Entscheidungsdatum: 08.06.2011
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2009 037 835.5
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 8. Juni 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt.
I
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Marke "Rotlichtgirls" mit Beschluss vom 19. August 2010 zurückgewiesen, weil die angemeldete Marke als Angabe über die Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen könne (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) und weil ihr angesichts ihres beschreibenden Charakters zudem jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Gegen den ihren Vertretern am 25. August 2010 zugegangenen Beschluss der Markenstelle haben diese im Namen der Anmelder am 16. September 2010 Beschwerde eingelegt, jedoch die Beschwerdegebühr entgegen der Ankündigung in der Beschwerdeschrift nicht gezahlt. Auf den diesbezüglichen Hinweis vom 13. Dezember 2010 hin haben sie am 14. Dezember 2010 sinngemäß Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr beantragt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr nachgezahlt. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags haben die Vertreter der Anmelder vorgetragen der Unterzeichner der Beschwerdeschrift habe am 16. September 2010 vor seiner für den Folgetag geplanten Hochzeitsreise sämtliche Fristen erledigt und auch die Frist zur Einlegung der Beschwerde diktiert. Mit der Erledigung habe er eine langjährige, zuverlässige Kanzleimitarbeiterin betraut, die den Beschwerdeschriftsatz gefertigt habe, den sodann ein anderes Mitglied der Sozietät unterzeichnet habe. Die mit der Vorbereitung des Beschwerdeschriftsatzes beauftragte Mitarbeiterin habe es jedoch versäumt, die Beschwerdegebühr anzuweisen. Die Anwaltsakte sei in den Aktenschrank gelangt, ohne dass die Gebühr überwiesen worden sei. Die Vertreter der Anmelderin hätten darauf vertrauen können, dass die Übermittlung der Beschwerdeschrift und die Einzahlung der Beschwerdegebühr ordnungsgemäß und weisungsgebunden erfolgen würden.
Zur Glaubhaftmachung dieses Hergangs haben die Vertreter der Anmelder eine eidesstattliche Versicherung der mit der Anfertigung der Beschwerdeschrift beauftragten Kanzleiangestellten vom 14. Dezember 2010 vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Die Anmelder beantragen,
1. sie in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wiedereinzusetzen,
2. den mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss der Markenstelle vom 19. August 2010 aufzuheben.
II
Der Wiedereinsetzungsantrag der Anmelder ist zulässig, insbesondere innerhalb der in § 91 MarkenG bestimmten Fristen gestellt worden. Auch die versäumte Handlung, nämlich die fristgerechte Zahlung der Beschwerdegebühr, ist innerhalb dieser Fristen nachgeholt worden.
Der Antrag kann jedoch keinen Erfolg haben, weil die Anmelder die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht ohne Verschulden versäumt haben. Sie selbst trifft zwar kein Verschulden. Sie müssen sich jedoch das Verschulden ihrer Vertreter als eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO; BGH GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus; GRUR 2003, 724 - Berufungsfrist).
Die Vertreter der Anmelder waren nicht i. S. d. § 91 Abs. 1 S. 1 MarkenG ohne Verschulden verhindert, dem Patentamt gegenüber die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr einzuhalten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Vertreter der Anmelder im vorliegenden Fall die Tätigkeit der Zahlung der Beschwerdegebühr an eine in der Kanzlei tätige Hilfskraft übertragen durften, was grundsätzlich möglich ist, da es sich im Allgemeinen um eine einfache, routinemäßige Verrichtung handelt. Der Wiedereinsetzungsantrag kann aber im vorliegenden Fall schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es zum einen sowohl an einem Sachvortrag, als auch an der Glaubhaftmachung dafür fehlt, dass die für die Erledigung der Einzahlung ausgewählte Hilfskraft für diese Aufgabe geschult war, und es zudem auch an einem Vortrag und einer Glaubhaftmachung dazu fehlt, dass sie - zusätzlich zur Fertigung und Absendung der Beschwerdeschrift - auch tatsächlich ausdrücklich neben der Fertigung und Vorlage des Beschwerdeschriftsatzes mit der weiteren Aufgabe der (rechtzeitigen) Gebühreneinzahlung beauftragt worden ist. Letztlich fehlt es auch an einem Vortrag dazu, dass durch eine entsprechende Fristenkontrolle im Büro der Anmeldervertreter Vorsorge dafür getroffen worden ist, dass die Zahlungsfrist erst dann gestrichen werden konnte und durfte, wenn die Zahlung der Gebühr auch tatsächlich durchgeführt worden war. Die Höhe der Gebühr, die Zulässigkeit des Zahlungsweges sowie die Gewähr für die Rechtzeitigkeit der Zahlung hat ein Anwalt grundsätzlich selbst zu prüfen (BPatGE 18, 208; BPatG Mitt. 76, 219). Nur wenn in der Kanzlei eine einwandfrei funktionierende Überprüfung eingeführt ist, die der Prüfung durch den Anwalt gleichkommt, wie z. B. eine Prüfung durch den Kanzleivorsteher, genügt das den Anforderungen an die Sorgfalt. Dazu gehört auch, dass durch eine entsprechende Ablauforganisation gewährleistet ist, dass eine Zahlungsfrist im Fristenkalender eingetragen und erst dann gestrichen wird, wenn die Zahlung tatsächlich bewirkt worden ist (BPatGE 44, 180 - Abhaken), da nur durch eine solche Organisation verhindert wird, dass die Anwaltsakte bereits vor der Zahlung der Gebühr versehentlich als erledigt abgelegt wird. Die vorstehend genannten Auftrags- und Organisationsmängel sind auch ursächlich für die Fristversäumung gewesen, so dass die Vertreter der Anmelder ein Organisationsverschulden trifft, das sich die Anmelder - wie bereits ausgeführt - als eigens Verschulden zurechnen lassen muss.
Aus diesem Grund war der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen und zugleich festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Für die Entscheidung über die weiteren Beschwerdeanträge ist damit kein Raum.