Entscheidungsdatum: 24.10.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 012 550.4
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. Oktober 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
BIS IN DIE PUPPEN
ist am 18. Februar 2015 unter der Nummer 30 2015 012 550.4 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der
Klasse 33: Alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine;
Klasse 43: Dienstleistungen einer Weinbar; Bewirtungsdienstleistungen.
Mit Beschluss vom 1. Juni 2015 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Verkehr werde das Zeichen als sprachüblich gebildete beschreibende Wortfolge mit der Bedeutung „sehr, sehr lange; bis in den frühen Morgen; ohne zeitliche Beschränkung“ verstehen. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 43 könnten sehr, sehr lange, bis in den frühen Morgen oder sogar ohne zeitliche Beschränkung in Anspruch genommen und dabei die angemeldeten Waren „alkoholische Getränke; Weine“ angeboten werden. Für den Verkehr könne es von Bedeutung sein, dass er im Rahmen sehr langer Öffnungszeiten Alkoholika ohne zeitliches Limit konsumieren könne. Der Spruch „BIS IN DIE PUPPEN“ werde, wie eine Internetrecherche ergeben habe, im Zusammenhang mit langen Öffnungszeiten gängig benutzt. Das Anmeldezeichen werde daher nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern als Hinweis auf sehr lange Öffnungs- und Angebotszeiten verstanden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, das Anmeldezeichen beschreibe keine Eigenschaft eines Weines oder eines anderen alkoholischen Getränks. Es lasse sich auch kein beschreibender Bezug in dem Sinn herstellen, dass ein so gekennzeichnetes Getränk geeignet sei, „bis in die Puppen“ getrunken zu werden. Für welchen Zeitraum ein alkoholisches Getränk genossen werden könne, hänge allein von der Trinkfestigkeit des Konsumenten ab. Um von dem Ausdruck „BIS IN DIE PUPPEN“ zu einem Bedeutungszusammenhang mit den beanspruchten Waren zu gelangen, bedürfe es zahlreicher gedanklicher Zwischenschritte, die der Verkehr nicht vornehme.
Auf den Hinweis des Senats mit Schreiben vom 8. September 2016, dem zahlreiche Recherchebelege beigefügt waren (Anlagenkonvolute 1 bis 4, Bl. 19 - 41 GA), dass die angemeldete Wortkombination schutzunfähig sei, hat die Beschwerdeführerin ihre Anmeldung beschränkt auf die Waren der
Klasse 33: Alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Juni 2015 aufzuheben.
Ferner regt sie an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da ein allgemeines Interesse an der weiteren Konkretisierung des Rechtsbegriffs „enger beschreibender Bezug“ durch den Bundesgerichtshof bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „BIS IN DIE PUPPEN“ als Marke steht im Hinblick auf die noch beanspruchten Waren das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat.
a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI; GRUR 2015, 173 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 10 – OUI; a. a. O. Rdnr. 16 – for you).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674 Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops).
b) Diesen Anforderungen genügt die Wortfolge „BIS IN DIE PUPPEN“ nicht, weil sie einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zu den noch beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 33 aufweist.
aa) Bei den von den Produkten „alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine“ angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich um den Getränkefachhandel und den Endverbraucher.
bb) Der umgangssprachliche, vor allem im Zusammenhang mit „schlafen“ und „feiern“ verwendete Ausdruck „bis in die Puppen“, der auch Eingang in den Duden gefunden hat (http://www.duden.de/rechtschreibung/Puppe), bedeutet „sehr lange; bis tief in die Nacht“ und ist ursprünglich eine aus dem 18. Jahrhundert stammende berlinerische Redewendung, wohl nach den im Berliner Tiergarten aufgestellten Statuen der antiken Mythologie, die im Berliner Volksmund „Puppen“ genannt wurden, zu denen der Weg früher recht weit war (Anlagenkonvolut 1 zum gerichtlichen Hinweis). Nach der Internetrecherche des Senats wird dieser Ausdruck häufig von Restaurants, Bars und ähnlichen Lokalen verwendet, um auf besonders lange Öffnungs- oder Angebotszeiten hinzuweisen (Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis).
cc) Hinsichtlich der beanspruchten Waren „alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine“ der Klasse 33 stellt die angemeldete Wortfolge „BIS IN DIE PUPPEN“ eine Bestimmungsangabe insoweit dar, als die betreffenden Waren in Restaurants, Bars und ähnlichen Lokalen mit besonders langen Öffnungs- oder Angebotszeiten typischerweise angeboten werden können (vgl. auch BPatG 27 W (pat) 503/13 – wir sind die show). Nach der Recherche des Senats werden zu vielen Veranstaltungen, die „bis in die Puppen“ dauern, Wein und andere Alkoholika konsumiert (Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis). Daneben ist der Trinkspruch „Bis in die Puppen lasst uns fröhlich sein, bei herrlich gutem Essen und einem Gläschen Wein“ nachweisbar (Anlagenkonvolut 4 zum gerichtlichen Hinweis).
dd) Ferner können sich „alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine“ auch von ihrer Beschaffenheit her möglicherweise dazu eignen, in größeren Mengen und daher auch über einen längeren Zeitraum genossen zu werden, weil sie die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit angeblich weniger beeinträchtigen als andere alkoholische Getränke. So werben Wein- und Spirituosenhersteller mit der Konsumierbarkeit ihrer Produkte in großen Mengen, wobei sie die Weine als leicht und die Schnäpse als bekömmlich bezeichnen. Auch Wodka wird damit beworben, dass er wegen des Fehlens jeglicher Fuselöle, künstlicher Aromen oder anderer fermentierter Stoffe besser verträglich ist als andere Alkoholika.
c) Der Verkehr wird deshalb bei einem mit der angemeldeten Wortfolge „BIS IN DIE PUPPEN“ gekennzeichneten alkoholischen Getränk in dieser Bezeichnung keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern lediglich eine anpreisende Bestimmungs- oder werbeübliche Beschaffenheitsangabe erkennen.
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig ist.
3. Da der Senat bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit die vom BGH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Maßstäbe angelegt hat, war die Zulassung der von der Anmelderin angeregten Rechtsbeschwerde nicht geboten. Zudem war weder über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als erforderlich zu erachten (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).