Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.03.2019


BPatG 26.03.2019 - 27 W (pat) 520/17

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
26.03.2019
Aktenzeichen:
27 W (pat) 520/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:260319B27Wpat520.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke IR 1 249 405

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. März 2019 durch die Richterin Klante als Vorsitzende, den Richter Paetzold und die Richterin Werner

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 03 IR, vom 17. Oktober 2016 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin hat um Schutz erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland für die am 10. März 2015 international registrierte Marke IR 1 249 405

2

JAPONEIRA

3

als Wortmarke für die Waren der

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Klasse 03: Soap; Cosmetics; Oil for cosmetic purpose; Perfumery

5

Klasse 29: Edible oils and fats

6

nachgesucht.

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Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 03 IR, hat dieser IR-Marke mit Beschluss einer Prüferin des gehobenen Dienstes vom 17. Oktober 2016 die Schutzerstreckung vollständig gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6 quinqiues B PVÜ verweigert. Zur Begründung ist ausgeführt: Es handele sich um eine beschreibende freihaltebedürftige Angabe. Das Zeichenwort sei in der portugiesischen Sprache eine Bezeichnung für „Kamelie“, was für die beanspruchten Waren einen Hinweis auf deren Inhaltsstoffe oder Duftrichtung darstelle. Kamelie werde für die Herstellung der beanspruchten Waren bereits verwendet, jedenfalls sei dies für die Zukunft zu erwarten. Selbst wenn es dafür weitere oder sogar näher liegende, gebräuchlichere Bezeichnungen im Portugiesischen gebe, beeinflusse dies nicht das Freihaltebedürfnis. Auch spiele es keine Rolle, dass der inländische Verkehr den beschreibenden Gehalt möglicherweise nicht erkenne. Denn im europäischen Binnenmarkt seien die Wettbewerber auf die freie Verwendung von beschreibenden Angaben aus den Unionssprachen angewiesen, da sie beim Vertrieb einheitlich für alle Länder verwendet würden und nicht auf das jeweilige Exportland beschränkt seien. Die Voreintragung des Zeichens in anderen Ländern, u. a. in Spanien, könne die Schutzerstreckung nach Deutschland nicht rechtfertigen, da dadurch keine Bindungswirkung eintrete.

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Gegen diesen ihr am 20. Oktober 2016 zugegangenen Beschluss wendet sich die IR-Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde vom 15. November 2016, die am selben Tage per Fax beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Zur Begründung trägt sie vor, das portugiesische Zeichenwort sei in der von der Markenstelle angeführten Bedeutung in Portugal nicht üblich und werde von einem großen Teil der dortigen Bevölkerung nicht als Kamelie verstanden, da es sich nur um eine regionale Bezeichnung handle. Eine solche sei auch nicht freihaltebedürftig, zumal die inländischen Verkehrskreise seine beschreibende Bedeutung erst recht nicht erkennen würden. Auch sei der Fall nicht mit der Marke „LAVANDA“ (BPatG, Az. 26 W (pat) 560/12) vergleichbar, da dieser Begriff in vielen Sprachen vorkomme und seine Bedeutung durch die Annäherung an das deutsche Vergleichswort „Lavendel“ indiziert sei.

9

Ihren hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin zurückgenommen.

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Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2018 hat die IR-Markeninhaberin ihre Beschwerde unter Hinweis auf Fundstellen dahingehend ergänzt, dass die von der Markenstelle angeführte Lexikonangabe nicht mehr zutreffe, da der Verlag den entsprechenden Eintrag geändert und den Zusatz „regional“ eingefügt habe. Auch andere Wörterbücher würden den Begriff für „Kamelie“ allenfalls mit dem Zusatz für einen „portugiesischen Regionalismus“ angeben. Hilfsweise solle ein Sachverständigengutachten zu dieser Frage eingeholt werden. Damit könne das Zeichenwort nicht mit einem weniger bekannten fremdsprachigen Ausdruck gleichgestellt werden, bei dem ein Schutz noch versagt werden könne, soweit er im Handelsverkehr noch als beschreibende Angabe einsetzbar sei, so dass der inländische Fachverkehr mit ihm vertraut sei. Denn dies treffe auf das beanspruchte Zeichen nicht zu. Es sei nicht zu erwarten, dass der Groß-, Zwischen- und Einzelhandel, selbst wenn er mit den Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem portugiesischen Kosmetik- und Lebensmittelhandel vertraut sei, auch noch Regionalbezeichnungen kenne.

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Die Beschwerdeführerin beantragt nunmehr sinngemäß,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 03 IR, vom 17. Oktober 2016 aufzuheben.

13

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Schriftsätze der IR-Markeninhaberin und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Nachdem die Beschwerdeführerin auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet hat, konnte der Senat, wie beantragt, im schriftlichen Verfahren entscheiden.

15

Die Beschwerde ist gem. §§ 64, 66 MarkenG zulässig und auch in der Sache begründet. Der Schutzausdehnung der IR-Marke IR 1 249 405 auf Deutschland stehen keine Eintragungshindernisse entgegen.

16

Entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamtes handelt es sich bei dem Zeichenwort nicht um eine für die beanspruchten Waren freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

17

Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind u. a. solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Die Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EU-Markenrechtsrichtlinie (RL 2008/95 EG) in nationales Recht umsetzende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können (EuGH, GRUR 2011, 1035, Rn. 37 – 1000; EuGH, GRUR 2004, 674, Rn. 56 – Postkantoor; EuGH, GRUR 1999, 723, Rn. 25 – Chiemsee; BGH, GRUR 2012, 272, Rn. 9 – Rheinpark-Center Neuss; BGH, GRUR 2017, 186, Rn. 38 – Stadtwerke Bremen).

18

Das hier schutzsuchende Zeichen stammt aus der portugiesischen Sprache und bedeutet – jedenfalls auch – „Kamelie“, wie die Markenstelle unter Verweis auf ein Online-Lexikon festgestellt hat (pons.com).

19

Für die beanspruchten Waren könnte dieser Begriffsgehalt grundsätzlich auch beschreibend sein, falls er dafür als Beschaffenheitsangabe in Betracht kommen könnte, wie die Markenstelle im Grundsatz zutreffend ausgeführt hat. Gleichwohl ist der Begriff nicht freihaltebedürftig, da er in Portugal nur regional benutzt wird und hierzulande selbst den Fachkreisen nicht bekannt ist. Hinzu kommt, dass selbst in portugiesischen-deutschen Sprachlexika für das deutsche Wort „Kamelie“ der Begriff entweder allein mit „camelia“ übersetzt wird (vgl. Pons Standardwörterbuch Portugiesisch-Deutsch, Deutsch-Portugiesisch, Neubearbeitung 2007, S. 742, Stichwort „Kamelie“; Langenscheidt Taschenwörterbuch Portugiesisch, 2001, S. 893, Stichwort „Kamelie“). Das gilt auch für den portugiesischen Sprachraum, denn auf der entsprechenden Wikipedia-Seite zu „Camélia“ ist „Japoneira“ nach „Camelia“ und „Cameleira“ lediglich nachrangig, und zudem nur als regional verbreitet angegeben (vgl. https://pt.wikipeia.org/wiki/CamC3A9lia).

20

Darüber hinaus wird vor allem im Zusammenhang mit den hier beanspruchten Waren der Kosmetik und Lebensmittelöle und –fette das Zeichenwort nicht als Inhaltsstoffangabe benutzt, sondern allein das Wort „camelia“. Das gilt zum einen für die deutschen Internet-Seiten über die Verwendung von Kamelie bei diesen Waren, in den ausschließlich von den botanischen Fachbegriffen „Camellia Sinensis“, „Camellia olifeira“, „Camellia sasanqua“ oder „Camellia Japonica“ gesprochen wird (vgl. www.ecco-verde.de/inf/inhaltsstoffe/kamelie; https://de.wikipedia.org/wiki/Kamelien%C3%B61 „Kamelienöl“; http://www.biothemen.de/Gartenpflanzen/asiatisch/kamelien.html).

21

Das gilt ebenso für portugiesische Seiten über Kamelienprodukte der Kosmetik oder Lebensmittelöle. Auch dort findet sich lediglich der Begriff „Camellia“(vgl. https://chacamelia.com.onde-comprar/vatni/; http://apcicsportugal.blogspot.com/; https://www.saberviver.pt/beleza/produtos-decosmetica-portugueses/).

22

Diese Rechercheergebnisse und Verwendungsbeispiele rechtfertigen die Schlussfolgerung, dass es sich bei dem Zeichenwort um keinen Begriff handelt, der bei der Beschreibung von Kosmetikprodukten mit Kamelie gebräuchlich ist. Damit kommt er aber auch weder derzeit noch künftig als freihaltungsbedürftige Angabe in Betracht. Denn für die markenrechtliche Schutzfähigkeit kommt es darauf an, ob das beteiligte inländische Publikum die beschreibende Bedeutung des fremdsprachigen Markenwortes erkennen kann (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 8 Rdn. 514. m. w. N.). Dies muss hier sowohl für die deutschen Durchschnittsverbraucher als auch für die Fachkreise selbst im Warenhandel verneint werden.

23

Zwar können auch weniger bekannte fremdsprachige Ausdrücke nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausgeschlossen sein, wenn sie im Handelsverkehr zur Beschreibung der betroffenen Waren dienen können (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., Rdn. 518 f. m. w. N.). Wenn aber auf dem betreffenden Warengebiet der Begriff – wie hier – zur Beschreibung gar nicht verwendet wird, sondern durchweg ein anderes Wort, nämlich „camellia“, wird sich auch das Fachpublikum lediglich an diesem orientieren.

24

Ein Freihaltungsbedürfnis kommt dann nicht in Betracht.

25

Handelt es sich bei dem Zeichenwort nicht um eine beschreibende Angabe, die vom Fachpublikum und erst recht nicht vom Durchschnittsverbraucher als solche erkannt wird, kann dem Zeichen auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Denn insofern sind die Fremdsprachenkenntnisse beim Durchschnittsverbraucher und Fachverkehr nicht höher anzusetzen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., Rdn. 188 f., 519 m. w. N).

26

Da weitere Schutzhindernisse weder geltend gemacht noch sonst wie ersichtlich sind, war der Beschwerde stattzugeben.