Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.03.2012


BPatG 20.03.2012 - 27 W (pat) 523/11

Markenbeschwerdeverfahren - "Computergarten" - Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
20.03.2012
Aktenzeichen:
27 W (pat) 523/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 031 138.2

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse41 vom 14. Dezember2010 insoweit aufgehoben als der Schutz versagt wurde.

Gründe

I.

1

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Wortmarke

2

Computergarten

3

mit Antrag vom 26. Mai 2009 nach Beanstandung mit Bescheid vom 12. Oktober 2009 mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs.  Nr. 1 MarkenG teilweise zurückgewiesen, nämlich als Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 9: Magnetaufzeichnungsträger, Computersoftware, Computerspiele, Datenverarbeitungsgeräte und Computer;

5

Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse;

6

Klasse 41: Ausbildung und Unterricht; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, ausgenommen für Werbezwecke;

7

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung.

8

"Computergarten" eigne sich nicht dazu, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer zu unterscheiden, da es allein eine sachbezogene Angabe enthalte.

9

Das angemeldete Zeichen sei sprachüblich und wirke als Hinweis auf eine Verkaufsstätte mit einem breiten Sortiment an Computern und einschlägigem Zubehör sowie begleitenden Serviceleistungen.

10

Der hinsichtlich der beantragten Waren und Dienstleistungen glatt beschreibende Wortbestandteil "Computer" erfahre in der Zusammensetzung mit "-garten" eine sprachübliche Ergänzung. Im übertragenen Sinn habe sich "Garten" (ähnlich wie "Oase") zu einer gebräuchlichen, produktübergreifend verwendeten Bezeichnung für Dienstleistungsangebots- und auch Warenverkaufsstätten und somit zu einer sog. Etablissementbezeichnung (ähnlich Begriffen wie "Welt, Land, Markt, Center, Zentrum, City, Treff, Center, Mall, Shop, Point, Corner, Paradies, Residenz, Haus, Insel" etc.) entwickelt.

11

Die Zeichenbildung sei branchenüblich und reihe sich in bekannte Bezeichnungsgeflogenheiten, wie z. B. "Schuhgarten, Autogarten, Haargarten; Büchergarten, SchmuckGarten, Kleider-Garten u. ä.", ein.

12

Die angesprochenen Verbraucher würden das angemeldete Zeichen im Kontext mit den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen lediglich als Hinweis auf die Erbringungsstätte und den inhaltlich-thematischen Zusammenhang (Computer) auffassen.

13

Der Beschluss ist der Anmelderin am 16. Dezember 2010 zugestellt worden.

14

Mit ihrer Beschwerde vom 3. Januar 2011 wendet sie sich die Anmelderin gegen die Wertungen in dem angegriffenen Beschluss bzw. in der vorausgegangenen Beanstandung der Markenstelle und verfolgt ihren Eintragungsantrag weiter.

15

Sie vertritt dazu die Auffassung, der Begriff "Garten" wirke in Kombination mit einer vorangestellten Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung nicht stets als Hinweis auf eine Verkaufsstätte.

16

Die versagten Waren und Dienstleistungen würden allesamt  nicht unter freiem Himmel angeboten. Ob sich "Computergarten" wie etwa "Büchergarten, Getränkegarten, Schuhgarten, Autogarten, Schmuckgarten, Kleidergarten" in bekannte Bezeichnungsgepflogenheit einreihe, sei für die Beurteilung der Unterscheidungskraft irrelevant. Auch Begriffe wie "Welt, Land, Markt, Center, Zentrum, City, Treff, Shop, Point, Corner, Paradies, Residenz, Haus, Insel" würden nicht generell als Hinweise auf Dienstleistungsangebots- oder Warenverkaufsstätten wahrgenommen.

17

Da die begriffliche Kombination von "Computer" und "Garten" keinen Sinn ergebe, werde das Publikum sie als kreative Neuschöpfung und Kunstwort verstehen. Die Kombination der Begriffe von "Computer" und "Garten" sei nicht nur ungewöhnlich, sondern sogar begrifflich widersprüchlich. Der Begriff "Garten" diene der Bezeichnung eines räumlich abgegrenzten Stücks Natur. Im Gegensatz dazu symbolisiere der Begriff "Computer" ein vollständig künstliches und technisches, von Menschen geschaffenes Gerät. Die Begriffe stünden daher in einem Spannungsverhältnis. Gerade dies führe dazu, dass der Begriff "Computergarten" besonders einprägsam und somit ideal als Herkunftshinweis sei.

18

Schließlich rechtfertigten zahlreiche Voreintragungen, wie "Gesundgarten", "Brotgarten", datengarten", "druckgarten", "Kuschelgarten", "Bildergarten", findergarten", "Zahlengarten", "Konzeptgarten", "Musikgarten", "Erfindergarten", "Lerngarten", "E-Garten", "Bewegungsgarten", "Energiegarten", "Filmgarten" und "Klanggarten", die Eintragung des angemeldeten Zeichens.

19

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

20

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Dezember 2010 insoweit aufzuheben als der Wortmarke "Computergarten" 30 2009 031 138.2 die Eintragung versagt worden ist.

21

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Anmelderin ihren Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

II.

22

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

23

Einer Registrierung des angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen.

1.

24

Der angemeldeten Wortkombination fehlt für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

a)

25

Kann einem Wortzeichen für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugerechnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH, GRUR 2009, 778 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 - hey!).

26

Dieser Beurteilungsmaßstab gilt auch für Wortkombinationen, an deren Unterscheidungskraft grundsätzlich keine strengeren Anforderungen als an andere Wortmarken zu stellen sind (EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 32 und 44 - Das Prinzip der Bequemlichkeit; GRUR 2010, 228 Rn. 36 - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft).

b)

27

"Computergarten" weist entgegen der Annahme der Markenstelle für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 41 und 42 keine für das inländische Publikum auf der Hand liegende Beschreibung des Inhalts dieser Produkte und Dienstleistungen auf. Die Markenstelle ist zu dem gegenteiligen Schluss nur dadurch gelangt, dass es einen denkbaren beschreibenden Gehalt in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt hat. Eine derartige analysierende Betrachtungsweise im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist jedoch unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung des Inhalts von Waren oder Dienstleistungen ergibt (vgl. BGH, GRUR 2001, 162, 163 - Rational Software Corporation).

28

Maßgeblich für das Verständnis ist vielmehr die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, weil die Waren und Dienstleistungen, die für die Marke hier beansprucht werden, für das allgemeine Publikum bestimmt sind (vgl. EuGH GRUR Int. 2005, 44 Rn. 24 - SAT 2; BGH, GRUR 2009, 952 Rn. 9 - DeutschlandCard).

29

Die Markenstelle hat nicht belegt, dass die Bezeichnung "Computergarten" eine gebräuchliche Bezeichnung oder Werbeaussage ist.

30

"Computergarten" weist auch keine ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare beschreibende Bedeutung für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen auf.

31

Der von der Markenstelle als Grundbedeutung angesehene Sinngehalt von "Computergarten" als Erbringungsstätte von Angeboten mit inhaltlich-thematischem Zusammenhang mit Computern ist nur eine der möglichen Interpretationen und erschließt sich aufgrund der originären Wortbedeutung von "Garten" erst durch eine nähere Betrachtung.

32

Es ist auch weder nachgewiesen noch ersichtlich, dass sich der Begriff "Garten" produktübergreifend zu einer gebräuchlichen Etablissementbezeichnung (ähnlich Die "Welt, Land, Markt, Center, Zentrum, Shop, Corner") entwickelt hat.

33

Das mag bei Naturprodukten (Früchte, Samen und Pflanzen) oder in Kombinationen wie "Biogarten" anders sein, schlägt aber nicht auf ein technisches Produkt durch.

34

Ein insoweit fehlendes Verständnis scheint auch durch die Eintragung zahlreicher anderer Marken mit dem Bestandteil "Garten" (wie etwa "Gesundgarten", "Brotgarten", datengarten", "druckgarten", "Kuschelgarten", "Bildergarten", findergarten", "Zahlengarten", "Konzeptgarten", "Musikgarten", "Lerngarten", "E-Garten", "Bewegungsgarten", "Energiegarten", "Filmgarten" und "Klanggarten") bestätigt, bei denen das Spannungsverhältnis zwischen Technik und Natur zum Teil sogar deutlich geringer ist als bei Computergarten.

2.

35

Einer Eintragung des angemeldeten Zeichens steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

36

Die Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung, des Wertes oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale von Waren und Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428).

37

"Computergarten" bezeichnet derzeit keine Dienstleistungsangebots- oder Warenverkaufsstätte nach ihrer Art, wie oben dargestellt wurde.

38

Entgegen der Annahme der Markenstelle kann "Computergarten" ohne analysierende Betrachtung keine unmittelbare Aussage und nachvollziehbare Bedeutung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entnommen werden.

39

Dabei kommt es nicht darauf an, welche Bedeutung die einzelnen Bestandteile haben, sondern wie sie ihrem Sinn nach in ihrer Gesamtheit verstanden werden.

40

Es besteht auch kein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis, da weder der Senat Anhaltspunkte dafür finden konnte noch unterstellt werden kann, dass sich "Computergarten" mit seinen zwei Bestandteilen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu einer Sachangabe entwickeln wird, zumal die Eintragungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts das Publikum sogar an eine markenmäßige Verwendung gewöhnen könnte.

3.

41

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.

42

Dass die Markenstelle den Voreintragungen und dem Spannungsverhältnis zwischen Computer und Garten keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, kann nicht als so falsch eingeschätzt werden, dass deshalb die Beschwerdegebühr zu erstatten wäre (§ 71 Abs. 3 MarkenG), was die Anmelderin auch nicht beantragt hat.