Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.01.2013


BPatG 23.01.2013 - 26 W (pat) 88/12

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Rollicar-Team" – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
23.01.2013
Aktenzeichen:
26 W (pat) 88/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 061 953 S 267/11 Lösch

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 23. Januar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin hat am 13. September 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt gemäß §§ 50 Abs. 1, 54 Abs. 1 MarkenG die Löschung der dort für den Antragsgegner seit dem 1. Dezember 2010 für die Dienstleistungen der Klasse 39

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"Personenbeförderung sitzend, im Rollstuhl und Liegendtransporte"

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eingetragenen Wortmarke 30 2010 061 953

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Rollicar-Team

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beantragt, weil diese entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden sei. Zur Begründung hat sie vorgetragen, bei der angegriffenen Angabe habe es sich zum Zeitpunkt ihrer Eintragung um eine zur Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen geeignete Angabe gehandelt, der deshalb auch die Unterscheidungskraft gefehlt habe (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG).

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Der Antragsgegner hat der Löschung innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG widersprochen.

7

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat am 10. Juli 2012 die Löschung der Marke 30 2010 061 953 angeordnet. Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, die angegriffene Marke sei entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG in das Markenregister eingetragen worden.

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Es bestehe das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden.

9

Bei Anwendung der hierzu bestehenden Grundsätze genüge die vorliegende Wortmarke für die Dienstleistungen, auf die sich Registrierung erstreckt, nicht den an die Unterscheidungskraft zu stellenden Anforderungen. Sie weise insoweit einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Charakter bzw. einen engen beschreibenden Bezug auf. Die Marke bestehe aus den Wortbestandteilen "Rollicar" und "Team". Ersterer sei sprachüblich aus den Einzelwörtern "Rolli" und "Car" gebildet und im Zusammenhang mit der beanspruchten Dienstleistung der Personenbeförderung zwanglos als Hinweis auf ein hierbei verwendetes, für den Transport von Rollstuhlfahrern geeignetes Kraftfahrzeug verständlich. "Rolli" sei nämlich ein gängiges umgangssprachliches Kürzel, und zwar sowohl für "Rollstuhl", als auch für "Rollstuhlfahrer". "car" sei ein Begriff des englischen Grundwortschatzes, der bereits in den deutschen Sprachgebrauch Eingang gefunden habe und daher auch dem inländischen Durchschnittsverbraucher im Sinne von "Auto, Kraftfahrzeug" geläufig sei. Das Wort "Rollicar" erschließe sich somit für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres als ein auf die zugehörige Dienstleistung des Personentransports bezogener Ausdruck mit dem oben genannten beschreibenden Inhalt. Der weitere Bestandteil "Team" verleihe dem Zeichen nicht das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Dieses Wort sei als Bezeichnung für eine Arbeitsgruppe oder eine Mannschaft  ebenso üblich wie der Umstand, dass bei Behinderten- und Krankentransporten mehrere Personen, wie z. B. Fahrer, medizinisch geschultes Personal oder für die Organisation zuständige Mitarbeiter, als "Team" zusammenwirken. Daher erschöpfe sich die angegriffene Marke in einer beschreibenden Aussage über die Art der Erbringung und den Erbringer der Dienstleistung.

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Gegen den Löschungsbeschluss der Markenabteilung wendet sich der Antrags-gegner mit der Beschwerde. Er ist der Ansicht, der angegriffenen Marke fehle nach deren Gesamteindruck nicht die Unterscheidungskraft. „Rolli“ habe außer Rollstuhl noch weitere Bedeutungen, der maßgebliche Verkehr denke nicht an Rollstuhlfahrer und zu deren Transport geeignete Fahrzeuge; die Dienstleistungen richteten sich auch nicht nur an Rollstuhlfahrer. Auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 11. September 2012 wird verwiesen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Juli 2012 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie schließt sich der im Beschluss der Markenabteilung vertretenen Auffassung an; auf den Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 wird Bezug genommen.

II

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Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den zulässigen Löschungsantrag der Antragstellerin hin zu Recht die Löschung der Marke 30 2010 061 953 der Antragsgegnerin beschlossen. Die angegriffene Marke ist, wie die Markenabteilung zutreffend festgestellt hat, entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG in das Markenregister eingetragen worden.

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Der Eintragung der angegriffenen Marke stand für die Dienstleistungen, für die ihre Eintragung erfolgt ist, bereits zum Eintragungszeitpunkt das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

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Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen und Angaben bestehen, die im Verkehr zur Be-zeichnung von Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen, wie z. B. ihrer Art oder ihrer Beschaffenheit, dienen können. Diese auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. C MarkenRL beruhende Vorschrift verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass beschreibende Zeichen oder Angaben im Sinne der Bestimmung von jedermann frei verwendet werden können (EuGH GRUR 1999, 723 - Chiemsee; BGHZ 167, 278 - FUSSBALL WM 2006). Die bloße Eignung eines Zeichens oder einer Angabe, zur Beschreibung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen eingesetzt werden zu können, erfüllt den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (EuGH a. a. O. - Chiemsee; GRUR 2010, 534 - PRANAHAUS). Dem Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliegen alle zur Beschreibung der Waren/Dienstleistungen geeigneten Angaben. Damit kommt es für die Schutzfähigkeit einer Angabe nicht darauf an, ob mögliche Wettbewerber des Markenanmelders derzeit oder künftig gerade auf diese Angabe angewiesen sind oder ob noch andere gleichwertige oder sogar gebräuchlichere Ausdrücke zur Verfügung stehen (EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor). Vielmehr muss der Allgemeinheit die freie Wahl zwischen allen beschreibenden Ausdrücken erhalten bleiben (EuGH a. a. O. - Postkantoor; BGH GRUR 2004, 680 - BIOMILD). Dass eine Angabe neuartig, ungewohnt oder fremdsprachig ist, schließt ihre Eignung, zur Beschreibung dienen zu können, noch nicht aus. Auch darauf, ob eine Angabe bereits zur Beschreibung benutzt worden ist, kommt es im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht an, weil im Markenrecht Gesichtspunkte einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme keine Rolle spielen (BPatG GRUR 2010, 338, 340 - Etikett). Das Schutzhindernis bemisst sich vielmehr ausschließlich danach, ob die angemeldete Marke als solche und für sich objektiv eine beschreibende Angabe darstellt (BGH GRUR 2002, 64, 65 - INDIVIDUELLE).

19

Bei einer Kombinationsmarke kommt es nicht auf die Schutz(un)fähigkeit der Markenteile, sondern auf die Schutz(un)fähigkeit der Marke in ihrer Gesamtheit an. Deshalb darf aus dem beschreibenden Charakter der einzelnen Bestandteile nicht ohne weiteres auch für die Kombinationsmarke ein Schutzhindernis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hergeleitet werden (EuGH GRUR 2004, 943 - SAT.2; BGH GRUR 2011, 65 - Buchstabe T mit Strich). Dass die einzelnen Markenteile nicht als selbständige Zeichen, sondern als einheitliche, zusammengesetzte Marke wahrgenommen werden, ist gerade der Gegenstand einer solchen Markenanmeldung (BGH a. a. O. - Buchstabe T mit Strich).

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Die angegriffene Marke stellte - wie die Markenabteilung in ihrem Beschluss zutreffend erkannt hat - bereits zum Zeitpunkt ihrer Eintragung in ihrer eingetragenen Form eine zur Beschreibung der Art und Beschaffenheit der Dienstleistungen "Personenbeförderung sitzend, im Rollstuhl und Liegendtransporte" und der Leistungserbringer geeignete Angabe dar und ist als solche auch heute noch geeignet.

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Die Wortfolge „Rollicar Team“ hat die von der Markenabteilung festgestellte Bedeutungen „Rollstuhl“, „Auto“ und „Team“.

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Da der EuGH die maßgeblichen Verkehrskreise, auf die für die Beschreibungseignung abzustellen ist, als den Handel bzw. Dienstleistungssektor und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der im Einzelfall maßgeblichen Waren und Dienstleistungen definiert, kann auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise allein für die Feststellung der Beschreibungseignung ausschlaggebend sein (BPatG MarkenR 2007, 527, 529 f. - Rapido), weil insbesondere jeder Mitbewerber beschreibende Angaben frei verwenden können muss (EuGH a. a. O. - PRANAHAUS).

23

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann kein ernsthafter Zweifel an der objektiven Beschreibungseignung der angegriffenen Marke für die relevanten Dienstleistungen und an der Kenntnis und dem Verständnis der Marke durch die auf diesem Gebiet tätigen Fachkreise und interessierten Verkehrskreise bestehen, weshalb ihrer Eintragung schon seinerzeit das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstand. Hier ist zunächst auf die überzeugenden Ausführungen der Markenstelle in der angefochtenen Entscheidung zu verweisen, die zutreffend und mit Belegen untermauert die Bedeutung von "Rolli" im relevanten Zusammenhang mit "Rollstuhl" bzw. "Rollstuhlfahrer" als am nächsten liegend ansieht. Dass "car" ebenso wie "Team" Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hat und dem inländischen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres verständlich ist, stellt auch der Antragsgegner nicht in Abrede.

24

Der sich insgesamt aufdrängende Sinngehalt der Wortfolge ist daher zweifellos das Angebot von Transportdienstleistungen mit rollstuhlgeeigneten Fahrzeugen durch ein fachkundiges Team. Es bedarf entgegen der Auffassung im Schriftsatz vom 11. 9. 2012 unter 2 a) auch nicht der Ergänzung der Marke um "Fahrdienste", um diesen Sinngehalt, der sich auch aus dem Dienstleistungsverzeichnis ergibt,  nahezulegen. Dass ein Team von Transportdienstleistungsanbietern mit rollstuhlgeeignetem Fuhrpark auch Personen ohne Rollstuhl oder liegend befördern kann, liegt schließlich ebenfalls auf der Hand, weshalb die Ausführungen unter 2 c) nicht geeignet sind, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

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Ergänzend kann ferner auf die Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 19. 12. 2012 unter II: verwiesen werden.

26

Dass die angegriffene Marke auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Beschwerde noch als beschreibende Angabe für die fraglichen Dienst-leistungen benutzt werden kann und deshalb weiterhin als Beschreibung der Art und Beschaffenheit dieser Dienstleistungen benötigt wird (§ 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG), steht außer Frage und ist auch vom Antragsgegner nicht in Abrede gestellt worden.

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2. Der angegriffenen Marke hat zum Zeitpunkt ihrer Eintragung - und auch schon zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung - zudem jegliche Unterscheidungskraft gefehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

28

Unterscheidungskraft im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung ist die konkrete Eignung eines Zeichens, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2004, 428, 431 - Henkel), denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2002, 804, 806 - Philips; GRUR 2008, 608, 610 - EUROHYPO). Die Unterscheidungskraft fehlt insbesondere Zeichen und Angaben, die für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen eine unmittelbare beschreibende Bedeutung haben oder einen sachlich beschreibenden Bezug zu diesen aufweisen (BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend hat der angegriffenen Marke sowohl zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung als auch zum Zeitpunkt ihrer Eintragung das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gefehlt, weil ihr ein für die maßgeblichen Dienstleistungen unmittelbar beschreibender Begriffsgehalt innewohnte und weiter innewohnt, der vom auf dem Personen- und Krankenbeförderungssektor tätigen Fachverkehr, aber auch von dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen inländischen Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres verstanden wurde bzw. wird. Wegen der die Beschreibungseignung zum Anmelde- und Eintragungstag begründenden Tatsachen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorherigen Feststellungen zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG Bezug genommen, die für das Schutzhindernis in gleicher Weise von Bedeutung sind.