Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.01.2013


BPatG 23.01.2013 - 26 W (pat) 65/12

Markenbeschwerdeverfahren "Engelhardt Bier Bad Hersfeld (Wort-Bildmarke)/Engelhardt Pilsener" – unmittelbare Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
23.01.2013
Aktenzeichen:
26 W (pat) 65/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 072 082

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der Marke 30 2008 072 082

Abbildung

2

für die Ware

3

"32: Biere"

4

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Ware

5

"32: Bier nach Pilsner Art"

6

eingetragenen prioritätsälteren Marke 300 65 470

7

Engelhardt Pilsener.

8

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 6. September 2011 auf den Widerspruch hin die Löschung der angegriffenen Marke beschlossen sowie mit weiterem Beschluss vom 27. April 2012 die dagegen eingelegte Erinnerung des Markeninhabers zurückgewiesen.

9

Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die Widersprechende habe auf die gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG zulässige Einrede des Markeninhabers hin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für beide dort bestimmten Zeiträume glaubhaft gemacht. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die Widersprechende ihre Marke in den Jahren 2004 bis 2009 für Bier ernsthaft in einer Form benutzt habe, die ihren kennzeichnenden Charakter nicht verändert habe. Zwischen den beiderseitigen Marken bestehe auch Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die angegriffene Marke halte den wegen der Identität der Waren gebotenen deutlichen Abstand gegenüber der normal kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke nicht ein. Der in der angegriffenen Wort-Bild-Marke enthaltene Name "Engelhardt" präge in klanglicher Hinsicht deren Gesamteindruck, weil er allein sich zur Benennung der angegriffenen Marke anbiete, die sonst nur beschreibende Angaben zur Art der Ware und deren geografischer Herkunft sowie zur mündlichen Bestellung weniger geeignete Bildbestandteile enthalte. Es sei auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Markeninhabers nicht ersichtlich, dass es sich bei "Engelhardt" um einen auf dem einschlägigen Warensektor häufig vorkommenden und daher verbrauchten Namen handele. Bei dieser Sachlage bestehe die Gefahr unmittelbarer klanglicher Verwechslungen der beiderseitigen Marken.

10

Dagegen wendet sich der Markeninhaber mit der Beschwerde. Er ist der Ansicht, der Name "Engelhardt" sei nicht nur ein allgemein häufig vorkommender und in Deutschland von knapp 24.000 Personen geführter Familienname, sondern auch für Bier ein verbrauchter Name. Es habe bereits im 19. Jahrhundert in Bad Hersfeld bis zur Verschmelzung mit der Binding Brauerei AG im Jahre 1971 eine Bierbrauerei W. Engelhardt AG gegeben, die Bier unter der Bezeichnung "Engelhardt Bier" verkauft habe. Seit dem 19. Jahrhundert habe es ferner eine Mitteldeutsche Engelhardt-Brauerei AG mit Sitz in Halle gegeben, die auch in der ehemaligen DDR bis 1990 "Engelhardt-Pilsener" verkauft habe. Eine weitere "Engelhardt"-Brauerei habe es von 1905 bis zum Ende des zweiten Weltkriegs in Pankow gegeben. Die verschiedenen "Engelhardt"-Brauereien hätten jahrzehntelang koexistiert. Verwechslungen habe es nie gegeben.

11

Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6. September 2011 und 27. April 2012 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

13

Die Widersprechende beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

15

Sie verweist darauf, dass die Darlegungen des Markeninhabers in der Beschwerdebegründung zwar aus historischer Sicht interessant seien, jedoch der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen könnten. Seit der deutschen Wiedervereinigung gebe es nur noch eine "Engelhardt"-Brauerei, nämlich die der Widersprechenden. Mit Ausnahme der angegriffenen Marke sei sie bzw. die mit ihr konzernrechtlich verbundene Brau und Brunnen Brauereien GmbH Inhaberin sämtlicher Markeneintragungen mit dem Namen "Engelhardt". Es lägen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke vor. Im Übrigen schließt sie sich der Beurteilung der Verwechslungsgefahr in den vom Markeninhaber angegriffenen Beschlüssen an.

II

16

Die zulässige Beschwerde des Markeninhabers ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht aus den von der Markenstelle zutreffend dargelegten Gründen die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

17

Die Widersprechende hat auf die gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG zulässige Einrede der Nichtbenutzung hin die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für Bier für beide in der genannten Bestimmung aufgeführten Zeiträume (16.01.2004 - 15.01.2009 bzw. 23.01.2008 - 22.01.2013) durch die im Amtsverfahren vorgelegten Unterlagen, in denen Umsatzzahlen für die Jahre 2004 bis 2009 ausgewiesen und eidesstattlich versichert sind, glaubhaft gemacht. Die vorgelegten Etiketten und Fassdeckel zeigen die Verwendung der eingetragenen Wortmarke zusammen mit beschreibenden Angaben und Bildelementen, die den kennzeichnenden Charakter der eingetragenen Wortmarke nicht verändert haben. Die glaubhaft gemachte Benutzung ist nach Umfang, Dauer, Art und Verwendungsform ausreichend und somit rechtserhaltend i. S. v. § 26 MarkenG. Da der Markeninhaber demgegenüber in seiner Beschwerdebegründung nichts vorgebracht hat, erübrigen sich diesbezüglich ergänzende Ausführungen.

18

Zwischen den beiderseitigen Marken besteht entgegen der Ansicht des Markeninhabers auch die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

19

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne der vorstehenden Bestimmung ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd).

20

Hiervon ausgehend kommen sich die beiderseitigen Marken verwechselbar nahe. Die Ware "Biere", für die die angegriffene Marke eingetragen ist, umfasst auch "Biere nach Pilsner Art", für die die Widerspruchsmarke geschützt ist, so dass im markenrechtlichen Sinne Warenidentität vorliegt, was einen deutlichen Abstand der Marken erfordert, um eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneinen zu können.

21

Die aus dem Namen "Engelhardt" bestehende Widerspruchsmarke weist von Haus aus normale Kennzeichnungskraft auf. Sie stellt keine für Bier beschreibende Angabe dar. Bei dem Namen "Engelhardt" handelt es sich auch nicht - anders als etwa bei Namen wie "Müller", "Meier", "Schmidt" oder Schulze" - um sog. Allerweltsnamen. Es fehlt entgegen der Ansicht des Markeninhabers auch an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass der Name "Engelhardt" zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke im deutschen Verkehr in so großem Umfang für Bier verwendet worden ist, dass er für diese Ware als verbraucht anzusehen wäre. Zu dem zuvor genannten Zeitpunkt gab es alle vom Markeninhaber in der Beschwerdebegründung angeführten weiteren Brauereien mit dem Namen "Engelhardt" nach seinem eigenen Sachvortrag bereits nicht mehr. Nach seinem eigenen Bekunden hat auch ein Verkauf von Bier unter der Marke "Engelhardt" durch andere Brauereien als die Widersprechende zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke bereits seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr stattgefunden. Für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch benutzte Drittmarken fehlt es daher zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke an tatsächlichen Anhaltspunkten. Die Frage, ob der Markeninhaber außerhalb des Markenrechts möglicherweise ältere Rechte gegenüber der Widersprechenden besitzt und gegen diese geltend machen kann, ist nicht Gegenstand des anhängigen registerrechtlichen Widerspruchsverfahrens.

22

Den infolge der Identität der Waren und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gebotenen überdurchschnittlichen Abstand hält die angegriffene Marke gegenüber der Widerspruchsmarke nicht ein. Die Marken kommen sich in klanglicher Hinsicht verwechselbar nahe. Der Gesamteindruck beider Marken wird - wie die Markenstelle in dem angegriffenen Beschluss zutreffend festgestellt und begründet hat - in klanglicher Hinsicht durch ihren übereinstimmenden Bestandteil "Engelhardt" geprägt, da die übrigen, von diesem Namen räumlich abgesetzten Wortbestandteile der angegriffenen Marke kennzeichnungsschwach sind, weil sie nur die Art der Ware und deren geografische Herkunft benennen und zur betrieblichen Unterscheidung verschiedener Biere daher nicht geeignet sind, und weil der Bildbestandteil der angegriffenen Marke zur Benennung des Bieres des Markeninhabers weit weniger geeignet ist als das Wort "Engelhardt". Es ist daher damit zu rechnen, dass beide Marken nur mit dem Wort "Engelhardt" benannt und die beiderseitigen Biere nur mit diesem Namen bestellt werden. Angesichts identischer Waren und der Identität der Marken in dem den Gesamteindruck in klanglicher Hinsicht prägenden Wortbestandteil "Engelhardt" besteht zwischen ihnen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr, weshalb die Beschwerde des Markeninhabers keinen Erfolg haben konnte und deshalb zurückzuweisen war.

23

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der Verfahrensbeteiligten gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG gibt weder die Sach- und Rechtslage noch das Verhalten der Beteiligten Anlass.