Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.03.2014


BPatG 11.03.2014 - 27 W (pat) 551/13

Markenbeschwerdeverfahren – "ProPresence" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
11.03.2014
Aktenzeichen:
27 W (pat) 551/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung Nr. 30 2013 017 992

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht sowie des Richters Hermann und des Richters k.A. Schmid

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juni 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

ProPresence

3

ist am 15. Februar 2013 für die Dienstleistungen

4

35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten, Beratung

5

41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten: Seminare & Workshops zur beruflichen und privaten Weiterentwicklung, sowie zu gesundheitsfördernden Maßnahmen

6

42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Gutachten, Analyse- und Forschungsdienstleistungen zu den Themen: psychisches und körperliches Wohlbefinden, gesundheitsfördernde Maßnahmen, Stress, Resilienz und Spiritualität

7

44: Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen, medizinische Beratung und Coaching zu den Themen: Stress Management, Burnout-Prävention, psychisches und körperliches Wohlbefinden

8

zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister angemeldet worden.

9

Die Markenstelle für Klasse 41 hat die Anmeldung durch Amtsbescheid vom 18. März 2013 beanstandet, da das Dienstleistungsverzeichnis entgegen den Anforderungen nach § 20 Abs. 1 und 3 MarkenV teilweise unzutreffend klassifiziert und teilweise nicht hinreichend bestimmt gefasst sei. Ferner erschöpfe sich das angemeldete Wort in einer dienstleistungsbezogenen Angabe und sei daher nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Die Marke weise als im Inland verständlicher und sprachüblich aus den englischen Wörtern „Pro“ und „Presence“ gebildeter Hinweis in der Bedeutung „für Präsenz“ auf den Zweck der beanspruchten Dienstleistungen, das persönliche Auftreten zu schulen oder zu stärken, hin.

10

Nachdem der Anmelder sich nicht innerhalb der Äußerungsfrist erklärt hat, hat die Markenstelle die Anmeldung aus den im Beanstandungsbescheid angegebenen Gründen durch Beschluss vom 21. Juni 2013 zurückgewiesen.

11

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Beschwerde macht der Anmelder geltend, die angenommene Bedeutung „für Präsenz“ beruhe auf einer unzulässigen Begriffsanalyse und stehe in keinem unmittelbar erkennbaren Zusammenhang zu den beanspruchten Dienstleistungen. Auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG komme mangels beschreibenden Bezugs nicht zur Anwendung.

12

In der mündlichen Verhandlung erklärt der Anmelder, die Eintragung auf der Grundlage des folgenden Dienstleistungsverzeichnis zu beantragen:

13

35: Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten, organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung

14

41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Organisation und Veranstaltung von Seminaren und Workshops zur beruflichen und privaten Weiterentwicklung sowie zu gesundheitsfördernden Maßnahmen; Coaching zu den Themen: Stressmanagement, Burnout-Prävention, psychisches und körperliches Wohlbefinden

15

42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten; Erstellen von Gutachten, Analyse- und Forschungsdienstleistungen zu den Themen: psychisches und körperliches Wohlbefinden, gesundheitsfördernde Maßnahmen, Stress, Resilienz und Spiritualität

16

44: Gesundheitspflege für Menschen, medizinische Beratung zu den Themen: Stress Management, Burnout-Prävention, psychisches und körperliches Wohlbefinden.

17

Er beantragt,

18

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

II.

19

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nach Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses Erfolg und führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses der Markenstelle.

20

Die zutreffend durch die Markenstelle beanstandeten Gruppierungs- und Klarheitsmängel des zunächst eingereichten Dienstleistungsverzeichnisses (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 3 MarkenG i.V.m. § 20 MarkenVO) hat der Anmelder durch Vorlage des überarbeiteten Verzeichnisses, dessen Veränderungen lediglich Klar-stellungen und Beschränkungen beinhalten, ausgeräumt.

21

Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG i.V.m. § 37 Abs. 1 MarkenG stehen der Eintragung auf der Grundlage des Dienstleistungsverzeichnisses, für das die Eintragung zuletzt beantragt ist, nicht entgegen.

22

1. Die angemeldete Wortmarke ist nicht als ein Zeichen, das der Beschreibung der Zweckbestimmung der angemeldeten Dienstleistungen bzw. bezogen auf Kl. 42 des Forschungsgegenstands dienen kann, von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, § 37 Abs. 1 MarkenG).

23

Angaben, die zur Bezeichnung von Merkmalen der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen, sollen alle Anbieter frei verwenden können.

24

Eine Marke, die eine sprachliche Neuschöpfung mit mehreren Bestandteilen bildet, von denen jeder Merkmale der Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, hat selbst einen die Merkmale der Dienstleistungen beschreibenden Charakter, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe der Bestandteile besteht (EuGH GRUR Int. 2010, 506 Rn. 61 f. – Color Edition).

25

In diesem Zusammenhang ist maßgebend, ob der Begriffssinn den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hulka) unmittelbar verständlich ist. Dabei darf einerseits die Verständnisfähigkeit des Publikums nicht zu gering angesetzt werden). Andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Publikum die Marke einer näheren analysierenden Betrachtung unterzieht (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 298).

26

Nach diesen Grundsätzen fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das angemeldete Zeichen als beschreibende Angabe dienen kann.

27

a) Es war vorliegend auch die mögliche Bedeutung des angemeldeten Zeichens als Abkürzung des englischsprachigen Begriffs „professional presence“ in Betracht zu ziehen.

28

Der Begriff „professional presence“ entspricht dem etablierten Ausdruck „professionelles Auftreten“ und benennt damit eine zentrale berufliche Kompetenz, die insbesondere das Ausbildungsziel von Schulungen (Kl. 41) anzeigen kann.

29

Der Stellenwert des Begriffs als sachbezogene Angabe geht aus folgenden bei-spielhaften Buch- oder Aufsatztiteln hervor:

30

Susan Bixler, “5 Steps to a Professional Presence: How to Project Confidence, Competence and Credibility at Work”

31

Peggy Noe Stevens, “Professional Presence: A Four-Part Program for Building Your Personal Brand Hardcover”

32

“Increasing your professional Presence”, http://www.hmc.edu/files/chemistry/Professional_Presence.pdf

33

“Professional Presence in the workplace” http://www.employeedevelopmentsystems.com/p-240-professional-presence-in-a-casual-world-facilitator-guide.aspx

34

Ungeachtet des nahe liegenden Bedürfnisses, diesen unverkürzten Ausdruck auch im Inland zu nutzen, ist jedoch nicht ersichtlich, dass auch das angemeldete Zeichen tatsächlich beschreibend eingesetzt werden kann, wobei die gebundene Schreibweise der als solcher erkennbaren Bestandteile „Pro“ und „Presence“ als werbeübliche Wiedergabeform zu bewerten ist (vgl. Beschluss vom 9. April 2002, BPatG 27 W (pat) 273/00 – ProRaid).

35

Zwar ist lexikalisch belegt, dass „pro“ im Englischen neben verschiedenen anderen Bedeutungen u.a. als Abkürzung des Adjektivs (oder Substantivs) „professional“ benutzt wird (z.B. dict.leo.org). Allerdings ist nicht zu erkennen, dass diese Verwendung in jedwedem Zusammenhang Platz greifen würde oder sie uneingeschränkter Verallgemeinerung zugänglich wäre. Soweit ersichtlich, begegnet die Komponente im Englischen als Hinweis auf einen professionellen Standard im Kontext von IT-Ausstattung (siehe z.B. BPatG a.a.O. – ProRaid) oder in Bezug auf andere technische und Sportgeräte (s. BPatG 24 W (pat) 64/09 – PROWELD). Bezogen auf – demgegenüber klar abgrenzbare – persönliche Eigenschaften oder Merkmale einer Person wird die Abkürzung „pro-“ demgegenüber, soweit nach den Rechercheergebnissen des Senats ersichtlich, nicht als Sachangabe genutzt (vgl. auch Beschl. des Senats vom 31. Januar 2006, BPatG 27 W (pat) 33/05 – ProClip m.w.N.). Keine andere Bewertung ergibt sich bezogen auf eine Ableitung des Begriffs aus dem Französischen.

36

b) Das Verwendung des Begriffs „Pro“ in der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung im Sinn „für“ im Sinn von „zum Nutzen/Vorteil von“ ist im Englischen und Französischen in Einzelfällen als Bestandteil adjektivischer Wortzusammensetzungen, die persönliche Einschätzungen oder Haltungen ausdrücken, etwa pro-business (wirtschaftsgewogen), pro-European (europafreundlich), nachweisbar. Für eine vorrangig inhaltsbezogene Begriffsverwendung ohne spezifisch wertendes Element bestehen, zumal im Kontext der hier in Rede stehenden Dienstleistungen, demgegenüber keine Hinweise. Jedenfalls kann insoweit nicht von einer gängigen oder wenigstens nahe liegenden Wortbildung mit einem Inhalt, der sich ohne Weiteres eignet, die betroffenen Dienstleistungen zu beschreiben, ausgegangen werden.

37

Auch im Deutschen ist die Verwendung des Ausdrucks „pro“ in der Bedeutung „für“, „zum Nutzen“ auf Ausnahmefälle beschränkt, die regelmäßig lateinische Redewendungen betreffen (z.B. pro bono, pro forma). Ein in gewissem Umfang verfestigter Sprachgebrauch, der in Zusammenhang der Wahrnehmung eines englischsprachigen Begriffs aufgegriffen werden und zu dessen Verständnis führen könnte, ist – abgesehen von spezifischen Branchen, in denen insbesondere lateinische Sachangaben verbreitet sind (BPatG 30 W (pat) 41/08 – „Provisus“ im Bereich der Medizin) – jedenfalls im Bereich der angemeldeten oder verwandten Dienstleistungen nicht erkennbar (s. auch BPatG, Beschl. vom 9. April 2003, 32 W (pat) 29/02 – Pro leichtes Lernen; BPatG a.a.O. – ProClip).

38

Da die Benutzung des angemeldeten fremdsprachigen Begriff in den Ursprungs-ländern nicht festzustellen ist und sich eine sachbezogene Verwendung im konkreten Kontext aufgrund der spezifischen Verwendung der Komponente „pro-“ nicht ohne Weiteres anbietet, steht das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG der Eintragung nicht entgegen.

39

2. Dem angemeldeten Zeichen kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

40

Soweit der Begriff in den o.g. Wortbedeutungen nicht zur Beschreibung der Dienstleistungen dienen kann, bestehen keine Anhaltspunkte für fehlende Unterscheidungskraft. Der fremdsprachigen Wortbildung entnehmen die maßgebenden inländischen Verkehrskreise keine unmittelbar erfassbare Bedeutung mit sachbezogenem Inhalt.

41

In Betracht zu ziehen ist über die o.g. Bedeutungen hinaus die im Englischen wie im Deutschen bekannte Sinnrichtung der Präposition „Pro“, die - ähnlich der o.g. Verwendung als Bestandteil englisch- oder französischsprachiger Adjektive - eine Zustimmung oder ein bekenntnishaftes Eintreten für eine bestimmte Position ausdrückt (z.B. Bürgerbewegung pro Köln; pro life). Allerdings steht dieser Sprachgebrauch dem Verständnis des Zeichens als Marke nicht entgegen. „Pro“ in diesem Sinn bezieht sich als Ausdruck einer Meinungsäußerung regelmäßig auf streitbare Wertungsfragen. Die Bezugnahme auf Umstände oder Eigenschaften, die gemeinhin als uneingeschränkt sinnvoll oder vorteilhaft bewertet werden, begründet einen ungewöhnlichen Verwendungszusammenhang, der dem angegebenen Begriffssinn einer Wertung zugunsten einer Position nicht entspricht.

42

Eine unmittelbar sachbeschreibende Angabe liegt insofern nicht vor, eher ein werbende Ansprache, von der aber schon im Hinblick auf die dem Begriff eigene Unklarheit nicht angenommen werden kann, dass sie stets nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH GRUR 1999, 1089 – YES).

43

Der angegriffene Beschluss ist daher aufzuheben.