Entscheidungsdatum: 06.08.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die angemeldete Marke 307 26 625.7
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. August 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht und die Richter Schwarz und Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 29. März 2010 die Anmeldung des Wortes
Avanti
für die Waren und Dienstleistungen
Waren- und Dienstleistungsautomaten insbesondere Musikautomaten, Sport- oder Unterhaltungsautomaten, auch münzbetätigte, Kinderunterhaltungsautomaten, Verkaufsautomaten und Mechaniken für markenbetätigte Apparate, geld- und geldwertmäßig betätigte Unterhaltungsautomaten, Spielautomaten, Video-Spielautomaten, Multimediageräte soweit in Klasse 9 enthalten und daraus gebildete Systeme, elektrische und elektronische Geräte und Apparate zur Durchführung von Lotterien, Ausspielungen, Verlosungen und anderen Gewinnspielen; Informationsautomaten; Automaten zum Verkauf von Waren und/oder zur Ausgabe von Karten, Tickets, Geld und/oder zur Ausgabe und/oder Rücknahme von Waren sowie Teile dieser Automaten; Multimediageräte/-systeme, einschließlich Teile aller vorgenannten Waren, ausgenommen jedoch Rundfunkgeräte, Fernsehempfangsgeräte, Hi-Fi-Anlagen, Videorecorder, Telefonapparate, Telefaxapparate und Telefonanrufbeantworter; Geldautomaten, Geldzählautomaten und Geldwechselautomaten; elektrische, elektronische, optische Apparate; elektrische, elektronische, optische Alarm- und Überwachungsanlagen, einschließlich Videokameras und Geräten zur Bildübertragung und Bildverarbeitung; Blechteile, Stanzteile und Kombinationen hieraus als Baugruppen und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Kabelbäume; bestückte Leiterplatten und Kombinationen hieraus als Baugruppen und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Platinen, Leiterplatten (elektronische Bauelemente); Spiele, einschließlich Glücksspiele; Spielgeräte, Sportgeräte, Sportartikel soweit in Klasse 28 enthalten; elektrische und elektronische Maschinen und Apparate für Spiel-, Vergnügungs-, Unterhaltungs- und Sportzwecke; Spielautomaten, Münzautomaten zur Verwendung in Spielhallen; münzbetätigte Maschinen für Vergnügungsspiele; Spielautomaten; Münzautomaten, auch Videospielgeräte und -instrumente; Apparate und Instrumente für alle vorstehend genannten Waren; geld- oder geldwertmäßig betätigte Unterhaltungs- und Spielautomaten, sowie Teile dieser Waren, soweit in Klasse 28 enthalten; Sportgeräte für Sport auf kleinem Raum, insbesondere elektronisches Dart, Tischfußball, Pool-Billard, Snooker, Schießstände, insbesondere für Laser-Shooting, sowie Teile aller dieser Waren, soweit in Klasse 28 enthalten; Handkonsolen zum Spielen elektronischer Spiele; Wettautomaten; jegliche Art von Spiel- und Unterhaltungsautomaten mit und ohne Gewinnausgabe, mit zahlungspflichtigen Leistungen, die durch die Entgegennahme von Münzen, Banknoten, Wertmarken, Magnet- oder Chipkarten betätigt werden; jegliche vorgenannte Automaten, Maschinen und Apparate auch im vernetzten Betrieb; Geräte und Vorrichtungen zur Aufnahme und Speicherung von Geld als Zubehör für vorgenannte Automaten, soweit in Klasse 28 enthalten; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Betrieb eines Spielcasinos; Betrieb von Spielhallen; Unterhaltung, nämlich Information, Belustigung und Entspannung von Personen; Organisation und Durchführung von Veranstaltungen an und mit Unterhaltungsautomaten; Veranstaltung von Spielen, Wettbewerben und Wettkämpfen in Netzwerken, einschließlich Internet; Vermietung von Spiel- und Unterhaltungsgeräten/-anlagen für Casinos; Veranstaltung und Durchführung von Spielen aller Art, einschließlich von Glücks- und Gewinnspielen sowie von Roulette; Durchführung von Lotterien, Ausspielungen, Netzwerkspielen, Verlosungen und anderen Gewinnspielen; Betrieb von Spielstätten, Spielcasinos, Wettbüros
nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Das angemeldete Wortzeichen „Avanti“ werde vom Publikum wegen seiner Gebräuchlichkeit in der deutschen Umgangssprache und der Werbesprache nicht als Herkunftshinweis für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen erfasst. Das aus dem Italienischen stammendes Wort habe mit der Bedeutung „vorwärts, los, weiter“ bereits Eingang in die deutsche Umgangssprache gefunden hat und finde als Werbeschlagwort sowie allgemeine Kaufaufforderung Verwendung, wie bereits der 30. Senat des Bundespatentgerichts in seiner Entscheidung 30 W (pat) 119/97 vom 28. Oktober 1998 festgestellt habe. Dass trotz dieser sich allein auf Datenverarbeitungsprogramme beziehenden zurückweisenden Entscheidung später eine andere Wortmarke „Avanti“ für Wohnmobile eintragen worden sei, könne vorliegend nicht zur Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens führen, denn die Rechtsprechung gehe von jeher davon aus, dass Voreintragungen - selbst identischer Marken – weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen führen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Anders als die Anmelderin meine, sei es im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für eine Zurückweisung der Anmeldung nicht erforderlich, dass es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine rein beschreibende Angabe handelt; bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen komme dem angemeldeten Wort aber auch eine beschreibende Bedeutung in Form einer Modalität- und Eigenschaftsangabe zu, was im Einzelnen weiter ausgeführt wird. Werde das angemeldete Zeichen aber als werbeübliche Kaufaufforderung oder Modalität- und Eigenschaftsangabe verstanden und verwendet, eigne es sich nicht als Herkunftsangabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, so dass seiner Eintragung das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstehe.
Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die Anmeldemarke sei schutzfähig, weil sie die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibe. Dem mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochenen Publikum, auf dessen Sprachkenntnisse abzustellen sei, seien die Grundzüge der italienischen Sprache auch nicht bekannt. Eine Bedeutung oder übliche Verwendung auf dem einschlägigen Waren- und Dienstleistungssektor sei seitens der Markenstelle nicht nachgewiesen. Die Schutzfähigkeit ergebe sich auch aus der Eintragung vergleichbarer Wortmarken.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. März 2010 aufzuheben.
II.
A. Da die Anmelderin keinen (Hilfs-) Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat und der Senat eine solche auch nicht für sachdienlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden.
B. Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt. Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass. Mit der Markenstelle geht auch der Senat davon aus, dass die angemeldete Bezeichnung nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen ist.
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, welche nach Art. 234 EGV, Art. 101 GG für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr.1 MarkenG auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem Europäischen Gerichtshof als insoweit allein zuständigem gesetzlichen Richter vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] - SAT. 2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] - SAT. 2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] – SAT. 2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).
2. Ob die erforderliche Unterscheidungseignung bei der vorliegend zu beurteilenden angemeldeten Kennzeichnung schon deshalb fehlt, weil sie nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION), kann dahinstehen. Ungeachtet einer möglichen beschreibenden Bedeutung entspricht es nämlich entgegen der Auffassung der Anmelderin einer langen, auch vom Europäischen Gerichtshof immer wieder bestätigten Rechtsprechungstradition, dass ein Wortzeichen von der Eintragung als Marke auch dann ausgeschlossen ist, wenn es sich bei ihm um einen Werbeslogan handelt, bei dem die Werbefunktion im Vergleich zu der Hauptfunktion einer Marke als Herkunftshinweis nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist. Aus solchen Angaben wird der Durchschnittsverbraucher nicht auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen schließen (vgl. EuGH MarkenR 2005, 22, 26 [Rz. 35] - Das Prinzip der Bequemlichkeit). Ebenso verstehen die Verbraucher gebräuchliche Wörter und gebräuchliche Wendungen - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel (vgl. BGH GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHÖN; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten, Schlechte Zeiten; GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006). Soweit die Anmelderin daher ihren Vortrag allein auf eine nach ihrer Ansicht fehlende, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende Bedeutung stützt, verkennt sie - worauf die Markenstelle bereits im angefochtenen Beschluss hingewiesen hatte, so dass es eines neuen Hinweises seitens des Senats nicht bedurfte - die rechtliche Ausgangssituation.
3. Die genannten Voraussetzungen für eine Schutzversagung, auf welche die Markenstelle ihren Beschluss vorrangig gestützt hat, sind vorliegend erfüllt. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt und durch lexikalische Einträge und Verwendungsbeispiele in der Tagespresse hinlänglich belegt hat, hat das ursprünglich aus dem Italienischen stammende Wort „Avanti“ zwischenzeitlich bereits mit der Bedeutung „vorwärts!, los!, weiter!“ Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden (vgl. insbesondere Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM], Stichwort „avanti“). Angesichts dieses Umstandes geht der Einwand der Anmelderin über die angebliche Unkenntnis italienischer Grundbegriffe beim inländischen Publikum - der, wie sich aus der zitierten Entscheidung des 30. Senats des Bundespatentgerichts bereits ergibt, ohnehin fragwürdig ist - ins Leere, weil sich aus dem (bereits einige Zeit zurückliegenden) lexikalischen Beleg zweifellos ergibt, dass es sich bereits um einen eingedeutschten und damit nicht (mehr) rein fremdsprachigen Ausdruck handelt.
Wie bereits der 30. Senat in der genannten Entscheidung näher ausgeführt hat, wird das inländische Publikum den Begriff „Avanti“ lediglich als schlichte Kaufaufforderung verstehen. Der Gedanke, dass damit auf die Herkunft der angebotenen Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen hingewiesen werden solle, wird ihm damit erst gar nicht kommen. Damit ist das angemeldete Wort zur Unterscheidung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen von solchen anderer Unternehmen nicht geeignet, so dass ihr die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist.
4. Soweit die Anmelderin sich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbare Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die vorliegend zu beurteilende Anmeldemarke. Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder nämlich keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - Terranus; GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; BPatG MarkenR 2007,351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423 amazing discoveries; GRUR 2010, 425 - Volksflat). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbietet die Markenrechtsrichtlinie es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] - Bild.T-Online.de und ZVS).
5. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zutreffend die Eintragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.
C. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr bestand ebenso wenig Anlass wie für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde.