Entscheidungsdatum: 23.02.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 062 878.3
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Februar 2017 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Hermann und die Richterin Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
I.
Am 17. September 2014 ist das Zeichen
WALDORFKINDERGARTEN
für die nachfolgend genannten Dienstleistungen der Klasse 41 zur Eintragung als Wortmarke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister angemeldet worden:
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Betrieb von Kindergärten und Kindertagesstätten.
Das DPMA, Markenstelle für Klasse 41, hat die Anmeldung mit Beschluss vom 7. Juli 2015 wegen fehlender Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.
Der Begriff „WALDORFKINDERGARTEN“ beschreibe Einrichtungen der anthroposophischen Erziehung für Vorschulkinder. Diese seien teilweise an Waldorfschulen angegliedert, häufiger jedoch eigenständige Einrichtungen. Ergänzend hat die Markenstelle auf die dem Beschluss vom 7. Juli 2015 beigefügte Anlage mit Ausführungen zum Thema „Waldorfkindergarten – Grundlagen und Grundanliegen des Waldorfkindergartens“ verwiesen.
In dieser Bedeutung sei das Anmeldezeichen nicht zur Kennzeichnung der betrieblichen Herkunft der beanspruchten Dienstleistungen geeignet, sondern stelle eine beschreibende Sachangabe dar. So werde der Verkehr erwarten, dass die beanspruchten Dienstleistungen von bzw. in einem beliebigen Waldorfkindergarten angeboten würden. Wegen des beschreibenden Charakters der Bezeichnung „WALDORFKINDERGARTEN“ werde der Verkehr in dieser dementsprechend keinen Herkunftshinweis sehen.
Gegen den ihm am 13. Juli 2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde vom 12. August 2015.
Der Anmelder ist der Ansicht, dass sich das DPMA mit seiner Entscheidung in Widerspruch zu seiner bisherigen Eintragungspraxis gesetzt habe, da es eine ganze Reihe von für den Bund der F… e.V. in S…, eingetragenen Wortmarken „WALDORF“ gebe, die für Waren und Dienstleistungen Schutz beanspruchen würden, die im Kontext mit der Erziehung von Kindern stünden.
Der Anmelder verweist insoweit auf diverse Voreintragungen von Wortmarken „Waldorf“ (Az. DPMA 10 489 30; 30 011 949; 30 120 761 und 30 132 602). Der Inhaber dieser Marken, der B… e.V., und die mit diesem verbundene V… e.V. gingen gegenwärtig aus diesen Marken sowohl gegen den Anmelder als auch gegen zahlreiche weitere sog. „Waldorfkindergärten“ mit der Begründung vor, dass erst aufgrund der Mitgliedschaft der Kindergärten in der Vereinigung der freien W… e.V. das Tragen der Bezeichnung „Waldorfkindergarten“ markenrechtlich zulässig sei. Da die Mitgliedschaft in dieser Vereinigung und die damit verbundene (vermeintliche) „Lizenz“ an den besagten Marken mit erheblichen Mitgliedsbeiträgen und damit Kosten für die als Elterninitiativen organisierten Kindergärten verbunden seien, würden sich viele Waldorfkindergärten – darunter auch der Markenanmelder – weigern, der Vereinigung beizutreten bzw. hätten ihre Mitgliedschaft zwischenzeitlich aufgekündigt.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den Beschluss des DPMA, Markenstelle für Klasse 41, vom 7. Juli 2015 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Schriftsätze des Anmelders und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere gem. § 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und gem. § 66 Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „WALDORFKINDERGARTEN“ steht in Bezug auf sämtliche beanspruchten Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung gem. § 37 Abs. 1 MarkenG zu Recht zurückgewiesen hat.
1. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH, GRUR 2010, 228, Rn. 33 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; EuGH, GRUR 2004, 428, Rn. 30, 31 – Henkel; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; BGH, GRUR 2013, 731, Rn. 11 – Kaleido; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 7 – Starsat; BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 8 – Link economy; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 9 – DeutschlandCard; BGH, GRUR 2006, 850, Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH, GRUR 2008, 608, Rn. 66 – EUROHYPO; EuGH, GRUR 2006, 229, Rn. 27 – BioID; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 565, Rn. 12 – smartbook; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 9 – DeutschlandCard). Dabei ist das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604, Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 565, Rn. 17 – smartbook).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht. Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 9 – Starsat; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 10 – DeutschlandCard; BGH, GRUR 2006, 850, Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006). Kann dagegen einem Wortzeichen für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch nicht um Angaben, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 12 – OUI; BGH, GRUR 2013, 731, Rn. 13 – Kaleido; BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 11 – Link economy; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 9 – Starsat).
Die Bewertung der Verkehrsauffassung in Bezug auf die einschlägigen Waren und Dienstleistungen richtet sich insbesondere nach der Sicht des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (EuGH, GRUR 2006, 411, Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; EuGH, GRUR 1999, 723, Rn. 29 – Chiemsee; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 8 Rn. 42). Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, GRUR 2012, 270, Rn. 12 – Link economy).
Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft kommt es auf das Verkehrsverständnis zum Zeitpunkt der Anmeldung des jeweiligen Zeichens an (BGH, GRUR 2013, 1143, Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Unterscheidungskraft der angemeldeten Bezeichnung in Verbindung mit den hier beanspruchten Dienstleistungen zu verneinen.
Das angemeldete Zeichen „WALDORFKINDERGARTEN“ setzt sich aus dem Begriff „Waldorf“ sowie dem allgemein verständlichen deutschen Wort „Kindergarten“ zusammen.
Es kann vorliegend dahinstehen, ob es sich bei dem Bestandteil „Waldorf“, einem Personen- und Ortsnamen, um eine von Haus aus zunächst unterscheidungskräftige Bezeichnung handelt. Denn der Verkehr verbindet mit diesem Namen im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Betrieb von Kindergärten und Kindertagesstätten“ und insbesondere in Kombination mit dem weiteren Bestandteil „Kindergarten“ im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung in erster Linie ein pädagogisches Konzept auf der Grundlage der anthroposophischen Lehre S…. Die erste Waldorfschule wurde 1919 als Betriebsschule für die Kinder der Arbeiter und Angestellten der Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik mit S… als erstem Schulleiter gegründet. Die nach dieser Betriebsschule als „Waldorfpädagogik“ oder auch als „Pädagogik S…“ benannte Reformpädagogik ist durch einen ganzheitlichen Ansatz gekennzeichnet und weist für Kinder im Kindergartenalter als Kernelemente beispielsweise das Prinzip des Lernens durch Nachahmung, feste Rhythmen im Tages- und im Wochenablauf sowie einen starker Bezug zu den Jahreszeiten auf (vgl. die mit Beanstandungsbescheid des DPMA vom 24. April 2015 versandten Belege). In der Folgezeit entstanden weitere Waldorfschulen und –kindergärten, im Jahr 1969 schlossen sich 69 Waldorfkindergärten aus aller Welt zu einer Vereinigung der Waldorfkindergärten zusammen. Im Jahr 2014 gab es weltweit knapp über 1000 Waldorfschulen, davon 232 in Deutschland; die Zahl der Waldorfkindergärten, deren Träger oftmals Elterninitiativen in der Rechtsform eingetragener Vereine sind, lag im Jahr 2015 alleine in Deutschland bei 556 (vgl. die mit dem Beanstandungsbescheid des DPMA vom 24. April 2015 versandten Belege).
Der Name „Waldorf“ hatte sich somit im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens „WALDORFKINDERGARTEN“ am 17. September 2014 zu einer gattungsbegrifflichen Bezeichnung einer pädagogischen Lehre für das Kindergarten- und das Schulalter entwickelt und der Gesamtbegriff „Waldorfkindergarten“ findet und fand zu diesem Zeitpunkt zur Bezeichnung von Einrichtungen der anthroposophischen Erziehung für Kinder vor dem Schulalter Verwendung. Wird ein Name – mag er auch ursprünglich unterscheidungskräftig gewesen sein – als Bezeichnung für eine Methode oder Lehre verwendet und auch so verstanden, entfaltet dieser Begriff in Zusammenhang mit den entsprechenden Dienstleistungen eine beschreibende Funktion (BGH GRUR 2003, 436 – Feldenkrais; BPatG 30 W (pat) 41/14, Rn. 24 – ORIGINAL Kneipp SEIT 1855).
Die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise, insbesondere die Eltern von Kindergartenkindern, die sich im Übrigen über das Bestehen von Nutzungsrechten an dem Namen „Waldorf“ im Zweifelsfall keine Gedanken machen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 8 Rn. 254 f.), werden in der angemeldeten Bezeichnung „WALDORFKINDERGARTEN“ daher keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern eine reine Sachangabe dahingehend sehen, dass die beanspruchten Dienstleistungen „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Betrieb von Kindergärten und Kindertagesstätten“ in oder im Zusammenhang mit einem Kindergarten angeboten werden, der dem pädagogischen Konzept und der anthroposophischen Lehre S… … entsprechend tätig ist. Die Bezeichnung „WALDORFKINDERGARTEN“ erschöpft sich daher in einem Hinweis auf Art und Inhalt der beanspruchten Dienstleistungen bzw. auf deren Erbringungsort.
3. Ohne Erfolg beruft sich der Anmelder auf Voreintragungen des Begriffs „Waldorf“ (Az. DPMA 10 489 30; 30 011 949; 30 120 761 und 30 132 602). Voreintragungen führen zu keiner anderen Bewertung, da diese für die Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens im Ergebnis nicht bindend sind. Diesbezüglich ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online u. ZVS; GRUR 2006, 229, Tz. 47-51 – BioID; GRUR 2004, 674, Tz. 42-44 – Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2014, 376, Tz. 19 – grill meister; GRUR 2008, 1093, Tz. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; GRUR 2010, 425 – VOLKSFLAT; MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt) zur fehlenden Bindungswirkung von Voreintragungen zu verweisen. Für die Entscheidung, ob der Markenanmeldung ein Eintragungshindernis entgegensteht, kommt es allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse gegeben sind (BGH GRUR 2014, 376, Tz. 19 – grill meister; BGH GRUR 2011, 230, Tz. 10 – SUPERgirl). Dies ist hier – wie vorstehend ausgeführt – der Fall.
4. Da bereits das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft zu bejahen ist, bedarf es nicht weiter der Erörterung, inwieweit das angemeldete Zeichen als beschreibender Hinweis auf Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen auch dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliegt.
5. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Anmelder die Durchführung einer solchen nicht beantragt hat (§ 69 Nr. 1 MarkenG) und der Senat eine mündliche Verhandlung auch nicht für geboten erachtet hat (§ 69 Nr. 3 MarkenG).
6. Eine Auferlegung von Kosten ist nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).