Entscheidungsdatum: 24.07.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 216 486.0
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. Juli 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Schödel und Dr. von Hartz
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
DelmeStrom
ist am 6. Juni 2016 unter der Nummer 30 2016 216 486.0 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 35, 39 und 40.
Mit Beschluss vom 13. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 39 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 4: Elektrizität;
Klasse 39: Distribution [Verteilung] von Energie; Stromversorgung durch Verteilung von Elektrizität; Verteilung durch Leitungen und Kabel; Verteilung von Elektrizität zur Stromversorgung; Verteilung von Energie; Verteilung von Energie an Haushalte;
Klasse 40: Dienstleistungen der Stromerzeugung; Energieerzeugungsdienste; Erzeugen von Strom; Erzeugung von elektrischem Strom; Erzeugung von Energie; Gas- und Stromerzeugung; Stromerzeugung; Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen; Stromerzeugung aus Solarenergie; Stromerzeugung aus Windenergie; Stromerzeugung durch Kraftwerke; Stromerzeugung durch Wasserkraft; Stromerzeugungsdienstleistungen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei sprach- und branchenüblich gebildet und setze sich aus der geographischen Angabe „Delme“, die einen 46 km langen Fluss in Niedersachsen bezeichne, und dem gebräuchlichen Begriff „Strom“ zusammen, der für elektrischen Strom, elektrische Energie oder Leistung stehe. In Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen eines Energieversorgers sei das Anmeldezeichen unmittelbar geeignet, als geographischer Hinweis im Sinne von „Strom bzw. elektrische Energie von der Delme“ oder als Bestimmungsangabe im Sinne von „elektrische Energie für die Delme bzw. im geographischen Bereich des Delme-Gebiets“ zu dienen. Die angesprochenen Verkehrskreise würden dem Zeichen daher keinen individualisierenden Herkunftshinweis entnehmen, sondern dieses als bloße Sachangabe verstehen. Auch die Binnengroßschreibung führe nicht zur Schutzfähigkeit, da diese Gestaltung dem heutigen werbegraphischen Standard entspreche. Da es Mitbewerbern der Anmelderin möglich sein müsse, ihre gleichen oder ähnlichen Produkte und Dienstleistungen auch mit dieser sachbeschreibenden Angabe bezeichnen zu können, bestehe zudem ein Freihaltebedürfnis. Die Anmelderin könne sich auch nicht auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen berufen, da die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Markenanmeldung keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstelle. Die Anmeldungen „RuppinStrom“, „Spreewaldstrom“, „PaderStrom“, „Losse-Strom“, „Pader-Energie“, „ohra Energie“, „elbenergie“, „Ruppin-Gas“, „SpreewaldGas“, „PaderGas“ und „Losse-Gas“ seien ebenfalls zurückgewiesen worden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom 13. September 2016 aufzuheben.
Zeitgleich mit der Beschwerdeeinlegung hat sie bezüglich der nicht zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 35 die Teilung der Anmeldung erklärt.
Sie ist der Ansicht, das Anmeldezeichen enthalte keine eindeutige Sachaussage, sondern sei begrifflich unscharf und aufgrund seiner Mehrdeutigkeit interpretationsbedürftig. Denn es könne sowohl die Versorgung mit elektrischer Energie im Raum des Flusses Delme bedeuten als auch Strom aus oder für Delmenhorst bezeichnen, auf die schönen, besonderen Seiten der in Niedersachsen bekannten Region im Oldenburgischen hinweisen oder eine Assoziation mit dem Unternehmensnamen der Anmelderin herstellen. Ferner handele es sich um eine grammatikalisch ungewöhnliche Wortneuschöpfung, weil die einfache Aneinanderreihung einer geographischen Herkunftsangabe und einer Sachbezeichnung ohne Präposition, Genitiv oder in adjektivischer Form in der deutschen Sprache regulär nicht vorgesehen sei. Zudem sei es in der Energiebranche üblich, Unternehmenskennzeichen aus einer geographischen Angabe und einem Sachbegriff zu bilden. Vergleichbare Bezeichnungen ihrer Konkurrenten seien in der Vergangenheit in das Register eingetragen worden, wie z. B. die Marken „UckerStrom“ (30 2013 021 096), „RuhrStrom“ (399 52 074), „Emscher-Lippe-Strom“ (396 12 227), „Nordstrom“ (701 414), „Lausitzstrom“ (398 39 237), „Bayernstrom“ (398 63 293) (vgl. auch BPatG 29 W 106/03 – Berlinwasser). Insofern bestehe auch eine Selbstbindung der Verwaltung. Das Anmeldezeichen sei auch deshalb keine geographische Herkunftsbezeichnung, weil Stromanbieter kein eigenes Netz betrieben, der Strom auch an anderen Orten erzeugt werden könne und die Versorger ihre Produkte heutzutage bundesweit anböten. Die „Delme“ sei eher ein langer Bach als ein die Region prägender Fluss, außerhalb der Region unbekannt (vgl. BPatG 26 W (pat) 114/72 – Apia) und werde nicht für die Erzeugung von elektrischer Energie aus Wasserkraft genutzt. Dies sei aus Umweltschutzgründen auch für die Zukunft nicht geplant. Die Stadt Delmenhorst sei mit 74.500 Einwohnern als Markt für eine Regionalmarke eines überregionalen Stromvertriebs zu klein. Sie sei als Stadtwerk in Delmenhorst der einzige lokale Energieversorger. Kein anderer örtlicher Versorger habe ein vernünftiges Interesse an der Verwendung des Flussnamens. Auch die künftige Gründung eines neuen Stadtwerks am Verlauf der Delme sei unwahrscheinlich. Außer dem Namen der Stadt Delmenhorst leiteten sich keine weiteren geographischen Angaben von dem Flussnamen ab. Ähnliche Wortkombinationen mit ihm seien im Internet allenfalls vereinzelt und nicht für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen gebräuchlich.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 10. April 2017 ist die Anmelderin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 4, Bl. 34 – 46 GA) darauf hingewiesen worden, dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 39 und 40 steht dem Anmeldezeichen „DelmeStrom“ das Eintragungshindernis der Freihaltebedürftigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung insoweit zu Recht nach § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen hat.
1. a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Die Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die eines oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können (vgl. EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – 1000; GRUR 1999, 723 Rdnr. 25 – Chiemsee; BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen; BGHZ 167, 278 Rdnr. 35 - FUSSBALL WM 2006). Bei einer geographischen Herkunftsangabe besteht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass sie vom Verkehr als solche und nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen wird (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 31 - 34 – Chiemsee). Ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verbraucherkreise, die als Abnehmer oder Interessenten der Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen, für die die Marke geschützt ist (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 29 – Chiemsee; BGH a. a. O. – Stadtwerke Bremen).
b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die angemeldete Wortkombination „DelmeStrom“ freihaltebedürftig.
aa) Die hier verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen richten sich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Chiemsee) als auch an Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene sowie die Fachverkehrskreise im Energiebereich.
bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Bestandteilen „Delme“ und „Strom“ zusammen.
aaa) Dem Wort „Delme“ kommen verschiedene Bedeutungen zu.
(1) Die Delme ist ein 46 km langes Fließgewässer in Niedersachsen südwestlich von Bremen. Der Fluss entspringt in der Kleinstadt Twistringen mit 12.200 Einwohnern, verläuft durch das Stadtgebiet der Mittelstadt Delmenhorst mit 76.000 Einwohnern und mündet am Rande von Bremen in die Ochtum, einen Nebenfluss der Weser. Sie fließt außerdem durch die Gemeinden Köbbinghausen, Beckeln, Groß Köhren, Klein Köhren, Harpstedt und Horstedt (www.wikipedia.de, s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).
(2) Delme ist aber auch eine französische Gemeinde mit 1.098 Einwohnern im Département Moselle in der Region Lothringen (https://de.wikipedia.org/wiki/ Delme_(Moselle).
(3) Ferner stellt „Delme“ eine lokale Abkürzung für die Stadt Delmenhorst oder das Gebiet entlang der Delme dar, wie eine Internetrecherche des Senats ergeben hat: „DelmeNews.de“ und „Delme Report“ weisen auf Medien für die Stadt Delmenhorst hin. „Delme-Werkstätten“ bezieht sich auf an der Delme angesiedelte Behindertenwerkstätten. Die Internetseite „www.delme-shop.de“ wirbt für handgefertigte Produkte aus den Manufakturen der Delme und zwei Vereinigungen nennen sich „DELME SQUARE DANCER DELMENHORST E. V.“ und „DELME SHANTY SINGERS“ (s. Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis).
(4) Da die kleine französische Gemeinde und die lokale Abkürzung bundesweit noch weniger bekannt sind, steht vorliegend die Bedeutung als niedersächsischer Fluss im Vordergrund.
bbb) Das Substantiv „Strom“ bezeichnet u. a. einen „großen (meist ins Meer mündenden) Fluss“ oder „fließende Elektrizität“, also „in einer (gleichbleibenden oder periodisch wechselnden) Richtung sich bewegende elektrische Ladung“ (www.duden.de, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis). Da es sich bei der Delme nur um einen kleines Fließgewässer handelt, das in einen Nebenfluss der Weser mündet, kommt vorliegend nur die Bedeutung „elektrische Energie“ in Betracht.
ccc) In seiner Gesamtheit bedeutet das Wortzeichen daher „elektrische Energie an der Delme, von der Delme oder für die Delme(region)“.
ddd) In Bezug auf die zurückgewiesene Ware „Elektrizität“ und die versagten Dienstleistungen eines Energieversorgers ist die angemeldete Bezeichnung aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise geeignet, als geographische Herkunftsangabe im Sinne von „elektrische Energie an oder von der Delme“ oder als Bestimmungsangabe im Sinne von „elektrische Energie für das Gebiet an der Delme bzw. die Delmeregion“ zu dienen.
(1) Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht um eine grammatikalisch ungewöhnliche Wortverbindung, sondern diese Verknüpfung einer geografischen Bezeichnung mit einem Substantiv entspricht den grammatikalischen Regeln der deutschen Sprache, wie die Beispiele „Frankenwein“, „Bayernmilch“, „Schwabenkinder“, „Elbfischer“, „Rheinbrücke“, „Schwabenstrom“ (BPatG 33 W (pat) 38/12), „Schwabengas“ (BPatG 26 W (pat) 156/01), „Schwabenwasser“ (BPatG 26 W (pat) 153/01) und „niederrheinStrom“ (BPatG 26 W (pat) 549/11) zeigen.
(2) Selbst wenn der beanspruchten Wortkombination auch die Bedeutungen „Strom aus oder für Delmenhorst“, „elektrische Energie aus oder für die französische Gemeinde Delme“ zukämen, oder sie auf die schönen, besonderen Seiten der in Niedersachsen bekannten Region im Oldenburgischen hinweisen oder eine Assoziation mit dem Unternehmensnamen der Anmelderin herstellen würde, könnte diese Mehrdeutigkeit keine Schutzfähigkeit begründen. Denn ein Zeichen kann bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT). Die Annahme einer beschreibenden Bedeutung eines Begriffs setzt zudem nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (BGH GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 - Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT; GRUR 2013, 522 Rdnr. 13 - Deutschlands schönste Seiten). Der allein durch die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand der angesprochenen Verkehrskreise reicht für die Bejahung der Schutzfähigkeit nicht aus (BGH, a. a. O., Rdnr. 24 – HOT). Eine gewisse Allgemeinheit oder Unschärfe ist sogar unvermeidbar, um den gewünschten möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können.
(3) Die bloße Kombination von Bestandteilen, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, stellt im Allgemeinen selbst eine beschreibende Angabe dar, auch wenn es sich – wie hier – um eine sprachliche Neuschöpfung handelt. Der Charakter einer Sachangabe entfällt nur dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; GRUR 2004, 680 Rdnr. 43 – BIOMILD; BGH a. a. O. Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Das sowohl in semantischer wie in syntaktischer Hinsicht normal gebildete Gesamtzeichen „DelmeStrom“ enthält keine über den Sinngehalt „elektrische Energie von der Delme bzw. für die Delmeregion“ hinausgehende Aussage.
(4) Auch die Binnengroßschreibung kann keine Schutzfähigkeit bewirken. Denn ein Wortzeichen kann Schutz in jeder üblichen Schreibweise beanspruchen. Die Binnenmajuskel kann daher nur in einer Wort-/Bildmarke als graphische Ausgestaltung Berücksichtigung finden (BPatG 27 W (pat) 95/12 – FrancoMusiques). Ungeachtet dessen ist die Binnengroßschreibung ein einfaches und werbeübliches Gestaltungsmittel, das nicht geeignet ist, Eintragungsfähigkeit zu vermitteln (BGH GRUR 2003, 963, 965 – Anti-Vir/AntiVirus; BPatG 24 W (pat) 23/14 – PreisRoboter; 29 W (pat) 550/12 – GoldHouSe24).
fff) Die angemeldete Bezeichnung eignet sich zur unmittelbaren Beschreibung der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen.
(1) Bei dem Produkt der Klasse 4 „Elektrizität“ gibt sie an, dass die elektrische Energie aus der Delme oder der Delmeregion stammt oder für diese Region bestimmt ist.
(2) Bei den Dienstleistungen der Klasse 39 „Distribution [Verteilung] von Energie; Stromversorgung durch Verteilung von Elektrizität; Verteilung durch Leitungen und Kabel; Verteilung von Elektrizität zur Stromversorgung; Verteilung von Energie; Verteilung von Energie an Haushalte“ weist das Anmeldezeichen auf den zu verteilenden Gegenstand, nämlich auf Strom aus dem oder für das Delmegebiet, hin.
(3) Bei den Dienstleistungen der Klasse 40 „Dienstleistungen der Stromerzeugung; Energieerzeugungsdienste; Erzeugen von Strom; Erzeugung von elektrischem Strom; Erzeugung von Energie; Gas- und Stromerzeugung; Stromerzeugung; Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen; Stromerzeugung aus Solarenergie; Stromerzeugung aus Windenergie; Stromerzeugung durch Kraftwerke; Stromerzeugung durch Wasserkraft; Stromerzeugungsdienstleistungen“ enthält die angemeldete Wortkombination den unmittelbar beschreibenden Hinweis, dass der Strom an der Delme bzw. im Delmegebiet erzeugt oder für die Delmeregion bestimmt ist. Da aus Strom auch Gas erzeugt werden kann, gilt dies auch für die „Gaserzeugung“.
ggg) Der von der Anmelderin vorgetragene Umstand, dass die „Delme“ außerhalb der Region unbekannt sei und nicht für die Erzeugung elektrischer Energie aus Wasserkraft genutzt werde, ist unerheblich. Auch wenn der Fluss „Delme“ nicht überregional bekannt sein sollte, spricht für die Schutzunfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung, dass das Gebiet an diesem Flusslauf zur Herstellung der zurückgewiesenen Ware bzw. zum Anbieten der versagten Dienstleistungen geeignet ist.
(1) Ein Freihaltebedürfnis setzt nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht voraus, dass das fragliche Zeichen nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden Verkehrsverständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet wird. Es reicht vielmehr aus, dass es entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung für eine solche Verwendung geeignet ist (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 42 – Stadtwerke Bremen). Für die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH GRUR 2010, 534 Rdnr. 53 – PRANAHAUS; GRUR 2004, 674 Rdnr. 56 – Postkantoor; GRUR 1999, 723 Rdnr. 31, 37 – Chiemsee; BGH a. a. O. Rdnr. 43 – Stadtwerke Bremen). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen, sondern muss anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (BGH a. a. O. Rdnr. 43 – Stadtwerke Bremen).
(2) Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Eignung der Angabe „DelmeStrom“ zur Beschreibung der geographischen Herkunft der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen ist der Umstand, dass die Anmelderin bereits als Stromanbieterin in der Delmeregion tätig ist (vgl. BPatG 25 W (pat) 549/14 – Grevensteiner; 26 W (pat) 517/13 – Laucala). Ferner besteht angesichts der Liberalisierung des Energiemarktes die nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende, zukünftige vernünftigerweise nicht ausschließbare Möglichkeit, dass sich weitere Anbieter von Strom oder Gas in dieser Gegend niederlassen. Der deutsche Gesetzgeber hat den Strommarkt bereits 1998 auf der Grundlage des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) liberalisiert und den Stromanbietern ermöglicht, ihre Leistungen auch überregional, also unabhängig von ihrem Standort, anzubieten. Damit stellte die regionale Herkunft eines Anbieters, der Strom erzeugt und verteilt, schon im Jahre 1998 einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor dar, der mit einem Bedürfnis der Allgemeinheit einhergeht, Zeichen freizuhalten, die geeignet sind, auf derartige Faktoren hinzuweisen (vgl. BPatG 33 W (pat) 38/12 – Schwabenstrom).
(2.1) Im Anmeldezeitpunkt existierten in Deutschland knapp 1.100 Stromanbieter, darunter eine Vielzahl an privaten Unternehmen. Es ist auch nicht unrealistisch, dass sich in einer verhältnismäßig kleinen Region wie dem Gebiet entlang der Delme neue Versorgungsunternehmen etablieren. In dem flächenmäßig in etwa vergleichbaren Gebiet des Chiemgaus existierten im Anmeldezeitpunkt mindestens 13 Stromversorger (http://www.stromseite.de/ stromanbieter/ ?vxcp_SearchString=all).
(2.2) Zudem stellen die zurückgewiesene Ware „Elektrizität“ und die versagten Stromerzeugungs- und -verteilungsdienstleistungen keine besonderen Ansprüche im Hinblick auf die geographische Herkunft. Sie lassen sich von überall her vertreiben und erbringen. Auch die Erzeugung von Strom ist im Delmegebiet denkbar. Dieses ist von Landwirtschaft geprägt und nahe der Nordseeküste im norddeutschen Tiefland gelegen, so dass eine Stromerzeugung nicht nur in konventionellen Kraftwerken, sondern auch aus Biomasse und Windenergie möglich ist.
(2.3) Eine rechtlich und tatsächlich bestehende Monopollage der Anmelderin vermag zwar der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegenstehen (BPatG 26 W (pat) 209/04 – Warburger-Quelle; BPatGE 34, 154, 158 = GRUR 1994, 627 – ERDINGER), aber zu einer rechtlich abgesicherten Monopolstellung hat die Anmelderin nichts vorgetragen.
hhh) Entgegen der Ansicht der Anmelderin kann auch nicht festgestellt werden, dass es in der Energiebranche üblich sei, aus einer geographischen Angabe und einem Sachbegriff betriebliche Herkunftshinweise zu bilden.
(1) Die Marken „Nordstrom“ (701 414), „Emscher-Lippe-Strom“ (396 12 227), „Lausitzstrom“ (398 39 237) und „Bayernstrom“ (398 63 293) stammen aus der Zeit vor der Veröffentlichung des „Chiemsee“-Urteils des EuGH vom 4. Mai 1999 (GRUR 1999, 723), das Grundsätze aufgestellt hat, die wesentlich von der früheren deutschen Rechtsprechung abweichen. Während früher besondere Feststellungen erforderlich waren, um von einem Freihaltungsbedürfnis ausgehen zu können, besteht seit dieser Entscheidung eine Vermutung dafür, dass eine Ortsbezeichnung als schutzunfähige Herkunftsangabe und damit nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen in Betracht kommt. Deshalb bedarf es seitdem besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine Ortsangabe ausnahmsweise nicht geeignet ist, im Verkehr als Hinweis auf die geographische Herkunft der betroffenen Waren bzw. Dienstleistungen zu dienen. Durch diese Grundsätze ist eine Verschärfung der Eintragungsvoraussetzungen für geografische Angaben erfolgt, weshalb die Eintragung dieser alten Marken nicht als Vergleichsmaßstab dienen kann. Eine durch sie etwaig entstandene Kennzeichnungsgewohnheit auf dem Energiemarkt ist durch die Rechtsprechungsänderung hinfällig geworden (vgl. BPatG 26 W (pat) 541/16 – Schwaben Bräu). Deshalb ist auch die von der Anmelderin angeführte Entscheidung des BPatG vom 16. Oktober 1973 (BPatGE 15, 214 = 26 W (pat) 114/72 – Apia) überholt und unmaßgeblich.
(2) Die Marke „RuhrStrom“ (399 52 074) ist zwar nach der Chiemsee-Entscheidung, nämlich im Jahre 2002, aufgrund einer Entscheidung des BPatG vom 7. November 2001 (26 W (pat) 114/00) eingetragen worden. Dies geschah aber noch unter Berücksichtigung der früheren, strengeren vom EuGH aufgestellten Schutzversagungskriterien, wonach noch eine eindeutig beschreibende Sachaussage erforderlich war und die Schutzfähigkeit begründet werden konnte, wenn ein weiterer möglicher Sinngehalt denkbar war. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in den Entscheidungen zu DOUBLEMINT (GRUR 2004, 146 Rdnr. 32) aufgegeben (vgl. BPatG 26 W (pat) 549/11 – niederrheinStrom).
(3) Obwohl der Beschluss des BPatG vom 29. Juni 2005 zu „Berlinwasser“ (29 W (pat) 106/03), also nach der Veröffentlichung der DOUBLEMINT-Entscheidung ergangen ist, bejaht das BPatG entgegen der neuen EuGH-Rechtsprechung die Schutzfähigkeit wegen des Vorliegens mehrerer beschreibender Bedeutungen. Daher ist auch diese Markeneintragung nicht berücksichtigungsfähig.
(4) Die verbleibende, am 13. August 2013 u. a. für Dienstleistungen im Energiebereich eingetragene Marke „UckerStrom“ (30 2013 021096) kann allein weder eine Kennzeichnungsgewohnheit noch eine Verwaltungspraxis begründen, zumal nach den Ausführungen der Markenstelle im angefochtenen Beschluss eine deutlich größere Zahl vergleichbarer Anmeldungen zurückgewiesen worden ist. Es kann sich vielmehr um eine rechtswidrig vorgenommene Eintragung handeln. Niemand kann sich jedoch auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters sieht das Gesetz das Löschungsverfahren vor, das von jedermann eingeleitet werden kann.
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob es dem angemeldeten Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an der nötigen Unterscheidungskraft fehlt.