Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 25.09.2018


BPatG 25.09.2018 - 27 W (pat) 539/17

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
25.09.2018
Aktenzeichen:
27 W (pat) 539/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:250918B27Wpat539.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 106 976.7

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2018 durch die Richterin Werner als Vorsitzende, den Richter Paetzold und die Richterin Bayer

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 41, vom 8. Februar 2017 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Am 31. Juli 2016 hat der Beschwerdeführer das Zeichen

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Hamburg Pride

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für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 25: T-Shirts; Sweatshirts; Strandbekleidung; Sportkleidung; Socken; Shorts [Bekleidung]; Oberbekleidungsstücke; Nachtwäsche [Bekleidung]; Herrenunterwäsche; Damenunterwäsche; Damenoberbekleidung; Badehosen; Badeanzüge

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Klasse 41: Zurverfügungstellen von Ausbildung, Unterricht und Erziehung; Veranstaltung von Konferenzen zu Bildungsthemen; Veranstaltung, Durchführung und Organisation von Symposien; Veranstaltung, Durchführung und Organisation von Seminaren; Über das Internet bereitgestellte Unterhaltung; Publikation von Büchern, Zeitschriften; Organisation von kulturellen Veranstaltungen [Events]; Organisation von Konferenzen zu Erziehungsthemen; Organisation von Konferenzen im Bereich Erziehung; Organisation von Konferenzen im Bereich Ausbildung; Organisation von Festen zu Unterhaltungszwecken; Organisation von Festen zu kulturellen Zwecken; Organisation und Veranstaltung von Konzerten; Organisation und Durchführung von Tagungen; Organisation und Durchführung von Seminaren; Organisation und Durchführung von Live-Veranstaltungen; Organisation und Durchführung von Konferenzen, Kongressen und Symposien; Organisation und Durchführung von Ausbildungsworkshops; Live-Darbietungen von Musikgruppen; Kulturelle Aktivitäten; Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Durchführung von Workshops [Schulung]; Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Durchführung von Ausstellungen zu kulturellen Zwecken; Durchführung von Ausstellungen für Bildungszwecke; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Darbietung von Live-Unterhaltung; Betrieb eines Clubs [Unterhaltung]; Betrieb eines Clubs [Diskothek]; Bereitstellung von Online-Musik, nicht herunterladbar; Bereitstellung von elektronischen Veröffentlichungen, nicht zum Herunterladen; Bereitstellung von elektronischen Publikationen; Bereitstellung von elektronischen Online-Veröffentlichungen; Beratung über Erziehung und Ausbildung; Beratung in Bezug auf Aus- und Weiterbildung; Ausbildung, Erziehung

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Klasse 43: Verpflegung von Gästen; Veranstaltung von Banketten; Gästebetreuung [Verpflegung von Gästen]; Gästebetreuung [Beherbergung von Gästen]; Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen; Betrieb von Cafés mit kleiner Restauration; Betrieb von Bistros; Betrieb einer Bar; Bereitstellung von Getränken; Beherbergung von Gästen

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zur Eintragung als Wortmarke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister angemeldet.

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Das DPMA, Markenstelle für Klasse 41, hat die Anmeldung unter Bezugnahme auf die vorausgegangene Beanstandung vom 27. Oktober 2016 mit Beschluss vom 8. Februar 2017 gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen, da das Zeichen aus einer beschreibenden, freihaltebedürftigen Angabe bestehe und ihm als konkreter Sachaussage für die beanspruchten Waren zugleich die Unterscheidungskraft fehle. In dem zusammengesetzten Zeichen sei das Wort „Pride“ der englische Begriff für „Stolz“ und werde außerdem als Synonym für „homosexuell“ verwendet. Die Wortfolge insgesamt deute darauf hin, dass die angemeldeten Waren und Dienstleistungen aus Hamburg stammten und ihre Abnehmer auf sie besonders stolz seien. Darüber hinaus könne die Wortfolge auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass die Waren und Dienstleistungen für Homosexuelle oder von ihnen in oder aus Hamburg angeboten würden. Hinter einer solchen Sachaussage würde das Publikum keinen betrieblichen Herkunftshinweis vermuten. Für diese unmittelbar beschreibende und auch anpreisende Angabe bestehe auch ein Freihaltebedürfnis zugunsten Dritter.

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Gegen diesen ihm am 13. Februar 2017 zugegangenen Beschluss wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde vom 6. März 2017, die am selben Tage eingegangen ist.

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Er führt zur Begründung seiner Beschwerde aus, dass das angesprochene inländische Publikum trotz der zunehmenden Anzahl an Anglizismen in der deutschen Sprache manche englischen Wörter nicht kenne oder verstehe. Unabhängig davon, dass bei der Prüfung der Unterscheidungskraft stets der Gesamteindruck maßgeblich sei, beschrieben auch die Bestandteile „Hamburg“ und „Pride“ nicht die beanspruchten Waren und Dienstleistungen. So sei zu bezweifeln, dass das Wort „Pride“ in den deutschen Sprachgebrauch Einzug gehalten habe. Mit der Übersetzung „Stolz“ sei es weder beschreibend noch ohne Unterscheidungskraft. Auch stehe es in Deutschland jedenfalls nicht in Alleinstellung ohne weiteres für „homosexuell“.

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Auf Hinweis des Senats vom 20. September 2018 (versandt am 21. September 2018) zu Bedenken hinsichtlich der Schutzfähigkeit von „Hamburg Pride“ hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24. September 2018 – Bl. 24 f. der Gerichtsakte – das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt eingeschränkt:

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Klasse 41: Zurverfügungstellen von Ausbildung, Unterricht und Erziehung; Veranstaltung, Durchführung und Organisation von Symposien; Veranstaltung, Durchführung und Organisation von Seminaren; Organisation von Konferenzen zu Erziehungsthemen; Organisation von Konferenzen im Bereich Erziehung; Organisation von Konferenzen im Bereich Ausbildung; Organisation und Durchführung von Tagungen; Organisation und Durchführung von Seminaren; Organisation und Durchführung von Konferenzen, Kongressen und Symposien; Organisation und Durchführung von Ausbildungsworkshops; Durchführung von Workshops [Schulung]; Betrieb eines Clubs [Unterhaltung]; Betrieb eines Clubs [Diskothek]; Beratung über Erziehung und Ausbildung; Beratung in Bezug auf Aus- und Weiterbildung; Ausbildung, Erziehung;

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Klasse 43: Betrieb von Cafés mit kleiner Restauration; Betrieb von Bistros.

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Hierzu trägt er vor, dass in Bezug auf die verbliebenen Dienstleistungen kein Eintragungshindernis vorliege. „Pride“ sei kein „Szenebegriff“ und werde insbesondere nicht generell als Synonym für „homosexuell“ verwendet. Homosexuelle Menschen würden „Pride“ ausschließlich in Zusammenhang mit Veranstaltungen rund um den „Christopher Street Day“ kennen und verwenden. Nur insoweit könne der Begriff beschreibend sein. Für die jetzt noch beanspruchten Dienstleistungen in Bezug auf u. a. Ausbildung, Erziehung, Konferenzen, Kongresse, Seminare und auch Cafés oder Bistros werde insbesondere das hier maßgebliche allgemeine Publikum keinen beschreibenden Sinngehalt von „Pride“ erkennen, womit ein Freihaltebedürfnis ausgeschlossen sei. Vielmehr sei sogar „Pride Week“ für diese teilweise identischen Dienstleistungen für schutzfähig erachtet und eingetragen worden.

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Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt nunmehr sinngemäß,

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den Beschluss des DPMA, Markenstelle für Klasse 41, vom 8. Februar 2017 aufzuheben.

17

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Schriftsätze des Beschwerdeführers und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

18

Die gem. § 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und gem. § 66 Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig.

19

Nachdem der Beschwerdeführer sein Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt hat, führt sie auch in der Sache zum Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „Hamburg Pride“ stehen in Bezug auf die jetzt noch beanspruchten Dienstleistungen weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch das einer freihaltebedürftigen Angabe gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

1.

20

§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. EuGH, GRUR 2010, 228, Rn. 33 – Audi/ HABM [Vorsprung durch Technik]; EuGH, GRUR 2004, 428, Rn. 30, 31 – Henkel; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; BGH, GRUR 2013, 731, Rn. 11 – Kaleido; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 7 – Starsat; BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 8 – Link economy; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 9 – DeutschlandCard; BGH, GRUR 2006, 850, Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006).

21

Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH, GRUR 2008, 608, Rn. 66 – EUROHYPO; EuGH, GRUR 2006, 229, Rn. 27 – BioID; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 565, Rn. 12 – smartbook; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 9 – DeutschlandCard). Zu deren Feststellung ist das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (EuGH, GRUR 2003, 604, Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 565, Rn. 17 – smartbook).

22

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass das angesprochene Publikum sie als Unterscheidungsmittel versteht. Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Angesprochenen den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfassen und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sehen (BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 9 – Starsat; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 10 – DeutschlandCard; BGH, GRUR 2006, 850, Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006). Die Beurteilung der Unterscheidungskraft richtet sich einerseits nach den einschlägigen Waren und Dienstleistungen und andererseits nach der Sicht des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (EuGH, GRUR 2006, 411, Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; EuGH, GRUR 1999, 723, Rn. 29 – Chiemsee; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl. 2018, § 8 Rn. 42). Diese werden Zeichen grundsätzlich so wahrnehmen, wie sie ihnen entgegentreten, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 12 – Link economy).

23

Kann dagegen einem Wortzeichen für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch nicht um Angaben, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die das angesprochene Publikum – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel versteht, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 12 – OUI; BGH, GRUR 2013, 731, Rn. 13 – Kaleido; BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 11 – Link economy; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 9 – Starsat).

24

Um eine solche Wortfolge handelt es sich bei „Hamburg Pride“. Die betroffenen Kreise werden keinen engen beschreibenden Bezug zu den jetzt noch beanspruchten Dienstleistungen herstellen. Die für den Durchschnittsverbraucher allenfalls und in erster Linie bekannte Übersetzung des – ohnehin nur dem erweiterten englischen Grundwortschatz zuzuordnendem – Wortes „pride“ mit „Stolz“ führt in Kombination mit dem bekannten deutschen Städtenamen zu der Gesamtaussage des Zeichens „Hamburg Stolz“, die keinen beschreibenden Gehalt erkennen lässt. Allenfalls die daraus ableitbare Bedeutung „Stolz von/auf Hamburg“ ließe sich mit den Dienstleistungen dahingehend in Verbindung bringen, dass sie quasi ein Aushängeschild für Hamburg darstellten oder eine besondere Ehre damit verbunden sei, aus Hamburg zu stammen. Dieser aus eher analytischer Betrachtung hervorgehende Sinngehalt von „Hamburg Pride“ drängt sich jedenfalls für die noch beanspruchten Dienstleistungen, insbesondere wie Ausbildung oder Veranstaltung von Seminaren nicht ernsthaft auf. Hamburg ist vor allem bekannt für seinen Hafen, sein neues Konzerthaus, seinen Tierpark und weitere Sehenswürdigkeiten; eine besondere Bekanntheit für Dienstleistungsangebote im Bereich der Erziehung oder Ausbildung, der Durchführung von Tagungen, Seminaren, Kongressen, Ausbildungs-Workshops, insbesondere für solche zu Erziehungsthemen kann – über die allgemeine Bekanntheit einer Großstadt mit Messe- und sonstigem allgemeinem Ausbildungs- und Seminarangebot hinaus – hingegen nicht festgestellt werden. Genauso wenig ist es bekannt für Beratung in Bezug auf Ausbildung, Weiterbildung, Erziehung etc. Die Annahme, dass ein Anbieter dieser Dienstleistungen mit dem Zeichen auf den Stolz von Hamburg anspielen oder mit den Dienstleistungen zum Stolz von Hamburg beitragen möchte, ist dermaßen entfernt und konstruiert, dass ein entsprechender Sinngehalt vom angesprochenen allgemeinen Publikum nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden wird. Das gleiche gilt für die verbleibenden Dienstleistungen der Klasse 43 mit dem Betrieb von Cafés (mit kleiner Restauration) und von Bistros.

25

Aber auch die weitere von der Markenstelle zur Begründung angeführte Bedeutung des Zeichenbestandteils „pride“ möglicherweise als Synonym für „homosexuell“ rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass der angemeldeten Wortkombination die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt. Zwar ist diese Bedeutung von „pride“ zumindest in Teilen der Bevölkerung auch bekannt, wie der Senat in einer früheren Entscheidung festgestellt hat (vgl. Az. 27 W (pat) 3/09 vom 30. März 2009 – Pride Week). Allerdings taucht die Bezeichnung nicht in Alleinstellung, sondern immer in Begriffspaarungen auf, die den Sinngehalt „homosexuell“ ohne Weiteres erkennen lassen, etwa „gay pride“ bzw. „gay pride week“. Dementsprechend lagen bei der genannten Entscheidung des Senats bereits Verwendungen der dort betroffenen Wortfolge „pride week“ von dritter Seite vor, die ein entsprechendes Verständnis (einwöchige Veranstaltung von/für Homosexuelle) nahegelegt haben. Dies ist aber bei einer Verknüpfung des Wortes „pride“ mit einer geografischen Herkunftsangabe nicht der Fall. Selbst in isolierter Stellung kann das Wort, wie der Anmelder zu Recht vorträgt, zum maßgeblichen Anmeldezeitpunkt keineswegs als Synonym für „homosexuell“ eingestuft werden. Lexikalische Recherchen haben das nicht belegt. „Pride“ ist nicht generell zum Szenebegriff mutiert, sondern wird im Zusammenhang mit der Ausrichtung des Christopher Street Day, der als sog. „Pride-Veranstaltung“ bekannt ist, verwendet.

26

Unabhängig davon lässt sich nicht erkennen, welcher sachliche Kontext zwischen einem eventuellen Sinngehalt „Hamburg homosexuell“ und Veranstaltungen und Seminare zur Erziehung und Ausbildung hergestellt werden könnte. Derartige Dienstleistungen werden, soweit ersichtlich, nicht separat für Homosexuelle angeboten. Dasselbe gilt auch für den Betrieb von Cafés und Bistros. Zwar gibt es Szene-Lokale für Homosexuelle, aber keine Hinweise, dass diese mit dem Einzelwort „pride“ beworben oder beschrieben werden. Allein die Möglichkeit, dass ein Interessent weiß, dass das Wort auch im Zusammenhang mit Homosexualität verwendet wird, und daher vermutet, dass ein damit bezeichnetes Café oder Bistro von Homosexuellen betrieben wird oder eine Lokalität für Homosexuelle sein könnte, reicht für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft nicht aus. Hierzu müsste sich der Begriffsgehalt bei dem hier maßgeblichen allgemeinen Publikum für die beanspruchten Dienstleistungen entsprechend verfestigt haben. Da im vorliegenden Fall keine fachspezifischen Dienstleistungen betroffen sind, kommt es auf den allgemein informierten inländischen Durchschnittsverbraucher an, der bei der Inanspruchnahme von einfachen bzw. allgemein bekannten Dienstleistungen situationsbedingt flüchtiger vorgeht als bei solchen für Fach- oder Spezialgebiete (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rdn. 43, 47, 51 m. w. N.). Auch wenn dessen Fremdsprachenkenntnisse nicht von vornherein zu gering angesetzt werden sollten, kann ihm andererseits auch kein vertiefter Wortschatz abverlangt werden (Ströbele/Hacker/Thiering a. a. O., Rdn. 188). Bei dem englischen Wort „pride“ handelt es sich nicht gerade um einen Begriff, der bei der Beschreibung oder Bewerbung von Dienstleistungen oder auch im allgemeinen Sprachgebrauch regelmäßig verwendet wird, zumal er nicht zum engeren Grundwortschatz gehört. Selbst dann wird er dem inländischen Verbraucher nur in seiner ursprünglichen Übersetzung „Stolz“ bekannt sein, weswegen nur sie als naheliegend berücksichtigt werden kann (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering a. a. O., Rdn. 188 a. E.). Die weitere von der Markenstelle geltend gemachte Bedeutung „homosexuell“ wird nur dem präsent sein, der sich mit Veranstaltungen von und für Homosexuelle beschäftigt. Dasselbe gilt für die hier betroffenen Anbieter der beanspruchten Dienstleistungen. Auch insoweit werden den möglichen Bedeutungsgehalt nur die Betreiber von entsprechenden Cafés und Bistros für Homosexuelle kennen. Auf die Gesamtheit gesehen, ist dies aber nur ein sehr geringer Teil der angesprochenen allgemeinen Verbraucher, der im Verhältnis zum maßgeblichen Publikum als nicht ausreichend anzusehen ist. Denn die Schwelle der Unterscheidungskraft darf nicht vom Grad der Spezialisierung der beteiligten Kreise abhängig gemacht werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., Rdn. 49 m. w. N.).

2.

27

Daneben ist für die beanspruchte Wortfolge auch kein Freihaltebedürfnis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG anzunehmen.

28

Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind u. a. solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Die Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EU-Markenrechtsrichtlinie (RL 2008/95 EG) in nationales Recht umsetzende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können (EuGH, GRUR 2011, 1035, Rn. 37 – 1000; EuGH, GRUR 2004, 674, Rn. 56 – Postkantoor; EuGH, GRUR 1999, 723, Rn. 25 – Chiemsee; BGH, GRUR 2012, 272, Rn. 9 – Rheinpark-Center Neuss; BGH, GRUR 2017, 186, Rn. 38 – Stadtwerke Bremen).

29

Im Hinblick auf die Bedeutung der englischen Sprache in der Werbung allgemein und auch im Bereich von Aus- und Fortbildungs- sowie Verpflegungsdienstleistungen umfasst das Freihaltebedürfnis auch englischsprachige Angaben, die zur Bezeichnung der Dienstleistungen dienen können.

30

Eine beschreibende Bedeutung der Wortkombination „Hamburg Pride“ für die beanspruchten Dienstleistungen, kann, wie oben unter 1. ausgeführt, nicht festgestellt werden, eine solche ist auch für die Zukunft nicht abzusehen.

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Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gebietet die Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. EuGH, GRUR 2004, 674 – Postkantoor; BGH, GRUR 2017, 186, Rn. 42 – Stadtwerke Bremen; BGH, GRUR 2014, 565, Rn. 28 – smartbook; BGH, GRUR 2012, 276, Rn. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V.). Für die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es dazu der Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723, Rn. 31 u. 37 – Chiemsee; BGH, GRUR 2017, 186, Rn. 43 – Stadtwerke Bremen). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen, sondern muss anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (vgl. BGH, GRUR 2017, 186, Rn. 43 – Stadtwerke Bremen; Ströbele/Hacker, a. a. O. § 8 Rn. 381 ff.).

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Auf dieser Grundlage ist eine beschreibende Verwendung der angemeldeten Wortkombination nicht zu befürchten. Es ist durchaus festzustellen, dass vermehrt anlassbezogen in unterschiedlichen Städten in Zusammenhang rund um den „Christopher Street Day“ Veranstaltungen von und für Homosexuelle mit Wortkombinationen aus „pride“ bezeichnet werden, so etwa „Pride Paraden“ oder „Pride Dance“. Danach könnte sich „pride“ in Zukunft gegebenenfalls im Veranstaltungsbereich zu einem beschreibenden Hinweis entwickeln. Eine entsprechende Verwendung im Bereich der beanspruchten Dienstleistungen wie Aus- und Fortbildung oder dem Betrieb von Cafés und Bistros lässt sich dagegen nicht feststellen. Gegen den beschriebenen Bedeutungswandel von „pride“ über den Veranstaltungsbereich hinaus spricht auch, dass der Begriff seit Jahrzehnten vornehmlich in weiteren Wortkombinationen mit „gay“ benutzt wird, etwa bei „Gay Pride“ oder „Gay Pride Paraden“.

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Ohnehin käme eine dementsprechend beschreibende Bedeutung selbst dann wohl nur für die – hier nicht beanspruchten – Dienstleistungen von Veranstaltungen bzw. ggf. Clubs oder Discos in Betracht. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich jedoch für den Aus- und Fortbildungsbereich oder den Betrieb von Cafés oder Bistros kein Freihaltungsbedürfnis für die Zukunft feststellen.

34

Da weitere Eintragungshindernisse für die jetzt noch beanspruchten Dienstleistungen weder von der Markenstelle geltend gemacht worden noch sonst wie ersichtlich sind, konnte der Zurückweisungsbeschluss keinen Bestand haben und war aufzuheben.