Entscheidungsdatum: 08.07.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 029 180.5
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. Juli 2013 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Hartlieb
beschlossen:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Angemeldet ist die Wortmarke
ECR-Award
für die Dienstleistungen der Klasse 41
Organisation und Durchführung von Preisverleihungen für Managementleistungen, insbesondere im Bereich Efficient Consumer Response, die intelligente Kooperation zum Nutzen der Konsumenten.
Die Markenstelle hat die Anmeldung mit Beschluss vom 28. Januar 2013 wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zurückgewiesen und dazu ausgeführt, ECR sei die Abkürzung für "Efficient Consumer Response". Hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen gebe das angemeldete Zeichen damit nur einen beschreibenden Sachhinweis auf die im Mittelpunkt der Preisverleihung stehenden Leistungen. ECR-Award sei keine unübliche Zusammenstellung. "ECR" weise in schlagwortartiger und leicht verständlicher Weise auf das Thema hin. Somit handle es sich bloß um eine Verbindung zweier allgemein verständlicher Wörter, welche nicht dazu geeignet seien, die Dienstleistungen der Anmelderin von denen anderer zu unterscheiden. Hinsichtlich § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vertrat die Markenstelle die Auffassung, dass das Publikum selbst ohne vertiefte, analysierende Betrachtungsweise bezüglich der angemeldeten Dienstleistungen bei der Bezeichnung "ECR" auf ein Merkmal schließen würde.
Diesen Beschluss hat die Anmelderin am 7. Februar 2013 erhalten. Sie hat dagegen am 6. März 2013 Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, die Entstehungsgeschichte des ECR-Awards zeige, dass die Bezeichnung Unterscheidungskraft habe. Der Preis stehe in engem Zusammenhang mit dem von ihr ins Leben gerufenen ECR-Tag. Der Preis werde für besondere Leistungen im Bereich Effizient Consumer Response vergeben. Daher sei der Begriff mit der Erfindung der Preisverleihung durch sie entstanden und gewachsen. Er werde mit ihr assoziiert.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Marke einzutragen.
II.
Über die Beschwerde kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, da die Anmelderin keine mündliche Verhandlung beantragt hat und der Senat diese nicht für erforderlich hält.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, also die einem Zeichen innewohnende Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer, hat der Senat anhand der objektiven Gegebenheiten festzustellen.
Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ist u.a das Allgemeininteresse angemessen zu berücksichtigen, um die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 68 – Postkantoor; Hacker, GRUR 2001, 630 ff.).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung durch das normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II).
ECR kann – wie bereits von der Markenstelle ermittelt – vielfältige Bedeutungen haben. So steht die Abkürzung "ECR" nicht nur für den Begriff "Efficient Consumer Response" im Sinn einer "optimierten" Lagerlogistik, sondern unter anderem auch für die Begriffe "Earth Centered Rotation", "El Charco", "Electro Coat Replacement", "Electronic Cash Register", "Electronic Combat Reconnaissance", "Engineer Change Request", "Extendet Control Register" oder "Elektrische Straßenbahn Elberfeld-Cronenberg-Remscheid".
Welche konkrete Bedeutung der Begriff "ECR" tatsächlich hat, ließe sich also ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die streitgegenständliche Anmeldung beansprucht, kaum ergründen.
Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen wird der angesprochene Verkehrskreis, nämlich Fachleute für Managementdienstleistungen, ECR allerdings auch ohne eine analysierende Betrachtungsweise in dem von der Markenstelle angenommen Sinn deuten und in ECR einen Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Zwar wird das angesprochenen Publikum aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkürzung ECR nicht zwingend die optimierte Lagerlogistik als Thema erkennen. Aber dennoch wird das Publikum den Begriff jedenfalls nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen thematisch bestimmten Preis auffassen.
Die Anmelderin verwendet "Effizient Consumer Response" selbst im Dienstleistungsverzeichnis und in ihren schriftsätzlichen Erläuterungen in einer Art und Weise, die es als eine beschreibende Angabe zeigen.
Die Rechtsprechung zu Marken, die aus einer Wortkombination und einer als deren Abkürzung wirkender Buchstabenfolge bestehen (z.B. EuGH GRUR 2012, 616 – NAI; BGH GRUR 2008, 719 – idw, BPatG GRUR 2011, 527 – MMF), ist zwar nicht übertragbar auf Buchstabenfolgen, die als Abkürzung von Begriffen im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wirken können, aber eine solche Verwendung zeigt die mögliche beschreibende Bedeutung.
Zwar sind im Rahmen der Schutzfähigkeitsprüfung zunächst die einzelnen Bestandteile eines Zeichens gesondert zu betrachten; die abschließende Beurteilung hat sich jedoch stets an dem Zeichen in seiner Gesamtheit zu orientieren. Insoweit ist es möglich, dass ein einzelner Bestandteil die Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens begründet (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rn. 24). Wie der Europäische Gerichtshof klargestellt hat, kann jedoch auch umgekehrt ein für sich gesehen schutzfähiger Zeichenbestandteil, z. B. ein als solches nicht verständliches Akronym, die Kennzeichnungskraft verlieren, wenn das Zeichen den beschreibenden Sinngehalt des isoliert gesehen schutzfähigen Bestandteils verdeutlicht (EuGH GRUR 2012, 616 – NAI). Gleiches muss für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen gelten, auf die sich das Zeichen ja bezieht.
Hiervon ausgehend kann der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden, denn selbst wenn das Publikum in "ECR" in Alleinstellung eine Marke erkennen könnte, wird dieser Eindruck durch das nachfolgende "Award" beseitigt (vgl. BPatG, Beschl. v. 10. Mai 2012, 30 W (pat) 88/10 – Geronto Care).
Allerdings besteht nach Ansicht des Senats ohnehin hinsichtlich aller angemeldeten Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da andernfalls der Begriff "ECR-Award" zur Kennzeichnung von Prämierungen von Leistungen im Bereich Effizient Consumer Response dauerhaft entzogen wäre.
Soweit die Anmelderin vorträgt, das Publikum verbinde den Begriff "ECR-Award" vor allem mit ihr, lässt dies noch keine Verkehrsdurchsetzung erkennen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, da die Frage, ob die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine in der Marke enthaltene Abkürzung als beschreibende Angabe erscheinen lassen können, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.