Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.09.2013


BPatG 16.09.2013 - 27 W (pat) 76/12

Markenbeschwerdeverfahren – "ZOOM (Wort-Bild-Marke)/ZOOM" – zur rechtserhaltenden Benutzung – zur Warenähnlichkeit von Printmedien zu Papier für Kopierzwecke - keine Verwechslungsgefahr – zur Kostenentscheidung – Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
16.09.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 76/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 3. Juli 2014, Az: I ZB 77/13, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 022 277

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Kopacek

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Mai 2012 wird aufgehoben, soweit die teilweise Löschung der Marke 30 2009 022 277 für die Waren „Printmedien, nämlich Druckschriften, Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Fotografien“ angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Marke 2 105 590 wird zurückgewiesen.

2. Der Kostenantrag der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 15. April 2009 angemeldete und am 17. September 2009 u. a. für die Waren

2

„Printmedien, nämlich Druckschriften, Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Fotografien“

3

eingetragene farbige (schwarz, blau) Wort-/Bildmarke 30 2009 022 277 (veröffentlicht am 23. Oktober 2009)

Abbildung

4

hat die Widersprechende aus ihrer am 9. Oktober 1993 angemeldeten und am 2. März 1999 für die Waren

5

„Papier für Schreib-, Kopier- und Bürozwecke“

6

eingetragenen Wortmarke 2 105 590

7

ZOOM

8

Widerspruch eingelegt, der sich nur gegen die vorgenannten Waren der angegriffenen Marke richtet.

9

Die Markeninhaberin hat mit Schriftsatz vom 26. April 2010 die Nichtbenutzungseinrede gegen die Widerspruchsmarke bis auf die Ware „Papier für Kopierzwecke“ erhoben.

10

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das angegriffene Zeichen mit Beschluss vom 10. Mai 2012 für die angegriffenen Waren gelöscht und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.

11

Die Markenstelle hält die Marken für verwechselbar, wobei sie auf Seiten der Widerspruchsmarke nur von der Ware „Kopierpapier“ ausgegangen ist, da eine rechtserhaltende Benutzung für die übrigen Widerspruchswaren nicht glaubhaft gemacht worden sei.

12

„Papier für Kopierzwecke“ sei mit den angegriffenen Waren ähnlich. Die Ware „Papier für Kopierzwecke“ einerseits und die Waren „Druckschriften, Druckerzeugnisse“, welche auch ohne Weiteres Briefpapier, Quittungsblöcke und Glückwunschkarten usw. umfassen könnten, würden regelmäßig zusammen mit Druckerpapier und in Bürobedarfs- und Schreibwarengeschäften angeboten, wie sich aus einer dem Beschluss beigefügten Anlage ergebe. Auch hinsichtlich der Nutzung und Herstellung bestünden Berührungspunkte. Unbedrucktes (Kopier-)Papier könne in der privaten bzw. geschäftlichen Korrespondenz Verwendung finden. Auch sei mit der Einführung des Digitaldrucks für den durchschnittlichen Verbraucher eine Unterscheidung zwischen einem Papier, welches für ein Druckereierzeugnis im Sinne eines in einem Druckbetrieb gefertigten Produkts und Papier, welches am privaten Computer oder in einem Kopiergeschäft bedruckt werden solle, oft nicht mehr möglich.

13

Mangels abweichender Anhaltspunkte gehe die Markenstelle von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Für Kopierpapier würden die Verkehrskreise den Begriff „ZOOM“ nicht als Sachhinweis verstehen, da er über Kopierpapier nichts aussage. Aber selbst bei einer zugunsten der jüngeren Marke unterstellten verringerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe die Gefahr von Verwechslungen, weil die Marken zu ähnlich seien. Es bestehe Verwechslungsgefahr, weil die Marken durch die klangliche und begriffliche Übereinstimmung in ihren selbständig kollisionsbegründenden Bestandteilen zu ähnlich seien.

14

Das Erscheinungsbild der jüngeren Wort-/Bildmarke werde ohne Weiteres durch das Wort „ZOOM“ beherrscht. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Verkehr beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen die betreffende Marke in der Regel mit dem Wort als einfachste und kürzeste Bezeichnungsform benenne. Vorliegend bestehe dafür für den Verkehr umso mehr Veranlassung, weil der Bildbestandteil - das blaue Dreieck - innerhalb der angegriffenen Marke bereits größenmäßig zurücktrete.

15

Damit seien bei mündlicher Benennung Verwechslungen zwischen der jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke bezüglich der fraglichen ähnlichen Waren unumgänglich.

16

Der Beschluss wurde der Markeninhaberin am 23. Mai 2012 zugestellt.

17

Die Markeninhaberin hat am 18. Juni 2012 Beschwerde eingelegt. Sie hält die Marken für nicht verwechselbar. Eine Verwechslungsgefahr scheitere bereits an den unterschiedlichen Waren. Die handwerkliche und industrielle Papierproduktion habe mit dem inhaltlichen Erstellen eines wissenschaftlichen oder fachkundlichen Werkes nach dem Urhebergesetz nichts zu tun.

18

Zu berücksichtigen sei auch, dass die Wortmarke „ZOOM“ für den Film- und Fotobereich wegen eines Freihaltungsbedürfnisses nicht eintragungsfähig sei. Dies müsse auch für mit dem Film- und Fotobereich ähnliche Waren gelten.

19

Weiterhin sei das Vorliegen einer Duldungsvereinbarung zu berücksichtigen. Da sich die Widersprechende zur Duldung der angegriffenen Marke verpflichtet habe, sei die Fortsetzung des Widerspruchsverfahrens rechtsmissbräuchlich gewesen.

20

Die Markeninhaberin beantragt,

21

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Widersprechenden die Verfahrenskosten aufzuerlegen,

22

hilfsweise das Warenverzeichnis in der Klasse 16 wie folgt zu beschränken:

23

„Printmedien, Druckschriften, Druckerzeugnisse, nämlich Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Fotografien“

24

oder weiter hilfsweise:

25

„Printmedien, Druckschriften, Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, insbesondere Fachzeitschriften und Fachbücher, Fotografien“

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höchst hilfsweise als:

27

„Printmedien, Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, insbesondere Fachzeitschriften und Fachbücher, Fotografien, jedoch ausgenommen unbedrucktes Papier (Papier für Schreib-, Kopier- und Bürozwecke).“

28

Die Widersprechende beantragt,

29

die Beschwerde zurückzuweisen.

30

Sie bestreitet die Behauptung der Markeninhaberin, dass zwischen den Parteien eine Abgrenzungsvereinbarung geschlossen worden sei.

31

Die Markenstelle habe auch zu Recht eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht. Dabei sei sie zutreffend von einer Warenähnlichkeit ausgegangen, für deren Beurteilung es nicht auf einzelne konkret benutzte Waren, sondern auf das jeweilige Warenverzeichnis ankomme.

32

In Bezug auf die Kennzeichen bestehe in klanglicher und begrifflicher Hinsicht Identität. Auch in schriftbildlicher Hinsicht würden die bildlichen Elemente der Anmeldemarke, die angefügte Darstellung eines Pfeils bzw. Dreiecks, allein schon aufgrund der Größe, nichts am identischen Gesamteindruck der Vergleichszeichen ändern.

33

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke habe die Markenstelle zu Recht als durchschnittlich angesehen, da der Begriff „ZOOM“ die Widerspruchswaren nicht beschreibe.

II.

34

Da die Beteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben und diese nach Wertung des Senats auch nicht geboten ist, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

35

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann eine Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.

36

1. Die im Amtsverfahren von der Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 26. April 2010 erhobene Nichtbenutzungseinrede gegen die Widerspruchsmarke mit Ausnahme von Kopierpapier ist zulässig, nachdem die fünfjährige sog. Benutzungsschonfrist der am 2. März 1999 eingetragenen Widerspruchsmarke zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Da die Widersprechende keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung für die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG maßgeblichen Zeiträume (Oktober 2004 bis Oktober 2009 und August 2008 bis August 2013) eingereicht hat, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke nur die Ware „Papier für Kopierzwecke“ zu berücksichtigen, für die eine rechtserhaltende Benutzung nicht bestritten wurde.

37

2. Zutreffend hat die Widersprechende darauf hingewiesen, dass der Tenor des angegriffenen Beschlusses fehlerhaft ist, soweit es dort unter Ziffer 2 heißt: „Im Übrigen wird der Widerspruch zurückgewiesen.“ Eine teilweise Zurückweisung des Widerspruchs war nicht auszusprechen, da der Widerspruch ausweislich der Ziffer 1 des Tenors im eingelegten Umfang Erfolg hatte.

38

3. Die Eintragung einer Marke ist gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2005, 419, 422 - Räucherkate). Eine Verwechslungsgefahr kann jedoch nicht angenommen werden, wenn entweder die Vergleichszeichen oder die von ihnen erfassten Waren gänzlich unähnlich sind (BGH GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS).

39

Die Ähnlichkeit der jeweils beanspruchten Waren ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren zu ermitteln, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere ihre Beschaffenheit, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon); daneben können auch ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, die Vertriebs- oder Erbringungsart sowie ihre wirtschaftliche Bedeutung Berücksichtigung finden. Abzustellen ist dabei vor allem darauf, ob zwischen den jeweils angebotenen Produkten so enge Beziehungen bestehen, dass sich den Abnehmern, wenn sie die Waren mit denselben Zeichen gekennzeichnet wahrnehmen, der Schluss aufdrängt, dass die Waren vom selben oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 924, Nr. 29 - Canon).

40

4. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr wegen der fehlenden Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren nicht angenommen werden. Der Senat hält die Widerspruchsware „Papier für Kopierzwecke“ entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht für ähnlich mit den angegriffenen Waren „Printmedien, nämlich Druckschriften, Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Fotografien“.

41

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit kommt es zwar entgegen der Auffassung der Markeninhaberin nicht darauf an, wie und wofür die Markeninhaberin ihre Marke benutzt. Maßgeblich ist allein das für die Marke registrierte Warenverzeichnis.

42

Die Rechtsprechung zum Verhältnis von „Papier, Papierwaren“ zu „Druckereierzeugnissen, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher“ ist unterschiedlich (s. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 15. Aufl. S. 215 - 217). Es finden sich dort Entscheidungen, bei denen eine Ähnlichkeit bejaht wurde (HABM BKR 650/09-1), bei denen von einer erheblichen Warenferne die Rede ist (BPatG 30 W (pat) 79/96; BPatG 27 W (pat) 276/93; BGH I ZB 33/96, GRUR 1999, 733) und bei denen eine Ähnlichkeit verneint wurde (vgl. HABM BKR 307/02 - 2; BPatG 24 W (pat) 463/61; HABM BKR 606/05 - 2; HABM BKR 316/07 - 2). Bejaht wurde eine Ähnlichkeit auch in den von der Widersprechenden im Amtsverfahren vorgelegten Entscheidungen 29 W (pat) 147/05, 29 W (pat) 98/06 und 29 W (pat) 129/04.

43

Der Senat hält im vorliegenden Fall eine Ähnlichkeit der einander sich gegenüberstehenden Waren für nicht gegeben, da es auf Seiten der Widerspruchsmarke um die sehr spezielle Ware „Papier für Kopierzwecke“ und bei der angegriffenen Marke um den Oberbegriff „Printmedien“ geht.

44

Das hier angesprochene allgemeine mit Inhalten versehene Publikum erwartet nicht, dass der Hersteller von Kopierpapier gleichzeitig auch Printmedien herausgibt. Allein der Umstand, dass es Geschäfte gibt, in denen der Verbraucher sowohl Printmedien als auch Kopierpapier, das nach seiner Zweckbestimmung unbedruckt und ohne Inhalt, allenfalls Farbe, Dekorationselemente oder Wasserzeichen aufweist, erwerben kann, begründet noch keine Ähnlichkeit. Kopierpapier und Printmedien sind weder miteinander konkurrierende noch einander ergänzende Produkte. Der Verbraucher wird nicht annehmen, dass diese Waren vom selben oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

45

Nachdem eine Verwechslungsgefahr somit bereits an der fehlenden Warenähnlichkeit scheitert, kommt es auf die Fragen nach der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die der Senat ebenso wie die Markenstelle für durchschnittlich hält, und die Markenähnlichkeit nicht mehr an.

46

5. Der Antrag der Markeninhaberin, der Widersprechenden die Verfahrenskosten aufzuerlegen, ist zurückzuweisen, da dafür gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG kein Anlass besteht. Im Hinblick auf die aufgezeigte unterschiedliche Rechtsprechung zur Warenähnlichkeit der hier relevanten Waren ist das Vorgehen der Widersprechenden nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Rechtsmissbrauch ergibt sich entgegen der Auffassung der Markeninhaberin auch nicht aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Abgrenzungsvereinbarung, da diese nicht zustande gekommen ist, wie sich aus dem Vortrag der Widersprechenden ergibt.

47

6. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aufgrund der aufgezeigten unterschiedlichen Rechtsprechung zum Verhältnis von Papierwaren zu Druckereierzeugnissen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Frage der Warenähnlichkeit zugelassen.