Entscheidungsdatum: 19.01.2011
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 301 20 935 S 227/08 Lö
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 19. Januar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann, des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 9.10.2009 eine Teillöschung der am 29.03.2001 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen angemeldeten und am 13.01.2006 eingetragenen Wortmarke 301 20 935.9/20
ROLLER
für die Waren „Adressstempel, Paginierstempel, Stempel, Stempelhalter, Stempelkästen und Stempelkissen“ mit der Begründung angeordnet, für diese Waren fehle der eingetragenen Marke jede Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Sie stelle zugleich eine beschreibende und freihaltebedürftige Angabe zur Bestimmung von Waren im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, weil sich „Rollerstempel“, ein Begriff zur Bezeichnung einer bestimmten Stempelart, verkehrsüblich zu „Roller“ verkürzen lasse. Ein Rollstempel könne als Adress- und Paginierstempel eingesetzt werden. „Roller“ bezeichne die Bestimmung der Waren „Stempelhalter, Stempelkästen und Stempelkissen“ als solche, nämlich ihre Eignung zur Verwendung zusammen mit Rollstempeln.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, dass dem Begriff „Roller“ nicht die gleiche beschreibende Bedeutung wie dem Begriff „Rollerstempel“ zukomme. Ein Rollstempel stelle keinen Adress- oder Paginierstempel dar. Die Waren „Stempelhalter, Stempelkästen“ und „Stempelkissen“ seien nicht mit spezifischen Merkmalen gerade für die Verwendung im Zusammenhang mit Rollstempeln ausgestattet.
Die Markeninhaberin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass das eingetragene Zeichen für alle von der Teillöschung umfassten Waren freihaltebedürftig sei und ihm für Stempel und Stempelzubehör jede Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. Gewerbliche Anbieter von Stempeln seien darauf angewiesen, die Bezeichnung „Roller“ innerhalb ihres Stempelangebots zum Hinweis auf Rollstempel zu benutzen. Ein Verbraucher werde „Roller“ automatisch zu „Rollerstempel“ ergänzen. Für den Fall, dass bestimmte Stempelarten aus technischen Gründen nicht als Rollstempel ausführbar seien, beruft sich die Antragstellerin hilfsweise auf das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG; ein zur Bezeichnung solcher Waren eingesetztes Markenwort sei zur Täuschung des Publikums geeignet.
Für die hier verfahrensgegenständlichen Waren habe die Markeninhaberin „Roller“ noch nie genutzt. Sie habe die Anmeldung insoweit nur in der Absicht vorgenommen, Wettbewerber an der Benutzung des Markenwortes zu hindern. Einer Eintragung habe im Anmeldezeitpunkt daher das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG und zusätzlich dasjenige des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG entgegengestanden.
Ergänzend wird auf die Akten des Amtes Az. 301 20 935.9 und S 227/08 Lösch Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da die Markenstelle im Ergebnis zu Recht die Löschung des angegriffenen Zeichens für die Waren „Adressstempel, Paginierstempel, Stempel, Stempelhalter, Stempelkästen und Stempelkissen“ angeordnet hat, §§ 54, 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2, 4 MarkenG.
Einer Eintragung von „Roller“ für die Waren „Adressstempel, Stempel, Stempelhalter, Stempelkästen und Stempelkissen“ stand bereits im Eintragungszeitpunkt das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.
Der Begriff „Roller“ bezeichnet im Englischen eine Walze (www.dict.cc: „inking roller“ = „Farbauftragswalze, Farbwalze, Farbzylinder“; „roller“ = „Auflagerolle, Gleitrolle, Hebelscheibe, Laufroller, Rolle, Roller, Walze, Plateau, Walzenstuhl“) und wird im deutschen Sprachgebrauch u. a. zur Bezeichnung eines Gegenstandes mit eingebauter Walze oder Rolle verwendet. So kann „Roller“ beispielsweise ein Malerwerkzeug zum Auftragen der Farbe (www.eugen-noelle.de/index.php?id=81) oder - als sprachübliche Verkürzung der Begriffe „Rollstempel“ oder „Roller Stempel“ - auch eine Stempelform bezeichnen, bei der die Farbe mittels einer Walze oder Rolle aufgetragen wird (vgl. Anlagen z. Löschungsantrag vom 07.08.2008, S. 83 („Roller Stempel“), S. 106 („speed roller“)).
„Roller“ bezeichnet mithin eine Unterart der von der Markeninhaberin beanspruchten Ware „Stempel“, ist für diese Ware freihaltebedürftig und nicht eintragungsfähig. Da auch Adressstempel als Rollstempel ausgeführt werden können, besteht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch für diese Ware.
Gleiches gilt für die Ware „Stempelkästen“, denn solche Kästen, die ein Sortiment von Stempeln und Zubehörteilen beinhalten, können Rollstempel mit entsprechendem Zubehör wie beispielsweise austauschbare Walzen mit verschiedenen Schriftzügen enthalten. Stempelhalter können ebenfalls speziell zur Aufnahme von Rollstempeln konstruiert werden. Wie die von der Antragstellerin zur Akte gereichten Unterlagen belegen, sind Rollstempel in den Formen eines Textmarkers oder eines länglichen Farbstiftes erhältlich, die das Abrollen der Walze ermöglichen, welches einer Schreibbewegung nahe kommt. Stempelhalter für Rollstempel können daher Stifthaltern ähnlich gestaltet werden. Da der Austausch der Walze bei handelsüblichen Rollstempeln häufig nicht vorgesehen ist, kann es sich ebenso bei anderen Stempelarten empfehlen, mehrere Rollstempel mit verschiedenen Schriftzügen vorrätig zu haben und diese in einem Stempelhalter aufzubewahren. Auch insoweit besteht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Stempelkissen können ebenfalls speziell für Rollstempel konstruiert werden. Das in einen Rollstempel integrierte Kissen zur Aufnahme der Stempelfarbe kann für einem Austausch vorgesehen und als Ersatzteil ebenso am Markt vertrieben werden wie in Plattenstempeln integrierte, austauschbare Stempelkissen. „Roller“ ist daher auch für diese Ware beschreibend und freihaltebedürftig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Demgegenüber wurden Paginierstempel im Anmeldezeitpunkt nicht als Rollstempel ausgeführt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Eigene Recherchen des Senats haben diesen durch Anwendungsbeispiele belegten Vortrag der Markeninhaberin bestätigt. Der Mechanismus eines Paginierstempels, der nach jedem Stempelvorgang die Stempelplatten in Form einer Zahl um eine Ziffer vorrückt und die fortlaufende Paginierung sechs- oder siebenstelliger Blattzahlen ermöglicht, lässt sich mit einem Rollstempel, dessen Charakteristikum in einer eingebauten Walze besteht, nicht umsetzen. Wie die von der Anmelderin zur Akte gereichten Unterlagen erkennen lassen und wie dem Senat aus eigener Erfahrung im Umgang mit Paginierstempeln bekannt ist, sind auf einem solchen Stempel die Ziffern auf einzelnen Rädern und nicht auf einer Rolle angeordnet; der Stempel wird nicht auf dem Untergrund abgerollt. „Roller“ bezeichnet damit weder die Art oder Bestimmung dieser Ware, noch stellt „Roller“ einen engen sachlichen beschreibenden Bezug zu ihr her.
Allerdings ist „Roller“ angesichts dessen geeignet, das Publikum über die Beschaffenheit eines Paginierstempels zu täuschen, § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG. Eine gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG relevante Täuschungsgefahr muss von der Marke selbst ausgehen und darf nur von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen her beurteilt werden (BPatG Mitt. 1998, 371 - CRISTALLO). Bei ihrer Beurteilung ist auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen (BGH GRUR 2002, 1074, 1076 – Original Oettinger; BPatGE 43, 30, 33 - Herrenstein), wobei in erster Linie die Abnehmer dieser Waren und Dienstleistungen maßgeblich sind, aber auch die Hersteller und Händler der betroffenen Waren bzw. die Erbringer der betroffenen Dienstleistungen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (EuGH GRUR 2004, 682, 683, Nr. 23-25 - Bostongurka). Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher hat Anlass, der Kennzeichnung eines Paginierstempels mit dem Wort „Roller“ zu entnehmen, dass es sich um einen Rollstempel handelt. Er wird mithin getäuscht, wenn er in der Erwartung, einen Rollstempel zu erhalten, einen auf andere Weise hergestellten Paginierstempel erwirbt.
Da einer Eintragung des Markenwortes für alle von der Teillöschung umfassten Waren schon im Anmeldezeitpunkt entweder das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG oder dasjenige des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG entgegenstand und sich daran bis heute nichts geändert hat, können Erwägungen zu den weiteren, von der Antragstellerin zusätzlich geltend gemachten Schutzhindernissen dahinstehen.
Der Beschwerde der Markeninhaberin war aus diesen Gründen der Erfolg zu versagen.