Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.10.2012


BPatG 22.10.2012 - 26 W (pat) 573/10

Markenbeschwerdeverfahren - Kostenauferlegung -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
22.10.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 573/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 43 337

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Oktober 2010 ist wirkungslos, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 115212 zurückgewiesen worden ist.

2. Die Widersprechende trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 den gegen die Eintragung der Marke 305 43 337 gerichteten Widerspruch aus der älteren Gemeinschaftsmarke 115212 zurückgewiesen mangels Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Dagegen hat sich die Widersprechende mit der Beschwerde gewandt. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung hat sie ihren Widerspruch vor der Zustellung einer Entscheidung an Verkündungs Statt zurückgenommen.

2

Die Markeninhaberin, die bereits im Verfahren vor Markenstelle die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten und im Beschwerdeverfahren nochmals ausdrücklich die Nichtbenutzungseinrede gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 Marken erhoben hat, beantragt,

3

der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

4

Die Widersprechende beantragt,

5

den Kostenantrag zurückzuweisen.

II

6

1. Mit der Zurücknahme des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 115212 ist dem Widerspruchsverfahren die Grundlage entzogen worden (§ 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG i. V .m. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO). Aus Gründen der Rechtsklarheit war daher auszusprechen, dass die angefochtenen Beschlüsse im Umfang der Zurückweisung des Widerspruchs wirkungslos sind (BGH Mitt. 1998, 264 - Puma).

7

2. Die Widersprechende hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

8

In markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht trägt grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst (§ 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Sind an dem Verfahren mehrere Personen beteiligt, kann das Gericht jedoch bestimmen, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren, einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG). Eine solche Bestimmung ist auch dann möglich, wenn der Widersprechende seinen Widerspruch ganz oder teilweise zurückgenommen hat (§ 71 Abs. 4 MarkenG).

9

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bedarf es stets besonderer Umstände. Solche von der Norm abweichenden Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (BGH GRUR 1972, 600, 601- Lewapur; GRUR 1996, 399, 401 - Schutzverkleidung). Davon ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts (z. B. BPatG Mitt. 1974, 17; Mitt. 1977, 73, 74) auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht.

10

Wird auf eine zulässige Einrede der Nichtbenutzung hin der Widerspruch ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung der Benutzung weiterverfolgt, sind dem Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (ständige Rechtsprechung der Senate des BPatG; siehe z. B. GRUR 1996, 981, 982 - ESTAVITAL). Das gilt auch in Rechtsmittelverfahren, in denen der Widersprechende nicht besonders auf die Erforderlichkeit dieser Glaubhaftmachung hingewiesen worden ist (BPatGE 22, 21, 212 f.); Denn eines entsprechenden Hinweises oder gar eine Aufforderung zur Glaubhaftmachung durch den Senat bedarf es nicht, weshalb diese auch nicht erwartet werden kann. Entsprechendes gilt für Fälle, in denen sich im Laufe der verschiedenen Verfahren vor dem DPMA und dem BPatG die gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG maßgeblichen Glaubhaftmachungszeiträume entscheidungserheblich verschoben haben. Dass § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG einen sich ständig verändernden Benutzungs- und Glaubhaftmachungszeitraum betrifft, ist eine allgemein bekannte Rechtstatsache, welche der zur Glaubhaftmachung der Benutzung Verpflichtete zu berücksichtigen hat. Insoweit trifft den Widersprechenden von sich aus laufend die Verpflichtung, zu überprüfen, ob und inwieweit seine bisher vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel dem wandernden zeitlichen Rahmen des § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG noch genügen (ständige Rechtsprechung der Senate des BPatG; siehe z. B. PAVIS PROMA 26 W (pat) 74/05 - Crystal/cristal).

11

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat die Widersprechende dadurch gegen die ihr obliegende prozessuale Sorgfaltspflicht verstoßen, dass sie für den in diesem Verfahren gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung des Senats über den Widerspruch trotz nochmaliger ausdrücklicher Wiederholung der Einrede durch die Markeninhaberin keinerlei Unterlagen zum Umfang der Benutzung ihrer Marke vorgelegt hat, auf deren Grundlage es dem Senat möglich gewesen wäre, eine dem Umfang nach ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke im Inland zu prüfen. Die Aufrechterhaltung des Widerspruchs bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung der Benutzung stellt einen Sorgfaltspflichtverstoß dar, der es als billig erscheinen lässt, dass die Wider-sprechende die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt. Die nach Abschluss der mündlichen Verhandlung vor der Zustellung einer Entscheidung an Verkündungs Statt erklärte Rücknahme des Widerspruchs ist nicht geeignet, die bereits zuvor eingetretene Sorgfaltspflichtverletzung rückgängig zu machen, da die durch das Verhalten der Widersprechenden auf Seiten der Markeninhaberin verursachten, unnötigen Kosten des Beschwerdeverfahrens auch nach der Rücknahme des Widerspruchs im Raum stehen.