Entscheidungsdatum: 03.07.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 044 984.5
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 3. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I
Gegen die Eintragung der Marke 30 2008 044 984
Bäckpäcks
für die Waren
„Klasse 12: Fahrradtaschen, Gepäcktaschen für Zweiräder
Klasse 18: Fertigwaren aus Leder oder Lederimitationen, nämlich Taschen und andere, nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse sowie Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen; Taschen aller Art (soweit in Klasse 18 enthalten), insbesondere Badetaschen, Brieftaschen, Campingtaschen, Einkaufstaschen, Handtaschen, Jagdtaschen, Kindertragetaschen, Reisetaschen, Aktentaschen; Schulranzen; Packsäcke, Rucksäcke; Reisenecessaires (Lederwaren); Reise- und Handkoffer, Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke
Klasse 28: Speziell an Sportgeräte und Sportartikel angepasste Taschen“
ist Widerspruch erhoben aus der nach einer auf Antrag des Widersprechenden erfolgten Teillöschung noch für die Waren
„Klasse 12: Transportbehälter aus Gewebe oder Kunststoff für Fahrzeuge;
Klasse 22: Planen, Säcke, Netze, Fahrzeugplanen“
eingetragenen prioritätsälteren Marke 305 08 611
BAG PAX.
Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den Widerspruch hin mit Beschluss vom 12. Mai 2010 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 30 2008 044 984 für die Waren „Fahrradtaschen, Gepäcktaschen für Zweiräder; Fertigwaren aus Leder oder Lederimitationen, nämlich Taschen und andere, nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse sowie Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen; Taschen aller Art (soweit in Klasse 18 enthalten), insbesondere Badetaschen, Brieftaschen, Campingtaschen, Einkaufstaschen, Handtaschen, Jagdtaschen, Kindertragtaschen, Reisetaschen, Aktentaschen; Schulranzen; Packsäcke, Rucksäcke; Reisenecessaires (Lederwaren); Reise- und Handkoffer; speziell an Sportgeräte und Sportartikel angepasste Taschen“ angeordnet.
Auf die Erinnerung der Markeninhaberin hat die Markenstelle diesen Beschluss mit dem weiteren Beschluss vom 13. Februar 2012 aufgehoben, soweit wegen des Widerspruchs die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden war, und den Widerspruch auch insoweit zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, zwischen den beiderseitigen Marken bestehe keine markenrechtlich relevante Verwechselungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Zwar seien die Waren, für die die Marken eingetragen sind, zum Teil identisch bzw. hochgradig ähnlich. Dennoch sei eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu verneinen, weil die Widerspruchsmarke nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft aufweise und ihr deshalb auch nur ein sehr eingeschränkter Schutzumfang zukomme, den die angegriffene Marke nicht verletze. Sowohl die Widerspruchsmarke als auch die angegriffene Marke stellten in Bezug auf die hier relevanten Waren Abwandlungen des englischen beschreibenden Begriffs „Backpacks“ mit der Bedeutung „Rucksäcke“ dar. Aus dieser Anlehnung an einen für die hier verfahrensgegenständlichen Waren beschreibenden Begriff ergebe sich ein entsprechend eng zu bemessener Schutzumfang der Widerspruchsmarke, der sich auf ihre schutzbegründende Eigenprägung, nämlich auf die konkrete Abweichung von der beschreibenden Angabe in der Art der Wortbildung und der Schreibweise beschränke. Ihre schutzbegründende Eigenprägung beziehe die Widerspruchsmarke daraus, dass die für die maßgeblichen Waren der Klassen 18 und 22 beschreibende Angabe „backpacks“ durch die klanglich identische, jedoch im Schriftbild abweichende Wortkombination „Bag Pax“ ersetzt worden sei. Demgegenüber sei die angegriffene Marke gegenüber der beschreibenden Angabe „backpacks“ dadurch abgewandelt, dass die Buchstaben „a“ jeweils durch ein „ä“ ersetzt worden seien. Durch diese andersartige Abwandlung, die keine entscheidungserhebliche Ähnlichkeit zur Widerspruchsmarke aufweise, werde ein markenrechtlich hinreichender Abstand zur Widerspruchsmarke geschaffen.
Dagegen wendet sich der Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Auffassung, bei dem Begriff „backpacks“ handele es sich für die Waren, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, um eine unterscheidungskräftige, nicht beschreibende Angabe. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, inwieweit der Begriff „backpacks“ einen beschreibenden Begriffsgehalt für die in Klasse 22 eingetragenen Waren „Planen, Decken, Netze, Fahrzeugplanen“ aufweise. Auch zur Beschreibung der Waren der Klasse 12 sei der Begriff „backpacks“ ungeeignet. Soweit die Markenstelle auf Tankrucksäcke für Motorräder und diesbezügliche Internetseiten verwiesen habe, könnten diese Seiten die Benutzung der Bezeichnung „backpacks“ für solche Tankrucksäcke in Deutschland nicht nachweisen, weil sich die in Bezug genommenen Seiten entweder auf Tauchrucksäcke bezögen, die nicht zu den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren zählten, oder nur eine Verwendung der Bezeichnung „backpack“ in Großbritannien erkennen ließen. Die Auszüge aus deutschsprachigen Internetseiten enthielten dagegen nur den deutschsprachigen Begriff „Tankrucksack“. Auf die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin hin hat der Widersprechende Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke vorgelegt.
Der Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Februar 2012 aufzuheben und die Erinnerung der Markeninhaberin zurückzuweisen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke.
II
Die zulässige Beschwerde des Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Bestimmung ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke auszugehen, wobei ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 387, 389 – Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, 345 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2004, 594, 596 – Ferrari-Pferd; GRUR 2010, 729, 731 - MIXI). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (EuGH GRUR 2003, 55, 57 ff., Nr. 51 – Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155, Nr. 59 – Anheuser-Busch/Budvar: GRUR 2007, 318, 319, Nr. 21 - Adam Opel/Autec).
Ausgehend von diesen maßgeblichen Rechtsgrundsätzen hält die angegriffene Marke gegenüber der Widerspruchsmarke den gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG markenrechtlich gebotenen Abstand in jeder Richtung ein.
Zwar besteht zwischen den beiderseitigen Waren teilweise Identität i. S. d § 9 MarkenG. Die Waren der Klasse 12 „Transportbehälter aus Gewebe oder Kunststoff für Fahrzeuge“, für die der Widersprechende auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin hin Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt hat, so dass von diesen Waren allein für die Beurteilung der Warenähnlichkeit auszugehen ist, umfassen auch „Fahrradtaschen“ und „Gepäcktaschen für Zweiräder“, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde. Ob und in welchem Grade auch die übrigen Waren, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, mit den von der Widersprechenden benutzten Waren Ähnlichkeit aufweisen, bedarf keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat. Denn zwischen den beiderseitigen Marken besteht auch im Bereich identischer Waren keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr, da die Widerspruchsmarke nur einen sehr geringen Schutzbereich beanspruchen kann, den die angegriffene Marke nicht verletzt.
Da der Schutzumfang einer Marke von ihrer Kennzeichnungskraft abhängt, ist deren konkrete Feststellung im Einzelfall unabdingbare Voraussetzung und Grundlage für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG (BGH GRUR 2002, 171, 174 – Marlboro-Dach; GRUR 2008, 505, 507 - TUC-Salzcräcker).
Eine Marke verfügt über ein Mindestmaß an Kennzeichnungskraft, wenn sie geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH MarkenR 1999, 189, 194, Nr. 49 – Chiemsee; MarkenR 1999, 236, 239, Nr. 22 - Lloyd/Loints). Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft ist dabei maßgeblich, inwieweit sich die Marke dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart und ihres ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Produkt- und Leistungskennzeichnung einzuprägen vermag, so dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die fragliche Marke einen die geschützten Waren und/oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH GRUR 2008, 905, 907, Nr. 16 – Pantohexal; GRUR 2008, 1002, 1004, Nr. 26 - Schuhpark). Solche Marken verfügen nur über eine geringe Kennzeichnungskraft und einen dementsprechend eingeschränkten Schutzbereich. Insoweit kann dann auch eine tatsächliche hochgradige Ähnlichkeit der Marken keine Verwechslungsgefahr im Rechtssinne begründen (BGH GRUR 2003, 963, 964 f. - AntiVir/AntiVirus; BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 71/08, Beschluss vom 23.06.2009 – systech/Systec).
Die Widerspruchsmarke „BAG PAX“ stimmt bei einer englischsprachigen Aussprache als „BÄG PÄCKS“, die angesichts der Tatsache, dass es sich bei ihrem ersten Wortbestandteil „BAG“ um ein auch im Inland bekanntes Wort des englischen Grundwortschatzes mit der Bedeutung „Tasche“ handelt, sowie angesichts der Tatsache, dass es sich bei den Waren, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist und benutzt worden ist, um Transportbehälter handelt, die auch taschen- oder rucksackartige Transportbehältnisse umfassen, klanglich mit dem englischen Begriff „backpacks“ überein, mit dem Rucksäcke bezeichnet werden. Die Widerspruchsmarke bezeichnet somit in klanglicher Hinsicht die Art der eingetragenen und benutzten Waren. Dass sie sich in schriftbildlicher Hinsicht von der beschreibenden Angabe „backpacks“ unterscheidet, reicht nicht aus, um ihr eine normale, ungeschmälerte Kennzeichnungskraft beizumessen, weil bei Wortmarken, die gelesen und gehört werden können, eine die Unterscheidungskraft begründende Abweichung von der jeweiligen Sachangabe sowohl im visuellen wie auch im akustischen Gesamteindruck erforderlich ist, um sie als Marke eintragen zu können (EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor; EuG GRUR Int. 2008, 1037 - BioGeneriX; BPatG GRUR-RR 2008, 49, 50 – Lastminit). Der Widerspruchsmarke kann angesichts der Tatsache ihrer Eintragung im Widerspruchsverfahren zwar nicht jegliche Kennzeichnungskraft abgesprochen werden. Ihre Kennzeichnungskraft und ihr Schutzumfang sind jedoch wegen der klanglichen Übereinstimmung mit der beschreibenden Angabe „backpacks“ äußerst eng zu bemessen und auf ihre eintragungsbegründende Eigenprägung beschränkt (BGH a. a. O. - MIXI; GRUR-RR 2010, 205, 208 – Haus & Grund IV). Diesen eng begrenzten Schutzbereich der Widerspruchsmarke verletzt die angegriffene Marke nicht.
In schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich die beiderseitigen Marken, die außer in dem Anfangsbuchstaben „B“ in keinem Buchstaben übereinstimmen, deutlich voneinander. In klanglicher Hinsicht stimmen sie zwar bei der zu erwartenden oder zumindest nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließenden englischen Aussprache überein, weil die angegriffene Marke die lautschriftliche Wiedergabe des englischen Wortes „backpacks“ darstellt. Trotz dieser klanglichen Übereinstimmung ist eine die Gefahr von Verwechslungen begründende Zeichenähnlichkeit aber in markenrechtlicher Hinsicht nicht gegeben. Ist eine Marke an einen die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff – hier: backpacks – angelehnt und erlangt sie Unterscheidungskraft nur durch von der beschreibenden Angabe abweichende Elemente – hier eine abweichende Schreibweise -, ist bei der Prüfung der Ähnlichkeit der Kollisionszeichen nur auf diejenigen Merkmale abzustellen, die der Marke Unterscheidungskraft verleihen. Kommen diese Merkmale im Klang, im Bild oder in der Bedeutung der Marke nicht zum Ausdruck, können sie in dieser Hinsicht (Klang, Bild oder Bedeutung) eine Zeichenähnlichkeit nicht begründen (BGH GRUR 2012, 1040 – pjur/pure). Deshalb ist auch im vorliegenden Streitfall, in dem die Unterschiede der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke gegenüber der für die hier maßgeblichen Waren beschreibenden Angabe „backpacks“ bei klanglicher Wiedergabe der Widerspruchsmarke in englischer Sprache nicht in Erscheinung treten, eine markenrechtlich relevante klangliche Ähnlichkeit der Marken, die eine Verwechslungsgefahr begründen könnte, aus Rechtsgründen zu verneinen.
Letztlich ist ausgehend von dem Grundsatz, dass eine schutzunfähige Angabe für sich gesehen nicht Grundlage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr sein kann, auch die Übereinstimmung der beiderseitigen Marken in dem beschreibenden Begriff „backpacks“ nicht ausreichend, um ihre begriffliche Ähnlichkeit zu bejahen. Mangels einer markenrechtlich erheblichen Verwechslungsgefahr der beiderseitigen Marken kann der Widerspruch aus der Marke 305 08 611 sowie die Beschwerde des Widersprechenden damit keinen Erfolg haben, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.
Die Frage, ob die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen ausreichend sind, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren „Transportbehälter aus Gewebe oder Kunststoff für Fahrzeuge“ glaubhaft zu machen, konnte angesichts der Tatsache, dass zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr besteht, dahingestellt bleiben.
Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen auf eine der Verfahrensbeteiligten (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG) gibt weder die Sach- und Rechtlage noch das Verhalten der Beteiligten Anlass.