Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.10.2010


BPatG 19.10.2010 - 27 W (pat) 78/10

Markenbeschwerdeverfahren – Kostenfestsetzung - "britischer Verkehrsanwalt" – zur Notwendigkeit eines Verkehrsanwalts im Verfahren vor dem DPMA – zur Höhe der Kosten eines ausländischen Verkehrsanwalts


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
19.10.2010
Aktenzeichen:
27 W (pat) 78/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

britischer Verkehrsanwalt

1. Auch im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt kann ein Verkehrsanwalt notwendig sein.

2. Die Kosten eines ausländischen Verkehrsanwalts sind auch in diesen Verfahren maximal in Höhe der nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstandenen Gebühren zu erstatten.

Abgrenzung zu VG München, Beschluss vom 18.02.1999, Az: M 6 K 97.6525

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke…

hier: Kostenfestsetzung

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. März 2010 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf 2.745,80 € (in Worten zweitausendsiebenhundertfünfundvierzig Euro achtzig Cents) festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner 3/4 und die Antragstellerin 1/4.

Gründe

I.

1

Die in Großbritannien ansässige Antragstellerin hat am 19. März 2008 die vollständige Löschung der Marke… „…“ wegen Bösgläubigkeit beantragt. Mit Beschluss vom 4. Juni 2009 hat das Deutsche Patent- und Markenamt die angegriffene Marke gelöscht und deren Inhaber die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt.

2

Am 4. Januar 2010 hat die Antragstellerin beantragt, die ihr im Löschungsverfahren entstandenen Kosten gegenüber dem Beschwerdegegner festzusetzen. Dabei hat sie ausgehend von einem Gegenstandswert von 50.000 € für ihre deutschen Bevollmächtigten eine 1,3-Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale (Nrn. 2300 und 7002 VV RVG) sowie die amtliche Gebühr nach Nr. 333 300 zum Ansatz gebracht, insgesamt 1.679,80 €. Dazu hat sie Rechnungen der britischen Verkehrsanwälte über insgesamt 2.092,72 € vorgelegt und deren Erstattung verlangt.

3

Der Antragsgegner hat die Höhe des Gegenstandswerts und die Verkehrsanwaltskosten beanstandet.

4

Mit Beschluss vom 1. März 2010 hat das Deutschen Patent- und Markenamt die zu erstattenden Kosten auf 1.679,80 € festgesetzt und den weitergehenden Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, für die Erstattung von Verkehrsanwaltsgebühren in Verwaltungsverfahren fehle eine Rechtsgrundlage.

5

Gegen diesen ihren Verfahrensbevollmächtigten am 19. April 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 3. Mai 2010 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Sie trägt u.a vor, auch in Markensachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt müsse ein Verkehrsanwalt erstattet werden.

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Die Antragstellerin beantragt,

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1. die Beschlüsse der Markenstelle insoweit aufzuheben, als die Kosten für die britischen Verkehrsanwälte nicht festgesetzt worden seien,

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2. die Erstattungsfähigkeit der Gebühren der genannten britischen Verkehrsanwälte in Höhe von 1.379,80 € festzustellen.

9

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie trägt vor, das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sehe keine Erstattung britischer Verkehrsanwälte im Verwaltungsverfahren vor. Die deutschen Bevollmächtigten der Antragstellerin seien federführend tätig geworden und kompetent genug gewesen, das Verfahren allein durchzuführen. Die Sache sei nicht besonders schwer gewesen.

II.

12

Die nach §§ 66, 63 Abs. 3 Satz 3 und 4 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

13

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind im Verwaltungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt Kosten erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren.

14

Diese Formulierung entspricht der in §91 ZPO, auf die in Zivilverfahren die Erstattung von Verkehrsanwaltskosten gestützt wird. Es bedarf auch im Verwaltungsverfahren keiner besonderen Norm, die eine Erstattungsfähigkeit ausdrücklich begründet. Maßgeblich ist allein die Notwendigkeit.

15

Notwendig im Sinn der genannten Kostenbestimmungen sind zwar grundsätzlich nur die durch Zuziehung eines (Patent- oder Rechts-)Anwalts entstandenen Kosten. Hier liegen aber besondere Gründe vor, die es rechtfertigen, die Kosten für die Beauftragung eines weiteren Anwalts mit dem Tätigkeitsbereich eines Verkehrsanwalts als zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte eines Beteiligten als notwendig anzusehen.

16

Die Notwendigkeit ist aus der Sicht eines kostenbewussten Beteiligten zu beurteilen, wobei Ausländer regelmäßig eines Verkehrsanwalts bedürfen (vgl. OLG München Rechtspfleger 1979, 465, 466; KG WRP 2008, 1263 – Schweizer Rechtsanwalt; OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 1581; BPatG, Beschluss vom 24. 11. 1998, Az: 5 W (pat) 18/98 - Verkehrsanwalt). Für einen Beteiligten aus dem Ausland ist es nämlich oft notwendig, die Mitwirkung eines Anwalts vor Ort in Anspruch zu nehmen, der die erforderlichen sprachlichen Voraussetzungen mitbringt und über die notwendigen Fachkenntnisse auf dem dem Beteiligten fremden Rechtsgebiet des deutschen Rechts verfügt.

17

Gerade bei gewerblichen Schutzrechten kommt es häufig auf einen direkten Gedankenaustausch zwischen dem anwaltlichen Vertreter und dem Mandanten an, um alle Probleme zutreffend zu erfassen und ihre Lösung zu fördern. Der direkte rechtskundige Ansprechpartner kann dann einen sinnvollen und hinreichend sicheren Informationsfluss zum Anwalt am Gerichtsort sicherstellen.

18

Für die in Großbritannien ansässige Antragsgegnerin war daher die Beauftragung des britischen Anwalts neben dem deutschen Inlandsvertreter notwendig, denn es entsprach ihrem Interesse, in ihrer Nähe einen sachkundigen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen, der die zur Verfahrensführung erforderlichen Informationen aufnehmen und weiterleiten konnte und über die Voraussetzungen verfügte, um sich mit dem deutschen Inlandsvertreter über die sachgerechte Förderung des Verfahrens zu verständigen. Aufgabe des Verkehrsanwalts am Geschäftsort der Partei ist es, die Korrespondenz mit dem Prozessbevollmächtigten am Gerichtsort zu führen. Die Notwendigkeit seiner Beiziehung beruht darauf, dass die Partei bei rein telekommunikativem Vorgehen nicht sicher sein kann, zu erkennen, auf welche Tatsachen es ankommt, welche Strategien ihr zur Verfügung stehen bzw. Erfolg versprechend sind und welche Kostenrisiken sie damit eingeht. Sie darf deshalb einen Anwalt vor Ort einschalten, um den am Gerichtsort zu informieren (BGH NJW 1988, 1079, 4. b; Mitt 2004, 395, II. 3. a. bb; OLG Frankfurt/M. OLGR 1993, 90). Eine ausländische Partei kann sich sogar in jeder Instanz eines Verkehrsanwalts bedienen (OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 1581), während für den Inländer in der nächsthöheren Instanz zusätzlich ein neuer Prozessstoff gefordert wird.

19

Dass für Verwaltungsverfahren, in denen jeder Anwalt auftreten kann, nichts anderes gilt, zeigt auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten nach Erweiterung der Postulationsfähigkeit bei den Landgerichten auf alle bei einem Land- oder Amtsgericht zugelassenen Rechtsanwälte seit 1. Januar 2000 und bei den Oberlandesgerichten auf alle bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwälte seit 1. August 2002. Dies hat nämlich nicht dazu geführt, strengere Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten zu stellen, weil es einem auswärtigen Anwalt oft nicht zumutbar ist, wegen einer relativ geringen Kostendifferenz zu reisen. Viele Anwälte könnten sonst von der Annahme des Mandats abgehalten werden (OLG München MDR 2002, 1092).

20

Auch das im Verwaltungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geltende Amtsermittlungsprinzip macht einen Verkehrsanwalt bei Ausländern nicht entbehrlich. Trotzdem ist es für den Ausländer wichtig, die maßgeblichen Tatsachen vollständig zu eruieren und vorzulegen. Soweit das VG München (Beschluss vom 18. 02. 1999, Az: M 6 K 97.6525) die Notwendigkeit der Einschaltung eines Verkehrsanwalts als regelmäßig verneint bezeichnet, ist dies nicht auf das Amtsermittlungsprinzip gestützt, sondern allein auf die unbeschränkte Postulationsfähigkeit, was der oben dargestellten Rechtsprechung nach der Erweiterung der Postulationsfähigkeit vor Land- und Oberlandesgerichten nicht mehr entspricht und für Ausländer ohnehin noch kritischer zu sehen wäre.

21

Bei den im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Kosten in Höhe von 1.379,80 € hat die Antragstellerin zurecht berücksichtigt, dass die einem deutschen Verkehrsanwalt zustehende Gebühr nicht überschritten werden darf (Benkard, Patentgesetz, 9. Aufl., § 84).

22

Die Verkehrsanwaltsgebühr gemäß Nr. 3400 VV RVG beträgt aber höchstens 1,0. Diese Kappung beruht auf der gesetzlichen Beschränkung des Pflichtenkreises; Prozessführung und die damit verbundene Beratung sind ja vom Prozessbevollmächtigten wahrzunehmende Aufgaben.

23

Dass die Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts maximal in Höhe der nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstandenen Gebühren zu erstatten sind (KG WRP 2008, 1263 - Schweizer Rechtsanwalt; OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 1581; OLG München AnwBl 1999, 352), hat auch für das Verwaltungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu gelten. Die Übernahme der RVG-Gebühren in den auf mehrseitige administrative Schutzrechtsverfahren folgenden Kostenfestsetzungsverfahren kann als inzwischen etabliert bezeichnet werden. Die geltend gemachte 1,3 Gebühr von 1.359,80 € ist damit nicht festzusetzen, sondern nur eine 1,0-Gebühr von 1.046,00 €. Nr. 3400 VV RVG beschränkt die Verfahrensgebühr für den Verkehrsanwalt auf 1,0 - unabhängig davon, ob die Verfahrensgebühr für den Verfahrensbevollmächtigten bei 1,3 oder höher liegt. Damit kann in Fällen, in denen der Verfahrensbevollmächtigte eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG verdient, keinesfalls mehr als eine 1,0-Geschäftsgebühr angesetzt werden. Allgemein folgt die Gebühr des Verkehrsanwalts der des Verfahrensbevollmächtigten (Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., VV 3400 Rn. 44). Die 1,0-Gebühr erscheint vorliegend auch angemessen.

24

Hinzu kommt die Pauschale von 20 € nach Nr. 7002 VV RVG.

25

Mehrwertsteuer hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht.

26

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren gemäß § 84 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 1 ZPO nach dem Grad des Unterliegens verhältnismäßig 3:1 zu teilen.

27

Die Antragstellerin hatte 1.379,80 € beantragt und hat mit 1.066 € obsiegt; dementsprechend waren ihr 1/4 der Kosten des Beschwerdeverfahrens, dem Antragsgegner 3/4 aufzuerlegen (§ 92 Abs. 1 ZPO).