Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.09.2011


BPatG 14.09.2011 - 26 W (pat) 552/10

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
14.09.2011
Aktenzeichen:
26 W (pat) 552/10
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 55 833

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 2010 hinsichtlich der Waren der „Klasse 28: Spielzeug, Spielwaren, Turnartikel - soweit nicht in anderen Klassen enthalten“ aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke insoweit angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die Eintragung der Wortmarke 307 55 833.9

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O2Kids

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für die Waren

4

„Klasse 5: Medizinische Getränke, Diätgetränke für medizinische Zwecke;

5

Klasse 28: Spielzeug, Spielwaren, Turn- und Sportartikel - soweit nicht in anderen Klassen enthalten;

6

Klasse 32: alkoholische Getränke, Tafelwässer, Wässer“

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ist Widerspruch eingelegt worden aus den Wort-/Bildmarken GM 4423745 und GM 7177363

Abbildung

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die für die Waren

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„Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Fruchtmuse“

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und

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„Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel.

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Klasse 4: Technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe; Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke.

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Klasse 6: Unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien aus Metall; transportable Bauten aus Metall; Schienenbaumaterial aus Metall; Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke); Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Metallrohre; Geldschränke; Waren aus Metall, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Erze; Abzeichen; Schilder.

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Klasse 8: Handbetätigte Werkzeuge und Geräte; Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel; Hieb- und Stichwaffen; Rasierapparate; Rasierzubehör und Zubehör für die persönliche Körperpflege; Haartrimmer.

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Klasse 9: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte; Geräte zur Übertragung von Ton und Bild; Telekommunikationsapparate; Mobiltelekommunikationsgeräte; Mobiltelekommunikationshandapparate; Computer-Hardware; Computer-Software; aus dem Internet herunterladbare Computersoftware; PDA (persönliche digitale Assistenten), Taschen-PCs, Mobilfunkgeräte, Laptopcomputer; Telekommunikationsnetzapparate; Treibersoftware für Telekommunikationsnetze und für Telekommunikationsapparate; Computersoftware auf CD-ROM, SD-Cards, Teile und Bestandteile für alle vorstehend genannten Waren.

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Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Schlüsselringe; Manschettenknöpfe.

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Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen- und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke.

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Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren.

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Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln); Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlspäne; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind.

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Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken.

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Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.

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Klasse 28: Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck.

23

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Konfitüren und Gelees; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette.

24

Klasse 34: Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer.

25

Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen.

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Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen.

27

Klasse 38: Telekommunikation; Telekommunikationsdienste; mobile Telekommunikationsdienste; Portaldienstleistungen mittels Telekommunikation; Dienstleitungen in Bezug auf Internetportale; Dienstleistungen von Mobiltelekommunikationsnetzen; Service für den Internetzugang; Übermittlung von E-Mails und Textnachrichten; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Telekommunikationsnetze und -apparate; über Telekommunikationsnetze bereitgestellte Informationsdienstleistungen in Bezug auf Telekommunikation; Information und Beratung in Bezug auf alle vorstehend genannten Leistungen.

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Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen.

29

Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; interaktive Unterhaltung; über ein Kommunikationsnetz bereitgestellte elektronische Spiele; über ein Telekommunikationsnetz bereitgestellte Unterhaltungsdienstleistungen; Bereitstellung von Nachrichten; Vermietung von Musikveranstaltungsorten und Stadien.

30

Klasse 43: Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Beherbergung von Gästen.

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Klasse 44: Medizinische Dienste; veterinärmedizinischer Dienste; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Dienstleistungen in Bereich der Land-, Garten- und Forstwirtschaft.

32

Klasse 45: Persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse; Sicherheitsdienste zum Schutz von Sachwerten oder Personen“

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geschützt sind.

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In ihrer Entscheidung über den Widerspruch vom 14. Juli 2010 hat die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den Kollisionszeichen verneint. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es könne letztlich dahinstehen, in welchem Umfang und in welchem Grade sich die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ähnlich seien. Denn selbst bei Anlegung strenger Maßstäbe und unter der Voraussetzung, dass den Widerspruchsmarken jeweils durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme, halte die angegriffene Marke den angesichts dessen erforderlichen Markenabstand ein. Der Hinweis der Widersprechenden auf umfangreiche Benutzungshandlungen und eine damit verbundene erhebliche Stärkung der Kennzeichnungskraft beziehe sich ausschließlich auf den Mobilfunkbereich und entfalte keine Auswirkungen auf die sich in diesem Verfahren gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen. Benutzungshandlungen seien für diese in einem entsprechenden Umfang weder nachgewiesen noch amtsbekannt. Die jüngere Marke werde nicht durch ihren Wortbestandteil „O2“ geprägt, denn sie erscheine als geschlossener Gesamtbegriff, den die angesprochenen Verkehrskreise stets nur als Einheit im Sinne von „O2Kids“ oder „SauerstoffKids/Kinder“ wahrnähmen. Schriftbildlich unterschieden sich die Kollisionszeichen zum einen durch den zusätzlichen Wortbestandteil „Kids“ der angegriffenen Marke und zum anderen dadurch, dass die Widerspruchsmarken im Gegensatz zu dieser - einer chemischen Formel entsprechend - mit tiefer gestellter Ziffer aufgebaut seien. Klanglich sei die prioritätsjüngere Marke, die „o-tu-kids“ gesprochen werde, nicht mit den als "o-tu“ ausgesprochenen Widerspruchsmarken verwechselbar. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben. Da es sich bei „O2“ um eine häufig verwendete und nicht mehr originäre Kennzeichnung handele, könne diese nicht zur Anerkennung einer Hinweiswirkung auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden führen. Im Markenregister seien insgesamt 116 nationale Marken eingetragen, welche den Bestandteil „O2“ allein oder in Verbindung mit anderen Bestandteilen enthielten, von denen 56 in der Klasse 5, 21 in der Klasse 32 und 18 in der Klasse 28 eingetragen seien. Hinsichtlich der beanspruchten Getränke, die sich mit Sauerstoff anreichern ließen, könne die Buchstaben-Ziffernkombination „O2“ in irgendeiner Form mit Sauerstoff in Verbindung gebracht werden.

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Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie weist auf eine in Klasse 28 bestehende Warenidentität hin und vertritt die Ansicht, dass es sich bei den in Klasse 5 beanspruchten „medizinischen Getränken, Diätgetränken für medizinische Zwecke“, die sich zusätzlich im engen Ähnlichkeitsbereich zu den in Klasse 3 von der Widerspruchsmarke beanspruchten „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ bewegten, um die von der Widersprechenden in Klasse 32 beanspruchten Waren handeln könne. Der Widerspruchsmarke komme zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Das angegriffene Zeichen werde durch seinen am Wortanfang stehenden Bestandteil „O2“ geprägt. Sein zweiter Wortbestandteil „Kids“ beschreibe die beanspruchten Waren glatt. Hieraus ergebe sich eine Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht.

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Die Widersprechende beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Marke 307 55 833.9 „O2Kids“ zu löschen.

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Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. September 2010 hat die Widersprechende ihren Standpunkt erläutert. Der mit Postzustellungsurkunde vom 1. August 2011 ordnungsgemäß geladene Markeninhaber ist nicht erschienen. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes Az. 37 55 833.9 Bezug genommen.

II.

39

Die gem. §§ 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache überwiegend ohne Erfolg, denn mit Ausnahme der im Tenor bezeichneten Waren hat die Markenstelle die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken i. S. d. §§ 125b, 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zutreffend verneint. Soweit die prioritätsjüngere Marke Schutz für die Waren „Klasse 28: Spielzeug, Spielwaren, Turnartikel“ beansprucht, ist sie hingegen zu löschen, weil sie den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG erforderlichen Abstand zu der insofern normal kennzeichnungskräftigen und für identische Waren beanspruchten, prioritätsälteren Widerspruchsmarke GM 7177363 nicht einhält. Auf die Beschwerde der Widersprechenden war der angefochtene Beschluss daher aufzuheben, soweit die Markenstelle den Widerspruch auch hinsichtlich dieser Waren zurückgewiesen hat.

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Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 – Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May).

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Hiervon ausgehend ist der Schutzbereich der Widerspruchsmarke GM 7177363 tangiert, sofern die im Tenor genannten Waren mit der angegriffenen Marke gekennzeichnet werden. Da die Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG einerseits mit steigender Produktähnlichkeit zunimmt und andererseits durch den hier in Abhängigkeit von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen variierenden Grad der Kennzeichnungskraft beeinflusst wird, ermöglicht der Grundsatz der Wechselwirkung dagegen eine Koexistenz beider Zeichen, soweit die jüngere Marke Schutz für die übrigen Waren der Klassen 5, 28 und 32 beansprucht.

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Im Widerspruchsverfahren stehen den Waren, für welche die angegriffene Marke eingetragen ist, sämtliche von der Widersprechenden als Inhaberin der Marken GM 4423745 und GM 7177363 beanspruchten Waren und Dienstleistungen gegenüber.In Klasse 28 beanspruchen die Vergleichsmarken mithin Schutz für identische Waren.

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Im Übrigen sind die von der Inhaberin der angegriffenen Marke in den Klassen 5 und 32 beanspruchten Getränke ähnlich zu der von der Widerspruchsmarke GM 7177363 in Klasse 43 beanspruchten Dienstleistung „Verpflegung von Gästen“ (vgl. für alkoholische und alkoholfreie Getränke, die von Gaststätten auch im „Straßenverkauf" vertrieben werden, BGH GRUR 1999, 586, 587 - White Lion; BGH GRUR 2000, 883, 884 - PAPPAGALLO; BPatG GRUR 2003, 530, 532 - Waldschlößchen; HABM-BK GRUR-RR 2006, 403, 407 (Nr. 56) - Oktobierfest/OKTOBERFEST-BIER), sowie zu verschiedenen, von beiden Widerspruchsmarken in den Klassen 29 und 30 beanspruchten Lebensmitteln des täglichen Bedarfs. Mit Ausnahme einer Ähnlichkeit der genannten Waren der Klasse 5 zu dem von der Widerspruchsmarke GM 4423745 in Klasse 30 beanspruchten „Tee“ handelt es sich dabei jedoch jeweils um eine Ähnlichkeit ohne besondere Nähe. So erschöpfen sich die Berührungspunkte der für die von den Widerspruchsmarken in den Klassen 29 und 30 beanspruchten Lebensmittel zu medizinischen und Diätgetränken der Klasse 5 darin, dass es sich bei ihnen um Diätkost bzw. Grundstoffe zur Herstellung diätetischer Lebensmittel handeln kann. Mit den von der Inhaberin der angegriffenen Marke in Klasse 32 beanspruchten „alkoholischen Getränken“, „Tafelwässern“ und „Wässern“ verbinden sie als Lebensmittel des täglichen Bedarfs gemeinsame Vertriebswege sowie der Umstand, dass einige von ihnen, so „Kaffee“ und die genannten Wässer der Klasse 32, gelegentlich gemeinsam konsumiert werden (vgl. statt vieler BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 82/98 - Vitace/Vitacin; HABM 02, BK R 192/01-4; EuG PAVIS PROMA T-492/08 - star foods/STAR SNACKS). Eine Ähnlichkeit zwischen der Dienstleistung „Verpflegung von Gästen“ und denjenigen Waren, für die die angegriffene Marke Schutz genießt, ist schon angesichts der grundlegenden Abweichungen zwischen der Erbringung einer unkörperlichen Dienstleistung und der Herstellung einer körperlichen Ware als nicht mehr als durchschnittlich zu bewerten (vgl. Hacker/Ströbele, MarkenG, 9. Aufl., Rn. 93 zu § 9). Entgegen der von der Widersprechenden geäußerten Rechtsansicht bewegen sich die in Klasse 5 beanspruchten „medizinischen Getränke, Diätgetränke für medizinische Zwecke“, ebenfalls nicht im engen Ähnlichkeitsbereich zu den in Klasse 3 von der Widerspruchsmarke GM 7177363 beanspruchten „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ (vgl. HABM 09 BK R 1643/08-1 und R 859/08-2 (keine Ähnlichkeit); BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 4/03 - Livera/Lavera; BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 159/04 - ALMASAM/Almisan (ähnlich zu diätischen Lebensmitteln mit deutlichem Abstand)). Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38, „Mobiltelekommunikationsgeräte“ der Klasse 9 sowie eng mit diesen verwandte Produkte, für welche die Widerspruchsmarke GM 7177363 Schutz genießt, sind schließlich sämtlichen von der Inhaberin der angegriffenen Marke beanspruchten Waren gegenüber unähnlich.

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Eine Marke verfügt über Kennzeichnungskraft, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH MarkenR 1999, 189, 194 [Rz. 49] - Chiemsee; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 22] - Lloyd/Loints). Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft ist dabei maßgeblich, inwieweit sich die Marke dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart und ihres ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Produkt- und Leistungskennzeichnung einzuprägen vermag, so dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., Rn. 497 zu § 14). Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH GRUR 2008, 905, 907, Nr. 16 - Pantohexal; GRUR 2008, 1002, 1004, Nr. 26 - Schuhpark).

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Der Grad an Kennzeichnungskraft ist dabei im Widerspruchsverfahren erstmals zu bestimmen (EuGH MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 22] - Lloyd/Loints). Auf den bloßen Umstand der Eintragung einer Marke kann dabei nicht abgestellt werden, weil aus der Eintragung lediglich auf den geringstmöglichen Grad an Kennzeichnungskraft geschlossen werden kann; denn zum einen wird der Grad der Kennzeichnungskraft im Eintragungsverfahren nicht geprüft, und zum anderen ist die Prüfung der Unterscheidungskraft, soweit man aus deren Prüfung Rückschlüsse auf die Kennzeichnungskraft ziehen kann, nach dem Gesetzeswortlaut (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) auf das Mindestmaß beschränkt (vgl. Hacker, Hacker/Ströbele, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rn. 106). Ob die Marke über eine Kennzeichnungskraft verfügt, die über diesen, sich aus ihrer Eintragung ergebenden Mindestschutz hinausgeht, bedarf im Widerspruchsverfahren der erstmaligen gesonderten Prüfung und Feststellung.

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Wie in der mündlichen Verhandlung erläutert, ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken GM 4423745 und GM 7177363, die die chemische Formel „O2“ für Sauerstoff darstellen, für all diejenigen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen, zu denen ein enger sachlicher beschreibender Bezug zum chemischen Element Sauerstoff besteht, originär erheblich geschwächt. Zu ihnen zählen u. a. die von beiden Kollisionsmarken in identischer Form geschützten „Sportartikel“ der Klasse 28, bei welchen es sich um Sauerstoffflaschen und Atemregler für Taucher handeln kann. Kennzeichnungsschwach ist die Widerspruchsmarke zugleich für mehrere der in den Klasse 29 und 30 beanspruchten Lebensmittel wie Backtriebmittel und „Tee“. So reagieren bei dem „Fermentation“ genannten Oxidieren von Teeblättern in feuchter Umgebung, dem für die Qualität des Produktes entscheidenden Schritt im Herstellungsprozess, die dunkel gefärbten Polyphenole und Aromastoffe mit Sauerstoff. Auch im Rahmen der Verkostung wird dem Tee durch Rühren und Schlürfen Schauerstoff zugesetzt, um den Geschmack zu verbessern (vgl. näher www.tee-blog-naturideen.de/2008/07/05/chinesische-teekunst/; Die Kunst, Tee richtig zu genießen, Seehamer Verlag 1998). Zu den „Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege“ der Klasse 3 zählen die so genannten Sauerstoffkosmetik- und Sauerstoff-Pflegeprodukte (vgl. http://www.rund-um-sauerstoff.eu/index.php/cat/c9_VIA-NOVA-Sauerstoffkosmetik-und-Sauerstoff-Pflege-produkte.html). Bei der Dienstleistung „Klasse 43: Verpflegung von Gästen“ kann es sich schließlich um ein Angebot von mit Sauerstoff angereicherten Getränken handeln.

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Gesteigerte Verkehrsbekanntheit kommt der Widerspruchsmarke GM 7177363, wie amtsbekannt ist, für Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38 und „Mobiltelekommunikationsgeräte“ der Klasse 9 zu (vgl. LG Hamburg BeckRS 2009, 28228 – purO2). Dies vermag die im oben genannten Umfang bestehende originäre Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarken jedoch nicht auszugleichen. Denn der erweiterte Schutzumfang einer Marke beschränkt sich grundsätzlich auf diejenigen Waren und Dienstleistungen, für die eine durch Benutzung gesteigerte Verkehrsgeltung anzuerkennen ist (Hacker, a. a. O. Rdn. 123 zu § 9). Sie vermag zwar im Einzelfall noch auf eng verwandte Waren oder Dienstleistungen auszustrahlen. Eine solche Ausstrahlungswirkung umfasst jedoch weder den gesamten Bereich der ähnlichen Waren und Dienstleistungen, noch weiter entferntere Gebiete (vgl. BGH BlPMZ 1978, 326, 327 - SPAR; BPatGE 41, 165, 168 - LIGNOPOL; BPatG GRUR 1997, 293, 294 - GREEN POINT/Der grüne Punkt; BPatG MarkenR 2006, 170, 171 - ELLE/Ellee; BPatG Mitt. 2007, 471 f - FOCUsept/Focus; Hacker, a. a. O. Rdn. 123 zu § 9) und kann daher hier dahinstehen. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke beanspruchten Getränke der Klassen 5 und 32 sowie „Sportartikel“ der Klasse 28 weisen nämlich, wie ausgeführt, keinerlei Ähnlichkeit zu Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38, „Mobiltelekommunikationsgeräten“ der Klasse 9 oder mit diesen eng verwandten, in den Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen der Widerspruchsmarken aufgeführten weiteren Produkten auf.

48

Soweit der Schutzumfang der Widerspruchsmarken daher für die genannten Waren und Dienstleistungen eng zu bemessen ist, prägt „O2“ als kennzeichnungsschwaches Element weder den Gesamteindruck der jüngeren Marke „O2Kids“ (vgl. Hacker/Ströbele, MarkenG, 9. Aufl., Rn. 283 zu § 9); noch kommt diesem Wortbestandteil innerhalb der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zu (vgl. Hacker/Ströbele, MarkenG, 9. Aufl., Rn. 353 zu § 9; EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 (Nr. 37) – THOMPSON LIFE). Insbesondere kombiniert „O2Kids“ „O2“ nicht mit einem erkennbaren Serien- oder Unternehmenskennzeichen der Inhaberin der jüngeren Marke (Abgrenzung zu BGH GRUR 2008, 258 (Nr. 29) - INTERCONNECT/T-InterConnect).

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Im Zeichenvergleich stehen sich infolgedessen in ihrer Gesamtheit mit „O2“ und „O2Kids“ zwei Zeichen gegenüber, die sich in Schriftbild und Phonetik durch den in der angegriffenen Marke zusätzlich enthaltenen Wortbestandteil „Kids“ hinreichend voneinander unterscheiden. Ob der angesprochene Verkehr die angegriffene Marke nach englischen oder deutschen Phonetikregeln als „o-zwei-kids“ bzw. „o-tu-kids“ ausspricht (vgl. hierzu BGH NJW-RR 92, 175 - Bally/Ball; BGHZ 28, 320, 323 f. - Quick/Glück; BGH, GRUR 1975, 441, 442 - Passion; BGH GRUR 1982, 611, 613 - Prodont; BGH GRUR 1986, 253, 256 - Zentis), kann dahinstehen. Denn auch begrifflich ermöglicht es dieser zweite, dem englischen Grundwortschatz entstammende und in seiner Bedeutung „Kinder“ im Deutschen allgemein verständliche zusätzliche Wortbestandteil dem angesprochenen Verkehr, beide Marken auch dann sicher voneinander zu unterschieden, wenn mit ihnen identische oder hochgradig ähnliche Waren und Dienstleistungen gekennzeichnet werden.

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Zusätzlich besteht insoweit nicht die Gefahr, dass dieser die Kollisionsmarken i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 2. HS gedanklich miteinander in Verbindung bringen könnte. Die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise das in beiden Marken übereinstimmende Element als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten und diesem Stammzeichen für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen  (st. Rspr., vgl. u. a. BGH GRUR 1996, 200, 202 - Innovadiclophlont; GRUR 1996, 267, 269 - AQUA; GRUR 1999, 240, 241 STEPHANSKRONE I; GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone; GRUR 2000, 886, 887 - Bayer/BeiChem; GRUR 2002, 542, 544 - BIG; GRUR 2002, 544, 547 - BANK 24; GRUR 2008, 258, 261 (Nr. 31) - INTERCONNECT/T-InterConnect; Hacker, a. a. O. Rdn. 374 zu § 9). Auch diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, da der Bestandteil „O2“ für die genannten Waren und Dienstleistungen, zu denen ein enger sachlicher beschreibender Bezug zum chemischen Element Sauerstoff besteht, selbst eine kennzeichnungsschwache, beschreibende Angabe darstellt (vgl. BGH GRUR 1999, 240, 241 - STEPHANSKRONE I; EuG GRUR Int. 2005, 503 – SISSI ROSSI/MISS ROSSI; GRUR Int. 2005, 140 – Chufafit; MarkenR 2003, 200 – NU-TRIDE/TUFFTRIDE; HABM MarkenR 2002, 433 – iti-Digits I).

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Weil auch für eine Verwechslungsgefahr in anderen Richtungen keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich sind, ist der Schutzumfang der Widerspruchsmarken entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Rechtsansicht nicht tangiert, soweit die angegriffene Marke Schutz für die Waren „Klasse 5: Medizinische Getränke, Diätgetränke für medizinische Zwecke; Klasse 28: Sportartikel - soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Klasse 32: alkoholische Getränke, Tafelwässer, Wässer“beansprucht (vgl. ergänzend BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 74/07 - power O2 / po2wer). Die Markenstelle hat den Widerspruch insoweit zu Recht zurückgewiesen.

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Erfolg hat die Beschwerde demgegenüber, soweit die Widersprechende die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren „Klasse 28: Spielzeug, Spielwaren, Turnartikel - soweit nicht in anderen Klassen enthalten“ Denn für die ihnen als identisch gegenüberstehenden Waren ist die Widerspruchsmarke GM 7177363 demgegenüber normal kennzeichnungskräftig.

53

Dem steht die Existenz der von der Markenstelle recherchierten Anzahl nationaler Drittmarken mit dem Wortbestandteil „O2“ nicht entgegen. Diese Marken, für deren Benutzung ist in diesem Verfahren nichts vorgetragen ist (vgl. näher Hacker, a. a. O. Rn. 126 zu § 9 m. w. N.), vermögen die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke insoweit nicht zu schwächen.

54

Werden die im Tenor bezeichneten Waren mit der angegriffenen Marke gekennzeichnet, reicht der in der zusätzlichen Hinzufügung des seinerseits kennzeichnungsschwachen Wortbestandteils „Kids“ sowie der nicht tiefergestellten Darstellung der Ziffer „2“ bestehende Unterschied der Markenwörter nicht mehr aus, um im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG auch unter Berücksichtigung von Warenidentität auszuschließen. Im maßgeblichen Gesamteindruck weisen beide Marken insoweit eine erhebliche Ähnlichkeit auf, weil der klangliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke für diese Waren durch den in ihr enthaltenen Bestandteil „O2“ geprägt wird.

55

Entgegen der von der Markenstelle vertretenen Rechtsansicht hat der Verkehr gerade keine Veranlassung, sich demgegenüber nur an „O2Kids“ als Gesamtbegriff zu orientieren (vgl. u. a. BGH GRUR 1998, 932, 933 – MEISTERBRAND, Hacker, a. a. O., Rn. 311 zu § 9 m. w. N.). Denn die Existenz eines Gesamtbegriffs mit dem Sinngehalt „Sauerstoffkids“, „Sauerstoff-Kinder“ oder „O2Kids“ vermochte der Senat trotz umfangreicher Recherchen weder nachzuweisen, noch erschließt sich ein solcher Bedeutungsgehalt im Zusammenhang mit den im Tenor bezeichneten Waren unmittelbar. Im Zusammenhang mit diesen Waren steht vielmehr nicht zu erwarten, dass wesentliche Teile des angesprochenen Verkehrs „O2“ mit der hier nicht tiefer gestellten Ziffer „2“ innerhalb des zusammengeschriebenen Begriffs „O2Kids“ überhaupt als Hinweis auf das Element Sauerstoff erfassen wird.

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Insoweit war die angegriffene Marke daher auf die Beschwerde der Widersprechenden zu löschen.

57

Zu einer Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der Verfahrensbeteiligten i. S. d. § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG haben weder die Sach- und Rechtslage noch das Verhalten der Verfahrensbeteiligten Anlass gegeben.