Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 25.07.2012


BPatG 25.07.2012 - 26 W (pat) 519/12

Markenbeschwerdeverfahren – "la cuisine (Wort-Bild-Marke)/LA Cuisine (Wort-Bild-Marke)" – zum Schutzumfang – Warenidentität – keine Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
25.07.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 519/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 49 829

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 25. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der für die Waren und Dienstleistungen

2

"Geräte und Behälter für Haushalt und Küche"

3

eingetragenen Wort-/Bildmarke 307 49 829

Abbildung

4

ist aus der für die Waren und Dienstleistungen

5

"handbetätigte Werkzeuge und Geräte; Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel; Hieb- und Stichwaffen; Rasierapparate; Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln); Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlspäne; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten“

6

geschützten Wort-/Bildmarke EM 005 362 264

Abbildung

7

Widerspruch erhoben worden.

8

Die Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 11. Januar 2012 zurückgewiesen, weil zwischen den Kollisionszeichen nicht die Gefahr von Verwechslungen bestehe, §§ 42 Abs. 2 und 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

9

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hänge insbesondere von der Kennzeichnungskraft der rangälteren Marke und ihrem Bekanntheitsgrad auf dem Markt ab sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und/oder Dienstleistungen. Es könne aus Rechtsgründen keine Verwechslungsgefahr vorliegen, wenn die Gemeinsamkeiten der Zeichen nur auf kennzeichnungsschwachen Wortelementen oder Wortteilen beruhen (BPatG, 32 W (pat) 63/06, 08.08.2007 - Vitaminis/Vitaminos). Bei Marken mit verminderter Kennzeichnungskraft sei der Schutzbereich entsprechend eingeschränkt und ermögliche im Extremfall nur die Verteidigung gegenüber identischen und fast identischen Zeichen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10.  Aufl., § 9 Rdn. 298 ff.). Das sei bei "la cuisine" als einem Ausdruck, dessen Bedeutungsgehalt den Verkehrskreisen geläufig sei, der Fall. Es handele sich lediglich um einen Hinweis darauf, dass die maßgeblichen Waren für den Einsatz in der Küche bestimmt oder geeignet sind. Somit handele es sich bei "la cuisine" um einen nicht unterscheidungskräftigen und freihaltebedürftigen Ausdruck, dessen Schutzumfang auf Null reduziert sei. Die gegenüberstehenden Marken unterschieden sich jedoch in grafischer Hinsicht (Schriftgestaltung, stilisierte Kochmützen, Kochlöffel einerseits, geschwungene Linie und Sterndarstellungen andererseits). Diese deutlichen Unterschiede reichten unter Berücksichtigung der Schutzunfähigkeit des Markenbestandteiles "La Cuisine" für eine Verneinung der Verwechslungsgefahr aus.

10

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde, die sie im Wesentlichen damit begründet, dass die klanglich identischen Zeichen nur dekorativ gestaltet seien und die Widerspruchsmarke nicht glatt beschreibend sei. Die Widersprechende beantragt,

11

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Januar 2012 aufzuheben und die Löschung der deutschen Marke 307 49 829 "la cuisine" anzuordnen.

12

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

13

die Beschwerde zurückzuweisen.

14

Der angefochtene Beschluss sei insbesondere vor dem Hintergrund der Kennzeichnungsschwäche der Wortbestandteile zutreffend.

15

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt einschließlich der Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes 307 49 829.8 Bezug genommen.

II.

16

Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet, weil zwischen den Kollisionsmarken keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

17

Nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 1066, 1067/1068 - Kinderzeit; GRUR 2006, 859, 860 - Malteserkreuz; GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo; GRUR 2005, 513, 514 - EY/Ella May). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (EuGH GRUR 2003, 55, 57 ff., Nr. 51 - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155, Nr. 59 - Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319, Nr. 21 - Adam Opel/Autec).

18

Die Verwechslungsgefahr stellt einen  normativ auszufüllenden  Rechtsbegriff dar, der mit der tatsächlichen Verwechselbarkeit nicht übereinstimmen muss. So wie besonders kennzeichnungskräftige ältere Marken mit entsprechend hohem Schutzumfang auch dann einer Verwechslungsgefahr mit einer angegriffenen Marke unterliegen können, wenn die Vergleichszeichen einander nur entfernt ähnlich sind (vgl. z. B. BPatG GRUR 2000, 87 - LIOR/DIOR; GRUR 2005, 777 - NATALLA/nutella), kann umgekehrt gleichwohl keine Verwechslungsgefahr vorliegen, wenn sich die Gemeinsamkeiten der Zeichen nur auf schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Bestandteile beschränken (vgl. BPatG GRUR 2002, 68 - COMFORT HOTEL BPatG; 32 W (pat) 63/06 - Vitaminis/Vitaminos).

19

Letzteres ist vorliegend der Fall, wie die Markenstelle überzeugend dargelegt hat.

20

Trotz Warenidentität besteht vorliegend keine Verwechslungsgefahr in unmittelbarer oder sonstiger Hinsicht, weil die Widerspruchsmarke Ähnlichkeit mit der jüngeren Marke nur in ihrem Wortbestandteil "la cuisine" aufweist, der nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss und der Anmelderin in ihrer Beschwerdeerwiderung für die hier entscheidungserheblichen Produkte lediglich einen Hinweis auf deren Bestimmung für die Küche darstellt und als Bestimmungsangabe innerhalb der Widerspruchsmarke nicht selbständig schutzfähig ist. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden ist dem maßgeblichen Verkehr die Bedeutung der französischen Worte "la cuisine" unmittelbar begreiflich. Dies hat die Markenstelle bereits hinreichend belegt. Es ist vor dem Hintergrund der ohne Weiteres offenkundigen Medienpräsenz von Köchen, Kochen und Küchen, wobei regelmäßig auch mit gängigen fremdsprachlichen Ausdrücken wie "cuisine" umgegangen wird, auch der Beschwerdeschrift nichts hiergegen Überzeugendes zu entnehmen.

21

Da der Schutzbereich von Marken, die aus beschreibenden und freihaltungsbedürftigen Angaben bestehen, eng zu bemessen ist und sich auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprägung, d. h. hier die grafische Ausgestaltung beschränkt, kann allein diese den Schutzumfang bestimmen. Ebenso wenig, wie Schutz für die zugrundeliegende schutzunfähige Bezeichnung "la cuisine" beansprucht werden kann (vgl. BGH GRUR 2000, 608 - ARD 1; GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus; GRUR 2004, 775 - EURO 2000; BPatG, Beschluss vom 4. April 2006, 24 W (pat) 113/04 - FITAMIN/VIT-H-MIN), kann aus der Übereinstimmung in den Wortbestandteilen der Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr abgeleitet werden. Muss wie hier bei einer nachträglichen Prüfung im Kollisionsverfahren die Schutzfähigkeit eines Bestandteils  des älteren Zeichens verneint werden, kann dieser Bestandteil eine Verwechslungsgefahr nicht begründen (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker, 10. Aufl. § 9 Rn. 300) Die Markenstelle hat zutreffend ausgeführt, dass allein die grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke deren Eintragungsfähigkeit begründet hat und die deutlichen Unterschiede in der grafischen Gestaltung der sich gegenüberstehenden Zeichen daher eine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ausschließen.

22

Damit musste die Beschwerde der Widersprechenden erfolglos bleiben.

23

Zu einer Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der Verfahrensbeteiligten (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG) haben weder die Sach- und Rechtslage noch das Verhalten der Verfahrensbeteiligten Anlass gegeben.