Entscheidungsdatum: 26.07.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 064 385.7
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner am 26. Juli 2012
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Anmeldung der Wortmarke
Liegnitzer
hat die Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patent- und Markenamts teilweise, nämlich für die folgenden Waren der
Klasse 32:
Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 33:
Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);
mit Beschluss vom 5. März 2012 zurückgewiesen.
Das hat sie auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützt und damit begründet, die Prüfung geographischer Herkunftsangaben auf mögliche Schutzhindernisse richte sich vor allem nach den Beurteilungsmaßstäben, die der Europäische Gerichtshof in der Chiemsee-Entscheidung vorgegeben habe. Danach sei die Eintragung auch zu versagen, wenn die Benutzung des angemeldeten Zeichens als Sachangabe noch nicht zu beobachten sei, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen könne. Es komme darauf an, ob eine beschreibende Verwendung vernünftigerweise zu erwarten sei.
Bei "Liegnitz" handle es um den Namen einer Stadt in Polen, der als Herkunftsangabe in Betracht komme. Das angemeldete Zeichen sei sprachregelgerecht als adjektivische Form des Städtenamens gebildet. Es stehe bei den versagten Waren für "aus Liegnitz stammend". Aufgrund seiner Größe mit mehr als 100.000 Einwohnern sei anzunehmen, dass in Liegnitz mehrere Betriebe der Getränkeindustrie ansässig seien.
Dass es sich um den deutschen Namen der Stadt Legnica handle, sei unerheblich. Fremdsprachige geographische Herkunftsangaben würden sowohl in der Sprache des Herkunftslandes, als auch in der Sprache des Abnehmerlandes verwendet.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde vom 10. April 2012.
Er vertritt die Auffassung, Legnica, zu Deutsch Liegnitz, sei wie Carcavelos und Brno den deutschen Verbrauchern kaum bekannt, so dass es ebenso wie deren Namen als Marke schutzfähig sei. Keinesfalls werde der Ort Liegnitz mit Getränken in Verbindung gebracht. Die adjektivische Form sei dafür aber als Markenform üblich. Zudem könne "Liegnitzer" in einer markenmäßigen Form verwendet werden; Unterscheidungskraft sei damit nicht ausgeschlossen.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. März 2012 aufzuheben
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Angesichts der Größe, Struktur und Bedeutung der Stadt handelt es sich bei "Liegnitzer" um eine geografische Herkunftsangabe im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und damit um eine freihaltungsbedürftige Angabe, die einer markenrechtlichen Registrierung entgegensteht.
Denn bei den hier beanspruchten zum täglichen Bedarf zählenden Getränken haben die Verbraucher Anlass anzunehmen, die beanspruchten Waren stammten aus Liegnitz.
1.
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schließt von der Eintragung als Marke u. a. Angaben aus, die zur Bezeichnung der geographischen Herkunft dienen können.
Mit dem Ausschluss solcher Angaben vom Markenschutz verfolgt der Gesetzgeber das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass alle Marktteilnehmer alle unmittelbar warenbeschreibenden Angaben, einschließlich solcher über die geographische Herkunft, frei verwenden können. Die Zurückweisung einer Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt nicht voraus, dass die Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung bereits tatsächlich für die fraglichen Waren und Dienstleistungen oder für ihre Merkmale beschreibend verwendet werden. Es genügt vielmehr, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass die Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können (EuGH Mitt. 2004, 28, 29 – Doublemint). Bei der Prüfung der Frage, ob eine Ortsangabe zur Bezeichnung der geografischen Herkunft bestimmter Waren und Dienstleistungen dienen kann, sind nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Maßgeblich ist vielmehr auch, ob eine beschreibende Verwendung der fraglichen Angabe vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist, wobei ein Ausschluss von der Eintragung nicht voraussetzt, dass ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis besteht (EuGH GRUR 1999, 723, 726, Rn. 35 - Chiemsee). Notwendig, aber zugleich ausreichend sind insoweit Feststellungen zu den gegenwärtigen Verhältnissen und möglichen, nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungen, die eine beschreibende Verwendung der betreffenden Ortsangabe vernünftigerweise erwarten lassen (EuGH a. a. O. Rn. 31 und 37 - Chiemsee). Bei Namen von Ländern, Regionen, Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung benötigt werden können, denn eine Eignung, als geografische Herkunftsangabe zu dienen, kommt insbesondere den Namen bekannter Orte zu, bei denen nicht unwahrscheinlich ist, dass das Publikum eine Verbindung zu den beanspruchten Waren herstellen kann (EuGH a. a. O. Rn. 32 – Chiemsee; BGH GRUR 1994, 905, 907 – Schwarzwald-Sprudel; HABM-BK GRUR 2002, 351, 352 f. – Oldenburger; BPatG; Beschluss vom 16. November 2005, Az.: 26 W (pat) 155/03 - New York).
Dabei ist demnach maßgeblich, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung von Betrieben zur Produktion der beanspruchten Waren vernünftigerweise zu erwarten ist.
Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist nur dann nicht gegeben, wenn die betroffenen Waren mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise nicht in Verbindung gebracht werden können (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723, 726, Nr. 25, 31 - 34 - Chiemsee; BPatG GRUR 2006, 509, 510 - Portland; Ulimann, GRUR 1999, 666, 672).
Liegnitz steht für Legnica, einer Stadt in der Woiwodschaft Niederschlesien in Südwestpolen. Bedeutende Industriezweige sind die Textil- und Metallverarbeitung. Legnica mit über 100.000 Einwohnern ist Kreisstadt des Powiat Legnicki sowie Sitz des Bistums Legnica. Bis 1945 war Liegnitz Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks in der preußischen Provinz Schlesien und weist die Geschichte jedenfalls dreier größerer Brauereien aus (Liegnitzer Aktienbrauerei Piasten Pilsener, 1858 - 1945; Brau-Commune Liegnitz, 1345 - 1945; Brauerei Robert Rothkirch).
Entsprechend den genannten rechtlichen Anforderungen (vgl. auch EuGH GRUR 2010, 534, 536, Rn. 26 ff. - Pranahaus) können die angesprochenen Verbraucher bei "Liegnitz" sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug hinsichtlich der geographischen Herkunft sowie zwischen dem Zeichen und den beanspruchten Waren herstellen.
Wie die Markenstelle zutreffend ermittelt hat, verfügt Legnica über eine entsprechende Infrastruktur, für die bei Getränken ja keine besonders schwierigen Kriterien zu erfüllen sind.
Somit handelt es sich - auch unabhängig von der Brauereigeschichte der Stadt - nicht um eine bloße theoretische Möglichkeit, dass sich in Legnica (weitere) Brauereien oder sonstige Unternehmen zur Getränkeherstellung ansiedeln können oder von dort diese Waren beziehen oder einführen.
Die angesprochenen Verbraucher kennen jedenfalls den deutschen Namen "Liegnitz", in einem entscheidungserheblichen Umfang, zumal noch Vertriebene in der Bundesrepublik Deutschland leben, die in ihrer Kindheit in Niederschlesien gelebt haben. Über sie wissen auch Nachkommen, die nach 1945 geboren sind, um Liegnitz.
Dass es Getränkemarken gibt, die ein entsprechendes Bildungsprinzip aufweisen (Köstritzer, Tegernseer, Andechser, Radeberger etc.), führt nicht dazu, dass jedes entsprechend adjektivisch gebildete Zeichen auf der Basis einer geographischen Angabe als Marke anzusehen ist. Viele der vom Anmelder zitierten Marken dürften nur über Verkehrsdurchsetzung Schutz erlangt haben (vgl. LG München I, Urteil v. 17. Januar 2012 - 1 O 192/11, zur Schutzunfähigkeit von "Andechser").
Soweit der Anmelder auf die Registrierung vergleichbarer Angaben verweist, ergibt sich hieraus auch kein Anspruch auf Eintragung.
Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts, die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG darstellen. Dies setzt aber voraus, dass sich die bisherige Amtspraxis als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren (BPatG, Beschluss vom 10. Januar 2007, Az.: 29 W (pat) 43/04, BeckRS 2007, 12252 - print24). Allein aus vorangegangenen Entscheidungen lässt sich nämlich noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Außerdem kann sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rn. 18 - Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost).
Die genannten Marken enthalten andere Wörter und damit auch andere Bedeutungen, die die im Übrigen allgemein bekannte durchgehend strenge Amtspraxis nicht willkürlich erscheinen lässt.
Ohnehin verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall unter Einbeziehung seiner Besonderheiten, insbesondere der Marke selbst, der Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, und des beteiligten Publikums, zu beurteilen ist. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen nach ständiger Rechtsprechung somit nicht zu einem Anspruch auf Eintragung.
2.
Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 574 ZPO) sieht der Senat keinen Anlass. Der Fall wirft keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Senate oder Gerichte ab. Die Entscheidung erschöpft sich vielmehr in einer einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.