Entscheidungsdatum: 18.05.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2009 011 388.2
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde und der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr werden zurückgewiesen.
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist für Waren und Dienstleistungen der Klassen 39, 12, 35, 36, 41 und 44, darunter u. a. für die Dienstleistungen der Klasse 39 „Transportleistungen eines Rettungsdienstes; Transport von Kranken und Behinderten; Transport von Blutkonserven, Gewebeproben und Seren; Vermietung von Rettungsfahrzeugen und -flugzeugen sowie -helikoptern, Reisebegleitung, insbesondere für Kranke und Behinderte; Rückholdienste (Transporte)“ die in der Anmeldung als
graphisch wiedergegebene Farbkombinationsmarke angemeldet worden. ist.
Im Erinnerungsverfahren hat die Anmelderin die Farbe des Rottons mit HKS 14 vergleichbar mit RAL 3020 beschrieben. In der Beschwerdeschrift hat sie zudem das quantitative Verhältnis der Farben mit 2/3 Rot und 1/3 Weiß verbalisiert.
Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung zurückgewiesen, weil der konturlosen Farbmarke die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle, da allein Farben regelmäßig keine herkunftshinweisende Funktion erfüllten und im Übrigen aufgrund des Umstandes, dass die Farbkombination Rot/Weiß im Rettungswesen zu seiner Beschreibung gebräuchlich sei, ein starkes Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben sei.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Juli 2011 und vom 3. November 2011 aufzuheben, soweit die angemeldete Marke für die Dienstleistungen der Klasse 39 „Transportdienstleistungen eines Flugrettungsdienstes, insbesondere Transport von Kranken und Behinderten; Transport von Blutkonserven, Gewebeproben und Seren sowie Rückholdienste“ zurückgewiesen worden ist, sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Die Anmelderin weist auf ihre Marktführerschaft im Bereich der Luftrettung neben dem ADAC bei im Übrigen zu vernachlässigenden Wettbewerbern hin und hält die Marke für unterscheidungskräftig im Sinne von §§ 3, 8 Abs. 1 und 2 MarkenG. Hierzu weist sie beispielhaft auf eingetragene Farbmarken hin, aus denen sich ergebe, dass Farbmarken sehr wohl als Herkunftszeichen vom Verkehr verstanden würden und sich nach Beschränkung auf die im Antrag erwähnten Dienstleistungen der Klasse 39 die Anmeldung auf einen spezifischen und eng begrenzten Markt bezöge, auf dem der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (fachkundiger Nachfrager) die fragliche Farbkombination als betrieblichen Herkunftshinweis werten würde. Auch ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht, da zahlreiche weitere Rottöne, die sich vom Rot der Anmelderin unterschieden, zur Verfügung stünden und außerhalb der Luftrettung es jedem freistünde, die Farben Rot und Weiß zu verwenden. Schließlich sei die Marke der Anmelderin weitgehend bei den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt, weshalb Eintragungsfähigkeit nach § 8 Abs. 3 MarkenG gegeben sei. Die Anmelderin gestalte seit 1972 ihre Rettungsfluggeräte in den Farben Rot und Weiß, weshalb inzwischen die rot/weißen Hubschrauber der Anmelderin einen vergleichbaren Herkunftshinweis aufwiesen wie die in Gelb gehaltenen Fluggerätschaften des ADAC.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes 30 2009 011 388.2 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet, weil der Eintragung der Marke das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht, wie die Markenstelle in den angegriffenen Entscheidungen zutreffend und eingehend dargelegt hat.
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EUGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - LIBERTEL). Die Vergabe kennzeichnungsrechtlicher Monopole kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. BGH MarkenR 2006, 395 - FUSSBALL WM 2006). Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EUGH a. a. O. - LIBERTEL). Gerade bei Farben ist insoweit zu beachten, dass die Vergabe unzulässiger Markenrechte es ohne weiteres ermöglichen würde, mit einer verhältnismäßig geringen Zahl von Anmeldungen den Mitbewerbern ein essentielles Gestaltungsmittel zu entziehen und einen freien, unverfälschten Wettbewerb damit weitgehend auszuschalten (vgl. EUGH GRUR 2004, 858 - Heidelberger Bauchemie, EUGH GRUR 2003, 604 - LIBERTEL). Um eine solche Entwicklung zu vermeiden, hat der EUGH verbindliche Vorgaben für die Prüfung konturloser Farbmarken aufgestellt. Dabei geht er davon aus, dass Verbraucher Farben in aller Regel nur als ein Gestaltungsmittel wahrnehmen, weil diese für gewöhnlich lediglich als dekoratives Element oder als sachbezogenes Ausdrucksmittel verwendet werden, nicht aber als betriebliches Herkunftszeichen (vgl. EUGH a. a. O. - Heidelberger-Bauchemie, LIBERTEL). Aus diesem Grund besitzt eine Farbmarke nur unter außergewöhnlichen Umständen bereits von Haus aus die erforderliche Unterscheidungskraft, so dass ihre Eintragung als Marke nur im Ausnahmefall in Betracht kommt. Ein solcher Ausnahmefall setzt voraus, dass es sich bei dem einschlägigen Warengebiet um ein überschaubares, von den Kennzeichnungsgewohnheiten anderer Branchen unabhängiges und damit um ein im wirtschaftlichen Sinne spezifisches Marktgebiet handelt, in dem Farben üblicherweise nicht nur als sachbezogene oder dekorative Elemente verwendet werden, so dass der Verkehr hier bereits an die Verwendung von Farben als betriebliches Herkunftszeichen gewöhnt ist.
Dies kann vorliegend für die von der Beschwerdeführerin begehrte konturlose rot-weiße Marke auch nach Beschränkung der Anzahl von Dienstleistungen, wie im Beschwerdeantrag ersichtlich, nicht angenommen werden. Wie die Anmelderin selbst ausführt ist die Farbkombination rot/weiß im Rettungswesen allgemein zur farblichen Kennzeichnung von Rettungsfahrzeugen gebräuchlich und weist grundsätzlich keinen darüber hinausgehenden Aussagegehalt bezüglich des konkreten Anbieters der Rettungsdienstleistungen auf. Allein eine Googlesuche nach Rettungsfahrzeugen ergibt an Bildergebnissen eine unüberschaubare Zahl von rot-weiß gestalteten Rettungsfahrzeugen verschiedener Organisationen und Unternehmen, in denen die auch von der Anmelderin erwähnten gelb-roten Gestaltungsvarianten und zum Teil silber-rote Versionen nur in geringfügigem Umfang vorkommen. Der Hinweis der Anmelderin darauf, dass außer ihrem Rotton, bei dem es sich um HKS14 vgl. mit RAL 3320 handele, zahlreiche Rottöne zur Verfügung stünden, kann der angemeldeten Marke nicht zur Unterscheidungskraft verhelfen. Denn bei RAL 3320 handelt es sich um das sog. Verkehrsrot, also einen Farbton, der in Deutschland - z. B. im Straßenverkehr - zahlreich als Warn- und Hinweisfarbe Verwendung findet und der deshalb nicht geeignet ist, auf die Herkunft der beanspruchten Dienstleistungen von einem bestimmten Anbieter hinzuweisen. Das gilt auch, wenn für die Prüfung der Unterscheidungskraft allein auf Transportleistungen mit Rettungshubschraubern abgestellt wird. Eine Googlesuche nach Bildern von Rettungshubschraubern ergibt, dass zwar eine Mehrheit von den rot/weiß gestalteten Hubschraubern in den Bildnachweisen der Beschwerdeführerin zuzuordnen sind, dass andererseits aber durchaus auch Hubschrauber von Wettbewerbern wie den Johannitern oder dem Roten Kreuz in Rot/Weiß gestaltet sind, von den Schweizer Fluggeräten ganz abgesehen.
Von daher fehlt der angemeldeten rot-weißen Farbmarke die notwendige Unterscheidungskraft, zumal weiter zu beachten ist, dass bei der Erbringung und Vermarktung von Transportdienstleistungen eines Flugrettungsdienstes regelmäßig gegenständliche und damit notwendigerweise farbige Mittel eingesetzt werden, wie hier die Rettungsfluggeräte, wobei vom Verkehr die Flugzeugfarben von Haus aus lediglich als optische Gestaltungsmittel, nicht aber als betriebliche Herkunftsbezeichnung verstanden werden (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 250).
Darüber hinaus besteht an der beanspruchten Farbkombination Rot-Weiß auch ein starkes Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Dies ergibt sich schon daraus, dass die von der Anmelderin gewählte Farbe Verkehrsrot regelmäßig zur Beschreibung dient, in dem sie als Symbolfarbe auf konkrete Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen hinweist (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 10. Aufl. § 8 Rdn. 432). Daran ändert auch die Kombination mit Weiß nichts, weil die beanspruchte Farbzusammenstellung aus Weiß und Verkehrsrot im gesamten Verkehrs- und Rettungsbereich zahlreich vorkommt.
Dass sich die Verwendung der Farben Rot und Weiß im Verhältnis von 2/3 zu 1/3 im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG im Verkehr zugunsten der Anmelderin durchgesetzt hätte, hat diese nicht ausreichend dargelegt. Sie beschreibt zwar ausführlich und durch Anlagen untermauert, dass sie die Farbkombination Rot/Weiß zur Gestaltung ihrer Fluggeräte einsetzt und im Übrigen quasi als „Hausfarben“ verwendet. Nachdem aber bei der Frage einer Verkehrsdurchsetzung abstrakter Farbmarken zu beachten ist, dass für diese Konturunabhängigkeit ein Wesensmerkmal darstellt, kann die Anmelderin eine Marktdurchsetzung mit ihrem Vortrag damit gerade nicht belegen, denn aus den von ihr eingereichten Unterlagen ergibt sich gerade nicht, dass sie die Farbkombination Rot/Weiß im Verhältnis 2/3 zu 1/3 konturlos einsetzen würde. Im Gegenteil weist die Gestaltung ihrer Hubschrauber eine deutliche Kontur bei der Farbgebung auf. So ist der weiße Bereich, der zudem die Buchstaben DRF in Rot enthält, halbrund vom roten Bereich abgegrenzt. Die gerundete Darstellung verwendet die Anmelderin darüber hinaus in ihren vorgelegten Kalendern, wobei sie auch bei diesen das Verhältnis von 2/3 zu 1/3 nicht einhält. Der ebenfalls vorgelegte Schlüsselanhänger als Werbemittel verwendet die Farben Weiß/Rot soweit ersichtlich nur als dekoratives Element. Der Herkunftshinweis ergibt sich hier aus der von der Anmelderin verwendeten Buchstabenfolge „DRF“. Angesichts dessen ist eine Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Farbmarke in der Weise, dass die Kombination Rot-Weiß konturunabhängig auf die Anmelderin hinweisen könnte, weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Für eine Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zur weiteren Prüfung der Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke ist daher kein Raum. Da die Markenstelle der angemeldeten Marke zutreffend die Eintragung versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen, wobei dahinstehen konnte, ob die nachträgliche Angabe des Verhältnisses der Farben erst im Beschwerdeverfahren von der Anmeldung gedeckt ist oder eine unzulässige nachträgliche Änderung der Marke darstellt.
Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 III MarkenG fehlt es an einem sachlichen oder rechtlichen Grund.