Entscheidungsdatum: 19.02.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke Nr. 303 53 325 – S 156/12 Lösch
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Februar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Hermann und des Richters k.A. Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
I.
Die am 14. Oktober 2003 angemeldete und am 6. April 2004 unter der Nr. 303 53 325 eingetragene Wortmarke
on1
genießt nach Beschränkungserklärung vom 3. November 2011 noch Schutz für die Waren/Dienstleistungen
Klasse 16:
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, nämlich Sedkarten; Druckereierzeugnisse, nämlich Sedkarten
Klasse 25:
Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen
Klasse 35:
Mannequindienste für Werbe- und verkaufsfördernde Zwecke, Vermittlung von Werbe- und Förderverträgen für Dritte, Vermittlung, Abschluss und Abwicklung von Verträgen über die Inanspruchnahme von Dienstleitungen
Klasse 41:
Vermittlung von Fotomodellen, Dressmen und Künstlern, Betrieb einer Modelagentur für Künstler.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22. Juni 2012 die Löschung dieser Eintragung gemäß § 50 Abs. 1 i.V.m. § 8 MarkenG beantragt.
Nachdem die Markeninhaberin dem Antrag rechtzeitig widersprochen hatte, hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA den Löschungsantrag durch Beschluss vom 6. März 2013 zurückgewiesen, da die eingetragene Marke insbesondere weder unmittelbar zur Bezeichnung von Merkmalen der eingetragenen Dienstleistungen dienen könne noch jeglicher konkreter Unterscheidungskraft entbehre.
Die Markenabteilung führt aus, dass dem angegriffenen Zeichen "on1" zum Eintragungszeitpunkt wie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag in Bezug auf die eingetragenen Waren und Dienstleistungen ein allenfalls diffuser Bedeutungsinhalt zugekommen sei bzw. zukomme. Das Zeichen "on1" als solches oder "on one" werde nur verbunden mit weiteren Angaben, insbesondere "one on one" verwendet, allerdings nicht als Hinweis auf eine Spitzenstellung.
Das Wortzeichen "on1" bedeute u.a. im Sinn von "an(geschaltet) 1", "bei 1", "mit 1", "über 1" oder "in 1". Die von der Antragstellerin angenommene Verwendung im Sinn "auf 1" greife allenfalls in Zusammenhängen, in denen typischer Weise Rang- oder Platzierungslisten geführt werden, insbesondere bezogen auf Sportwettbewerbe oder auf den Umfang des Publikumsinteresses an Filmen oder Musiktiteln. Auch in diesem Sachzusammenhang werde "on1" aber nicht für sich, sondern ausschließlich in Verbindung mit weiteren Worten verwendet. Das Wortverständnis im Sinn einer Spitzenstellung ergebe sich allenfalls bei umfassender Zeichenanalyse, die das Publikum regelmäßig nicht vornehme. Insbesondere liege es fern, die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen einer gedanklicher Rangliste zuzuordnen.
Eine Kostenauferlegung aus Billigkeit nach § 63 MarkenG sei nicht gerechtfertigt. Insbesondere könne nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Löschungsantrags ausgegangen werden.
Die Löschungsantragstellerin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde erhoben. Sie trägt im Beschwerdeverfahren ergänzend vor, dass § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter dem Gesichtspunkt des Auffangtatbestands "zur Bezeichnung sonstiger Merkmale" einschlägig sei, unter den auch alle positiv besetzten Vorstellungen des Publikums, etwa überragende Eigenschaften oder eine besondere Exklusivität, fielen.
Maßgebend sei auf das Verständnis der inländischen Verkehrskreise abzustellen, konkret auf (angehende) Models und aus der Werbebranche, die allesamt wegen des internationalen Betätigungsfeldes von Models und deren Dienstleistungen international ausgerichtet seien und daher über überdurchschnittliche Fremdsprachenkenntnisse, insbesondere Englischkenntnisse, verfügten. In diesem Zusammenhang werde die Marke "on1" ohne weitere Analyse als der englischen Sprache zugehörig erkannt und in der Bedeutung "auf 1" verstanden. Ferner herrsche auf dem in Rede stehenden Dienstleistungssektor eine gesteigerte, ständige Konkurrenzsituation um die besten Agenturen bzw. Models, so dass die Marke "on1" von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres i.S.v. "auf 1" in Bezug auf Rang- und Bestenlisten, also i.S.v. "an erster/bester Position der Branche" oder "(erst)beste Dienstleister", verstanden werde. Im Ergebnis handele es sich bei "on1" daher um einen unmittelbar beschreibenden Sachhinweis für die beste Leistung, erste oder beste Adresse bzw. exklusivste Dienstleistung.
Zur Erläuterung des stark wettbewerbsorientierten Umfeldes und der Üblichkeit von Rankings in der Modelbranche verweist die Beschwerdeführerin auf verschiedene Aufstellungen betreffend Models bzw. Modelagenturen. Auch zahlreiche Fernsehformate bestätigten die stark wettbewerbliche Prägung der Modelbranche, die maßgebend für den Verständnishintergrund der angesprochenen Verkehrs-kreise sei.
Ferner sei unzutreffend, dass erst die Ergänzung der Wörter "Platz" oder "Nr." zur genannten Bedeutung des angegriffenen Zeichens führe. Vielmehr könne das Zeichen ohne weitere Zwischen- bzw. Interpretationsschritte in dem Sinne verstanden werden, dass die betreffenden Dienstleistungen an erster/bester Position der Branche stünden und mithin der erste/beste Dienstleister geboten werde. Diese Bedeutung dränge sich den beteiligten Verkehrskreisen unwillkürlich auf.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Löschungsabteilung aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin sei nicht schlüssig dargelegt, weshalb das Publikum in dem Zeichen "on1" gerade eine Sachaussage mit der Bedeutung "an erster/bester Position der Branche" oder "(erst)beste Dienstleister" auf den ersten Blick erkenne solle. Ferner ergebe die Präposition "on" selbst unter gedanklicher Hinzufügung des Substantives "Platz" im Englischen keinen sinnvollen Bedeutungsinhalt, weil es die Formulierung "on rank one" oder "on position one" im Englischen nicht gebe. Um die gewünschte Spitzenstellung zum Ausdruck zu brin-gen, müsse es vielmehr "at the first rank", "at the first position" oder "to be number one" heißen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin setze im Übrigen die gedankliche Ergänzung des Begriffes "Platz", "Nr." oder "Seite" voraus. Das Wortzeichen "on1" bedürfe der Interpretation, um als Hinweis auf eine Rangposition begriffen zu werden. Außerdem seien Ranglisten in der Modelbranche völlig unüblich. Von den beiden durch die Beschwerdeführerin angegebenen Ranglisten lasse sich nicht auf eine Branchenpraxis schließen.
II.
Nachdem die Beteiligten davon abgesehen haben, eine mündliche Verhandlung zu beantragen, und auch der Senat eine solche nicht für erforderlich erachtet, kann über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 MarkenG).
Die zulässige Beschwerde der Löschungsantragstellerin bleibt ohne Erfolg. Der binnen der Frist von 10 Jahren seit der Eintragung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG) gestellte und auch sonst zulässige Löschungsantrag greift in der Sache nicht durch.
Zwar geht die Antragstellerin zutreffend davon aus, dass das Zeichen als Aus-druck einer Spitzenstellung unter Wettbewerbern nicht nur jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entbehren würde, sondern auch als Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dem Schutzhinderns nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliegen würde (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 371). Die von der Antragstellerin eingebrachten und von der Markenabteilung und den Senat von Amts wegen ermittelten Tatsachen bieten aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein dahingehendes Begriffsverständnis zum zunächst maßgebenden Anmeldungszeitpunkt, § 8 MarkenG i.V.m. § 50 Abs. 1 MarkenG (vgl. BGH GRUR 2013, 1143 – Aus Akten werden Fakten; siehe ferner § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
Insofern kann zugunsten der Antragstellerin jedenfalls im Bereich der Eintragung für die Klassen 35 und 43 von inländischen Verkehrskreisen ausgegangen werden, die über das Sprachniveau allgemeiner Verkehrskreise hinaus der englischen Sprache uneingeschränkt mächtig sind. Als Adressaten namentlich der Dienstleistungen "Vermittlung von Fotomodellen, Dressmen" sind nämlich in beachtlichem Umfang gewerbliche Auftraggeber in- oder ausländischer Unternehmen aus der international ausgerichteten Bekleidungsbranche angesprochen. Die Berücksichtigung der Handelskreise, die als eine selbständige Teilgruppe des inländischen Publikums gesehen wird (vgl. z.B. BPatG v. 26.7.2012, 30 W (pat) 44/11 – PILLOLA im Anschluss an EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla) führt in Ansehung des anzusetzenden Sprachniveaus zu keinem anderen Maßstab.
Die Wahrnehmung einer Marke durch das Publikum ist jedoch regelmäßig frei von längeren und/oder analytischen Überlegungen. Die Verkehrskreise nehmen ein als Marke verwendetes Zeichen so auf, wie es ihnen entgegentritt (vgl. EuGH GRUR 2003, 58 Rn. 19 ff. – Companyline; BGH GRUR 2012, 270 Rn. 12 – Link economy; Ströbele/Hacker, a.a.O., § 8 Rn. 105, 298). Ein sachbezogener Aussagegehalt der Marke müsste deshalb so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar wäre (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 28 bis 35 – SAT.2). Dies ist vorliegend hinsichtlich der von der Antragstellerin geltend gemachten Zeichenbedeutung nicht erkennbar.
Der englischsprachige Bestandteil "on" hat verschiedene Inhalte, beschränkt auf das Verständnis als Präposition umfasst er insbesondere die Bedeutungsebenen "indicating place, position" im Sinn von "auf", "an" (siehe insgesamt Langen-scheidt/Collins, Großwörterbuch Englisch, 2008, S. 572), "by means of, using", "about, concerning" im Sinn von "über", "in expressions of time" im Sinn von "an", "according to" im Sinn von "gemäß". In Verbindung mit der Zahl "1", wobei die Schreibweise ohne Leerfeld zwischen den Komponenten als werbeübliche Gestaltung begriffen wird, kommen verschiedene Verständnismöglichkeiten in Betracht. Zugunsten der Antragstellerin kann angenommen werden, dass das genannte Verständnis im Sinn "indicating place, position" "auf 1", "an 1" im Vordergrund steht.
Ungeachtet der hierauf verengten Betrachtung ist dem Begriff aber gleichwohl nicht unmittelbar und ohne Unklarheit die von der Antragstellerin angenommene Bedeutung einer Spitzenstellung unter Wettbewerbern zu entnehmen. Insofern entbehrt das Zeichen einer präzisierenden Einordnung dessen, worauf sich die Ziffer "1" bezieht. Selbst wenn die Angabe gedanklich durch den Begriff "number 1" ergänzt wird, was – zumal bei einer Verwendung als Marke, die auch fantasie-volle Bezüge eröffnet – keineswegs zwingend ist (siehe nur das von der Antragstellerin selbst angegebene Beispiel "on page 1"), wird das Zeichen nicht ohne besondere Anhaltspunkte im von der Antragstellerin behaupteten Sinn begriffen. Die Auslegung "on number 1" lässt ohne Weiteres auch die Einbindung in andere numerische Bezugssysteme zu, etwa als Referenz auf eine Prioritätenliste.
Anzeichen für einen eindeutigen beschreibenden Bedeutungsgehalt ergeben sich insbesondere nicht aus den von der Antragstellerin vorgetragenen oder feststellbaren Sprachgepflogenheiten, die vermittels entsprechender Gewöhnung des Publikums ein dahingehendes Verständnis des Publikums unterstützen könnten. Lexikalische oder sonstige Hinweise auf eine tatsächliche Verwendung des Begriffs "on1" als solches oder jedenfalls integriert in einen ggf. erklärenden Kontext fehlen auch zum Entscheidungszeitpunkt, d.h. mehr als zehn Jahre nach dem maßgebenden Anmeldetag. Demgegenüber ist eine Reihe von Begriffen nachweisbar, die im Englischen unmissverständlich eine Spitzenstellung ausdrücken, insbesondere top-rated, front-runner, leader ("Spitzenreiter" http://dict.tu-chemnitz.de, leo.org, www.dict.cc).
Das von der Antragstellerin zugrunde gelegte Verständnis ergibt sich auch nicht aus spezifischen Gegebenheiten der maßgeblichen Waren- bzw. Dienstleistungsbranchen. Insofern ist jedenfalls nicht feststellbar, dass das Publikum bereits zum Anmeldetag der angegriffenen Marke, dem 14. Oktober 2003, ein wettbewerbs-orientiertes Umfeld vorfand, das zudem plausibel in einer gedachten Rankingliste Ausdruck findet.
Dabei bleiben bezogen auf die in Klasse 35 geschützte Dienstleistung "Mannequindienste für Werbe- und verkaufsfördernde Zwecke" in diesem Zusammenhang Einflüsse außer Betracht, die auf Modellwettbewerben in Form von Casting-Shows beruhen. Derartige Fernsehformate erhielten in Deutschland frühestens ab dem Jahr 2006 größeren Zuspruch.
Auch sonst lässt sich zum Anmeldungszeitpunkt nicht feststellen, dass Tabellen, die Mannequinleistungen erfassen, in der Sicht der beteiligten Verkehrskreise präsent waren oder als besonders nahe liegend empfunden worden wären. Entsprechende Wettbewerbe oder auch nur objektive Kriterien, die Leistungsvergleiche nachvollziehbar machen, waren jedenfalls zum Anmeldungszeitpunkt anders als im Bereich des Sports oder in Branchen mit etablierten Rankings einschließlich eines Konsenses über zugrunde liegende Kriterien nicht ersichtlich. Die von der Antragstellerin genannte Forbes-Liste der reichsten Models, die analog für verschiedene andere Berufsgruppen, die nicht nach Rankings erfasst zu werden pflegen oder sich dergleichen sogar entziehen, herausgegeben wird (z.B. Schauspieler), ist insofern unbehelflich. Die hier zugrunde gelegte Differenzierung nach Einkommensverhältnissen ist ohne Bezug zur konkreten Branche und bietet – zumal sie lediglich einmal jährlich erscheint – keine Grundlage für ein dadurch beeinflusstes Verständnis des Zeichens.
Noch ferner liegt ein entsprechendes Verständnis bezogen auf die anderen registrierten Waren und Dienstleistungen. Auch bezogen auf Modellagenturen ist über ein typisches Konkurrenzverhältnis hinaus keine Wettbewerbslage, die üblicher Weise in Rankings ausgewertet wird, erkennbar. Der von der Antragstellerin zitierte Link www.vogue.de/fashion-shows/models... enthält lediglich eine nach Ländern geordnete Zusammenstellung von Modellagenturen mit Adressangaben.
Das eingetragene Zeichen verfügt auf der Grundlage der Feststellungen daher nicht unmittelbar und ohne Unklarheit über beschreibenden Bedeutungsgehalt.
Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke auf Kostenauferlegung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG hat keinen Erfolg. Nach dieser Regelung können einem Beteiligten die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierzu bestand vorliegend kein Anlass.
Unter Billigkeitsgesichtspunkten ist eine Abweichung von dem im Markenrecht gesetzlich verankerten Grundgedanken der Kostenteilung geboten, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten, das mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt nicht in Einklang steht, Verfahrenskosten verursacht hat. Dies ist nicht schon deswegen der Fall, wenn ein Beteiligter seine Rechte und Interessen mit den gesetzlich gegebenen Mitteln verteidigt und dabei den Instanzenweg ausschöpft (Albrecht/Hoffmann, Die Vergütung des Patentanwalts, 2. Aufl. 2012 Rn. 598, 599).
Die Antragstellerin hat nicht versucht, in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Erfolg versprechenden Situation, ihre Interessen durchzusetzen. Die hier streiterhebliche Feststellung der Verkehrsauffassung beruht zwar auf weithin gefestigten Grundsätzen. Die Ermittlung des konkreten Bedeutungsgehalts der Marke zumal in der Vergangenheit betrifft hier allerdings eine jedenfalls diskussionswürdige Fragestellung, deren Ausgang auch nicht schon dadurch vorgegeben war, dass die Verwendung des Begriffs nicht belegt werden konnte.