Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.05.2016


BPatG 13.05.2016 - 27 W (pat) 26/14

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Scan2Net" – das Vorliegen des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft zum Zeitpunkt der Markenanmeldung ist zuverlässig festzustellen - Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
13.05.2016
Aktenzeichen:
27 W (pat) 26/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 304 53 574 – S 322/12 Lösch

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Februar 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, des Richters Hermann und des Richters am Landgericht Dr. Söchtig

beschlossen:

I. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenabteilung 3.4, vom 13. November 2013 aufgehoben, soweit in Ziffer 1. die teilweise Löschung der Marke 304 53 574 angeordnet worden ist.

II. Hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 wird der vorgenannte Beschluss wie folgt abgeändert: Der Antrag auf Löschung der Marke 304 59 920 vom 4. Dezember 2012 wird insgesamt zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 15. September 2004 angemeldete Wortmarke 304 53 574

2

Scan2Net

3

wurde am 10. März 2005 für die Waren und Dienstleistungen

4

Klasse 9: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton; Magnetaufzeichnungsträger, insbesondere CDs, DVDs; Computerhardware und -software, Computerperipheriegeräte, insbesondere Scanner; Kameras; elektronische und elektrische Apparate und Instrumente zur Übermittlung von Daten über Computernetzwerke, insbesondere Kabel, Leitungen, Schaltgeräte, PC-Karten, bridges, hubs, switches, rooter, repeater;

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Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse;

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Klasse 37: Installation, Wartung und Reparatur von Computerhardware und Computerperipheriegeräte, Anlagen und Geräte der Netzwerk- und Kommunikationstechnik;

7

Klasse 41: Durchführung von Schulungen und Seminaren, Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, Netzwerk- und Kommunikationstechnik;

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Klasse 42: Entwurf und Entwicklung von Computer-Hardware und -software sowie von Netzwerk- und Kommunikationstechnik; Installation von Computersoftware;

9

in das Markenregister eingetragen.

10

Die Antragstellerin hat am 4. Dezember 2012 die Löschung der Marke beantragt, weil nach ihrer Auffassung die Marke entgegen § 8 Nr. 1 und 2 MarkenG eingetragen worden sei. Weiterhin trägt sie vor, der zu löschenden Marke mangle es an Unterscheidungskraft, „Scan“ stehe für „Scannen“ und „2“ als englischer Ausdruck für „zu“. Der Ausdruck „Net“ werde als „(elektronisches) Netzwerk“ auch im Inland verstanden und verwendet. Die Bezeichnung werde somit als „Scannen zu Netzwerk“ übersetzt und sage aus, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen dazu dienten, direkt von einem Scanner Dateien in ein Netzwerk oder das Internet zu stellen. Mitbewerber hätten ein Interesse an der freien Verwendung des beschreibenden Ausdrucks.

11

Die Antragsgegnerin hat dem ihr am 9. Januar 2013 zugegangenen Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 8. März 2013, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am selben Tag, widersprochen und ausgeführt, die Bezeichnung sei ein Kunstwort, das sich aus zwei englischen Ausdrücken und einer Zahl zusammensetze. Zum Zeitpunkt der Eintragung habe es keine Scanner gegeben, die direkt auf ein Netzwerk hätten scannen können. Die Marke diene dazu, die Produkte der Antragsgegnerin mit der Technologie, mit der direkt ohne Computer auf ein Netzwerk gescannt werden kann, von anderen Produkten mit anderen Technologien abzugrenzen. Nur die Antragsgegnerin und deren Lizenznehmer dürften diese besondere Technologie und zugehörige Marke verwenden, die seit 2001 als Neuheit entwickelt worden seien.

12

Mit Beschluss vom 13. November 2013, abgesandt am 21. November 2011, hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenabteilung 3.4, die Marke teilweise, nämlich für die Waren / Dienstleistungen

13

Klasse 9: Wissenschaftliche, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Mess-, Signal-, Kontrollapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton; Magnetaufzeichnungsträger, insbesondere CDs, DVDs; Computerhardware und -software, Computerperipheriegeräte, insbesondere Scanner; Kameras; elektronische und elektrische Apparate und Instrumente zur Übermittlung von Daten über Computernetzwerke, insbesondere Kabel, Leitungen, Schaltgeräte, PC-Karten, bridges, hubs, switches, rooter, repeater;

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Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse;

15

Klasse 37: Installation, Wartung und Reparatur von Computerhardware und Computerperipheriegeräte, Anlagen und Geräte der Netzwerk- und Kommunikationstechnik;

16

Klasse 41: Durchführung von Schulungen und Seminaren, Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, Netzwerk- und Kommunikationstechnik;

17

Klasse 42: Entwurf und Entwicklung von Computer-Hardware und -software sowie von Netzwerk- und Kommunikationstechnik; Installation von Computersoftware

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gelöscht und den Antrag auf Löschung der Marke 304 53 574 im Übrigen zurückgewiesen.Zur Begründung hat das DPMA ausgeführt, die angegriffene Marke sei im Umfang der Löschung bereits seit ihrer Eintragung und auch gegenwärtig nicht unterscheidungskräftig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

19

Die Bezeichnung „Scan2Net“ werde als alternative Schreibweise für „Scan to net" verstanden. „Scan“ sei der englischsprachige Ausdruck für „Scannen“, welches auch im Deutschen für „abtasten, rastern, skandieren, mit einem Scanner abtasten“ verwendet werde. Die Zahl „2“, im Englischen „two“, werde jetzt und schon im im Eintragungszeitpunkt mit dem englischen Wort „to“ gleichgesetzt und auch im Inland so verwendet, wobei „to“ in verschiedener Weise übersetzt werden könne, so als „zu, nach, in, an, auf“. Hierzu hat das DPMA auf Langenscheidts Handwörterbuch Englisch, Neubearbeitung 2010, S. 620 Bezug genommen. Weiter wurde ausgeführt, eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit ergebe sich daraus nicht. Der letzte Bestandteil „Net“ sei die auch im Deutschen verwendete Kurzform von Internet, werde aber auch als Hinweis auf ein (internes) Netzwerk (Intranet) verwendet, wobei die Begriffe „Net“, „Network“ und „Netzwerk“, „Netz“ synonym schon zum Zeitpunkt der Eintragung verwendet worden seien und würden. In der Gesamtheit werde die Bezeichnung also als „Scannen ins Netz“ verstanden, wobei es für den beschreibenden Charakter unerheblich sei, ob in ein internes Netzwerk oder ins Internet gescannt werde. Für die markenrechtliche Frage der Unterscheidungskraft spiele die konkrete Technologie keine Rolle. Entscheidend sei, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung verstehen würden und im Zeitpunkt der Eintragung verstanden hätten. Etwaige Urheber-, Patent- oder Namensrechte an einer Marke begründeten nicht zwangsläufig deren markenrechtliche Unterscheidungskraft. Das Markenrecht schützte nicht den Inhalt, sondern die Kennzeichnung der Waren und Dienstleistungen. Die Marke solle einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der so bezeichneten Waren und Dienstleistungen geben, nicht auf deren Inhalt. Dies könne die Bezeichnung „Scan2Net“ nicht. Die bereits im Eintragungszeitpunkt werbeübliche Schreibweise, an die der angesprochene Verkehr gewöhnt sei, begründe keine Unterscheidungskraft.

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Hiergegen richtet sich die am 20. Dezember 2013 erhobene Beschwerde der Markeninhaberin. Sie beruft sich darauf, dass es sich bei „Scan2net“ um ein Kunstwort handle, das nicht beschreibend sei und dem auch nicht jegliche Unterscheidungskraft fehle. Eine Bekanntheit des Wortes „Scan“ in Deutschland vor der Eintragung sei nicht erwiesen, da dieses Wort erst 2006 in den Rechtschreibduden aufgenommen worden sei. Außerdem sei die Betrachtung des Zeichens durch die Markenabteilung zergliedernd und analysierend. Bei den beteiligten Verkehrskreisen handele es sich um Entscheider und Einkäufer von öffentlichen Institutionen, die gut gebildet, sprachgewandt und der englischen Sprache mächtig seien, die das Zeichen daher ausschließlich als Marke verstünden. Die zugrundeliegende besondere Technologie sei neben der Marke ununterbrochen seit 2001 von der Beschwerdeführerin entwickelt und ausschliesslich von ihr und ihren Lizenznehmern benutzt worden. Auf diese Nutzung gingen etwaige Verwendungsnachweise in der Vergangenheit allein zurück. Damit sei auch von deutlich gesteigerter Unterscheidungskraft auszugehen.

21

Die Beschwerdeführerin und Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

22

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenabteilung 3.4, vom 13. November 2013 im Umfang der Löschung aufzuheben und den Löschungsantrag insgesamt zurückzuweisen.

23

Die Beschwerdegegnerin und Löschungsantragstellerin beantragt,

24

die Beschwerde zurückzuweisen.

25

In ihren Schriftsätzen vom 22. September 2014 und 4. März 2015 bezieht sie sich in erster Linie auf die Begründung des Beschlusses der Markenabteilung und trägt vor, die Bezeichnung „Scan2Net“ sei ohne Weiteres und ohne Unklarheiten verständlich und damit schutzunfähig. Die beteiligten Verkehrskreise seien anhand der vom Waren- und Dienstleistungsverzeichnis erfassten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen und nicht anhand der Produkte der Beschwerdeführerin. Eine Verkehrsdurchsetzung sei ebensowenig glaubhaft gemacht, wie die alleinige Verwendung durch Lizenznehmer.

II.

26

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

27

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin ist der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. November 2013 aufzuheben und der zulässige Antrag auf Löschung der angegriffenen Marke, dem die Markeninhaberin rechtzeitig nach § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen hat, insgesamt zurückzuweisen, da ein Löschungsgrund nach §§ 54, 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG nicht besteht.

28

Nach § 50 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kann eine eingetragene Marke auf Antrag nur gelöscht werden, wenn ihr im Zeitpunkt der Anmeldung (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2013 – I ZB 71/12, GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehlte und dieses Schutzhindernis auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch fortbesteht. Im Löschungsverfahren muss auch bei einem lange zurückliegenden Eintragungsverfahren das Vorliegen eines Schutzhindernisses zum Zeitpunkt der Markenanmeldung zuverlässig festgestellt werden; in Zweifelnsfällen darf eine Löschung der Marke nicht erfolgen (vgl BGH, Beschluss vom 6. November 2013 – I ZB 59/12).

29

Vorliegend konnte nicht zuverlässig festgestellt werden, dass der Marke 304 53 574 „Scan2Net“ bereits im Anmeldezeitpunkt im September 2004 die erforderliche Unterscheidungskraft in Bezug auf die von der Teillöschung umfassten Waren- und Dienstleistungen gefehlt hat, sodass deshalb eine Löschung nicht erfolgen kann und die Markenabteilung zu Unrecht die Löschung der Eintragung angeordnet (§§ 50 Abs. 1, Abs. 2, 54 MarkenG) hat.

30

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - C398/08, Slg. 2010, I535 = GRUR 2010, 228, Rdnr. 33 - Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; Urteil vom 12. Juli 2012 - C311/11, GRUR Int. 2012, 914, Rdnr. 23 - Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; BGH, Beschluss vom 13. September 2013 - I ZB 68/11, GRUR 2013, 522, Rdnr. 8 = WRP 2013, 503 - Deutschlands schönste Seiten; Beschluss vom 22. November 2012 - I ZB 72/11, GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 = WRP 2013, 909 - Kaleido). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 - I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 = WRP 2010, 1504 - TOOOR!; Beschluss vom 4. April 2012 - I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 = WRP 2012, 1396 - Starsat; EuG, Urteil vom 19. September 2001 - T335/09, Slg. 2001, II2581, Rdnr. 44 - Henkel/HABM [Dreidimensionale Tablettenform]).

31

Die Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf jede der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke Schutz beansprucht, gesondert zu beurteilen. Maßgeblich ist die Anschauung des angesprochenen Verkehrs. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2008 - C304/06, Slg. 2008, I3297 = GRUR 2008, 608, Rdnr. 67 - EUROHYPO; BGH, Beschluss vom 8. März 2012 - I ZB 13/11, BGHZ 193, 21, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; BGH, GRUR 2013, 522, dnr. 8 - Deutschlands schönste Seiten). Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 - I ZB 56/09, GRUR 2012, 270, Rdnr. 12 = WRP 2012, 337 - Link economy).

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Dieser großzügige Beurteilungsmaßstab gilt auch für Zeichenfolgen, an deren Unterscheidungskraft grundsätzlich keine strengeren Anforderungen als an andere Wortmarken zu stellen sind (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - C64/02, Slg. 2004, I10031 = GRUR 2004, 1027, Rdnr. 32 bis 44 - Erpo Möbelwerk [das Prinzip der Bequemlichkeit]; EuGH, GRUR 2010, 228, Rdnr. 36 - Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2001 - I ZB 60/98, GRUR 2001, 1043, 1044 f. = WRP 2001, 1202 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; Beschluss vom 21. Dezember 2011 - I ZB 56/09, GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 = WRP 2012, 337 - Link economy). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer kürzeren Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig werden des Weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein. Indizien für die Eignung, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Wortfolge kann einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden (vgl. EuGH, GRUR Int. 2012, 914, Rdnr. 25 bis 30 - Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009 - I ZB 34/08, GRUR 2009, 949, Rdnr. 12 = WRP 2009, 963 - My World; BGH, GRUR 2013, 522, Rdnr. 9 - Deutschlands schönste Seiten). Weist die Wortfolge einen unterscheidungskräftigen Bestandteil auf, wird dies im Regelfall dazu führen, dass auch der Wortfolge in ihrer Gesamtheit die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht fehlt.

33

Eine beschreibende Verwendung des Markenworts zum Anmeldezeitpunkt im September 2004, die einen sicheren Rückschluss auf eine mangelnde Unterscheidungskraft bereits zu diesem Zeitpunkt zuläßt, ist nicht feststellbar.

34

Im von der Markenabteilung untersuchten Scanner Maintanace Kit der Firma O… aus November 2003 (Bl. 115 ff. AmtsA) ist zwar von einer „scan to net“ Konfiguration eines Scanners die Rede, die offenbar ermöglicht, gescannte Daten auf einen angeschlossenen Host Computer zu übermitteln. Hieraus ergibt sich aber eine beschreibende Verwendung für die besondere Technologie der Beschwerdeführerin selbst, die gerade nicht auf einen Host Computer angewiesen ist, nicht. Ebensowenig ist ein beschreibender Zusammenhang aus der Anlage 2 zum angefochtenen Beschluss ersichtlich, die seitens des Unternehmens X… als Hardwarevoraussetzung der beschriebenen Softwarefunktion (scant to net features) einen Scanner erwähnt. Vielmehr hat der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin überzeugend dargelegt, dass X… im Jahre 2003 Lizenznehmer der Beschwerdeführerin gewesen sei und deshalb die Wortfolge „scan to net“ verwendet habe. Soweit diese Wortfolge von der Firma O… benutzt worden sei ergebe der Gesamtzusammenhang, dass diese Firma damit auf ihre Software hinweise, die man auf einen Rechner installieren könne. Entsprechend, so der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin weiter, verhalte es sich auch mit der Firma R…, die die Wortfolge 2004 erwähnt habe, da zu diesem Zeitpunkt mit dieser ein joint venture bestanden habe.

35

Letztlich verweisen aber auch die weiteren, in der mündlichen Verhandlung erörterten Belege (Anlage zum Protokoll vom 29. Februar 2016), die auf September 2014 bezogen sind, ausnahmslos auf die Beschwerdeführerin und einen ihrer Partner, der auf der CeBIT 2004 die Scant2Net-Technologie der Beschwerdeführerin vorstellte.

36

Da das Vorliegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zum Zeitpunkt der Markenanmeldung zuverlässig festzustellen ist, was auch bei lange zurückliegenden Eintragungsverfahren, bei denen wegen des Zeitablaufs oder sich schnell wandelnder Verkehrsvorstellungen eine sichere Beurteilung besonders schwierig sein kann, gilt, gehen Restzweifel zu Lasten des Löschungsantragsstellers, so dass in einem Zweifelsfall - wie hier - eine Löschung wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht angeordnet werden kann.

37

Es lässt sich darüber hinaus auch nicht zuverlässig feststellen, dass das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zum Anmeldezeitpunkt im September 2004 bereits vorgelegen hat.

38

Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Die aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c MarkenRL übernommene Regelung gebietet die Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - C363/99, Slg. 2004, I1619 = GRUR 2004, 674, Rdnr. 95 bis 97 - Postkantoor; BGH, GRUR 2012, 272, Rdnr. 9 - Rheinpark-Center Neuss; BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - I ZB 70/10, GRUR 2012, 276 Rdnr. 8 = WRP 2012, 472 – I… e.V.).

39

Wie dargelegt ist für die Zeit des Eintragungsverfahrens davon auszugehen, dass sich die Marke nicht in einer beschreibender Angabe von Merkmalen der Waren und Dienstleistungen erschöpft, für die die Löschung angeordnet worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass in 2004 möglicherweise mit einer beschreibenden Benutzung in der Zukunft zu rechnen gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Die Verwendung des Markenworts als beschreibende Angabe für ihre besondere Technologie ist von der Beschwerdeführerin selbst initiiert worden. Eine etwa beschreibende aktuelle Verwendung des Zeichens "scan2net" durch Dritte folgt derjenigen durch die Markeninhaberin ab 2004 nach. Hat aber erst die Markeninhaberin die beschreibende Verwendung des Markenworts veranlasst, ist dies kein Indiz für eine im Jahr 2004 vernünftigerweise zu erwartende zukünftige beschreibende Verwendung.

40

Aus diesen Gründen war der Beschwerde stattzugeben.

41

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der am Verfahren beteiligten Parteien (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG) besteht nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung. Auch das Verhalten der Beteiligten gibt keinen Anlass für eine solche Kostenauferlegung. Daher bleibt es bei der für das markenrechtliche Beschwerdeverfahren im Regelfall vorgesehenen gesetzlichen Kostenfolge des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, wonach jeder Beteiligte die ihm entstanden Kosten selbst zu tragen hat.