Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 24.04.2013


BPatG 24.04.2013 - 26 W (pat) 5/11

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "KENO" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft – keine sonstigen absoluten Eintragungshindernisse


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
24.04.2013
Aktenzeichen:
26 W (pat) 5/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 398 56 165

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 24. April 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. November 2010 aufgehoben, soweit die teilweise Löschung der Marke 398 56 165 für die Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ angeordnet worden ist, und der Löschungsantrag insoweit zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Der Antragsteller hat am 1. April 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt gemäß §§ 50 Abs. 1, 54 Abs. 1 MarkenG die Löschung der am 17. November 1998 für die Dienstleistungen

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„Klasse 35: Werbung;

3

Klasse 38: Telekommunikation;

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Klasse 42: Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“

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eingetragenen Marke 398 56 165

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KENO

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beantragt, weil diese entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden sei. Zur Begründung des Löschungsantrags hat er vorgetragen, bei „KENO“ handele es sich um ein bereits vor mehr als 2000 Jahren in China erfundenes Glücksspiel, welches Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang des 20. Jahrhunderts in die USA gebracht worden sei und von dort aus seine weltweite Verbreitung gefunden habe. Das Spiel „KENO“ habe seit Jahrzehnten weltweit Einzug in renommierte Casinos gehalten. Auch im Internet sei das Spielen von „KENO“ stark verbreitet.

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Die Antragsgegnerin hat der Löschung ihrer Marke innerhalb der in § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG bestimmten Frist widersprochen.

9

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den Löschungsantrag hin am 19. November 2010 die teilweise Löschung der Marke 398 56 165 für die Dienstleistungen der Klasse 42 „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ beschlossen, weil es sich bei der angegriffenen Marke in Bezug auf diese Dienstleistungen schon zum Zeitpunkt der Eintragung um eine zur Beschreibung geeignete und deshalb freihaltungsbedürftige Angabe gehandelt habe (§ 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

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Zur Begründung der beschlossenen Teillöschung hat die Markenabteilung ausgeführt, bereits für den Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke lasse sich die beschreibende Verwendung des Begriffs „KENO“ für ein Lotterie-Glücksspiel feststellen, das sich zunächst zu einem Casinospiel entwickelt habe und das nachweislich seit dem Jahre 2003 auch im Internet online gespielt werden könne. Zwar sei davon auszugehen, dass die Bezeichnung „KENO“ sowohl im Eintragungsjahr 1998 als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag nur einem Teil des inländischen Verkehrs geläufig gewesen sei. Im Rahmen der Prüfung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei jedoch allein ihr objektiv beschreibender Charakter und das daraus resultierende Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit als Fachangabe maßgeblich, weshalb bereits die Bedürfnisse eines relativ kleinen Teils des Gesamtverkehrs einer Markeneintragung entgegenstehen könnten. Es sei davon auszugehen, dass jedenfalls Fachkreise, die auf dem Gebiet des Glücksspiels tätig waren und sind, das Glücksspiel „KENO“ kannten und kennen. Nachdem „KENO“ nachweislich seit dem Jahre 2003 auch im Internet angeboten und gespielt werde, könne angenommen werden, dass es zwischenzeitlich auch einem Teil der allgemeinen Verkehrskreise bekannt sei. In Bezug auf die Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ weise der Begriff „KENO“ darauf hin, dass mit Hilfe dieser Dienstleistungen das so bezeichnete Glücksspiel durchgeführt, angeboten und im Internet umgesetzt werde.

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Gegen die Teillöschung ihrer Marke wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Sie macht zum einen geltend, dass weder vom Antragsteller noch im angegriffenen Beschluss Nachweise dafür vorgelegt worden seien, dass die angegriffene Marke vor dem Zeitpunkt ihrer Eintragung in Deutschland im Allgemeinen bzw. für die Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ im Besonderen beschreibend verwendet wurde. Dass ein Glücksspiel namens „KENO“ bereits vor ca. 2000 Jahren in China gespielt worden sei, sei für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke in Deutschland ohne Belang. Dass dieses Glücksspiel hier seit dem Jahre 2003 im Internet gespielt werden könne, sei ebenfalls kein Löschungsgrund, weil es auf den Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke ankomme und die angegriffene Marke bereits im Jahre 1998 eingetragen worden sei. Aber selbst wenn unterstellt werde, dass es sich bei „KENO“ bereits im Jahre 1998 in Deutschland um eine beschreibende Angabe für ein Glücksspiel gehandelt habe, könne der angegriffene Beschluss keinen Bestand haben, soweit die Löschung der Marke für die Dienstleistungen der Klasse 42 „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ angeordnet worden sei, weil es sich insoweit um Dienstleistungen handele, die durch das Wort „KENO“ weder beschrieben würden noch sonst einen engen sachlichen Bezug zu diesem Glücksspiel aufwiesen. Es handele sich bei diesen Dienstleistungen nach den erläuternden Anmerkungen zur Klasseneinteilung von Waren und Dienstleistungen um solche, „die sich auf theoretische und praktische Aspekte komplexer Gebiete beziehen“ und von Programmierern erbracht würden und – ebenso wie „Werbung“ und „Telekommunikation“ – für sehr verschiedene Branchen erbracht werden könnten. Deshalb gelte für die hier maßgeblichen Dienstleistungen ebenso wie für Werbung und Telekommunikation, dass nicht jede Benennung einer Person, Sache oder Leistung, auf die sich die Dienstleistung beziehe, als beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bewerten und als solche freizuhalten sei. Die von der Markenabteilung vorgenommene Differenzierung bei der Beurteilung der Löschungsreife der angegriffenen Marke sei daher nicht nachvollziehbar.

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Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. November 2010 aufzuheben, soweit die Marke 398 56 165 teilweise für die Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ gelöscht worden ist und den Löschungsantrag auch insoweit zurückzuweisen.

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Der Antragsteller beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Zur Begründung bezieht er sich auf die Gründe des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses der Markenabteilung.

II

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Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Entgegen der im angegriffenen Beschluss von der Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vertretenen Ansicht liegen die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe für eine Löschung der angegriffenen Marke auch für die Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ nicht vor.

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Bei der Angabe „KENO“ hat es sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke nicht um eine Angabe gehandelt, die zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Eigenschaften der zuvor genannten Dienstleistungen dienen konnte (§ 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

19

Mit „KENO“ wird ein ursprünglich aus China stammendes Glücksspiel bezeichnet, das über die Vereinigten Staaten von Amerika auch seinen Weg nach Europa und speziell auch nach Deutschland gefunden hat und jedenfalls seit dem Jahre 2003 nachweislich auch im Inland über das Internet gespielt werden kann. Ob es bereits zuvor im Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke, also am 17. November 1998, im Inland als Bezeichnung für ein Glücksspiel verwendet worden ist und von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Glücksspielbezeichnung verstanden worden ist, und ob es sich seinerzeit deshalb schon als beschreibende Angabe für ein solches Glücksspiel eignete, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden rechtlichen Beurteilung, weil das Wort „KENO“ für die hier allein maßgeblichen Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ selbst dann keine Beschreibungseignung aufweist, wenn unterstellt wird, dass es schon zum Eintragungszeitpunkt im Inland eine Bezeichnung für ein Glücksspiel war.

20

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schließt (nur) solche Angaben oder Zeichen vom Markenschutz aus, die Eigenschaften der beanspruchten Waren/Dienstleistungen beschreiben. Dem Schutzhindernis unterfallen nur unmittelbar beschreibende Angaben und Zeichen. Diese Voraussetzung wird nur bei Angaben und Zeichen bejaht, die Umstände beschreiben, welche die angemeldeten Waren/Dienstleistungen selbst betreffen. Bestimmte Waren/Dienstleistungen können neben ihrem Charakter als handelbare Güter und Leistungen auch einen gedanklichen Inhalt aufweisen, der einer Beschreibung zugänglich ist. Das gilt insbesondere für den Bereich der Medien, aber auch für Computerhardware und –software bzw. für die Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen, soweit die betreffende Angabe oder das betreffende Zeichen als beschreibende Angabe über den Inhalt der fraglichen Ware oder Dienstleistung ernsthaft in Betracht kommt. Allerdings vermag der bloße Umstand, dass Informationsträgern eine nahezu unbegrenzte Themenvielfalt zugrunde gelegt werden kann, nicht zur Verneinung der Schutzfähigkeit aller Ausdrücke zu führen, die auch nur irgendwie als Angabe eines Themenbereichs oder Einzelthemas theoretisch in Betracht kommen könnten. Vielmehr muss die Angabe eines Themas sich als naheliegend und branchenüblich darstellen. Dies setzt zum einen eine gewisse Allgemeinheit des Titels im Sinne eines Oberbegriffs voraus. Außerdem muss für die beteiligten Verkehrskreise ein unmittelbarer und konkreter Sachbezug zwischen dem Sinngehalt der Marke und den beanspruchten Waren/Dienstleistungen erkennbar sein (EUGH GRUR-RR 2008, 47; EuG GRUR Int 2006, 1021). Das ist grundsätzlich nur der Fall, wenn in der einschlägigen Branche themen- oder inhaltsbezogene Bezeichnungen von Waren/Dienstleistungen verwendet werden. Soweit dagegen Waren/Dienstleistungen branchenüblicherweise nicht mit inhaltsbeschreibenden Sachtiteln bezeichnet werden, kann nicht ohne Weiteres von einer zur Beschreibung geeigneten und nicht unterscheidungskräftigen Angabe ausgegangen werden (BGH GRUR 2009, 949 – My World).

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Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt die angegriffene Marke keine im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zur Beschreibung der Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ geeignete Angabe dar. Bei den vorgenannten Dienstleistungen handelt es sich um für Dritte angebotene Programmierungsdienstleistungen, die von Informatikern angeboten und erbracht werden und – anders als etwa zum Kauf angebotene Softwareprodukte – üblicherweise ihrer Art, Beschaffenheit oder Bestimmung nach nicht mit (einzel)themenbezogenen Angaben beschrieben werden. Die Bezeichnung „KENO“ weist für die Programmierungsdienstleistung auch keine bestimmende oder beachtliche Funktion auf. Auch die Markenabteilung hat diesbezüglich im angegriffenen Beschluss keine gegenteiligen Feststellungen getroffen. Bei dieser Sachlage bestand zum Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke und besteht auch weiterhin kein Allgemeininteresse an der Freihaltung der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“.

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Da die angegriffene Marke die zuvor genannten Dienstleistungen ihrer Art, Beschaffenheit und Bestimmung nach nicht unmittelbar beschreibt und auch sonst keine zur Bezeichnung dieser Dienstleistungen übliche Angabe darstellt, sind auch keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür feststellbar, dass ihr zum Zeitpunkt ihrer Eintragung jegliche Unterscheidungskraft gefehlt hat (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

23

Auch für das Vorliegen anderer Schutzhindernisse gemäß § 8 MarkenG ist weder vom Antragsteller etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere stellt die angegriffene Bezeichnung „KENO“ für die hier allein maßgeblichen Dienstleistungen „Erstellung, Änderung und Korrektur von Internet-Seiten“ keine sprachgebräuchliche oder verkehrsübliche Bezeichnung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG dar. Ob dies – wie vom Antragsteller in seinem Löschungsantrag behauptet – in Bezug auf die Veranstaltung von Glücksspielen der Fall ist, ist nicht Verfahrensgegenstand und bedarf deshalb keiner Entscheidung.

24

Der Beschwerde der Antragsgegnerin war daher stattzugeben.

25

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der am Verfahren beteiligten Parteien aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG) gibt weder der Sachverhalt noch das Verhalten der Verfahrensbeteiligten Anlass.