Entscheidungsdatum: 19.11.2013
Die Bekanntheit einer Widerspruchsmarke (Gemeinschaftsmarke) in einem Mitgliedsland der EU ergibt nicht zwangsläufig eine im deutschen Widerspruchsverfahren zu beachtende Erhöhung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchmarke.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 025 522
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und den Richter k.A. Schmid
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Die Widersprechende hat gegen die am 30. April 2009 angemeldete und am 20. September 2011 für „Schuhwaren“ eingetragene Bildmarke 30 2009 025 522 (veröffentlicht am 21. Oktober 2011)
Widerspruch eingelegt aus zwei jeweils auch für Schuhwaren eingetragenen Widerspruchsmarken. Dabei handelt es sich
1. um die am 31. August 2000 angemeldete und am 10. Oktober 2001 eingetragene Gemeinschaftsbildmarke 001 834 738
und
2. um die am 25. Juni 2007 angemeldete und am 14. Mai 2008 eingetragene Gemeinschaftsbildmarke 006 034 649
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche mit Beschluss vom 22. April 2013 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von Warenidentität und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken halte die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand ein. Der Gesamteindruck der bildlichen Ausgestaltungen sei jeweils deutlich verschieden.
Bei der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 001 834 738 handele es sich um die Darstellung geometrischer Figuren, die auf völlig unterschiedliche Weise interpretiert und bezeichnet werden könnten. Die angegriffene Marke bestehe aus einem gezeichneten winkel- bzw. schlangenförmigen Fantasiegebilde in Form eines Streifens, welcher links unten beginne und rechts oben ende. Er ähnele einem nach hinten leicht abflachenden Buchstaben „N“, wobei die gewählten Winkel teils eckig und teils abgerundet seien. Die Abbildung des Buchstabens wirke oben sowie auch unten wie abgeschnitten und weise dort, im Gegensatz zu den weiteren Außenlinien sowie in den beiden Bögen, auch kein Nahtmuster (Ziernaht) auf.
Die Widerspruchsmarke 001 834 738 weise ebenfalls eine gezeichnete Darstellung auf. Es handele sich hierbei um eine stark stilisierte Abbildung eines nach unten geöffneten Bogens, nach Art eines Torbogens oder auch einer Brücke, welche außen eckig und innen abgerundet sei. Dabei sei der rechte Bogen (Pfeiler) etwas kürzer und ende höher als der linke.
Die jeweiligen Charakteristika der zu vergleichenden Marken fänden in der Gegenmarke keine Entsprechung. Auch wenn beide Marken in schwarz/weiß gestaltet seien und bogenförmige sowie eckige Elemente aufwiesen, unterschieden sie sich doch deutlich voneinander. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden sei auch weder erkennbar, dass in der jüngeren Marke die Grundformen der älteren übernommen worden seien, noch dass diese sich an den Proportionen des älteren Zeichens anlehne. Auch gebe die angegriffene Marke in keiner Weise das Motiv eines Torbogens bzw. einer Brücke wieder.
Die beiden Markenabbildungen unterschieden sich demnach in ihrem bildlichen Gesamteindruck so nachhaltig, dass der Verbraucher beim Wahrnehmen der einen nicht an die andere erinnert werde.
Auch beim Vergleich der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke 006 034 649 finde der jeweilige Charakter in der Gegenmarke keine Entsprechung. Die Widerspruchsmarke 006 034 649 beinhalte die Seitenansicht zweier Schuhe, die einander mit den Spitzer zueinander spiegelbildlich gegenüberstünden. Die beiden Schuhe wiesen die üblichen Schuhnähte auf und seien jeweils mittig mit einem Muster versehen, das an einen schrägen Torbogen erinnere. Das Muster des linken Schuhs entspreche spiegelbildlich dem Muster des rechten Schuhs (und umgekehrt).
Die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke 006 034 649 wiesen ein deutlich voneinander abweichendes Gesamterscheinungsbild auf. Selbst für den Fall, dass sich die Verbraucher die Widerspruchsmarke betreffend vorrangig an den auf den Schuhdarstellungen enthaltenen Mustern orientierten und sich die Marke anhand dieser Muster einprägen würden, fehle es an der erforderlichen Gemeinsamkeit in Typus und Originalität.
Eine Verwechslung in klanglicher Hinsicht scheide schon deshalb aus, weil es sich bei den zu vergleichenden Marken jeweils um Bildmarken handele, bei denen eine Verwechslungsgefahr nur in begrifflicher, nicht aber in klanglicher Hinsicht möglich sei.
Es sei auch nicht feststellbar, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht würden, da unter § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbs. MarkenG nicht jegliche irgendwie geartete Assoziation falle. Selbst die Verwendung allein des gleichen Motivs in einer Marke reiche nicht aus, eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Vorliegend bestehe jedoch noch nicht einmal ein gemeinsames Motiv, welches gleich benannt werden könnte.
Der Beschluss wurde der Widersprechenden am 26. April 2013 zugestellt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 23. Mai 2013. Zur Begründung trägt sie vor, entgegen der Auffassung der Markenstelle seien die Widerspruchsmarken mit der angegriffenen Marke verwechselbar.
Zwischen den Marken bestehe zumindest ein mittlerer Ähnlichkeitsgrad. Die Frage der Markenähnlichkeit hätte nicht unter Herausstellung der Unterschiede, sondern der Heranziehung der Übereinstimmungen der einander gegenüberstehenden Zeichen beantwortet werden müssen. Die Grundform der älteren Zeichen werde von der angegriffenen Marke übernommen. Zusätzlich lehne sich die jüngere Marke an die Proportionen der älteren Zeichen an.
Das jüngere Zeichen sei eine Verdoppelung der älteren Zeichen und zwar indem die älteren Zeichen umgekehrt aneinandergekettet seien. Gleichwohl bleibe die Grundform als solche identifizierbar, wobei bei dem jüngeren Zeichen die linke Seite, welche der Eintragungsform der älteren Zeichen entspreche, größenmäßig vorherrschend sei.
Berücksichtige man ferner, dass bei einer Benutzung der Zeichen auch schon der Eindruck der Zeichen je nach Betrachtung der Schuhe von der Seite, von oben und von vorn variiere, der Betrachter also gewohnt sei, ein Zeichen je nach Blickrichtung spiegelverkehrt oder auf dem Kopf stehend wahrzunehmen, so falle der Unterschied der Umkehrung noch weniger ins Gewicht.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei stark erhöht. Die Widersprechende sei ein weit über Spanien hinaus bekannter Hersteller von trendigen und hochwertigen Schuhwaren, der sich bei modeorientierten Verbrauchern großer Beliebtheit erfreue. Dies ermögliche wiederum die Durchsetzung eines gehobenen Preisniveaus.
Die beiden älteren Zeichen benutze die Widersprechende seit dem Jahr 1992 zu Kennzeichnungszwecken auf von ihr hergestellten Schuhen.
Laut einer in englischer Sprache abgefassten eidesstattlichen Versicherung eines Mitarbeiters der Widersprechenden vom 29. Oktober 2013 seien mit Ausnahme des Jahres 2009 in den Jahren 2008 bis 2013 stets mehr als 40.000 Paar pro Jahr verkauft worden. Für die Bekanntheit der Widerspruchsmarken spreche auch eine ebenfalls in englischer Sprache abgefasste Verkehrsbefragung in Spanien aus dem Jahr 2010.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Markenstelle vom 22. April 2013 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2009 025 522 anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss. Zwischen der jüngeren Marke und den Widerspruchsmarken bestehe mangels Zeichenähnlichkeit und einer allenfalls durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marken keine Verwechslungsgefahr.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihren jeweiligen Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.
II.
Die zulässige Beschwerde die Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, die Widersprüche mangels der Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1, Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke gemäß § 42 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 125b Nr. 1 MarkenG zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, besteht. Die vorgenannten Komponenten stehen in einer Wechselbeziehung, wobei ein größerer Grad einer Komponente den geringeren Grad einer anderen ausgleichen kann (EuGH GRUR 1998, 922 - Canon; BGH GRUR 1999, 241 - Lions).
a) Die zugunsten der angegriffenen Marke eingetragenen Schuhwaren sind im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarken identisch enthalten.
b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken hält der Senat für durchschnittlich. Der Feststellung dienen der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die dafür aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit (EuGH GRUR Int. 2007, 137, 139 - VITACOAT; BGH GRUR 2007, 1071, 1072 – Kinder II), wobei insoweit auf die Bekanntheit in Deutschland abzustellen ist.
Die von der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen belegen die geltend gemachte gesteigerte Verkehrsbekanntheit gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken in Deutschland nicht. Die in der englischsprachigen eidesstattlichen Versicherung vom 29. Oktober 2013 genannten Verkaufszahlen von 2008 bis 2013 betreffen nicht das hier maßgebliche Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern beziehen sich auf das Gebiet der EU. Auch aus der in Spanien im Jahr 2010 durchgeführten Verkehrsbefragung ergibt sich keine hier zu berücksichtigende erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Eine etwaige Bekanntheit in Spanien hat nicht zwangsläufig eine Bekanntheit in Deutschland zur Folge, da auch ein räumlich unterschiedliches Verkehrsverständnis zu einer unterschiedlichen Kennzeichnungskraft führen kann (BGH GRUR Int. 2008, 427 Rn. 40 – The Home Depot; Rohnke GRUR Int. 2002, 979 (985) 5.4., 5.5). Bei einer von Rohnke geforderten Saldierung der Bekanntheit in allen Mitgliedsstaaten reichen die hier für Spanien vorgelegten Zahlen nicht aus, eine erhöhte Kennzeichnungskraft anzunehmen. Dazu mussten der 29. Senat (29 W (pat) 119/11, BeckRS 2013, 05581 – Viva) und der 24. Senat (24 W (pat) 89/10, BeckRS 2013, 05063 – Girl’s Secret / women’s secret) mangels Unterlagen nicht Stellung nehmen, so dass insofern keine abweichenden Entscheidungen vorliegen.
c) Den in Anbetracht der Warenidentität und durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken erforderlichen deutlichen Abstand hält das jüngere Zeichen gegenüber beiden Widerspruchsmarken ein. Da es sich bei den Vergleichsmarken jeweils um reine Bildmarken handelt, sind die Marken nur in semantischer oder visueller Hinsicht zu miteinander zu vergleichen (BGH GRUR 2006, 60, 63, Rn. 24 - coccodrillo).
Der Senat hält die graphischen Unterschiede der Marken für ausreichend, um eine bildliche Verwechslungsgefahr zu verneinen. Auch bei der Ähnlichkeit von Bildmarken ist nämlich stets auf deren Gesamteindruck abzustellen. Eine zergliedernde Betrachtungsweise ist zu vermeiden. Das Publikum nimmt eine Marke so auf, wie sie ihm entgegentritt.
Von der Widerspruchsmarke 001 834 738 unterscheidet sich die angegriffene Marke durch ihre unterschiedliche graphische Gestaltung deutlich. Die angegriffene Marke ähnelt einem nach hinten leicht abflachenden Buchstaben „N“, bei dem die Winkel teils eckig und teils abgerundet sind. Im Unterschied hierzu handelt es sich bei der Widerspruchsmarke 001 834 738 um eine stark stilisierte Abbildung eines nach Art eines Torbogens oder einer Brücke geöffneten Bogens.
Nicht zu übersehende deutliche Unterschiede bestehen auch zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 006 034 649. Der in der jüngeren Marke zu erkennende Buchstabe „N“ ist in dieser Widerspruchsmarke nicht vorhanden. Die Widerspruchsmarke wiederum enthält die Abbildung zweier Schuhe, die beim Vergleich mit der jüngeren Marke mit zu berücksichtigen sind (ebenso BPatG GRUR 2012, 529 – fotografierter Schuh).
d) Aufgrund der deutlichen graphischen Unterschiede der Vergleichsmarken besteht auch nicht die Gefahr, dass die Marken gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs. MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.
3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.
4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer Gerichte abgewichen, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten getroffen worden ist.