Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 08.04.2019


BPatG 08.04.2019 - 26 W (pat) 527/18

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
08.04.2019
Aktenzeichen:
26 W (pat) 527/18
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:080419B26Wpat527.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 008 246.0

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. April 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle der Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Dezember 2017 wird aufgehoben.

Gründe

I.

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as Wortzeichen

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BITBUSINESS

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ist am 31. März 2017 unter der Nummer 30 2017 008 246.0 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Dienstleistungen der

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Klasse 35: Werbung;

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Klasse 36: Versicherungsdienstleistungen; Finanz-, Geld- und Bankgeschäfte;

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Klasse 38: Übertragung digitaler Informationen; Telekommunikationsdienste mittels Portalen; Telekommunikation;

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Klasse 42: IT-Dienstleistungen.

8

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 hat die Markenstelle für Klasse 38 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen setze sich aus den dem Publikum bekannten Elementen, nämlich dem Kürzel „Bit“ für „Binary Digit“ mit der Bedeutung „kleinste digitale Informationseinheit“ und dem Wort „business“ für „Geschäft, Unternehmen, Angelegenheit“, zusammen. In seiner Gesamtheit bedeute das Zeichen „Geschäft mit den kleinsten digitalen Informationseinheiten“. Damit bezeichne es lediglich den Gegenstand der angebotenen Dienste. Werbedienstleistungen würden für das Geschäft mit den Bits oder mittels EDV und Bitbusiness erbracht, so dass auch deren Ziel und Arbeitsweise angegeben werde. „Versicherungsdienstleistungen; Finanz-, Geld- und Bankgeschäfte“ bedienten sich elektronischer Arbeitswege und der elektronischen Kommunikation, so dass das Anmeldezeichen nur einen sachlichen Hinweis auf den Umgang in der Branche und deren Arbeitsweise enthalte. Bei den angemeldeten Telekommunikationsdiensten würden Bits übertragen. Die Informationstechnologiedienstleistungen seien unmittelbar ein Geschäft mit Bits.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Ansicht, das Anmeldezeichen sei lexikalisch nicht nachweisbar. Die Kombination der einzelnen Elemente ergebe zudem keine klare, sinnvolle oder eindeutige Aussage. Es bleibe unklar, worin Geschäfte mit der kleinsten digitalen Informationseinheit bestünden. Das Zeichen sei vielmehr für verschiedenste Interpretationen offen.

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Auf den gerichtlichen Hinweis mit Schreiben vom 3. Dezember 2018, dem Recherchebelege beigefügt waren (Anlagen 1 bis 4, Bl. 24 – 33 GA), hat der Beschwerdeführer seine Anmeldung beschränkt auf die Dienstleistungen der

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Klasse 35: Werbung;

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Klasse 36: Versicherungsdienstleistungen; Finanz-, Geld- und Bankgeschäfte.

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Er beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Dezember 2017 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses auch begründet.

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Der Eintragung des Wortzeichens „BITBUSINESS“ für die verbleibenden Dienstleistungen der Klassen 35 und 38 stehen keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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1. a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rdnr. 7 – #darferdas?; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. - OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 8 – #darferdas?; GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. - #darferdas?; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).

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b) Diesen Anforderungen genügt das Wortzeichen „BITBUSINESS“, weil es schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 31. März 2017, weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt aufgewiesen noch einen engen beschreibenden Bezug zu den noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 hergestellt hat.

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aa) Bei den hier angesprochenen breiten Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um Unternehmer und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene als auch um die Endverbraucher.

23

bb) Das Anmeldezeichen „BITBUSINESS“ setzt sich aus den beiden ursprünglich aus dem Englischen stammenden Substantiven „bit“ und „business“ zusammen, die inzwischen auch Aufnahme in den Duden gefunden haben.

24

aaa) Das Kunstwort „Bit“, das aus dem englischen Begriff „binary digit“ entstanden ist, bezeichnet eine „binäre Einheit für die Anzahl möglicher alternativer Entscheidungen in einem binären System, Binärzeichen, einzelne Entscheidung“ oder eine „Einheit für den Informationsgehalt einer Nachricht“. Daneben steht es auch für ein „genormtes Einsatzstück für Bohrmaschinen oder Geräte zum Schrauben“ (www.duden.de, s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).

25

bbb) Synonyme für das Substantiv „Business“ sind „Geschäft, Handel“ (www.duden.de, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis).

26

ccc) In der Gesamtheit bezeichnet der lexikalisch nicht nachweisbare Begriff „BITBUSINESS“ ein „Geschäft mit/für Binärzeichen/Bits/kleinste Informationseinheiten“ oder einen „Handel mit Bits für Bohrmaschinen und Schraubendreher“. Die angesprochenen Verkehrskreise sind an Wortzusammensetzungen mit dem Bestandteil „Business“ und einem den Gegenstand des Geschäfts beschreibenden Zusatz gewöhnt, wie die in den Duden aufgenommenen Komposita „Agrobusiness“, „E-Business“, „Electronic Business“ oder „Showbusiness“ belegen (s. Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis).

27

cc) Für die noch beanspruchten Dienstleistungen „Werbung“ der Klasse 35 und „Versicherungsdienstleistungen; Finanz-, Geld- und Bankgeschäfte“ der Klasse 36 vermittelt das Schutz suchende Zeichen dem angesprochenen Publikum keine Sach- oder Werbeaussage dienstleistungsbezogener Art.

28

aaa) Der markenrechtliche Dienstleistungsbegriff „Werbung“ umfasst alle Beratungs-, Mitteilungs-, Konzeptions-, Gestaltungs- und Realisationsleistungen, die von Werbeunternehmen – in erster Linie Werbeagenturen – gegen Entgelt im Kundenauftrag für Dritte auf dem Gebiet der Werbung erbracht werden (BPatG – 33 W (pat) 45/98 – INDIGO IMAGES, juris-Tz. 30; OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 277, 280, juris-Tz. 52; vgl. auch Anlage 1 zu § 19 Abs. 1 der MarkenV, Erläuternde Anmerkung zur Klasse 35). Da es nicht den Branchengewohnheiten entspricht, Werbedienstleistungen durch das beworbene Produkt(sortiment) zu charakterisieren, weil die Festlegung auf einen bestimmten Inhalt eine nicht gewollte Beschränkung bedeutet, hat eine Bezeichnung beschreibenden Charakter, wenn sie die Art des Mediums oder die Branche angibt, auf die die Werbedienstleistungen bezogen sind. (BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 24 – My World; BPatG 29 W (pat) 35/15 – Immer eine Frische voraus).

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Das hier angesprochene inländische Publikum wird in dem Anmeldezeichen keinen beschreibenden Hinweis auf das Medium (Print-, TV- oder Onlinewerbung) oder die Branche erkennen, in welchen die Werbung erbracht werden kann.

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(1) „BITBUSINESS“ mit der Bedeutung „Geschäft mit Bits, also mit kleinsten Informationseinheiten“ ist keine Branchenbezeichnung für Informationstechnologie bzw. den Handel damit. Dafür haben sich längst andere Begriffe wie „Computerbranche“, „IT-Branche“, „PC-Branche“, „EDV-Branche“, „IT-Business“, „IT-Startup“ oder Ähnliches etabliert.

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(2) „BITBUSINESS“ im Sinne von „Handel mit Bits für Bohrmaschinen und Schraubendreher“ kann ebenfalls keine Sachaussage über Werbedienstleistungen treffen, weil letztere universell eingesetzt werden und sich nicht auf die Bewerbung eines einzelnen Produkts beschränken.

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bbb) Das Anmeldezeichen hat auch für „Versicherungsdienstleistungen; Finanz-, Geld- und Bankgeschäfte“ der Klasse 36 keinen beschreibenden Charakter.

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Diese könnten zwar Geschäfte mit Bitcoins, also mit einem weltweit führenden digitalen Zahlungsmittel (Kryptowährung, https://de.wikipedia.org/wiki/Bitcoin) zum Gegenstand haben. Dafür müsste aber das Element „BIT“ um den Zusatz „COIN“ ergänzt werden. Solche Ergänzungen verändern jedoch das beanspruchte Wortzeichen, das ausschließlich in seiner angemeldeten Gesamtheit Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist (BGH GRUR 2011, 65 Rdnr. 10 - Buchstabe T mit Strich).

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ccc) Der Verkehr hat das angemeldete Wortzeichen daher schon zum Anmeldezeitpunkt aufgrund des mangelnden beschreibenden Bezugs zu den vorgenannten Dienstleistungen sowie der ungewöhnlichen klanglichen Alliteration als Fantasiezeichen angesehen.

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3. Wegen der fehlenden Eignung des Wortzeichens zur unmittelbaren Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen kann auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden.