Entscheidungsdatum: 03.11.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 023 883.1
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung am 3. November 2014 9. September 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden den Richters Dr. Albrecht sowie der Richter Herman und Schmid
beschlossen:
I. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 vom 3. März 2014 wird aufgehoben, soweit die Zurückweisung der Anmeldung über folgende Fassung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen hinausgeht:
Klasse 9: Schallplatten, codierte bedruckte Telefonkarten; Brillen [Optik]; Brillenetuis; Mauspads [Mausmatten]
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, insbesondere Halstücher, T-Shirts, Sweatshirts, Jacken, Regencapes, Hüte, Baseballkappen, Hosen
Klasse 38: Übermitteln von Musikdateien auf elektronischem Weg, auch im Internet; Ausstrahlung von Musiksendungen jeweils per on demand, per view und per audio
Klasse 41: Produktion, Vorführung und Vermietung von Filmen und von Ton- und Bildaufnahmen; Produktion von Musik-, Video- und Fernsehsendungen; Musikdarbietungen; Organisation und Veranstaltung von Musikveranstaltungen; Herausgabe und Veröffentlichung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften; Komponieren von Musik; Filmproduktion; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Herausgabe von Druckereierzeugnissen in elektronischer Form, auch im Internet (außer für Werbezwecke); Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; Ticketvorverkauf für Unterhaltungsveranstaltungen; Erstellen von Publikationen mit dem Computer (Desktop-Publishing), Videofilmproduktion.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Anmelderin hat am 4. April 2012 für Waren bzw. Dienstleistungen der Klassen 9, 25, 38 und 41 die Eintragung der Wortmarke
Flying Illusion
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister beantragt. Im Erinnerungsverfahren hat sie erklärt, das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis hilfsweise mit der Angabe „ausgenommen im Zusammenhang mit Flugillusionen“ zu versehen.
Die Anmeldung ist durch Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 vom 19. Dezember 2013 und – im Erinnerungsverfahren – vom 25. Februar 2014 teilweise zurückgewiesen worden,
nämlich nach der Fassung des Erinnerungsbeschlusses bezogen auf:
Klasse 9:
Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger, auch für interaktive Anwendungen; codierte bedruckte Telefonkarten; Video- und Computerspielesoftware; Brillen [Optik]; Brillenetuis; Mauspads [Mausmatten]
Klasse 25:
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, insbesondere Halstücher, T-Shirts, Sweatshirts, Jacken, Regencapes, Hüte, Baseballkappen, Hosen
Klasse 38:
Telekommunikation; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen und Plattformen im Internet; Übermitteln von Nachrichten und Information aller Art auf elektronischem Weg, auch im Internet; Ausstrahlung von Video-, Fernseh- und Kabelfernsehsendungen jeweils per on demand, per view und per audio; Bereitstellung von Chatlines, Chatrooms und elektronischen Foren irn Internet
Klasse 41:
Unterhaltung, insbesondere Rundfunk-, TV-, Internet-, Kino- und Videounterhaltung; Produktion, Vorführung und Vermietung von Filmen und von Ton- und Bildaufnahmen; Produktion von Video- und Fernsehsendungen; sportliche und kulturelle Veranstaltungen; Tanz-, Wortdarbietungen, Organisation und Veranstaltung von Austeilungen, Präsentationen, Darbietungen und Veranstaltungen für kulturelle, sportliche und Unterrichtszwecke; Veranstaltung von Konferenzen und Kongressen; Erziehung; Ausbildung; Organisation und Veranstaltung von Unterhaltungsshows, Konzerten, Tourneen, Theateraufführungen, Tanz-, Quiz- und Showveranstaltungen; Herausgabe und Veröffentlichung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Dienste von Unterhaltungskünstlern, Durchführung von Spielen im Internet; Filmproduktion; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen; Herausgabe von Druckereierzeugnissen in elektronischer Form, auch im Internet (außer für Werbezwecke); Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; Ticketvorverkauf für Unterhaltungsveranstaltungen; Erstellen von Publikationen mit dem Computer (Desktop-Publishing), Videofilmproduktion.
Von der Zurückweisung ausgenommen sind die Dienstleistungen:
Klasse 38:
Übermitteln von Musikdateien auf elektronischem Weg, auch im Internet; Ausstrahlung von Musiksendungen jeweils per on demand, per view und per audio
Klasse 41:
Produktion von Musiksendungen; Musikdarbietungen, Organisation und Veranstaltung von Musikveranstaltungen; Komponieren von Musik.
Zur Begründung des Erinnerungsbeschlusses hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Marke entbehre im angegebenen Umfang jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 MarkenG).
Der englischsprachige Begriff „Flying Illusion“ sei sprachüblich gebildet und bedeute „fliegende Illusion“ bzw. nach dem Erstbeschluss „Flugillusion“. Der Begriffsgehalt könne das Thema von auf Aufzeichnungsträgern oder in Chatlines oder -foren oder im Rahmen von Veranstaltungen wiedergegebenen Inhalten, bezogen auf Telefonkarten, Brillen, Brillenetuis, Mauspads den Inhalt einer Bildanimation, etwa scheinbar schwebender Muster sein. Das Zeichen könne ferner Bekleidungsstücke, die bei der Ausführung von Flugillusionen getragen werden, bezeichnen. Auch die übrigen von der Zurückweisung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen könnten mit Flugillusionen zu tun haben. Die Einschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen sei unbeachtlich, da sie für Mitbewerber nicht ohne weiteres nachvollziehbar sei und nicht geeignet sei, den wirtschaftlichen Charakter der betroffenen Waren und Dienstleistungen zu verändern.
Gegen den am 3. März 2014 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 1. April 2014.
Der im Erinnerungsbeschluss zugrunde gelegte Zeichengehalt im Sinn „Fliegende Illusion“ bedeute, dass eine Illusion fliege, und verfüge als solcher über paradoxen, gegebenenfalls metaphorisch zu verstehenden Inhalt. Die Bedeutung „Flugillusion“ entspreche demgegenüber angesichts der adjektivischen Verwendung des Bestandteils „flying“ nicht dem Inhalt des angemeldeten Zeichens.
Der Erinnerungsbeschluss zeige auch keinen unmittelbaren inhaltlichen Bezug zu den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen auf. Dass Waren bzw. Dienstleistungen etwas mit Flugillusionen zu tun haben könnten, reiche jedenfalls nicht aus. Auch die angeführten Verwendungsbeispiele ließen keine beschreibende Verwendung des Begriffs erkennen.
Die Anmelderin beantragt,
den angegriffenen Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben, als er die Zurückweisung der Marke über das im Nachgang zur mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 30. September 2014 vorgelegte Verzeichnis der Waren- und Dienstleistungen hinausgeht.
Dieses umfasst:
Klasse 9:
Schallplatten, codierte bedruckte Telefonkarten; Brillenetuis; Brillen [Optik]; Mauspads [Mausmatten]
Klasse 25:
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, insbesondere Halstücher, T-Shirts, Sweatshirts, Jacken, Regencapes, Hüte, Baseballkappen, Hosen
Klasse 38:
Übermitteln von Musikdateien auf elektronischem Weg, auch im Internet; Ausstrahlung von Musiksendungen jeweils per on demand, per view und per audio
Klasse 41:
Unterhaltung, nämlich die Veranstaltung von Musikshows; Produktion, Vorführung und Vermietung von Filmen und von Ton- und Bildaufnahmen; Produktion von Musik-, Video- und Fernsehsendungen; Musikdarbietungen, Organisation und Veranstaltung von Musikveranstaltungen; Herausgabe und Veröffentlichung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften; Komponieren von Musik, Filmproduktion; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Herausgabe von Druckereierzeugnissen in elektronischer Form, auch im Internet (außer für Werbezwecke); Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; Ticketvorverkauf für Unterhaltungsveranstaltungen; Erstellen von Publikationen mit dem Computer (Desktop-Publishing), Videofilmproduktion.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist teilweise begründet. Auf der Grundlage des überarbeiteten Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen gemäß Schriftsatz der Anmelderin vom 30. September 2014 ist die Anmeldung der Eintragung nur insoweit nicht zugänglich, als die Anmeldung sich auf die Dienstleistungen „Unterhaltung, nämlich die Veranstaltung von Musikshows“ bezieht. Im Übrigen stehen der Anmeldung Eintragungshindernisse nicht entgegen.
Das angemeldete englischsprachige Wortzeichen „Flying Illusion“ bedeutet „Flugillusion“ und wird auch in diesem Sinn verwendet. Entgegen der Anmelderin hat der Wortbestandteil „Flying“ nicht nur adjektivische Funktion, woraus sich vorliegend tatsächlich der unbedenkliche Sinngehalt „fliegende Illusion“ ergäbe. Vielmehr drückt er in sprachregelkonformer Weise gerade auch die Bedeutung „Flug …“, „das Fliegen betreffend“ aus, vgl. etwa die Beispiele „flying field“, „flying instruments“, „flying machine“, „flying speed“, „flying weight“, „flying time“ (s. Langenscheidts Enzyklopädisches Wörterbuch, Teil I Band 1, 12. Aufl., 2000, S. 531; Collins Großwörterbuch, 1. Aufl., 2008, S. 364). In diesem Sinn einer „Flugillusion“, also einer vorgespiegelten Flugbewegung, ist der Begriff vielfach nachweisbar, vgl. beispielhaft die von der Markenstelle eingeführten Anlagen 3 – 5 (s. die Beanstandung der Anmeldung vom 30. November 2012). Der Begriff muss überdies jedenfalls im Bereich einer durch eine Person simulierten Flugdarbietung als eingeführte Begrifflichkeit angesehen werden, nachdem die weithin bekannte und häufig als Referenz herangezogene Schwebedarbietung des Illusionisten David Copperfield als „Flying Illusion“ eingeordnet wird (dazu z.B. Anlage 6 Bl. 2 zur Beanstandung der Anmeldung und den Wikipedia Eintrag (engl.): David Copperfield's flying illusion).
Ausgehend von dieser Wortbedeutung kann der angemeldete Begriff nahe liegend einen wesentlichen Inhalt der Dienstleistung „Unterhaltung, nämlich die Veranstaltung von Musikshows“ beschreiben, so dass der Eintragung insoweit die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 37 Abs. 1 MarkenG entgegenstehen.
Die beanspruchte Dienstleistung „Unterhaltung, nämlich die Veranstaltung von Musikshows“ kann auch in beachtlichem Umfang die Darbietung illusionistischer Showelemente umfassen. Der Begriff „Musikshows“, der lexikalisch nicht eindeutig belegt ist, wird jedenfalls auch zur Bezeichnung von Veranstaltungen verwendet, die vielfältige Showelemente umfassen können, deren Darbietung von Musik begleitet wird (vgl. etwa „Musikshow im Planetarium Bochum“ … „mit phantastischen Bildern in die Weite des Alls reisen“, planetarium-bochum.de oder unter brassballett.de – „Brassballett Musikshow“ … „hier verschmilzt moderne Brassmusik mit Tanzstilen wie Hip-Hop, Salsa, Street Dance, Tango und vielem mehr“). Auch die Systematik der in Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen, die zusätzlich „Musikdarbietungen“ und „Organisation und Veranstaltung von Musikveranstaltungen“ enthalten, lassen die Annahme zu, dass die „Veranstaltung von Musikshows“ in einem hierüber hinausgehenden Bedeutungsgehalt zu verstehen ist. „Flying Illusion“ kann bei dieser Sachlage plausibel den Inhalt der beanspruchten Dienstleistung anzeigen, nämlich eine illusionistische Flugdarbietung, die von geeigneter Musik begleitet wird. Die Verwendung einfacher englischsprachiger Ausdrücke ist in diesem Zusammenhang üblich, zumal bei Aufführungen internationaler Künstler. Auch soweit es vorrangig in Zusammenhang der Frage der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf das Verkehrsverständnis ankommt, unterliegt dies hier angesichts der einfachen Begrifflichkeit, wie auch die vielfache Verwendung von Originaltiteln insbesondere englischsprachiger Filme erkennen lässt, keinem Zweifel. Die im Amtsverfahren angebotene Einschränkung des Verzeichnisses durch Aufnahme des Zusatzes „ausgenommen im Zusammenhang mit Flugillusionen“ ist, wie die Markenstelle zu Recht angenommen hat, unbehelflich. Die den Inhalt einer Unterhaltungsveranstaltung betreffende Einschränkung durch Ausnahme einer bestimmten illusionistischen Darbietung berührt den wirtschaftlichen Charakter einer (Tanz- oder Zauber-) Veranstaltung nicht und begründet keinen rechtlich relevanten und für Mitwerber nachvollziehbaren Unterschied (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 114 f. – Postkantoor; BPatG GRUR 2008, 512 – Ringelnatz).
Hinsichtlich der Waren und übrigen Dienstleistungen des zuletzt beantragten Verzeichnisses sind Eintragungshindernisse nicht gegeben, da der Begriff insoweit nicht als sachbeschreibende Angabe oder Angabe mit unmittelbarem Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen begriffen wird.
Das gilt zunächst für die Waren der Klasse 9, für die die Markenstelle den Begriff vorrangig als Hinweis auf mögliche Bildanimationen als Motiv etwa von Telefonkarten, Brillenetuis oder Mauspads angesehen hat. Da nahezu jeder Gegenstand mit beliebigen Motiven versehen sein, ist insofern Zurückhaltung geboten und kommt ein Eintragungshindernis von vornherein nur dann in Betracht, sofern Gegenstände typischerweise mit Motiven versehen werden und derartigen Motiven eine eigenständige Funktion zukommt, der auch im Rahmen der Produktpräsentation Rechnung getragen wird. Dies kann hier wohl noch bezogen auf Mauspads angenommen werden. Indessen fehlen hier insoweit Anhaltspunkte dafür, dass der Ausdruck „Flying Illusion“ treffend ein nahe liegendes Motiv umschreiben kann.
In Bezug auf Brillen kann die technische Ausführung der Gläser zwar die Wahrnehmung spezifischer optischer Effekte zulassen, insbesondere die Wahrnehmung von 3D-Effekten. Selbst wenn dies auch die Wahrnehmung spezifisch von Bewegungen gelten sollte, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass eine Brille gerade die Wahrnehmung von Flugbewegungen hervorrufen kann.
Waren der Klasse 25 werden durch den Begriff ebenfalls nicht beschrieben, da weder Anzeichen dafür bestehen, dass spezielle Bekleidung zur Entstehung entsprechender Sinnestäuschungen beiträgt noch ein Anhalt für einen in diesem Zusammenhang üblichen Bekleidungsstil besteht.
Im Bereich der zuletzt beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 38 und der auf Musikdarbietungen bezogenen Dienstleistungen der Klasse 41 hat bereits die Markenstelle das Zeichen für schutzfähig erachtet.
Die übrigen noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 41 – wie insbesondere die Produktion oder Vermietung von Filmen – beziehen sich auf die Erstellung oder Absatz von Werken und unterliegen als solche – im Unterschied zur Präsentation der konkreten Darbietungen oder Beiträgen gegenüber dem allgemeinen Publikum – regelmäßig keiner thematischen Bindung (vgl. BGH GRUR 2009, 949 Rn. 21 – My World). Beschreibender Charakter der angemeldeten Marke liegt daher hier fern.
Auf die Beschwerde der Anmelderin war der angegriffene Beschluss der Markenstelle daher teilweise aufzuheben.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§ 83 Abs. 2 MarkenG). Der Entscheidung liegt ein rechtlicher Maßstab zugrunde, der der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshof entspricht.