Entscheidungsdatum: 09.12.2014
Qui
Der französische Begriff für „Ja“, oui, erschöpft sich in einer werbemäßigen Aussprache der Verbraucher und ist damit nicht unterscheidungskräftig (Abgrenzung zu BGH GRUR 1999, 1089 – yes).
In der Beschwerdesache
…
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Dezember 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht und der Richter Hermann und Schmid
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Löschungsabteilung vom 30. Januar 2014 zu Ziffer 2 aufgehoben und die Löschung der Marke auch für Waren der Klasse 25 angeordnet.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Antragstellerin hat am 24. Oktober 2012 die Löschung der am 10. Januar 2012 angemeldeten und am 2. Februar 2012 in das Markenregister eingetragenen Wortmarke Nr. 30 2012 000 861
OUI
beantragt. Die Eintragung der angegriffenen Marke umfasst die Waren
14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte und damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente
25: Bekleidungsstücke, Damenoberbekleidung, Halstücher, Seidentücher, Gürtel, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.
Auf den Löschungsantrag, dem die Markeninhaberin widersprochen hat, hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 30. Januar 2014 die Löschung der Streitmarke in Bezug auf die Eintragung für Waren der Klasse 14 angeordnet. Im Übrigen hat sie den Löschungsantrag zurückgewiesen.
Nach Auffassung der Markenabteilung werde der französischsprachige Begriff „OUI“ in Bezug auf Schmuck- und andere Waren der Klasse 14 als eine der Warenaufmachung zurechenbare Inschrift, die – etwa auf einem (Verlobungs- oder Trau-) Ring – ein persönliches Versprechen ausdrücke, wahrgenommen und sei daher den Löschungsgründen nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 i. V. m. § 50 Abs. 1 MarkenG ausgesetzt. Hinsichtlich der eingetragenen Waren der Klasse 25 bestehe kein Löschungsgrund. Das Zeichen erschöpfe sich insoweit insbesondere nicht in einer bloßen Kaufanpreisung. Das inländische Publikum entnehme dem nur eingeschränkt vertrauten Schriftbild des Zeichens nicht ohne weiteres die französischsprachige Wortbedeutung „ja“. Selbst bei unterstellter Kenntnis des Bedeutungsgehalts ordne das Publikum dem Zeichen nicht zwingend werblich anpreisende Funktion zu. Insbesondere fehlten Anhaltspunkte für eine tatsächliche Gewöhnung des Publikums an einen derartigen Sprachgebrauch.
Gegen den am 3. Februar 2014 zugestellten Beschluss hat die Löschungsantragstellerin am 26. Februar 2014 Beschwerde eingelegt. Das Streitzeichen sei auch bezogen auf Waren der Klasse 25 löschungsreif. Wie verschiedene Werbeanzeigen ergäben, werde der Ausdruck „OUI“ auch im Bekleidungssektor bereits als werbliche Anpreisung verwendet. Dafür, dass ein solches Verständnis nur in einem jeweils erläuternden Zusammenhang Platz greife, bestünde kein Anhalt. Der Begriff sei ein Grundwort der französischen Sprache, das inländischen Verkehrs auch in schriftlicher Wiedergabe bekannt sei.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den angefochtenen Beschluss zu Ziffer 2. aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung entnehmen die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise der Marke keinen unmittelbar erkennbaren Bedeutungsgehalt. Selbst bei analysierender Aufnahme liege ein Verständnis im Sinn von „ui“ als Ausdruck von Überraschung näher. Auch der nur sehr geringe Teil des Publikums, der über Grundkenntnisse im Französischen verfüge, werde das Wort nicht lediglich als werbliche Anpreisung verstehen, da dem Begriff ein klarer Aussagegehalt fehle oder das Publikum auch nicht durch den umfangreichen Gebrauch hieran gewöhnt sei. Die von der Beschwerdeführerin zum Beleg der Verwendung des angegriffenen Wortzeichens herangezogenen Publikationen verfügten ausnahmslos über engen inhaltlichen Bezug zu Frankreich und zeigten gerade, dass das Wort „QUI“ in Deutschland allenfalls in Ausnahmefällen benutzt werde.
II.
Die zulässige Beschwerde der Löschungsantragstellerin hat Erfolg.
Die angegriffene Marke unterliegt entgegen der Auffassung der Markenabteilung auch in Bezug auf die eingetragenen Waren der Klasse 25 der Löschung nach § 50 Abs. 1 MarkenG. Die angegriffene Marke entbehrte bereits zum Anmeldungszeitpunkt am 10. Januar 2012 (vgl. BGH GRUR 2014, 872 Rn. 10 - Gute Laune Drops) und entbehrt noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) der erforderlichen Unterscheidungskraft, s. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die konkrete Eignung eines Zeichens, die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 - HOT). Maßgeblich ist grundsätzlich die mutmaßliche Wahrnehmung durch die angesprochenen Verbraucher (s. BGH GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido). Dabei reicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jede noch so geringe Unterscheidungskraft, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2014, 872 Rn. 12 - Gute Laune Drops; allerdings differenzierend gegenüber der Unterscheidungskraft von Werktiteln BGH GRUR 2009, 949 Rn. 17 - MyWorld; GRUR 2010, 640 Rn. 15 - hey!).
Unterscheidungskraft fehlt u. a. solchen Angaben, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen und stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH a. a. O., Rn. 13 - hey!; a. a. O., Rn. 21 - Gute Laune Drops; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor; mit anderem Ergebnis auch BGH GRUR 1999, 1089, 1091 - YES).
Die angegriffene Marke war bzw. ist in Bezug auf die eingetragenen Waren der Klasse 25 zu beiden relevanten Zeitpunkten als Angabe einer geläufigen Fremdsprache, die stets nur als solche verstanden wird, einzuordnen. Der allgemein verständliche Begriff in der Bedeutung „ja“ erschöpft sich in einer werbemäßigen Ansprache, indem es die Aufmerksamkeit der Kunden durch beifälliges Wohlwollen, das durch sprachliche Einkleidung einen auf die Waren bezogenen Zusammenhang zum französischen Kulturkreis herstellt, zu gewinnen und zu binden sucht.
Fremdsprachige Sach- und Werbeaussagen sind in der international ausgerichteten und vielfach affektiv und/oder unter Aufnahme spezifischer Zeitströmungen und -stimmungen beworbenen Modebranche weithin üblich. Neben dem Englischen kommt der französischen Sprache vor allem aufgrund der Wertschätzung und Assoziationskraft, die die französische Lebensart und insbesondere Mode genießen (s. Savoir-Vivre bzw. Haute Couture, Prêt-à-porter), in diesem Warenbereich herausgehobene Bedeutung zu (vgl. auch die eingeführten Verwendungsbeispiele). Dabei rechnet der Ausdruck „OUI“ zu den französischen Basisbegriffen und wird - wie auch andere charakteristische Kernausdrücke, etwa merci oder bonjour - mit Rücksicht auf die kulturelle wie wirtschaftliche Bedeutung und die räumliche Nähe französischsprachiger Länder im Inland ungezwungen in alltäglichen Zusammenhängen mit Bezug zu deren Kultur verwendet. Das Begriffsverständnis setzt auf dieser Grundlage keine entwickelten Fremdsprachenkenntnisse voraus, sondern kann als solches einschließlich in schriftlicher Wiedergabe dem Allgemeinwissen eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen inländischen Durchschnittsverbrauchers von Bekleidungsartikeln und Schuhen zugerechnet werden. Dies unterlegen auch die exemplarisch eingeführten, der Tagespresse entnommenen Verwendungen (vgl. Anlagen 15 – 21 zum Schriftsatz der Löschungsantragstellerin vom 7. August 2013, u. a.: „Oui auf Sanssouci“). Die Einordnung des Begriffs als Ausdruck von Überraschung, von dem die Markeninhaberin ausgeht, ist nicht zu erwarten, da derartige spontane Gefühlsäußerungen regelmäßig in einfacher und unmissverständlicher Lautschrift wiedergegeben zu werden pflegen (siehe „ui“, wortschatz.uni-leipzig.de).
Das Zeichen entzieht sich im Umfeld imageorientierter und affektiver Bewerbung von Modeartikeln dem Verständnis als betriebliches Unterscheidungsmittel. Angesichts vielfältiger Ansprache, an die das angesprochene allgemeine Publikum in diesem Zusammenhang gewöhnt ist, liegt das Verständnis des Zeichens als unmittelbar fassbares Mittel bloßer Kundenakquisition, die unter Bezugnahme auf den französischen Kulturkreis auf die registrierten Bekleidungs- bzw. Schuhwaren hinweist, nahe (vgl. BPatG, Beschluss vom 8. September 2008 –25 W (pat) 26/07 – Bildzeichen „JA“; aufgrund spezifischer Warenlage anders für „SI“, Beschluss vom 3. August 1998 – 30 W (pat) 71/97). Dass das aufgrund seiner Funktion als Ansprache zwingend prägnante Zeichen nicht im Einzelnen erkennen lässt, aus welchen Gründen die Waren Zustimmung verdienen, ändert nichts daran, dass der Ausdruck sich auf einen Werbehinweis beschränkt.
Der Aussagehalt des Zeichens kommt im Übrigen weitgehend demjenigen des Bildzeichens „hey!“ gleich, dessen Einordnung als u. a. im Bereich Bekleidungsstücke nicht unterscheidungskräftige Werbeaussage allgemeiner Art der Bundesgerichtshof gebilligt hat (vgl. BGH GRUR 2010, 640); das angegriffene Zeichen verfügt aufgrund seines ausdrücklich empfehlenden Inhalts und der klar hervortretenden Bezugnahme auf einen bestimmten Kulturkreis sogar über einen engeren Warenbezug. Ferner hat auch der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „YES“ (zu Klasse 28: u. a. Tabak) ausdrücklich die Einschätzung geteilt, dass dieser Begriff eine schlagwortartige Anpreisung, die einen Kaufentschluss hervorrufen soll, zum Ausdruck bringt (vgl. BGH GRUR 1999, 1089 unter III. 2. b)). Die Rechtsauffassung, dass hierin eine über das reine Wortverständnis hinausgehende Aussage liege, die es verbietet, dem Zeichen jede Unterscheidungskraft abzusprechen, dürfte keinen Bestand mehr haben (vgl. BGH GRUR 2009, 949 Rn. 27 - MyWorld; GRUR 2010, 640 Rn. 11, 13 - hey!; BPatG, Beschluss vom 8. September 2008 – 25 W (pat) 26/07 - Bildzeichen „JA“).
Ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Verwendung des Markenwortes als solches in der Werbung nachweisen lässt (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 17 - hey!; EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 46 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT), kann ein dem Streitzeichen vergleichbarer Sprachgebrauch den eingereichten Verwendungsbeispielen entnommen werden, die den Begriff „OUI“ unmittelbar in tragender Bedeutung aufgreifen und für die Akzeptanz des Produkts werben (vgl. Anlagen 3, 4 zum Schriftsatz vom 24. Oktober 2012: „Sagen Sie oui zum paree“ (Krawatten) bzw. „Ich sage Oui“ (Baskenmütze). Die Beschränkung der Belegstellen auf französische Anbieter entkräftet die Aussagekraft der Beispiele nicht. Sie entspricht dem Zweck der Angabe, auf eine derartige Herkunft oder einen derart geprägten Stil gerade in Deutschland in Kombination mit deutschen Wörtern hinzuweisen.
Zudem ist bei der Prüfung der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG das Allgemeininteresse daran, die freie Nutzung nahe liegender Werbesprache zu erhalten, einzubeziehen (vgl. Hacker, GRUR 2001, 630, 635; Ströbele in FS für Ullmann, 2006, 425, 436; ähnlich BGH GRUR 2014, 872 Rn. 41 - Gute Laune Drops; GRUR 2014, 565Rn. 17 - smartbook; EuGH GRUR 2003, 604Rn. 60 - Libertel). Ein derartiges Bedürfnis ist vorliegend aufgrund der ausgeprägten Eignung des Begriffs, im konkreten Warenumfeld als Werbemittel genutzt zu werden, nicht von der Hand zu weisen.
Für die Berücksichtigung langjähriger Benutzung des Zeichens, auf die die Markeninhaberin im Amtsverfahren hingewiesen hat, ist grundsätzlich kein Raum, sofern nicht die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung des Zeichens nach § 8 Abs. 3 MarkenG gegeben oder jedenfalls zunächst glaubhaft gemacht sind, wovon die Markeninhaberin hier abgesehen hat. Die Entscheidung „Vorsprung durch Technik“ des EuGH, auf die die Markeninhaberin sich bezogen hat, betraf eine Ausnahmesituation insofern, als das Gericht davon ausging, dass es sich um ein „berühmtes“ Zeichen handele (vgl. GRUR 2010, 228 Rn. 59; dazu Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 218).
Die von der Markeninhaberin herangezogenen Eintragungen inhaltsgleicher Marken sind zwar in die Bewertung einzubeziehen, entfalten aber keine Bindungswirkung (vgl. m.N. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 58 ff.).
Der Beschwerde der Löschungsantragstellerin ist daher begründet.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil der Senat in der Frage der Unterscheidungskraft der Wortmarke „OUI“ von der Begründung der „YES“ - Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweicht (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).