Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.02.2017


BPatG 22.02.2017 - 26 W (pat) 44/14

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "@" – keine Unterscheidungskraft – Kostenentscheidung – keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
22.02.2017
Aktenzeichen:
26 W (pat) 44/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 038 338 – S 56/13 Lösch

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Schödel

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin und die Beschwerde des Antragstellers werden zurückgewiesen.

2. Der Kostenantrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag des Antragstellers auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

@

3

ist am 5. Juli 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet und am 23. Oktober 2012 unter der Nummer 30 2012 038 338 eingetragen worden für Waren der

4

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Schuhe; Gürtel (Bekleidung);

5

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und –fette;

6

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; Reis; Tapioka und Sago; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;

7

Klasse 32: Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;

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Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);

9

Klasse 34: Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer; Zigaretten; Zigarillos; Zigarren; Feuerzeuge für Raucher; Aschenbecher; Zigarettenfilter; Zigarettenhülsen; Filterhülsen für Zigaretten; Zigarettenetuis; Zigarrenetuis; Pfeifenstopfer; Taschenapparate zum Drehen von Zigaretten; Zigarettendrehmaschinen; Zigarettenstopfgeräte.

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Am 25. Februar 2013 ist der auf § 8 MarkenG gestützte Löschungsantrag des Beschwerdegegners zu 1.) eingegangen mit der Begründung, die Benutzung der angegriffenen Marke verhöhne dessen ursprüngliche spirituelle Bedeutung und verstoße gegen Art. 1 des UNESCO Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Das @-Symbol mit der Bedeutung „Das Auge von Mugasha“ sei in Ostafrika, dem heutigen Tansania, vor über 10.000 Jahren von Gelehrten erfunden worden, um vor Naturereignissen, wie starkes Unwetter, zu schützen. Von 1880 bis zur Gegenwart sei es in Tansania als mathematisches Symbol mit der Bedeutung „je“, z. B. zur Angabe der Stückzahl oder des Stückpreises, eingeführt worden. Zum Schreiben entsprechender Schulbücher hätten die Missionare 1895/96 bei der Firma „Underwood Typewriter Company“ in New York Schreibmaschinen mit dem @-Zeichen in Auftrag gegeben. Erst 1971 habe Ray Tomlinson auf seiner Schreibmaschinentastatur das – funktionslose – @-Zeichen bemerkt und es für das erste Versenden einer E-Mail benutzt. Das @-Zeichen sei somit ein altes afrikanisches Kulturgut und wissenschaftliches Symbol, das die Markeninhaberin, die es nicht erfunden habe, der Allgemeinheit entziehen wolle. Deshalb werde auch beantragt, der Markeninhaberin die von ihm entrichtete Löschungsgebühr und die ihm entstandenen Kosten für Beweismaterial, nämlich Telefon- und Frachtkosten für seine Recherche in Tansania, aufzuerlegen.

11

Die Antragsgegnerin hat am 23. Mai 2013 dem ihr am 8. April 2013 zugestellten Löschungsantrag widersprochen mit der Begründung, es werde mit Nichtwissen bestritten, dass das @-Zeichen eine spirituelle Bedeutung habe, jedenfalls nehme das angesprochene Publikum an der Verwendung des Zeichens keinen Anstoß, die Anmeldung verstoße daher nicht gegen die guten Sitten. Es handele sich auch nicht um ein Kulturgut im Sinne der UNESCO-Konventionen. Das @-Zeichen sei in Deutschland als Rechensymbol nicht bekannt und die Verwendung im Ausland sei für einen inländischen Markenschutz unschädlich. Es sei keine Voraussetzung für den Markenschutz, dass der Inhaber die Marke selbst „kreiert“ haben müsse. Zudem könne die Markeninhaberin Dritten nur die markenmäßige Verwendung, aber nicht die Verwendung in E-Mails untersagen. Da es selbst für den Antragsteller nur mit großem Aufwand und hohen Kosten gelungen sei, die behauptete Bedeutung des Zeichens zu ermitteln, könne die Anmeldung auch nicht als bösgläubig angesehen werden.

12

Mit Beschluss vom 19. Mai 2014 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der angegriffenen Marke habe sowohl zum Eintragungs- als auch zum Entscheidungszeitpunkt über den Löschungsantrag jegliche Unterscheidungskraft gefehlt. Das @-Zeichen sei grundlegender Bestandteil von E-Mail-Adressen, innerhalb derer es Benutzername und Domain voneinander trenne. Außerdem habe es sich zu einem umfassenden Symbol für das Internet entwickelt, das auch als die „Ikone der vernetzten Welt“ bezeichnet worden sei. Durch diese Entwicklung sei es eines der am häufigsten verwendeten Werbesymbole geworden, das für die so beworbenen Waren und Dienstleistungen ein verkaufsförderndes Image von Aktualität und Modernität vermitteln solle. Bei dieser Sachlage werde der Verkehr die angegriffene Marke nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern als Hinweis auf das Internet und Aktualität auffassen. Diese Bewertung entspreche der Rechtsprechung des BPatG (29 W (pat) 195/98 – @; 30 W (pat) 127/01 – Eurozeichen als @; 25 W (pat) 134/01 – c@r-line; BPatGE 46, 34 – @ctivelO). Kosten würden – entgegen der Kostenanträge des Antragstellers – weder auferlegt noch erstattet. Grundsätzlich trage jeder Beteiligte seine Kosten selbst. Der Antragsgegnerin sei die Schutzunfähigkeit ihrer Marke im Zeitpunkt der Anmeldung nicht bekannt gewesen. Es liege auch sonst kein Verhalten vor, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren sei. Der Widerspruch gegen den Löschungsantrag und die Verteidigung der angegriffenen Marke verstießen nicht gegen die prozessuale Sorgfalt. Für eine Rückzahlung der Löschungsgebühr nach § 63 Abs. 2 MarkenG lägen keine Billigkeitsgründe vor.

13

Hiergegen richten sich die beiden Beschwerden der Verfahrensbeteiligten, wobei sich die Antragsgegnerin gegen die Löschung ihrer Marke und der Antragsteller gegen die Zurückweisung seiner Kostenanträge wenden.

14

Die Markeninhaberin ist der Ansicht, das @-Zeichen sei für die eingetragenen Waren weder unmittelbar beschreibend noch weise es einen engen beschreibenden Bezug zu ihnen auf. Sein Begriffsgehalt sei vage und unklar. Es sei lebensfremd, anzunehmen, der Verkehr ziehe aus dem @-Zeichen auf Waren des täglichen Bedarfs den Schluss, diese könnten auch im Internet erworben werden oder im Internet gebe es weitere Produktinformationen dazu, zumal keine konkrete Internetadresse folge. Diese befinde sich zudem auf der Verpackungsrückseite, also nicht dort, wo die Marke gewöhnlich angebracht werde. Für einen engen beschreibenden Bezug reiche es ferner nicht aus, wenn nur Vertriebsmodalitäten beschrieben (BGH GRUR 1998, 465 – BONUS) oder Hinweise auf eine Informationsmöglichkeit im Internet gegeben würden. Jedenfalls schließe der Verkehr – wenn überhaupt – erst nach mehreren Gedankenschritten von dem @-Zeichen auf einen Vertrieb der Ware im Internet. Das DPMA habe sich weder mit den einzelnen, internetfernen Waren auseinandergesetzt, noch geprüft, ob es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gebe, das @-Zeichen bei den Waren so zu verwenden, dass es vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden werde. Das @-Zeichen sei in Alleinstellung weder ein allgemein verwendetes Werbesymbol, noch vermittle es aufgrund seiner Mehrdeutigkeit eine bestimmte Werbeaussage. Eine Kostentragung der Markeninhaberin komme nicht in Betracht, weil die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe und vorgelegten – untauglichen – Beweismittel für die Markenlöschung nicht maßgeblich gewesen seien.

15

Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie beantragt sinngemäß,

16

1. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2014 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen;

17

2. die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen;

18

3. den Antrag des Antragstellers, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, zurückzuweisen;

19

4. den Antrag auf Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen.

20

Der Antragsteller beantragt,

21

1. die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen;

22

2. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2014 aufzuheben, soweit Kosten weder auferlegt noch erstattet worden sind, und der Antragsgegnerin die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens aufzuerlegen;

23

3. der Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen;

24

4. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

25

Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung. Zur Begründung seiner Beschwerde gegen die Kostenentscheidung und seines Kostenantrages im Beschwerdeverfahren vertritt er die Ansicht, es entspreche der Billigkeit, die Antragsgegnerin mit sämtlichen vor dem DPMA und dem BPatG entstandenen Kosten, vor allem mit der Löschungs- und Beschwerdegebühr nebst Zinsen sowie den Beweiskosten in Höhe von 636,-- €, zu belasten, weil die angegriffene Marke bösgläubig angemeldet worden sei. Eine Markenanmeldung sei insbesondere dann bösgläubig, wenn damit die dem Anmelder bekannte geplante Benutzung eines Zeichens durch Dritte gesperrt oder erschwert werden solle (BGH GRUR 2001, 242 – Classe E). Die Antragsgegnerin habe gewusst, dass es sich bei der angegriffenen Marke um ein omnipräsentes und damit freihaltebedürftiges Internetsymbol handele, so dass es ihr – ohne eigene Benutzungsabsicht – nur darum gegangen sei, ihre formale Rechtsstellung zur rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einzusetzen. Auch ein eigener Benutzungswille schließe die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht notwendig aus; es reiche aus, dass die Behinderungsabsicht ein wesentliches Motiv sei.

26

Der Senat hat mit Schreiben vom 2. Juni 2016 unter Übersendung einer Vielzahl von Recherchebelegen (Bl. 139 – 179 GA) zur tatsächlichen Verwendung des „@“-Symbols auf seine vorläufige Rechtsauffassung hingewiesen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

28

Die zulässigen Beschwerden der beiden Verfahrensbeteiligten sind unbegründet.

29

Die Marke „@“ ist entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden. Zudem trägt jeder Beteiligte seine Kosten selbst, so dass die Markenabteilung zu Recht die Löschung der Eintragung angeordnet und die Kostenanträge des Antragstellers zurückgewiesen hat (§§ 50 Abs. 1, Abs. 2, 54 MarkenG). Auch eine Auferlegung der Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren auf die Antragsgegnerin oder die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr an den Antragsteller kommen nicht in Betracht.

30

A. Beschwerde der Antragsgegnerin

31

1. Der am 25. Februar 2013 beim DPMA eingegangene Löschungsantrag ist innerhalb der seit dem 23. Oktober 2012 laufenden Zehnjahresfrist gestellt worden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG). Für die geltend gemachte Bösgläubigkeit gilt diese zeitliche Beschränkung nicht.

32

 2. Die Antragsgegnerin hat dem ihr am 8. April 2013 zugestellten Löschungsantrag fristgerecht mit einem am 23. Mai 2013 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz widersprochen (§ 54 Abs. 2 MarkenG).

33

3. Für die absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 2 MarkenG verstoßen, kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke (BGH GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 483 Rdnr. 22 – test; GRUR 2014, 565 Rdnr. 10 – smartbook) bestanden hat als auch – soweit es um die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 9 MarkenG geht – im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

34

Zwar hat die Markenabteilung bei der Prüfung auf den Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke abgestellt. Dies ändert in der Sache aber nichts an der zutreffenden Beurteilung des Amtes, da eine Änderung der Verhältnisse zwischen dem Anmeldezeitpunkt am 5. Juli 2012 und dem Zeitpunkt der Eintragung am 23. Oktober 2012 nicht feststellbar ist (vgl. 28 W (pat) 60/13 – delikat).

35

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg, weil der Eintragung der angegriffenen Marke bereits zum Anmeldezeitpunkt für alle registrierten Waren der Klassen 25, 29, 30, 32, 33 und 34 das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft entgegenstand (§ 50 Abs. 1 MarkenG) und dieses Eintragungshindernis auch noch bis zum Entscheidungszeitpunkt fortbesteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

36

4. a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 10 – OUI; a. a. O. Rdnr. 16 – for you).

37

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).

38

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 – DüsseldorfCongress).

39

b) Den vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt die Streitmarke nicht.

40

Einer Bejahung der Unterscheidungskraft steht entgegen, dass es sich bei @ um ein Zeichen handelt, das stets nur als Internetsymbol und damit als allgemeiner Hinweis auf das Internet, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Grundsätzlich kann jeder Marke die Unterscheidungskraft auch aus sonstigen Gründen fehlen. Das verfahrensgegenständliche @-Zeichen ist aus Sicht des Senats wie ein QR-Code als bloßer technischer Zugangsmöglichkeit zu weiteren Informationen (vgl. BPatG 28 W (pat) 535/13 Abbildung; 30 W (pat) 518/15 – Abbildung) ein Paradebeispiel dieser Fallgestaltung. Das @-Zeichen ist allgegenwärtig und die hier angesprochenen Verkehrskreise sind an die Begegnung mit dem Zeichen als Internetsymbol im Alltag gewöhnt.

41

aa) Die angesprochenen breiten Verkehrskreise, nämlich sowohl der Beklei-dungs-, Schuh-, Lebensmittel-, Getränke- und Tabakfachhandel als auch der Endverbraucher, verstehen die angegriffene Marke nur als omnipräsentes Internetsymbol und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis (vgl. BPatG, Beschl. v. 2. Dezember 2015 – 29 W (pat) 62/13 – @; so auch schon BPatG 29 W (pat) 195/98 – @ und 29 W (pat) 40/01 – @).

42

bb) Das Schriftzeichen @ – als At-Zeichen, commercial-at-Zeichen, kurz At oder auch umgangssprachlich „Klammeraffe“ bezeichnet – wird als Platzhalter und Steuerzeichen verwendet. Es ist grundlegender Bestandteil von E-Mail-Adressen; es steht dort zwischen Benutzername und Domain (vgl. DUDEN Online unter www.duden.de, Stichwort: At-Zeichen). Die bisher ungeklärte und vom Antragsteller aufwändig recherchierte Entstehungsgeschichte des @-Zeichens kann für den hier maßgeblichen Internetsymbolcharakter der angegriffenen Marke dahingestellt bleiben. Die Bedeutung für das Internet und im Speziellen als Trennzeichen von Benutzer- und Domainname einer E-Mail-Adresse geht jedenfalls auf Ray Tomlinson zurück, der es 1971 mit der Bedeutung „bei“ (vom englischen „at“) als passendes Zeichen für die Einführung der E-Mail empfand. Viele Internetdienste benutzen es, um beispielweise zu signalisieren, dass eine Nachricht an einen bestimmten Nutzer gerichtet ist, so wird z. B. auf Facebook, Twitter und in Blogs „@Kurt“ als Anrede genutzt und bedeutet so viel wie „an Kurt“.

aaa) Vor allem wird das @-Zeichen bereits seit langem als Symbol, Icon bzw. als eine Art Piktogramm für das Internet und den dort stattfindenden Datenaustausch bzw. die elektronische Kommunikation genutzt; dementsprechend ist es lexikalisch auch in dieser Bedeutung erfasst, vgl. die Belege in BPatG, Beschl. v. 2. Dezember 2015 – 29 W (pat) 62/13 – @:

43

- „@ hat sich auch als allgemeines Symbol für das Internet etabliert. Unternehmen und Organisationen werben mit diesem Zeichen, neue Wortschöpfungen verwenden das @ als Symbol, Beispiele: Pl@net, C@fé“, Online Lexikon gängiger DFÜ-Begriffe, 2002;

44

- „Außerdem wird es als Symbol für das Internet genutzt, zum Beispiel auf Wegweisern zu Internetcafés“, Wikipedia, Die freie Enzyklopädie;

45

- „Kein anderes Zeichen ist so sehr zum Symbol für den elektronischen Datenaustausch geworden wie das @-Zeichen. Weil’s inzwischen als chic gilt, gleich jedes a gegen ein @ auszutauschen, darf nun auch getrost dieses Buch als „Netj@rgon“ zitiert werden...“, Kreisel, Tabbert, Net Jargon, 1996;

46

- „@ - das populärste Symbol für den elektronischen Datenaustausch. Es ziert inzwischen viele Zeitschriften, Bücher und jede zweite Internetseite“, Abel, Cybersl@ng, 1999;

47

- „Wenn es ein Symbol für das Internet und dessen Ausbreitung gibt, dann ist es wohl das @. Steht es doch nach Meinung der meisten User für globale Kommunikation und technischen Fortschritt“, Artikel in Jungle World, 2001;

48

- „Kaum ein Symbol wird so unmittelbar mit der Computerwelt assoziiert wie das @“, Aktuelles Lexikon, Süddeutsche Zeitung 2000;

49

- „Ein Symbol breitete sich auch auf dem Titelblatt aus: der Klammeraffe…das at-Zeichen @, …, das heutzutage aber auf die vielfältige Kommunikation über die Rechnernetze, speziell das Internet, hinweist“, Artikel aus GWD-Nachrichten, 1995;

50

- „Das @-Zeichen ist inzwischen zum Symbol einer ganzen Generation geworden, die über das Netz mit Leichtigkeit kommunizieren kann“, Artikel Tagesspiegel, 2000.

51

bbb) Im Wirtschaftsleben wird das @-Zeichen branchenübergreifend nicht nur im Rahmen einer E-Mail-Adresse, sondern auch und gerade in Alleinstellung umfangreich im oben dargestellten Sinne als Internetsymbol eingesetzt. Im Marktauftritt dient es zur werblichen Herausstellung der eigenen Online-Angebote, als Hinweis auf die Erwerbsmöglichkeit im Wege des E-Commerce oder auf die Möglichkeit, Informationen über das Produktangebot im Internet zu erhalten, als Hinweis auf die Kommunikation über das Internet mit dem Anbieter sowie ganz allgemein als Hinweis auf eine Internetseite oder ein Internetthema, wie die folgenden Verwendungsnachweise in BPatG, Beschl. v. 2. Dezember 2015 – 29 W (pat) 62/13 – @ zeigen:

52

- Blickfang auf der Einkaufstüte der Buchhandlung Hugendubel in München, 2002, um die Möglichkeit eines Online-Einkaufs von Büchern rund um die Uhr anzuzeigen Abbildung;

53

- Blickfang auf der Einkaufstüte Galeria Kaufhof als Hinweis auf 24h- Einkaufsmöglichkeit über das Internet Abbildung;

54

- auf dem sog. Quelle-Turm (Fertigstellung 2002) findet sich das Symbol @ neben dem Quelle-Logo als Hinweis auf den damals noch vorhandenen Online-Marktplatz des Unternehmens Abbildung;

55

- in einer Zeitungsanzeige weist die Deutsche Bahn AG neben einem @-Icon auf die Möglichkeit hin, Fahrplaninformationen und Tickets über das Internet zu erhalten;

56

- auf der Service-Internetseite des Amtsgerichts Peine wird neben einem @-Piktogramm auf die Möglichkeit der elektronischen Kontaktaufnahme hingewiesen;

57

- neben dem Icon Abbildungsind Informationen eines Hamburger Taxiunternehmens über die Taxi-Online Bestellung zu finden;

58

- auf der Internetseite der b4bmainfranken finden sich neben dem „Icon Online Tipps Abbildung“ regelmäßig Artikel mit Nachrichten zu Online-Themen;

59

- unter anderem neben einem @-Zeichen auf einer Computer-Tastatur bewirbt ein Anbieter von Maß-Plissees die Möglichkeit der Online-Bestellung;

60

- ein Online-Verlag untermalt mit unterschiedlichen @-Bildern – z. B. Abbildung oder Abbildung - seine Artikel zu Themen der Digitalisierung und zu neuen Internetportalen;

61

- ein Anbieter von Stutenmilch bewirbt mit dem Piktogramm Abbildung die Möglichkeit der Kontaktaufnahme per E-Mail („STUTENMILCH online Der direkte Draht zum Stutenmilchbetrieb“);

62

- auf ein Seminar „Grundlagen des online-Rechts“ wird mit einem @ als Blickfang hingewiesen;

63

- auf Online-Angebote eines Hausarztzentrums und dessen Online-Newsletter wird mit dem Zeichen Abbildung aufmerksam gemacht;

64

- ein Fernsehsender weist mit dem Piktogramm Abbildungauf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zur Redaktion hin („Ihr heißer Draht ins Studio Schwaben“);

65

- ebenfalls als Hinweis auf eine Kontaktaufnahmemöglichkeit verwendet ein Anbieter von Kachelöfen, Kaminen und Fliesen das Symbol Abbildung;

66

- auf das Angebot einer Partei zum Thema „Intensiv-Beratung grünes Internet“ wird mit dem Piktogramm Abbildung hingewiesen;

67

- auf einer Homepage der Stadt Hamburg wird im Impressum neben dem Bild Abbildungauf die inhaltliche Verantwortung für den Internetauftritt verwiesen;

68

- am Ende von SZ-Artikeln (z. B. aus dem Jahr 2002) zu verschiedensten Themenkreisen erscheint das @, um auf die Möglichkeit weitergehender und vertiefender Informationen im Internet hinzuweisen;

69

- ein kommunaler Abfall-Entsorgungsbetrieb weist, untermalt mit dem Symbol Abbildung, auf seinen kostenlosen e-mail-Service hin, mit dem per Mail oder SMS an Abfuhrtermine erinnert wird;

70

- auf einen Vortragsabend der eBusiness-Lotsen in Husum wird mit dem Piktogramm Abbildungüber dem Hinweis „Ihre Chancen im world wide web“ aufmerksam gemacht;

71

- über ein sicheres Internetzugangsangebot wird auf der Homepage des Deutschen Gesundheitsnetzes neben dem Symbol Abbildung informiert.

72

Allein schon diese Beispiele zeigen, dass das Zeichen „@“ über seine konkrete Bedeutung innerhalb von E-Mail-Adressen weit hinaus in nahezu allen Waren- und Dienstleistungsbereichen als allgemeiner, symbolhafter Hinweis auf das Internet dient. Wegen dieser allgegenwärtigen, umfangreichen Verwendung des Zeichens @ und der Gewöhnung des Verkehrs hieran wird das Publikum die angegriffene Marke daher nur als Angabe allgemeiner Art, nämlich als Hinweis auf das Internet, ansehen, dem Zeichen aber keinen individualisierenden Herkunftshinweis entnehmen (so auch BPatG, Beschl. v. 2. Dezember 2015 – 29 W (pat) 62/13 – @). Branchen, in denen das Internet keine Rolle spielen würde und in denen daher das @-Zeichen ungewöhnlich erschiene oder gar unbekannt wäre, sind nicht bzw. kaum mehr vorstellbar. Jedenfalls sind solche Branchen – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – hier nicht betroffen.

73

cc) Die Kennzeichnung der vorliegend registrierten Waren wie Bekleidung, Lebens- und Genussmittel, Getränke, Tabakwaren sowie Raucherartikel mit dem bekannten Internetsymbol @ verstehen die breiten inländischen Verkehrskreise ebenfalls nur als Hinweis auf die Erwerbsmöglichkeit im Wege des E-Commerce oder auf die Möglichkeit, Informationen über das Produkt im Internet zu erhalten, aber nicht als Angabe eines bestimmten Herstellers (so auch schon BPatG 29 W (pat) 40/01 – @). Dies gilt auch für den Anmeldezeitpunkt, den 5. Juli 2012.

74

aaa) Wie die Internetrecherche des Senats ergeben hat, waren alle diese Waren schon zum Anmeldezeitpunkt über das Internet zu erwerben:

75

(1) Im Jahre 2012 bildeten Bekleidung und Schuhe sogar die umsatzstärkste Warengruppe:

76

- „Interaktiver Handel 2012: Erneuter Umsatzrekord – E-Commerce-Anteil überspringt die 27 Milliarden Euro-Grenze … – Bekleidung ist mit Abstand die umsatzstärkste Warengruppe (10,78 Mrd. Euro)“ (Pressemitteilung des bevh vom 12. Februar 2013, www.bevh.org);

77

- „PwC-Analyse: Anteil der Online-Einkäufe im Einzelhandel wächst 2012 um 22 Prozent … Bei Kleidung und Schuhen war der Umsatz, der mit Onlineeinkäufen erzielt wurde, mit 6,8 Milliarden Euro am größten …“ (www.pwc.de).

78

(2) Auch wenn der inländische Marktanteil zu diesem Zeitpunkt noch nicht annähernd so hoch war wie bei Bekleidung und Schuhen, hatte der Lebensmittel-Einzelhandel Online schon seit langem begonnen und stand im Fokus der Lebensmittelbranche:

79

- „PwC-Analyse: Anteil der Online-Einkäufe im Einzelhandel wächst 2012 um 22 Prozent … Bei den Fast Moving Consumer Goods (Lebensmittel und Getränke sowie Kosmetik und Körperpflege), …, macht das Online-Geschäft nur 0,5 % aus“ (www.pwc.de);

80

- „Bünting bringt Lebensmittel – Die Bünting Handelsgruppe hat mit MyTime.de einen Onlineshop für Lebensmittel gestartet. Kunden aus ganz Deutschland können dabei aus dem Warenangebot eines stationären Vollsortimenters wählen – inklusive Tiefkühl-Pizza&Co. … Seit dem 23. April 2012 ist der Shop myTime.de unter dem Motto „Wir bringen Lebensmittel“ online …“ (Internetartikel in Lebensmittel online vom 27. April 2012);

81

- „Froodies kooperiert mit Schlemmertüte – 2012 wird das Jahr des Online-Lebensmittelhandels. Nicht mit Blick auf den Massenmarkt, aber doch mit Blick auf erste Claims, die nun abgesteckt werden müssen. …“ (Internetartikel in Lebensmittel online vom 16. Januar 2012);

82

- „Amazon steigert Kundenzufriedenheit von 37 % auf 78 % – Wettbewerber bleiben zurück – Aktuelle Studie der Consline AG – Amazon konnte seit Einführung des Online-Lebensmittelangebots die Kundenzufriedenheit deutlich steigern: Die von Nutzern in Social Media zum Amazon-Lebensmittelversand veröffentlichten Bewertungen waren im März und April 2012 zu 78 % positiv. Zum Start des Food-Angebots im Juli 2010 lag der Anteil positiver Bewertungen nur bei 37 % …“ (Internetartikel in Lebensmittel online vom 24. April 2012);

83

- „21. ECC-Forum 2012: Vertrauen als wichtiger Faktor im Lebensmittel Online Handel – Am 03. Mai 2012 fand das 21. ECC-Forum in Köln statt …“, Internetblog vom 15. Mai 2012;

84

- „Online-Handel mit Lebensmitteln: Neue Wege, neue Risiken? 6. Marburger Symposium zum Lebensmittelrecht 2012 – Der Online-Verkauf von Lebensmitteln leitete eine neue Ära des Lebensmittelhandels ein …“, DLR 2013, 33 ff..

85

(3) Auch Tabak- und Raucherartikel konnten schon seit vielen Jahren vor dem Anmeldezeitpunkt 2012 online erworben werden:

86

- „Mehr als tausend wütende Kunden“ – Frank Beckert bot monatelang über das Internet Zigaretten zum Schnäppchenpreis an …“ (Internetartikel zu Online-Zigaretten vom 13. Mai 2003);

87

- Vega Fina Sumum 2012 – Zigarren-Online-Shop seit 1998 (www.google.de);

88

- „Bonner Pfeifen- & Cigarrenhaus … Mitte 2005 eröffneten wir unseren Internetshop: www.bonner-cigarrenhaus.de …“;

89

- „ … Wir verkaufen Zigaretten um davon zu leben … rauchr.de startete am 01.04.2011 …“ (http://rauchr.de);

90

- „Maximaler Rauchgenuss mit Cigarmaxx – Cigarmaxx bietet seit dem Jahre 1997 ein umfangreiches und gut sortiertes Sortiment an Zigarren, Pfeifen, Pfeifentabak, … und Zubehör im Onlinebereich. Damit ist unser Shop einer der ältesten Zigarren-Onlineshops Deutschlands. …“ (www.cigarmaxx.de).

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bbb) Der Annahme fehlender Unterscheidungskraft steht dabei nicht entgegen, dass das @-Zeichen als Hinweis auf die Erwerbsmöglichkeit im Internet eine Vertriebsmodalität beschreibt.

92

Bei Bezeichnungen, die bestimmte Vertriebsmodalitäten angeben, handelt es sich um mittelbar beschreibende Angaben, denen die Eigenschaft, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen, abzusprechen ist (vgl. BGH GRUR 2007, 1071 Rdnr. 25 – Kinder II; BPatG 28 W (pat) 573/12 – EUROFLORIST). Denn zwischen dem (Ver-)Kauf im Internet und den Waren selbst besteht ein enger funktioneller Zusammenhang (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rdnr. 19 u. 28 – FUSSBALL WM 2006; BPatG GRUR 2007, 58, 60 – Buchpartner).

93

Die von der Antragsgegnerin angeführte Entscheidung des BGH zu BONUS (GRUR 1998, 465) hat sich nur mit der Freihaltebedürftigkeit des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG befasst, die bei nur mittelbar in Beziehung stehenden Vertriebsmodalitäten nicht angenommen werden könne. Ferner übersieht die Antragsgegnerin, dass das Merkmal des engen beschreibenden Bezugs nicht absolut und generalisierend zu ermitteln ist, sondern von den Umständen des Einzelfalls abhängt, nämlich vom Bedeutungsgehalt der konkret als Marke beanspruchten Bezeichnung und den konkreten Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung begehrt wird. Maßgeblich für die Feststellung, dass einer Bezeichnung jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt, ist in jedem Fall, ob der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und deshalb in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen sieht. Je bekannter der beschreibende Begriffsinhalt einer Bezeichnung ist, desto eher wird der Verkehr ihn auch dann als solchen erfassen, wenn der Begriff ihm im Zusammenhang mit der Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung entgegentritt.

94

Durch das @-Zeichen wird ein derart eindeutiger Bezug zum Internet hergestellt, dass nach der Lebenserfahrung ausgeschlossen werden kann, der Verkehr könne bei seiner Verwendung im Zusammenhang mit den Waren darin ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen sehen (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rdnr. 28 f. – FUSSBALL WM 2006). Erst recht benötigt er dazu nicht mehrere analysierende Gedankenschritte.

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ccc) Ebenso wenig vermag der Verweis der Antragsgegnerin darauf, dass eine herkunftshinweisende Verwendung der Marke auf den Waren denkbar sei, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen.

96

Allerdings gehören zu den Umständen, die in die Beurteilung der Unterscheidungskraft der Marke einzubeziehen sind, auch die üblichen Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Warensektor. Hierzu rechnet die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren und Dienstleistungen üblicherweise verwendet werden, und insbesondere die Stelle, an der sie angebracht werden (BGH WRP 2012, 1398 Rdnr. 20 – Neuschwanstein, GRUR 2008, 1093 Rdnr. 22 – Marlene-Dietrich-Bildnis I). Daher kann es von der tatsächlichen Art und Weise der Anbringung auf oder im Zusammenhang mit der betreffenden Ware oder Dienstleistung abhängen, ob ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen im Einzelfall als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Im Eintragungs- und Löschungsverfahren erfordert es die Annahme der Unterscheidungskraft nicht, dass grundsätzlich jede denkbare Verwendung des Zeichens markenmäßig sein muss. Es genügt, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das Zeichen bei den Waren und Dienstleistungen, für die es Schutz beansprucht, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird (GRUR 2014, 1204 Rdnr. 21 – DüsseldorfCongress; a. a. O. – Neuschwanstein; BGHZ 185, 152 Rdnr. 21 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 1100 Rdnr. 28 – TOOOR!). Die Anbringung eines Zeichens in der Art einer Marke auf der Ware, auf Etiketten der fraglichen Ware oder auf der Verpackung führt aber nicht ausnahmslos dazu, dass der Verkehr es als Herkunftshinweis versteht. Vielmehr kann auch bei dieser Art der Anbringung die Frage, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis ansieht, nach der Art des Zeichens und der Waren variieren, an denen es angebracht wird (vgl. BGH a. a. O. – Neuschwanstein; GRUR 2010, 838 Rdnr. 20 – DDR-Logo). Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Verkehr das Markenwort wegen einer besonderen Nähe zu den Verwendungsmöglichkeiten der Waren unabhängig von der konkreten Präsentation auf der Ware, auf Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder der Verpackung jeweils nur in einem beschreibenden Sinn auffasst und ihm deshalb keinen Herkunftshinweis entnimmt (vgl. BGH a. a. O. – Neuschwanstein; GRUR 2009, 411 Rdnr. 13 – STREETBALL; BGH a. a. O. Rdnr. 30 – TOOOR!). Bei der Beurteilung der Kennzeichnungsgewohnheiten ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Prüfung auf die wahrscheinlichste und naheliegendste Verwendungsform zu beschränken (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 Rdnr. 55 – Deichmann SE [umsäumter Winkel]).

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Die naheliegendste Verwendungsform der Streitmarke dürfte bei den in Rede stehenden Waren das Anbringen auf einem Etikett, einem Anhänger, auf der Vorderseite oder dem Deckel der Verpackung oder auf der Unterseite des Gegenstandes sein. Da sich darauf häufig nicht nur die Marke selbst, sondern auch weitere, meist beschreibende Angaben befinden, gibt es wegen dieser üblichen Verbindung bloßer Sachangaben mit markenmäßigen Kennzeichen am selben Ort für den Verkehr keine Veranlassung, allein aufgrund des Anbringungsortes dort befindliche Angaben stets als Marke und nicht als Sachangabe aufzufassen, zumal das @-Zeichen auch zum Anmeldezeitpunkt derart bekannt war, dass es ausschließlich als Hinweis auf das Internet wahrgenommen worden ist und wird.

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5. Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist auch bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht entfallen.

99

6. Ob weitere Löschungsgründe vorliegen, kann deshalb dahingestellt bleiben.

100

B. Beschwerde des Antragstellers

101

1. Die Markenabteilung des DPMA hat es zu Recht abgelehnt, der Antragsgegnerin die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens, insbesondere die von dem Antragsteller für die Ermittlung der Herkunft des @-Zeichens in Tansania geltend gemachten Telefon-, Kopier-, Recherche- und Frachtkosten in Höhe von insgesamt 636,-- €, gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aufzuerlegen.

102

a) Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Kostenentscheidung im patentamtlichen Verfahren ist § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, wonach das DPMA die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen kann, wenn dies der Billigkeit entspricht. § 63 Abs. 1 Satz 3 MarkenG geht im Grundsatz davon aus, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur). Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Demnach ist auch der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur).

103

b) Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BPatG 27 W (pat) 40/12 – mcpeople/McDonald′s; BPatGE 12, 238, 240 – Valsette/Garsette).

104

c) Im Löschungsverfahren liegen solche besonderen Umstände vor, wenn der Markeninhaber trotz einer ersichtlich begründeten Löschungsaufforderung an einer gemäß § 8 MarkenG schutzunfähigen Marke festhält und damit den Löschungsantrag provoziert. Ferner sind besondere Umstände gegeben, wenn der Markeninhaber schon im Zeitpunkt der Eintragung wusste oder bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt jedenfalls hätte wissen müssen, dass es sich bei der angemeldeten Bezeichnung um eine die beanspruchten Waren oder zumindest einen Teil der Waren und Dienstleistungen nach Art und Beschaffenheit beschreibende Angabe handelt, die im Geschäftsverkehr verwendet wird. Wer eine solche Bezeichnung anmeldet und ihre Eintragung erlangt, sei es wegen mangelnder Sachkunde des Prüfers auf dem speziellen Waren-/Dienstleistungsgebiet, fehlenden Zugangsmöglichkeiten zur einschlägigen Fachliteratur oder möglicherweise unzureichender Amtsrecherche, handelt im Hinblick auf den Bestand der Eintragung auf eigenes Risiko und hat daher im Falle der Löschung der zu Unrecht erfolgten Markeneintragung auf Antrag eines Dritten die gesamten Kosten des Löschungsverfahrens zu tragen (BPatGE 46, 71, 74 ff.). Besondere Umstände werden auch angenommen, wenn der Löschungsantrag auf Gründe gestützt wird, für die es weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur auch nur ansatzweise Gründe gibt oder wenn eine bösgläubige Markenanmeldung vorliegt.

105

d) Keiner der vorgenannten besonderen Umstände kann hier festgestellt werden.

106

aa) Da im Gegensatz zu allen früheren Entscheidungen zur Schutzfähigkeit des @-Zeichens dieses im vorliegenden Verfahren erstmals für Lebens- und Genussmittel, Getränke, Tabakwaren sowie Raucherartikel angemeldet und eingetragen worden ist und es sich nicht um eine unmittelbar beschreibende Angabe handelt, hat die Antragsgegnerin nicht schon im Zeitpunkt der Eintragung gewusst bzw. musste sie bei Anwendung der von ihr zu erwartenden Sorgfalt nicht wissen, dass das Zeichen schutzunfähig ist.

107

bb) Im Hinblick darauf, dass weder sie noch der Verkehr von dem behaupteten ostafrikanischen Kulturgut Kenntnis hatten, der Antragsteller vielmehr nur mit großem Aufwand und Kosten die Bedeutung hat ermitteln können, konnte sie auch nicht von der Möglichkeit ausgehen, dass ihr Zeichen gegen die guten Sitten oder gegen die öffentliche Ordnung verstößt.

108

cc) Es liegen auch keine Anhaltspunkte für eine Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke vor.

109

Eine bösgläubige Markenanmeldung wird angenommen, wenn die anmeldende Person in Kenntnis eines fremden, durch Vorbenutzung entstandenen, bundesweit schutzwürdigen Besitzstandes ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung oder Unterbindung dieses Besitzstandes als Kennzeichen eintragen lässt, wenn sie die mit der Eintragung entstehende Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzen will oder wenn sie die Markenanmeldung allein zu dem Zweck beabsichtigt, den Marktzutritt einer anderen Person zu verhindern, ohne die Marke selbst benutzen zu wollen (EuGH GRUR 2009, 763 Rdnr. 44 – Lindt & Sprüngli/Hauswirth; BGH GRUR 2016, 380 Rdnr. 17 – GLÜCKSPILZ m. w. N.; BGH GRUR 2016, 378 Rn. 18 ff. – LIQUIDROM).

110

aaa) Einen eigenen markenrechtlich relevanten schutzwürdigen Besitzstand, in den die Anmeldung der angegriffenen Marke eingreift, hat der Antragsteller nicht einmal behauptet.

111

bbb) Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die mit der Eintragung der Streitmarke entstehende Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzen wollte.

112

Ein fehlender Benutzungswille kann nicht festgestellt werden, weil die fünfjährige Benutzungsschonfrist noch nicht abgelaufen ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin ihre Marke auch nach Ablauf dieser Frist nicht in Benutzung nehmen will, hat der Antragsteller nicht vorgetragen und auch der Senat nicht feststellen können. Es liegen auch keine sonstigen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin die angegriffene Marke hauptsächlich oder ausschließlich zur Behinderung Dritter angemeldet hat. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass die Antragsgegnerin ihn oder Dritte wegen der Benutzung des @-Symbols abgemahnt oder ihn oder Dritte zum Erwerb von Rechten an bzw. aus der angegriffenen Marke genötigt hat oder dies künftig zu erwarten ist.

113

2. Aus den gleichen vorstehenden Gründen kommt gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG auch nicht die vom Antragsteller beantragte Auferlegung der Kosten für das Beschwerdeverfahren auf die Antragsgegnerin in Betracht.

114

3. Die vom Antragsteller begehrte Rückzahlung der patentamtlichen Löschungsgebühr nach § 63 Abs. 2 MarkenG i. d. F. bis zum 30. Juni 2016 und der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG kann ebenfalls nicht angeordnet werden.

115

a) Die Rückzahlung ist nach den vorgenannten Vorschriften anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen des Löschungsantragstellers bzw. Beschwerdeführers einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Dabei ist der Erfolg des Löschungsantrages oder der Beschwerde kein Rückzahlungsgrund. Es müssen auch hier besondere Umstände hinzukommen.

116

Billigkeitsgründe für die Rückzahlung können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern wie der Verletzung rechtlichen Gehörs in der Vorinstanz ergeben. Die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung an sich noch nicht. Diese kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsanwendung als völlig unvertretbar erscheint, z. B. weil eindeutige gesetzliche Vorschriften oder eine gefestigte Amtspraxis bzw. eine ständige Rechtsprechung unbeachtet geblieben sind (BPatG 30 W (pat) 20/08 – Signalblau und Silber).

117

b) Vorliegend sind weder Verfahrensfehler des DPMA noch Fehler bei der Anwendung materiellen Rechts für die Stellung des Löschungsantrages vorgetragen oder erkennbar.

118

Denn die Eintragung der angegriffenen Marke durch das DPMA erstmals für Lebensmittel, Getränke, Tabakwaren sowie Raucherartikel war nicht völlig unvertretbar. Jedenfalls lagen noch keine einschlägigen Entscheidungen zur Frage der Schutzfähigkeit des @-Zeichens für diese Waren vor.

119

c) Der Antragsteller ist auch nicht durch ein verfahrensfehlerhaftes und/oder unzweckmäßiges Verhalten oder durch eine völlig unvertretbare Rechtsanwendung des DPMA (BPatGE 50, 54, 60 – Markenumschreibung) zu seiner Beschwerde gegen die Kostenentscheidung veranlasst worden.

120

Denn das DPMA ist vom markenrechtlichen Grundsatz ausgegangen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt, was vorliegend nicht nur vertretbar, sondern zutreffend war. Dabei hat es nach dem Beschlusswortlaut auch sonstige Gründe – und somit auch die Frage einer bösgläubigen Markenanmeldung – berücksichtigt.