Entscheidungsdatum: 10.04.2017
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 000 710.2
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. April 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Villa am Weinberg
ist am 30. Januar 2015 unter der Nummer 30 2015 000 710.2 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
Klasse 33: Alkoholische Getränke [ausgenommen Biere].
Mit Beschluss vom 22. Februar 2016 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die hier angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise entnähmen dem Anmeldezeichen lediglich den Hinweis auf irgendeine Villa, also ein villenartiges Gebäude oder großes Haus, in dem die beanspruchten Waren angeboten würden. Sie sähen darin keinen betrieblichen Herkunftshinweis, da „a lkoholische Getränke [ausgenommen Biere]“ häufig auch direkt von Weingütern aus angeboten und verkauft würden. Diese Verkaufsstätten befänden sich oftmals in großen, villenartigen Gebäuden, die sich in oder an zum Gut gehörenden Weinbergen befänden. Die Anmelderin könne sich nicht auf Voreintragungen berufen, weil diese sich auf nicht vergleichbare Produkte bezögen oder nicht vergleichbare Wortelemente enthielten und im Übrigen keine Bindungswirkung entfalteten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, die Kombination der Wörter „Villa“, „am“ und „Weinberg“ beschreibe nicht unmittelbar oder in schlagwortartiger Weise die wesentlichen Funktionen, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der beanspruchten Waren, noch stellten sie nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise einen konkreten direkten Bezug zu ihnen her. Denkbar sei vielmehr ein Bezug zu den – hier nicht angemeldeten – Dienstleistungen „Verpflegung und Beherbergung von Gästen“ in Klasse 43, „Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte, Immobilienwesen“ in Klasse 36 sowie „Erziehung; Bildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“ in Klasse 41, weil eine „Villa am Weinberg“ als Restaurant- oder Beherbergungsbetrieb, als Sitz für eine Anlageberatung oder einen Versicherungsmakler, als Tagungsort oder als Schauplatz von gesellschaftlichen Ereignissen dienen könne. Im Übrigen ergebe sich ein Eintragungsanspruch aus einer Vielzahl vergleichbarer Voreintragungen. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 7 der Beschwerdebegründung (Bl. 19 GA) Bezug genommen.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Februar 2016 aufzuheben.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Februar 2017 ist die Anmelderin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 2, Bl. 36 – 53 GA) darauf hingewiesen worden, dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Villa am Weinberg“ als Marke steht im Hinblick auf die beanspruchten Waren der Klasse 33 das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat.
1. a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 10 – OUI; a. a. O. Rdnr. 16 – for you).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT).
b) Diesen Anforderungen genügt das Wortzeichen „Villa am Weinberg“ nicht, weil es zumindest einen engen beschreibenden Bezug zu den angemeldeten Produkten der Klasse 33 herstellt.
aa) Die angesprochenen, breiten Verkehrskreise sind hier die Durchschnittsverbraucher und der Getränkefachhandel.
bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Substantiven „Villa“ und „Weinberg“ sowie der Präposition „am“ zusammen.
aaa) Der Bestandteil „Villa“ bedeutet „größeres, vornehmes, in einem Garten oder Park [am Stadtrand] liegendes Einfamilienhaus“ oder „großes, herrschaftliches Landhaus“ (www.duden.de, s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).
bbb) Der Begriff „Weinberg“ hat die Bedeutung „[meist in Terrassen] ansteigendes, mit Weinreben bepflanztes Land“ (www.duden.de, s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).
ccc) Zusammen mit der Präposition „am“ bedeutet das Anmeldezeichen daher „großes, herrschaftliches an mit Weinreben bepflanztem Land gelegenes Landhaus“.
ddd) Es lässt sich zudem belegen, dass deutsche Weingüter auch über Villen verfügen, in denen der produzierte Wein zum Kauf angeboten wird, und dass in der Etikettierung italienischer Weine die Bezeichnung „Villa“ oft gleichbedeutend mit „Weingut“ verwendet wird (s. Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis).
cc) Damit gibt das Anmeldezeichen die Art und Lage der Herstellungs- und/oder Vertriebsstätte von Weinen, Sekten und sonstigen alkoholischen Getränken an. Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher sofort und ohne Nachdenken davon ausgehen, dass die Verarbeitung und der Vertrieb der angemeldeten alkoholischen Getränke in (irgend-)einem villenartigen, an einem Weinberg gelegenen Gebäude erfolgen. Er wird aber nicht annehmen, dass es sich dabei um einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen handelt.
Die angemeldete Wortfolge bezeichnet vielmehr einen Umstand, der zwar die Waren selbst nicht unmittelbar betrifft, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren sieht (vgl. BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 – DüsseldorfCongress; BPatG 33 W (pat) 525/12 – Fashion Tower; 25 W (pat) 70/09 – CHOCOLATERIA; GRUR 2007, 61, 62 – Christkindlesmarkt). Denn wenn eine Bezeichnung in erster Linie als Umschreibung eines Ortes verstanden wird, an dem üblicherweise die betroffenen Waren hergestellt und/oder vertrieben werden, ist sie nicht geeignet, den Bezug zu einem bestimmten Geschäftsbetrieb herzustellen und die Waren dieses konkreten Unternehmens von denen anderer, auf demselben Gebiet tätiger Firmen markenmäßig abzugrenzen.
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig ist.
3. Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin angeführten Voreintragungen geboten. Sie sind entweder gelöscht, nicht vergleichbar oder zu alt.
a) Die Wortmarke „Die Villa am Rhein“ (30 455 540) ist gelöscht. Aus gelöschten Marken können keine Rechte hergeleitet werden (BPatG 26 W (pat) 67/13 – BWnet).
b) Die deutsche Wortmarke „Villa Gutenberg“ (1 127 598) und die Unionswortmarke „VILLA W“ (011 433 034) enthalten neben dem beschreibenden Element „Villa“ jeweils einen weiteren unterscheidungskräftigen Bestandteil. „Gutenberg“ erscheint als Eigenname. Auch Einzelbuchstaben und Zahlen fehlt nicht von vornherein die notwendige Unterscheidungskraft, sondern sie müssen im Einzelfall auf ihren möglichen beschreibenden Inhalt untersucht werden (EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 39, 46, 47 – Alpha; GRUR 2011, 1035 Rdnr. 29 – 1000; BGH GRUR 2003, 343, 344 – Buchstabe K; GRUR 2002, 970, 971 – Zahl 1). Für den Buchstaben W ist kein beschreibender Begriffsgehalt in Bezug auf Waren der Klasse 33 erkennbar, insbesondere ist „W“ keine gängige Abkürzung für „Wein“ oder „Weinberg“.
c) Im Gegensatz zum vorliegenden Anmeldezeichen kann der deutschen Wortmarke „Weinberg24“ (30 2009 016 325) nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Zwar ist das inländische Publikum seit langem auf nahezu allen Produkt- und Dienstleistungsbereichen an eine Vielzahl von Zusammenstellungen gewöhnt, die aus einer den Waren- und/oder Dienstleistungsbereich konkretisierenden Sachangabe und der nachgestellten Zahl „24“ gebildet sind, wobei sich gerade im Zuge der Nutzung des Internets die Zahl „24“ zu einem Kürzel entwickelt hat, welches auf die rund um die Uhr bestehende Verfügbarkeit der jeweils beworbenen Waren oder Dienstleistungen hinweist (vgl. BPatG 30 W (pat) 541/13 – AID24; 24 W (pat) 516/14 – Faschingshop 24.de; 24 W (pat) 522/10 – Station 24; 28 W (pat) 523/11 – fensterbau24; 29 W (pat) 550/12 – GoldHouSe24; 33 W (pat) 546/10 – TOR SERVICE 24; 28 W (pat) 523/11; 29 W (pat) 251/03 – DruckDiscount24.de; 29 W (pat) 2/12 – Bueroservice24). Aber der Begriff „Weinberg“ ist keine einen Warenbereich konkretisierende Sachangabe, sondern eine Ortsangabe, und ein 24 Stunden verfügbarer Weinberg erscheint eher ungewöhnlich.
d) Die Wort-/Bildmarke (30644763) ist ebenfalls nicht vergleichbar, weil ihre Unterscheidungskraft allein auf dem Grafikelement beruht, das beim Anmeldezeichen fehlt.
e) Abgesehen davon, dass die Eintragung der am 25. Mai 2005 registrierten Wortmarke „Grüner Weinberg“ (30 520 597) zum Anmeldezeitpunkt der vorliegenden Wortfolge bereits fast 10 Jahre zurücklag, kann es sich um eine rechtswidrig vorgenommene Eintragung handeln (vgl. BPatG 26 W (pat) 222/94 – Bunter Weinberg). Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters sieht das Gesetz das Löschungsverfahren vor, das von jedermann eingeleitet werden kann (BPatG a. a. O. - BWnet).
f) Die Unionsmarke „WEINBERG“ (008 200 438) rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung.
Abgesehen davon, dass sich diese am 2. September 2010 eingetragene Marke auch schon fast fünf Jahre vor dem Anmeldezeitpunkt im europäischen Register befunden hat, sind die im Ausland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts oder vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) aufgrund der Unionsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen über absolute Eintragungshindernisse für nachfolgende Verfahren in anderen Mitgliedstaaten unverbindlich (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 63 – Henkel; GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f. – Postkantoor). Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 30 – HOT; GRUR 2009, 778 Rdnr. 18 – Willkommen im Leben).