Entscheidungsdatum: 07.08.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 007 112
(hier: Löschung S 162/11)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner am 7. August 2012
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I
Gegen die am 4. Februar 2010 angemeldete und am 11. Juni 2010 für
25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;
43: Betrieb einer Bar, Catering, Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen, Part-Planung [Verpflegung]
sowie Dienstleistungen der Klasse 41 eingetragene Wortmarke
OKERPIRAT
hat die Antragstellerin am 28. Mai 2011 Löschungsantrag gestellt. Dazu hat sie ausgeführt, die Bezeichnung "Okerpirat" habe sich im Großraum Braunschweig allgemein für Veranstaltungen und andere Dienstleistungsangebote, insbesondere für Floß- und Bootsfahrten auf der Oker, eingebürgert. Auch die Markeninhaberin habe die Marke schon lange so benutzt.
Auf die ihr am 7. Juli 2011 zugeschickte (Postauslauf) Mitteilung nach § 54 Abs. 3 Satz 1 MarkenG hat die Inhaberin der angegriffenen Marke dem Löschungsantrag am 29. August 2011 widersprochen. Sie ist dem Löschungsbegehren auch inhaltlich entgegengetreten.
Die Markenabteilung hat mit Beschluss vom 26. Januar 2012 die Marke teilweise gelöscht, nämlich für die Dienstleistungen der Klasse 41.
Die Zurückweisung des Löschungsantrags im Übrigen (Klasse 25 und 43) ist u. a. damit begründet, die von der Antragstellerin beigebrachten und zusätzlich recherchierten Verwendungen von Wortkombinationen mit dem Bestandteil "Piraten" erfolgten insoweit nicht beschreibend, sondern in der Form eines Namens oder Unternehmenskennzeichens. Anders als bei den Dienstleistungen der Klasse 41 bezeichne "Okerpirat" hier kein Thema oder Motto. "Okerpirat" sei insoweit auch kein gebräuchlicher Ausdruck, dem die Unterscheidungskraft fehlen könnte.
Die Antragstellerin hat am 5. März 2012 gegen den ihr am 8. Februar 2012 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt und u. a. vorgetragen, die Markenabteilung habe hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 41 zutreffend keine Kennzeichenfunktion angenommen. Dies gelte ebenso für die noch streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen. Gerade im Bereich der Klasse 43 gebe es an einem Motto ausgerichtete Erlebnisgastronomie. Bei den Waren der Klasse 25 weise "Okerpirat" auf den Angebotsort hin.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenabteilung insoweit aufzuheben als der Antrag auf Löschung zurückgewiesen wurde.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
und verweist zur Begründung auf die ihrer Ansicht nach zutreffende Beurteilung durch die Markenabteilung.
II
1)
Nachdem die Beteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, kann ohne eine solche entschieden werden. Die Beteiligten hatten ausreichend Zeit, zum Vorbringen der Gegenseite Stellung zu nehmen.
2)
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig; die Antragstellerin hat den Löschungsantrag rechtzeitig (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG) gestellt und fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerde hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die Markenabteilung hat zu Recht eine Löschung der angegriffenen Marke für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 25 und 43 abgelehnt und dies zutreffend begründet.
Nach § 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 i. V. m. § 54 Abs. 1 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn sie entgegen § 3 oder § 8 MarkenG eingetragen wurde und wenn das Eintragungshindernis noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Ist dies auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht feststellbar, muss es bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BPatG GRUR 2006, 155 - Salatfix; zur Feststellungslast des Löschungsantragstellers s. BGH GRUR 2010, 138, 142 Rn. 48 - Rocher-Kugel).
Da einem Eintragungsantrag gem. § 33 Abs. 2 Satz 2 MarkenG stattzugeben ist, wenn keine absoluten Eintragungshindernisse entgegenstehen, rechtfertigt nur deren positive Feststellung eine Löschung. Im Zweifel ist zu Gunsten der Marke zu entscheiden.
Insbesondere für den Eintragungszeitpunkt ist die Feststellung von Schutzhindernissen umso schwieriger, je mehr das betreffende Schutzhindernis von dem Verständnis abhängt, das die Verbraucher aufbringen werden, und je länger der Eintragungszeitpunkt zurückliegt. Zwar ist eine auf die Vergangenheit bezogene Feststellung nicht ausgeschlossen; davon geht auch der Gesetzgeber aus, der eine Löschung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG eben nur zulässt, wenn der Löschungsantrag innerhalb von zehn Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt wird (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die zur Löschung nach § 50 Abs. 1 MarkenG führenden Schutzhindernisse zwar allesamt im Allgemeininteresse bestehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rn. 5 und Rn. 58 mit zahlreichen Nachweisen), jedoch in unterschiedlichem Maße. Besonders ausgeprägt ist das Allgemeininteresse (im Sinne eines öffentlichen Interesses) bei den Schutzhindernissen nach § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 bis 10 MarkenG, was seinen Niederschlag darin gefunden hat, dass diese Löschungsgründe ohne zeitliche Begrenzung und zum Teil auch von Amts wegen geprüft werden können (§ 50 Abs. 3 MarkenG). Dagegen liegt den im vorliegenden Fall einschlägigen Löschungsgründen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG "nur" ein spezifisches Mitbewerberinteresse an der freien Verwendbarkeit des Zeichens zugrunde (vgl. BPatG, Beschl. v. 16. Februar 2012 - 30 W (pat) 33/11, BeckRS 2012, 14404 - Smartbook). Der Zeitraum nach der Eintragung, in dem die Marke unangefochten benutzt werden konnte, lässt dabei Rückschlüsse auf die Interessen der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit des betreffenden Zeichens zu (vgl. zur Situation vor der Eintragung: EuGH GRUR 2010, 228, 231, Tz. 53, 59 -Vorsprung durch Technik). Das lässt die Anforderungen an die Feststellung eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 mit der Zeit steigen.
Für die vergangenheitsbezogene Feststellung eines absoluten Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG muss nachgewiesen werden, dass das betreffende Zeichen für einschlägige Waren oder Dienstleistungen bereits vor dem Zeitpunkt der Eintragung in einem (vor allem beschreibenden) Sinn verwendet worden ist, der einer Eintragung entgegengestanden hätte.
Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung und von der Markenabteilung herangezogenen Verwendungsbeispiele zeigen Namen und keine beschreibende Benutzung.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und von denjenigen anderer unterscheidet. Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 [Nr. 45] - Standbeutel; BGH GRUR 2009, 949 - My World).
Wortmarken besitzen keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen (typisierten) Verbraucherkreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Tz. 86 -Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy) oder wenn die Marken aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen bestehen, die wegen einer entsprechenden Verwendung stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).
Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rn. 23 - TOOOR!).
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist davon auszugehen, dass das Publikum ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2003, 58, 60 Tz. 24 - Companyline; BGH GRUR 2012, 270, 271 - Link economy). Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt der Marke muss deshalb so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für das angesprochene Publikum unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist. Die bloße theoretische Möglichkeit, die eine oder andere Sachaussage durch die Marke vermitteln zu können, schließt Unterscheidungskraft nicht aus.
Nach diesen Grundsätzen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Marke "Okerpirat" bei der Eintragung am 11. Juni 2010 bezüglich der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlte.
Für die Bezeichnung "Okerpirat" ist ein bereits erfolgter beschreibender Gebrauch für den Eintragungszeitpunkt für in Rede stehende Waren und Dienstleistungen nicht nachweisbar.
Auch ist nicht feststellbar, dass die Bezeichnung zur Zeit der Eintragung eine auf der Hand liegende Beschreibung der Art oder der Beschaffenheit der streitgegenständlichen Produkte und Angebote war.
Weil "Oker" ein geographischer Hinweis ist, sind nicht alle damit gebildeten Wortkombinationen automatisch beschreibend.
Die Kombination eines Flussnamens mit "Pirat" hat über den geographischen Hinweis hinaus einen unterscheidungskräftigen Aussagegehalt, zumal "Pirat" schon in Alleinstellung für die strittigen Waren und Dienstleistungen keine beschreibende Bedeutung hat. Dass ein Lokal in seiner Inneneinrichtung auf seinen Namen Bezug nehmen kann, macht den Namen ebenso wenig beschreibend wie ein zusätzlich enthaltener Ortshinweis.
Zur Annahme einer beschreibenden Aussage käme man nur über mehrere gedankliche Schritte. Eine derart analysierende Betrachtungsweise im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist jedoch unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung ergibt (vgl. BGH GRUR 2001, 162, 163 - Rational Software Corporation).
Im Rahmen der im Löschungsverfahren erforderlichen nachträglichen Prognose zur Unterscheidungskraft ist es nicht gerechtfertigt, auf mehr oder weniger spekulative Erwägungen abzustellen. Als objektive und auch nachvollziehbare Entscheidungshilfe bietet sich vielmehr die Kontrollfrage an, ob und inwieweit eine Monopolisierung der Marke mit dem maßgeblichen Allgemeininteresse in Einklang zu bringen war, das den entscheidenden Auslegungsmaßstab des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG darstellt (vgl. BPatG, Beschl. v. 16. Februar 2012 - 30 W (pat) 33/11, BeckRS 2012, 14404 - smartbock; Hacker GRUR 2001, 630, 634 f.).
Es ist nicht zu belegen, dass die Bezeichnung "Okerpiat" eine gebräuchliche Bezeichnung oder Werbeaussage im Zeitpunkt der Eintragung war und noch ist.
Es ist auch weder nachgewiesen noch ersichtlich, das sich der Begriff zu einer gebräuchlichen Bezeichnung, etwa für Dienstleistungen im Veranstaltungsbereich, entwickelt hätte.
Das Zeichen unterlag und unterliegt damit auch keinem Freihaltungsbedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Unter diese Vorschrift fallen nur Angaben, die im normalen Sprachgebrauch die angemeldeten Waren und Dienstleistungen oder eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Bedeutung das Wort allgemein hat, sondern wie es im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden wird. Dabei ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 Tz. 24 - Matratzen Concord/Hukla). Dabei kommt es in erster Linie auf die im Eintragungszeitpunkt aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an; jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der betreffenden Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 676 [Nr. 56] - Postkantoor). Insoweit kann auch ein künftiges Freihaltebedürfnis Bedeutung erlangen.
Nachdem aber selbst jetzt nicht feststellbar ist, dass die Verbraucher der Bezeichnung im Hinblick auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen eine ausschließlich beschreibende Angabe entnehmen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Streitmarke im Eintragungszeitpunkt einem zukünftigen Freihaltebedürfnis unterlag.
Dass Veranstaltungen ein bestimmtes Motto aufgreifen, führt weder zu einem Mangel an Unterscheidungskraft noch zu einem Freihaltungsbedürfnis, da sonst alle Wörter bzw. solche, die Dekorationselemente benennen, insoweit als beschreibend angesehen werden müssten (BPatG, Beschl. v. 22. Mai 2012 -27 W (pat) 503/11, BeckRS 2012, 15409 - Dschungel).
Zwar mag es Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen, evtl. sogar Schuhe, geben, die für Piraten typisch sind. Für "Okerpirat" gibt es so etwas nicht, zumal ein Nebenfluss der Aller in Niedersachsen kein Gewässer ist, auf dem in diesem Jahrhundert Piraten im Sinne von Seeräubern zu erwarten gewesen wären.
Die angegriffene Marke besteht auch nicht nur aus Angaben, die im allgemeinen Sprachgebrauch üblich im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG geworden sind. Auch hier wäre ein Waren- und Dienstleistungsbezug erforderlich (vgl. EuGH GRUR 2001, 1148, Tz. 26, 28 - Bravo). Die Bedeutung des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG erschöpft sich nämlich darin, allgemein sprachgebräuchliche oder verkehrsübliche Bezeichnungen für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen von der Eintragung auszuschließen (BGH GRUR 1999, 365 - House of Blues; GRUR 1998, 412, 413 - Analgin). Dabei handelt es sich zum einen um ursprünglich unterscheidungskräftige Freizeichen und zum anderen - insofern überschneiden sich die Anwendungsbereiche der Nummern 1, 2 und 3 des § 8 Abs. 2 MarkenG - um Gattungsbezeichnungen (vgl. BGH GRUR 1998, 465, 468 - Bonus). Bei des liegt hier nicht vor.
Weitere absolute Schutzhindernisse sind weder dargelegt noch ersichtlich.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat damit keinen Erfolg.
Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen ist nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG), zumal der Löschungsantrag relativ zeitnah zur Eintragung gestellt wurde.