Entscheidungsdatum: 08.11.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 037 074.2
(hier: Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin am Landgericht Werner
beschlossen:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die am 6. Juni 2008 für Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 angemeldete Wortmarke
rebel-art gallery
hat die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 16. Juni 2010 wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen. In der Rechtsbehelfsbelehrung dieses Beschlusses wurde die Anmelderin über die möglichen Rechtsbehelfe der Erinnerung oder der Beschwerde, die hierfür zu zahlenden Gebühren und die Rechtsfolgen der nicht vollständigen Zahlung oder Nichtzahlung belehrt.
Der Beschluss wurde den Bevollmächtigten der Anmelderin am 21. Juni 2010 per Empfangsbekenntnis zugestellt.
Die Anmelderin hat gegen den Beschluss mit per Telefax am 20. Juli 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 20. Juli 2010 Beschwerde eingelegt. In dem von ihrem Rechtsanwalt unterschriebenen Schriftsatz heißt es:
"Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 150,00 € wurde bereits am 19. Juli 2010 elektronisch überwiesen."
Ausweislich der in den Akten befindlichen Zahlungsanzeige wurde am 20. Juli 2010 ein Betrag i. H. v. 150,00 € für ein Erinnerungsverfahren gezahlt.
Die Rechtspflegerin des Senats hat die Bevollmächtigten der Anmelderin mit Schreiben vom 15. September 2010 darüber informiert, dass die tarifmäßige Gebühr in Höhe von 200,00 € nicht vollständig gezahlt worden sei. Bei dieser Sachlage werde festzustellen sein, dass die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingereicht gelte.
Die Anmelderin hat mit Schriftsatz vom 23. September 2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die für die Beschwerde einzuzahlende Gebühr in Höhe von 200,00 € sei aufgrund eines Büroversehens lediglich in Höhe von 150,00 € eingezahlt worden. Eine Mitarbeiterin, die im Büro der Bevollmächtigten seit acht Jahren und seit 1978 als Rechtsanwaltsfachangestellte bei Anwälten arbeite, habe Anweisung gehabt, die Beschwerdegebühr in Höhe von 200,00 € zu überweisen. Sie habe immer zur vollsten Zufriedenheit und ohne jegliche Beanstandung gearbeitet.
Es liege nahe, dass die Beschwerdegebühr mit der Erinnerungsgebühr verwechselt worden sei. Die Anmelderin bittet darum nachzulassen, den Mangel zu beheben.
Dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügt ist eine von der Mitarbeiterin Frau S… unterschriebene Eidesstattliche Versicherung vom 23. September 2010, in der es u. a. heißt:
"Seit letztem Jahr werden die Überweisungen online durchgeführt. Nach Anweisung überweise ich die entsprechenden Zahlungen selbständig, so dass dem entsprechenden Sachbearbeiter der Vorgang nicht mehr vorgelegt wird. Eine Überprüfung der Höhe der Überweisung durch den Sachbearbeiter findet somit nicht mehr statt.
In diesem Fall hatte ich Anweisung von Herrn S1…, die Gebühr für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 200,00 € anzuweisen. Es ist mir in all den Jahren zum ersten Mal passiert, dass ich mich bei der Überweisung der Beschwerdegebühr geirrt habe. Ich habe wohl die Beschwerdegebühr mit der Erinnerungsgebühr verwechselt.
Ich kann mir dieses Versehen nicht erklären und nur vermuten, dass ich im Zusammenhang mit dieser Überweisung abgelenkt war, so dass es deshalb zu dem Irrtum gekommen ist."
Eine Zahlung der Gebührendifferenz i. H. v. 50,00 € ist am 24. September 2010 erfolgt.
II.
Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet, weil ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vorliegt. Im Hinblick auf die versäumte Frist zur Zahlung der vollständigen Beschwerdegebühr war gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Die Rückzahlung des bezahlten Betrags von 200,00 € war anzuordnen.
1. Nach § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG, § 66 Abs. 2 MarkenG war die Beschwerdegebühr in Höhe von 200,00 € innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle zu bezahlen. Die Anmelderin hat den mit Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG) zugestellten Beschluss am 21. Juni 2010 erhalten. Die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr i. H. v. 200,00 € endete demnach am 21. Juli 2010. Die Anmelderin hat am 20. Juli 2010 jedoch nur einen Teilbetrag i. H. v. 150,00 € bezahlt. Den Differenzbetrag i. H. v. 50,00 € hat sie am 24. September 2010 gezahlt.
Rechtsfolge der nicht vollständigen Zahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Darauf wurde die Anmelderin bereits in der Rechtsbehelfsbelehrung des Beschlusses der Markenstelle hingewiesen.
2. Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr bleibt ohne Erfolg, weil ein Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 91 Abs. 1 MarkenG nicht gegeben ist. Aufgrund des Akteninhalts kann nämlich nicht festgestellt werden, dass die Anmelderin ohne Verschulden an der rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr gehindert war.
Grundsätzlich ist dem Verfahrensbeteiligten nicht nur sein eigenes Verschulden, sondern auch dasjenige seiner Vertreter zuzurechnen. Soweit es sich wie hier um Rechts- oder Patentanwälte handelt, sind an deren Sorgfaltspflichten, welche auch die Büroorganisation umfassen, nach der Rechtsprechung hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 91 Rn. 13 ff.). Danach obliegen alle Aufgaben, welche der ordnungsgemäßen Fristwahrung dienen, grundsätzlich dem Rechts- oder Patentanwalt persönlich; eine Delegation auf das Büropersonal ist nur zulässig, soweit es sich um einfachere und weniger bedeutsame Funktionen handelt und die beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut ausgebildet und zuverlässig sind. Soweit Hilfskräfte mit Tätigkeiten betraut werden dürfen, muss es sich um für die jeweilige Aufgabe konkret bestimmtes, geschultes, zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handeln (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 91 Rn. 15).
Nach diesen Grundsätzen lässt sich nicht feststellen, dass die Anmelderin an der rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr ohne Verschulden gehindert war. Der Senat hat bereits Bedenken, ob die pauschale Behauptung in dem Wiedereinsetzungsantrag, das Fristversäumnis beruhe auf einem Büroversehen einer langjährigen Mitarbeiterin, die sonst immer zur vollsten Zufriedenheit und ohne jegliche Beanstandung gearbeitet habe, den hohen Anforderungen genügt, die an den Nachweis der Erfüllung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten zur Einhaltung von Fristen zu stellen sind. Es fehlt nämlich jeglicher Vortrag, ob und wie die Mitarbeiterin sorgfältig überwacht worden ist.
Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an, da sich aus dem Beschwerdeschriftsatz der Anmelderin vom 20. Juli 2010 eindeutig ergibt, dass die unvollständige Zahlung der Beschwerdegebühr auf einem eigenen Verschulden des Bevollmächtigten der Anmelderin beruht. In dem von Herrn Rechtsanwalt S1… eigenhändig unterschriebenen Schriftsatz heißt es nämlich:
"Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 150,00 € wurde bereits am 19. Juli 2010 elektronisch überwiesen."
Der Rechtsanwalt selbst war demnach der irrigen Auffassung, die Gebühr für das Beschwerdeverfahren betrage 150,00 €. Die Unkenntnis der einschlägigen Vorschriften stellt prinzipiell keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Gesetzesunkenntnis oder ein Rechtsirrtum stellen prinzipiell keine Wiedereinsetzungsgründe dar, zumal es insbesondere in speziellen Rechtsgebieten - wie dem Markenrecht - zur verkehrsüblichen Sorgfalt gehört, sich entsprechend sachkundig zu machen (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 91 Rn. 17, 18). Diese Sorgfaltspflicht hat der Rechtsanwalt der Anmelderin hier schuldhaft verletzt.
3. Aufgrund der nicht rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr und der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags war gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt.
4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war anzuordnen, da für die als nicht eingelegt geltende Beschwerde eine Gebühr nicht geschuldet und daher die nicht vollständig gezahlte Beschwerdegebühr ohne Rechtsgrund entrichtet worden ist (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 66 Rn. 47).