantragt,

17

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. März 2013 und vom 25. Juli 2014 aufzuheben und die angemeldet Marke für die noch beanspruchten Waren einzutragen.

18

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

II.

19

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg (§§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG ).

1.

20

Dem angemeldeten Zeichen „Seepferdchen“ fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

a)

21

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

22

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen (BGH, Beschluss v. 01.07.2010 – I ZB 35/09, GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision; EuGH, Urteil v. 08.05.2008 – C-304/06 P, GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. – EUROHYPO). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (BGH, Beschluss v. 22.01.2009 - I ZB 34/08, GRUR 2009, 949 Rn. 10 – My World; EuGH, Urteil v. 12.01.2006 - C-173/04 P, GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschluss v. 15.01.2009 – I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL).

23

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Kreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und / oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH Urteil v. 09.03.2006 – C-421/04, GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. Rn. 8 – Die Vision).

24

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen das maßgeblichen Publikum lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (BGH, Beschluss v. 22.01.2009 – I ZB 52/08, GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 - DeutschlandCard; EuGH, Urteil v. 12.02.2004 – C-363/99, GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 – Postkantoor).

b)

25

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt die angemeldete Bezeichnung nicht, da sie nur eine Sachaussage beinhaltet, die sich nicht dazu eignet, die Ursprungsidentität der noch streitgegenständlichen Waren zu gewährleisten.

26

Wie die der Anmelderin vom Senat zur Verfügung gestellten und von ihr selbst vorgelegten Belege ausweisen, handelt es sich bei dem „Seepferdchen" um die Bezeichnung bzw. um die Abbildung eines seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland benutzten Schwimmabzeichens.

27

Es wurde in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in der „deutschen Prüfungsordnung Schwimmen-Retten-Tauchen“ durch Beschluss (zuletzt geändert am 21. Oktober 2002) der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und den im Bundesverband zur Förderung der Schwimmausbildung (BFS) zusammengeschlossenen Schwimmsport treibenden Verbänden (u. a. W…, D2… e.V., A…- … e.V., B… e.V., D1… e.V., D… e.V., D3… e.V. und V…) festgelegt. Die Vereinbarung regelt in Ziffer 3 die Prüfungsleistungen, die Kinder für das Ablegen des Anfängerzeugnisses „Seepferdchen“ erbringen müssen. Die Schwimmprüfung „Seepferdchen“ wird heute in aller Regel in den Schulen, insbesondere auch in Schulen kommunaler Trägerschaft, in den lokalen Schwimmbädern oder auch in Ferienanlagen, Hotels, etc. beworben, angeboten und abgenommen.

28

In nahezu jedem Schwimmbad und in jeder Badeeinrichtung mit Schwimmkursen wird auf die Möglichkeit der Schwimmprüfung für Schwimmanfänger mit der Bezeichnung „Seepferdchen“ hingewiesen. Das allgemeine Publikum, angefangen von Schulkindern über Spitzenschwimmsportler bis hin zu Freizeitwassersportlern jeden Alters, kennen den Begriff „Seepferdchen“ häufig bereits aus der Kinderzeit, auch wenn sie selbst keine Schwimmprüfung abgelegt und kein Schwimmabzeichen erworben haben sollten. Sie werden daher mit dem Begriff „Seepferchen“ insbesondere bei Sportabzeichen stets nur eine besondere Schwimmprüfung und bei deren Bestehen das Erreichen des „Seepferchens“ und keinen unternehmensbezogenen Herkunftshinweis verbinden. Dies gilt auch für Druckereierzeugnisse, wie Urkunden zum Erwerb des Schwimmabzeichens oder Bücher für und über das Schwimmabzeichen.

2.

29

Einer Registrierung des angemeldeten Zeichens steht zudem § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

a)

30

Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428).

31

Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. EuGH, Urteil v. 04.05.1999 – C-108/97, GRUR 1999, 723 Rn. 25 - Windsurfing Chiemsee; Urteil v. 08.04.2003 – C-53/01; GRUR Int. 2003, 632 Rn. 73 - Linde).

32

Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist dabei im Lichte des ihm zugrunde liegenden Allgemeininteresses an der Gewährleistung eines freien, nicht durch ungerechtfertigte markenrechtliche Monopole beeinträchtigten Warenverkehrs auszulegen (EuGH, Urteil v. 16.09.2004 – C-329/02 P, GRUR 2004, 943 Rn. 26 - SAT.2) und trägt dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel Rechnung, dass beschreibende Zeichen oder Angaben von jedermann, insbesondere von Mitbewerbern des Anmelders, frei verwendet werden können.

b)

33

Wie dargelegt, wird der Begriff „Seepferdchen“ bereits seit Jahren beschreibend für das Schwimmabzeichen „Seepferdchen" genutzt. Es muss daher auch weiterhin Schulen, Vereinen und Verbänden möglich sein, den Begriff zur Abnahme von Schwimmprüfungen uneingeschränkt nutzen zu können

3.

34

Soweit sich die Anmelderin auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbarer Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die hier zu beurteilende angemeldete Bezeichnung. Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH, Beschluss v. 15.02.2008 – C-243/07 P, MarkenR 2008, 163 Rn. 39 - Terranus; BPatG, Beschluss v. 26.01.2010 – 24 W (pat) 142/05, GRUR 2010, 425 - Volksflat). Im Übrigen geben selbst identische Voreintragungen keinen Anspruch auf eine Eintragung (BGH, Beschluss v. 17.08.2011 – I ZB 70/10, GRUR 2012, 276 Rn. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. m.w.N.).

35

Nach alledem ist der Beschwerde der Anmelderin der Erfolg zu versagen.

4.

36

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.

37

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 574 ZPO) liegen nicht vor, weil keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen und der Senat mit dieser Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht.